Muss die Geschichte der Evolution neu geschrieben werden?

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Praxis
BZB Januar/Februar 11
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KZVB
Muss die Geschichte der Evolution
neu geschrieben werden?
Afrika gilt bis heute als Wiege der Menschheit.
Zahlreiche Funde stützen die Annahme, dass der
Homo sapiens vor rund 200 000 Jahren im Osten
des Kontinents entstanden sein soll. Doch Archäologen von der Universität Tel Aviv haben in Israel
jetzt Zähne entdeckt, die diese Theorie auf den
Kopf stellen könnten. Die fossilen Überreste sollen beweisen, dass der Homo sapiens schon vor
400 000 Jahren im Nahen Osten gelebt hat. Andere Forscher beurteilen den Fund eher skeptisch.
Insgesamt acht Zähne haben die Forscher um Avi
Gopher in der Qesem-Höhle in Zentralisrael gefunden. Untersuchungen mit Röntgengeräten und
Computertomografen hätten ergeben, dass die
Zähne in ihrer Form denen des modernen Menschen ähneln. Das schreiben Gopher und seine Kollegen im Fachblatt „American Journal of Physical
Anthropology“.
Ob es sich tatsächlich um Zähne des Homo sapiens handele, müssten zwar erst noch weitere
Untersuchungen zeigen, doch sollte sich die Vermutung bestätigen, würde es „das gesamte Bild der
Evolution verändern“, sagt Gopher. Es würde bedeuten, dass der moderne Mensch auf dem Gebiet
des heutigen Israel, und nicht, wie bisher angenommen, in Afrika entstanden ist.
Zweifel bei anderen Forschern
Andere Forscher reagierten weniger euphorisch.
Paul Mellars, Prähistoriker an der britischen Cambridge University, bestätigt der Studie zwar ihre
Seriosität und bezeichnete den Fund in der Qe sem-Höhle als „wichtig“, weil anthropologische
Überreste aus dieser Zeit rar seien. Als „heikel“
bezeichnete Mellars allerdings die Behauptung, es
handele sich um Spuren des Homo sapiens. Es sei
denkbar, dass die Zähne aus der evolutionären
Linie der Neandertaler stammten.
Gopher sieht die Kritik gelassen. Gegenüber dem
Bayerischen Zahnärzteblatt macht er deutlich,
dass es sich bei seiner Untersuchung um eine ausführliche und wissenschaftliche Zahnstudie handele. „Begründete Zweifel – erst recht von Kollegen – sind willkommen. Aber diese Kritik ist nur
Foto: Tel Aviv University, The Sonia and Marco Nadler
Institute of Archaeology
Forscher wollen in Israel 400 000 Jahre alte menschliche Zähne entdeckt haben
Forscher sind sich uneinig, ob die in der Qesem-Höhle in Israel gefundenen Zähne
tatsächlich vom Homo sapiens stammen. Falls ja, müsste die Geschichte der Evolution neu geschrieben werden.
berechtigt, wenn andere die Zähne so studieren,
wie wir es tun“, sagt Gopher.
Die Forscher haben die Zähne aus der QesemHöhle mit denen verglichen, die ab 1931 in den
Skhul- und Qafzeh-Höhlen in Israel gefunden wurden. Die dort entdeckten Fossilien sollen bis zu
110 000 Jahre alt sein und gelten damit derzeit als
die ältesten des modernen Menschen außerhalb
Afrikas. Die „Balance der Indizien“ deute darauf
hin, dass die jetzt entdeckten Zähne aus der Qesem-Höhle denen aus der Skhul- und QafzehHöhle ähnlicher seien als Neandertaler-Zähnen,
so Gopher. Allerdings könnten „viele dieser Ähnlichkeiten“ auch von einem früheren gemeinsamen
Vorfahren stammen – was bedeuten würde, dass
die einstigen Besitzer der Zähne aus der QesemHöhle auch Neandertaler sein könnten.
Der britische Forscher Mellars kritisiert, dass Zähne generell nicht besonders zuverlässig für die
Bestimmung einer Spezies seien. Reste eines Schädels wären hilfreicher, um genauere Informationen zu bekommen. „Natürlich wäre ein komplettes Skelett oder ein Schädel wünschenswert“, sagt
Gopher. Er zeigt sich aber optimistisch, dass sein
Team im Zuge der Ausgrabungen auch Schädel
und Knochen findet. Gopher geht davon aus, dass
die Grabungen, die nur im Sommer vonstattengehen, noch fünf bis sechs Jahre dauern werden.
In der Zwischenzeit werde das Team die Untersuchungen an Zähnen, Tierknochen und Werkzeugen fortsetzen.
Katja Voigt
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