Zusammenfassung 95 ZUSAMMENFASSUNG Für den Schutz von Wölfen ist es notwendig zu wissen wie sie mit anthropogenen Veränderungen ihrer Umwelt zu Recht kommen. Da die Beeinflussung des Wolfes durch den Menschen nicht eindeutig und leicht zu messen ist, benutzte ich vielfältige Methoden, um das Thema von verschiedensten Seiten zu bearbeiten. Zudem untersuchte ich zwei unterschiedliche Wolfspopulationen, welche unter sehr verschiedenen Umweltbedingungen leben, um die Übertragbarkeit und Limitationen meiner Schlussfolgerungen zu testen. In Kapitel 2 bearbeitete ich die Fragestellung, ob diverse Methoden zur Erhebung von Wolfsvorkommen gleiche Ergebnisse liefern. Hierzu wurden drei mit Sendehalsbändern ausgestattete Wölfe telemetrisch überwacht, während des Winters wurde Schneekartieren durchgeführt, sowie während des restlichen Jahres systematisch nach Wolfskot gesucht. Anschließend wurde die Verteilung von Gebieten mit unterschiedlichem Wolfsvorkommen, basierend auf Daten, welche an Hand der zuvor genannten Erhebungsmethoden gesammelt wurden, verglichen. Alle drei Methoden lieferten ähnliche Ergebnisse bezüglich des Wolfsvorkommens. Die systematische Suche nach Wolfskot war zeitlich gesehen die effektivste Methode, jedoch lieferte sie auch die geringsten Informationen. Das Schneekartieren war ähnlich zeiteffektiv, kann jedoch nur in kalten Gegenden und im Winter eingesetzt werden. Die Telemetrie ist nicht empfehlenswert zur großflächigen Erhebung von Wolfsvorkommen, da sie sehr kostspielig und zeitaufwendig ist. Um jedoch Informationen über Aktivität und Habitatnutzung in kleineren Untersuchungsgebieten zu erhalten, ist sie die bevorzugte Methode. Im 3. Kapitel befasste ich mich mit dem Aspekt des anthropogenen Einflusses auf die Habitatwahl von Wölfen. Nach einer Charakterisierung der Wolfshabitate bezüglich Landnutzung, Beutedichte und anthropogenen Einflüssen, wurden sie mit wolfsfreien Gebieten verglichen. Wolfshabitate in Portugal wiesen stark erhöhte Dichten an Vieh, geringere Präsenz von Menschen, sowie weitläufige offene Landschaften auf. Ein Habitatnutzungsmodell, welches mit Hilfe logistischer Regression erstellt wurde, identifizierte Viehdichte und Straßendichte als die Hauptfaktoren bei der Beeinflussung von Wolfsvorkommen. Der negative Einfluss anthropogener Infrastrukturen auf Wölfe wurde des Weiteren deutlich durch von Wölfen gezeigtes Meidungsverhalten gegenüber großen Straßen und Siedlungen. Da Wölfe unter verschiedenen Umweltbedingungen unterschiedlich auf die Anwesenheit von Menschen zu reagieren scheinen, was durch mannigfaltige Studien zur Habitatwahl von 96 Zusammenfassung Wölfen festgestellt wurde, ist es ratsam, die Übertragbarkeit der zuvor gezogenen Schlussfolgerungen auf andere Wolfspopulationen zu testen. Aus diesem Grund wiederholte ich in Kapitel 4 die zuvor in Kapitel 3 durchgeführten Analysen mit Daten, welche in einem zweiten Untersuchungsgebiet in Polen erhoben wurden. Wolfsgebiete wiesen höhere Viehdichten, niedrigere Schalenwilddichten, geringere anthropogene Einflüsse und eine stärkere Bewaldung auf. Diese Ergebnisse zeigen, dass der beständigste Faktor für die Vorhersage von Wolfsvorkommen die anthropogenen Einflüsse sind. Die Verteilung verschiedener Landnutzungstypen innerhalb der Wolfshabitate war in den zwei Untersuchungsgebieten gegenläufig. Sie spiegelte jedoch die Unterschiede in der Beutezusammensetzung der zwei Wolfspopulationen wider. Das zuvor erstellte Habitatnutzungsmodell sagte die Verteilung geeigneter und ungeeigneter Habitate voraus, insgesamt unterschätzte es jedoch die Eignung des Untersuchungsgebietes für Wölfe. Um auch weniger offensichtliche, negative Einflüsse des Menschen auf den Wolf zu erkennen, welche zwar bisher noch keinen Populationsrückgang hervorgerufen haben, dies aber in naher Zukunft tun könnten, führte ich in Kapitel 5 Stresshormonanalysen durch. Die Konzentration an Stresshormonen wurde in Kotproben von Wölfen, welche in unterschiedlich stark anthropogen genutzten Gebieten leben, gemessen und miteinander verglichen. Die Analyse zeigte, dass ein höherer Anteil urbaner Gebiete innerhalb des Streifgebietes eines Wolfsrudels zu einer erhöhten Stresshormonkonzentration führt. Einflüsse anderer Faktoren auf die Stresshormonkonzentration, wie zum Beispiel Paarungszeit oder Wetterbedingungen, konnten ausgeschlossen werden. Kot, welcher an Wegkreuzungen abgesetzt wurde und somit eine Markierungsfunktion vermuten lässt, wies jedoch höhere Konzentrationen an Stresshormonen auf. Genetische Verarmung bei isolierten Teilpopulationen, herbeigeführt durch anthropogene Barrieren, wie zum Beispiel Straßen, ist ein weiterer potentieller Grund für einen Populationsrückgang. Folglich nutzte ich in Kapitel 6 genetische Analysen als eine weitere Methode zum Erkennen unterschwelliger, negativer, menschlicher Einflüsse auf Wölfe, bereits bevor diese weitreichende Auswirkungen hervorrufen können. Durch eine Mikrosatellitenanalyse konnten 23 individuelle Genotypen bestimmt werden. Von diesen wurden sechs Genotypen beidseitig großer Strassen, welche das Untersuchungsgebiet kreuzen, entdeckt. Dieses erste Indiz, welches für die Semipermeabilität der Strassen für Wölfe spricht, konnte bestätigt werden durch einen Inzuchtkoeffizienten nahe null und einen Überschuss an Zusammenfassung 97 Heterozygoten in der Population. Die FST -Werte zeigten an, dass die Trennung der Population durch Hauptstraßen 2.6-5.6% der gesamten genetischen Variation ausmacht. Des Weiteren lagen die erwarteten Heterozygotiewerte höher als in Populationen, welche in naher Vergangenheit einem genetischen Flaschenhals unterlagen. Im 7. Kapitel wendete ich schließlich das zuvor in Kapitel 3 erstellte und in Kapitel 4 validierte Habitatnutzungsmodell auf den Raum Deutschland an, um potentiell geeignete Wolfshabitate zu identifizieren. Das Modell wies zwei großräumige Gebiete mit optimaler Eignung für Wölfe im Nordosten und Westen Deutschlands aus, sowie einige kleinere Gebiete im Norden, Osten und Westen des Landes. Potentiell geeignetes Habitat erstreckte sich über den gesamten Nordosten und Südwesten Deutschlands, die beiden Gebiete wurden jedoch nur durch einen schmalen Korridor geeigneten Habitates miteinander verbunden. Gebiete mit einem erhöhten Risiko für Konflikte zwischen Menschen und Wölfen, welche durch eine geringe Straßendichte und hohe Viehdichte gekennzeichnet sind, lagen im Norden, Zentrum und Süden des Landes. Insgesamt ein Drittel des Landes zeichnet sich durch eine mögliche Eignung für Wölfe aus, wobei jedoch nur 4% als optimales Wolfshabitat eingestuft wurden. Für ganz Deutschland wurde eine potentielle Wolfspopulationsgröße von maximal 1500 Tieren berechnet. Die Ergebnisse dieser Studie legen die Vermutung nahe, dass anthropogene Einflüsse die Habitatwahl von Wölfen beeinflussen. Dennoch können Wölfe sich auch in Gebieten niederlassen, welche stark durch anthropogene Infrastrukturen fragmentiert sind, wenn angemessene Beutedichten vorliegen. Jedoch ist es für den Schutz der Wölfe wichtig, den Barriereeffekt von Straßen zu minimieren und diese permeabel für Wölfe zu gestalten, um die Bildung von genetisch isolierten Teilpopulationen zu vermeiden. Des Weiteren müssen weniger offensichtliche, negative Einflüsse des Menschen auf Wölfe bedacht werden, da zum Beispiel ein chronisch erhöhter Stresslevel die Überlebensfähigkeit von Populationen langfristig verringern kann. Die Habitatstudie zeigte, dass Deutschland über geeignete Wolfshabitate verfügt und diese, im Falle entsprechender Management- und Schutzmaßnahmen, auch auf natürlichem Wege von Wölfen wiederbesiedelt werden können.