BETRIEBSFÜHRUNG Mieten statt kaufen Traktoren und Mähdrescher werden verstärkt geleast – mit Folgen für den Handel Trotz abbröckelndem Geschäft mit Neumaschinen sind einige der “Großen” im Vertriebsgeschäft mit dem vergangenen Jahr zufrieden. Als Grund wird sehr oft der prozentual zweistellige Anteil der über den Mietpark “an den Mann gebrachten” HochleiTipps für diese Vertriebsart gibt Ihnen Dr. Adolf Forster. V or drei oder vier Jahren war die Miete von Geräten, Anlagen und baulichen Einrichtungen kein Thema für deutsche Landwirte und damit auch nicht für die Landmaschinen-Fachbetriebe. Anders sah es im Bereich Büromaschinen sowie -anlagen, großen Baumaschinen und Erdbewegungsgeräten aus. Je nach Strategie des Herstellers und der Spezialisierung des Vertriebs- sowie Kundendienstpartners werden in diesen Marktsegmenten bei bestimmten Gerätereihen zwischen 60 bis Foto: Archiv stungsmaschinen genannt. 90 Prozent der Produkte vermietet. Ganz ähnlich sieht es beim Vertrieb schwerer Lkw aus. Die Situation in der EU In England wurden in den letzten Jahren fast zwei Drittel der Großtechnik (Profi-Einsatz) von der Landwirtschaft gemietet; in Schweden nur geringfügig weniger. Die Miete-Struktur in diesen beiden Märkten: 20 bis 25 Prozent Neumaschinen, der Rest besteht aus “jungen” Gebrauchten. Unter Wer mietet was? Miet-Geräte/-Systeme Profi-Landwirte Groß-Traktoren (meist Groß-Ldw.) AgroServices Lohnunternehmer Maschinenringe ●● ● ● ●●● ●● ● ●● ● ● – ● ●● ● – ●● ● ●●● – ● ● ●● – – – ●●● – ●●● – – – ● ●●● ● – Spezial-Traktoren (=System-Traktoren,Raupen) SF-Spritzen Mähdrescher SF-Häcksler Harvester (Forsttechnik) Melkroborter Mietgeräte im Systemangebot mit GPS ● = verhaltene 68 ●● = mittlere ●●● = größere Nachfrage jung verstehen die Kunden zum Beispiel Traktoren, die maximal acht Monate alt sind und zwischen 600 bis 800 Betriebsstunden genutzt wurden. Für Mähdrescher gilt die Faustregel 500 bis 800 Hektar Druschleistung oder zwei Saisoneinsätze. Aufgrund der ungünstigen strukturellen Rahmenbedingungen in den alten Bundesländern gehen die Uhren in Deutschland noch etwas anders. Von den Großmaschinen wurden im vergangenen Jahr schätzungsweise nur fünf Prozent vermietet. Dabei gab es große Unterschiede bei den einzelnen Lieferanten. Das Herstellerverhalten ist zur Zeit noch sehr differenziert und reicht – selbst unter den “Globals” – von grundsätzlich “Nein” über “noch abwartend” bis hin zu der Aussage: “elf Prozent der Mähdrescher, 15 Prozent der Traktoren, 25 Prozent der Raupen vermietet”. In den neuen Bundesländern gibt es Regionen, in denen fast die Hälfte der Großmaschinen im Mietpark arbeiten. Die Gründe der Mietkunden Kunden, die Maschinen mieten, sind entweder beinharte Rechner in Bezug auf die Betriebswirtschaft oder solche, die aus Gründen der Flexibilität, Kapitalbindung, Bonität oder Liquidität mieten statt kaufen. Hier nur einige Antworten aus Befragungen von Mietern. AGRARTECHNIK MÄRZ 2001 AGRARTECHNIK MÄRZ 2001 Ziele Systemvollständigkeit Maschinenwert Strukturelle Veränderungen zwischen Verkauf und Vermietung Sruktur Verkauf/Vermietung Maschineneinsatz: besser planbarer Nutzungsgrad, größere Flexibilität, leichter zu ermittelnde und transparentere Leistungssätze (Betriebsstunden, Hektar, Tonnen je Kilometer). Die Mietzahlungen entsprechen weitgehend den verrechenbaren Leistungen; Standzeiten fallen kaum an, soweit die Leistungszahlen vertragskonform sind; hohe Beweglichkeit bei der Bewältigung von Arbeitsspitzen. Technik: Eine Maschinenspezifikation nach Einsatz ist gegeben. Bei der Neumaschinenmiete ist der Betrieb immer auf dem neuesten Stand der Technik. Miete sorgt für höchste Maschinenverfügbarkeit sowie Betriebssicherheit, Gewährleistungs- und Versicherungsrahmen. Finanztechnische Aspekte: Eigenkapital kann voll in den lukrativeren operativen Bereich eingebracht werden. Es gibt keine langfristige Kapitalbindung oder teure Finanzierungen, dadurch ist eine Bonitätsund Liquiditätssteigerung gegeben, was eine Besserstellung bei den Banken zur Folge hat. So können zum Beispiel nur 20 Prozent der deutschen Lohnunternehmer eine recht solide Bonität nachweisen. Bei den anderen Unternehmen ist die Miete aus der Sicht von Banken eine wichtige Alternative geworden. Die Wirtschaftlichkeit verbessert sich durch Kostentransparenz, eine generelle Kostensenkung ist gegeben. Mietmaschinen können auch ein vertraglicher Testeinsatz sein, der unter Teilanrechnung der Miete in Professionalität Systemangebot (GPS) Flexibilität Schlagkraft Einsatzsicherheit Kapitalbindung Kundendienstvertrag All-inMiete Verkauf einen Kauf mündet. Bilanz und Steuer: Abschreibungen entfallen; die Mietaufwendungen sind Kosten und damit Verluste; beim Gerätewechsel ist kein Buchgewinn-Handling notwendig. Wer mietet wann was? Der Trend zur Miete wird auch von immer komplexeren – und damit kostenintensiveren, kapitalbindenden – Einzelmaschinen und Systemen mit GPS-Steuerung oder Melkrobotern plus Herdenmanagement forciert. Mittel- bis langfristig gesehen löst Mieten den klassischen Kauf und Verkauf Vermietung ab. Unterscheiden muss man zwischen Neumaschinen-Kurz- und Langzeitmiete sowie der Gebrauchtmaschinen-Miete. Die kurzzeitige Miete von neuen Maschinen ist typisch für den Einsatz neuer Großtraktoren mit einer Einsatzzeit von Februar/März bis November. Die zu verrechnende Leistung liegt in den alten Bundesländern im Schnitt bei rund 800 Betriebsstunden, im Osten kann durchaus die dreifache Stundenzahl zusammenkommen. Langzeit-Mietverträge sind typisch für hochwertige Selbstfahrer. Das klassische Beispiel ist der Mähdrescher. Wenn es sich um echte Mietverträge handelt, werden A 69 BETRIEBSFÜHRUNG neue Hightech-Maschinen in der Regel mit einer Laufzeit von zwei bis vier Jahren zu Papier gebracht. Je nach Typ werden jährliche Mindestleistungen in Hektar Druschleistung definiert. Gebrauchtmaschinen werden fast ausschließlich auf Kurzzeitbasis gemietet, von Ausnahmen abgesehen ist dies meist eine Saison. Geht es um Spitzenbrecher oder auftragsbezogene Einsätze, kann die Einsatzdauer auch auf nur wenige Tage oder Wochen beschränkt sein. Die Vermietung von “jungen” Gebrauchtmaschinen eröffnet den Herstellern und ihren Vertriebspartnern neue, interessante Geschäftsperspektiven. Voraussetzung ist allerdings die Beherrschung des professionellen Mietgeschäftes aus technischer, kaufmännischer, finanzieller und rechtlicher Sicht. Durchschnittliche Erfahrungswerte aus den beiden vergangenen Jahren zeigen, dass von den “jungen” Profigeräten nur rund ein Drittel auf dem Heimmarkt bleiben. Je nach Fabrikat werden davon rund die Hälfte vermietet. Die andere Hälfte geht in den Export, und zwar zu 60 Prozent in die Märkte Europas, der Rest in den Osten. Die Banken errechnen sich aus dem Mietgeschäft eine interessante Wertschöpfung. Ihre Erfahrungen gewinnen sie aus dem Lkw- und Baumaschinengeschäft. Sie übertragen dieses Know-how jetzt auf das Traktoren- und Landmaschinengeschäft. Miete als Marketinglnstrument Über Mietverträge lassen sich neue Maschinen schneller und leichter einführen. Sollte sich ein neues Produkt als “Ladenhüter” erweisen, kann es aber auch schnell ohne “Restbestände” wieder von bestimmten Märkten abgezogen werden. Vorsicht: Es ist verwerflich und für das Mietgeschäft destruktiv, wenn zum Beispiel Newcomer oder Quereinsteiger auf Mietbasis mit “umgepinselten” Geräten in ein neues Geschäftsfeld eintreten möchten. Die Rechnung wird mit solchen Methoden nicht aufgehen. Diese Art von “Miete” ist absolut kontraproduktiv für die betreffenden Unternehmen und Marken. Die Vermietung kommt aber auch zum Zug Mieten statt kaufen in Deutschland Wer mietet? Agrartechnik-Grafiken Dienstleister, Banken, Versicherungen Was wird vermietet? 25% Wem gehört die Maschine? 60% Fahrzeuge 15% Gebäude Industrie und Bau 23% Verkehr 18% Handel 15% 10% Büromaschinen,EDV Privatpersonen 12% 9% Produktionsanlagen sonstige 7% 5% techn. Geräte u.ä. Folgen für den Vertrieb Die Proportionen zwischen klassischem Verkauf, allen möglichen Finanzierungsalternativen und der Miete werden sich künftig verschieben. Das Ausmaß ist marken- und geräteabhängig. Je teurer Ackerschlepper sowie komplette Problemlösungen werden, umso mehr wird sich der Anteil vermieteter Systeme erhöhen. Hinzu kommen noch die aus Sicht der Hersteller strategisch wichtigen Stoßrichtungen, wie zum Beispiel “marktkonforme Bedienung der Mietkunden” oder “Miete als eine neue Alternative zur klassischen Finanzierung”. Letztere haben Kunden, Lieferanten, aber vor allem darauf spezialisierte Banken fast gleichzeitig “entdeckt”. 70 unverzichtbares strategisches Instrument zur Erhöhung der Umschlagshäufigkeit und zur “Erzeugung” von “jungen Gebrauchten” ist. Die Nachfrage in Europa und im Ausland kann aus dem “normalen” Aufkommen der relativ neuwertigen Gebrauchtmaschinen nicht gedeckt werden. Das gilt auch schon für einige Ackerschlepper- und Landmaschinenproduzenten. Die strategische Konsequenz für diese Unternehmen: Preislich gezielt gesteuerte Vermietung von Neumaschinen mit relativ kurzen Mietlaufzeiten, damit diese Geräte wieder rasch und in gewünschter Stückzahl zurückkommen. So kann ein Lieferant die Umschlagshäufigkeit beeinflussen. Nach einem professionellen “Reconditioning” werden diese Gebrauchtmaschinen mindestens einmal, je nach Gerät und Markt aber auch mehrmals weitervermietet. Der “konventionelle” Gebrauchtmaschinen-Verkauf erfolgt in solchen Fällen nach mehreren Mietperioden.Bereits heute geht rund ein Drittel der Selbstfahrer – mit steigender Tendenz – in die Zweitmärkte, dazu zählt verstärkt auch Mittelund Osteuropa. Die für diese Märkte recht teuren Mieten sind aber oft die einzige Alternative, Westtechnologie einzusetzen. Einer der Gründe, die gegen einen Kauf sprechen: Die Bonität der dortigen Kunden – oder die Verfügbarkeit von Finanzmitteln – ist häufig nicht gegeben. – vielleicht ist in einem solchen Fall von einem Missbrauch zu sprechen – wenn Überbestände oder geplatzte Exportaufträge “abzuwickeln” sind. Solche, auf dem EU-Markt nicht mehr zu verkaufende Stückzahlen wurden in der Vergangenheit – Stichwort Mähdreschersaison 2000 – teilweise mit nur 25 bis 35 Prozent des rechnerisch nachvollziehbaren Mietpreises “an den Mann gebracht”. Ein solches Vorgehen hat nichts mit einer UnternehmensStrategie zu tun. Umschlagshäufigkeit steigt Die Erfahrungen der letzten Jahre bei den international tätigen Lkw- und Baumaschinen-Herstellern lehrt, dass die Miete ein So attraktiv die Miete zu klassischen Finanzierungs-Alternativen scheinen mag, so wichtig sind bei solchen Geschäften die Details, zum Beispiel die Eigentumsverhältnisse. Zu unterscheiden ist meist zwischen drei Alternativen. Vertriebspartner als Eigentümer: Das Mietgerät wird vom LandmaschinenFachbetrieb zur Verfügung gestellt. Mit Blick auf die Kapitalbindung und damit Liquidität kann man “durchschnittlichen” Vertriebsunternehmen mit zweistelligen Millionen-Umsätzen von einem eigenen Mietpark nur abraten. Er sollte im Zweifelsfall nur auf ein paar Stück begrenzt sein, auf einige Neutraktoren und wenige Gebrauchtmaschinen für die Kurzzeitmiete als “Spitzenbrecher”. Für Großunternehmen mit einem im oberen zweioder dreistelligen Bereich angesiedelten Millionenumsatz sind eigene Mietsysteme gängige Praxis. Banken als Eigentümer: Es sind oft Töchter oder Halbtöchter von international tätigen Unternehmen, egal ob im Markt für Lkw, Baumaschinen oder Landtechnik. Diese Spezialisten sehen im Mietgeschäft einen attraktiven Wachstumsmarkt mit hoher Wertschöpfung. In Mittel- und Ost- AGRARTECHNIK MÄRZ 2001 Wandel im Landmaschinengeschäft und bei der Finanzierung Bedeutung und Gewichtung in den nächsten 10 Jahren 100 90 80 All-inMiete Miete LieferantenFinanzierung FullServiceVertrag 70 klassischer Maschinenverkauf 60 50 40 Fazit Leasing 30 Kompensationsgeschäfte Ratenzahlung 20 Finanzierung m. Lokalbanken 10 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 Bedeutung und Gewichtigkeit in den letzten 15 Jahren europa wurden besonders österreichische Banken mit Töchtern aktiv. Sie entwickelten im Schulterschluss mit Kompensationsunternehmen professionelle Mietsysteme. Hauseigene Banken der “Globals”: Die AGRARTECHNIK MÄRZ 2001 sind aus einem Guss. Dieses Modell ist häufig auch das rechnerisch attraktivste, sicher aber das von höchster Perfektion und vor allem Flexibilität. Die Miete ist für einige Großkonzerne ein wichtiges Instrument zur Erschließung und Sicherung neuer Gebrauchtmaschinenmärkte geworden. Mit dieser Art des Geschäftes bauen sie sich weitere Zukunftsmärkte auf. strategisch beste Lösung ist jedoch die Mietabwicklung “im Haus” durch “XY-Credit” oder “Z-Finance”. Planung, Marketing, Lieferung und Finanzierung bis hin zum Kundendienstvertrag (als Controlling-lnstrument) Der klassische Maschinenverkauf mit Bar- oder Ratenzahlung sowie Finanzierung über Lokalbanken verliert künftig immer mehr an Bedeutung. Beim Vertrieb – besonders durch die Genossenschaften – werden auch die klassischen “Kompensationsgeschäfte” zurückgehen. In den nächsten Jahren wird sich der Einsatz moderner Technik deutlich verlagern, und zwar auf: ■ Lieferanten-Finanzierung über eigene oder mit dem Lieferanten verschränkte Banken, ■ klassische Mietgeschäfte sowie ■ Full-Service- und die so genannte AllInclusive-Miete. (wl) 71