Praxis BZB Januar/Februar 11 47 KZVB Muss die Geschichte der Evolution neu geschrieben werden? Afrika gilt bis heute als Wiege der Menschheit. Zahlreiche Funde stützen die Annahme, dass der Homo sapiens vor rund 200 000 Jahren im Osten des Kontinents entstanden sein soll. Doch Archäologen von der Universität Tel Aviv haben in Israel jetzt Zähne entdeckt, die diese Theorie auf den Kopf stellen könnten. Die fossilen Überreste sollen beweisen, dass der Homo sapiens schon vor 400 000 Jahren im Nahen Osten gelebt hat. Andere Forscher beurteilen den Fund eher skeptisch. Insgesamt acht Zähne haben die Forscher um Avi Gopher in der Qesem-Höhle in Zentralisrael gefunden. Untersuchungen mit Röntgengeräten und Computertomografen hätten ergeben, dass die Zähne in ihrer Form denen des modernen Menschen ähneln. Das schreiben Gopher und seine Kollegen im Fachblatt „American Journal of Physical Anthropology“. Ob es sich tatsächlich um Zähne des Homo sapiens handele, müssten zwar erst noch weitere Untersuchungen zeigen, doch sollte sich die Vermutung bestätigen, würde es „das gesamte Bild der Evolution verändern“, sagt Gopher. Es würde bedeuten, dass der moderne Mensch auf dem Gebiet des heutigen Israel, und nicht, wie bisher angenommen, in Afrika entstanden ist. Zweifel bei anderen Forschern Andere Forscher reagierten weniger euphorisch. Paul Mellars, Prähistoriker an der britischen Cambridge University, bestätigt der Studie zwar ihre Seriosität und bezeichnete den Fund in der Qe sem-Höhle als „wichtig“, weil anthropologische Überreste aus dieser Zeit rar seien. Als „heikel“ bezeichnete Mellars allerdings die Behauptung, es handele sich um Spuren des Homo sapiens. Es sei denkbar, dass die Zähne aus der evolutionären Linie der Neandertaler stammten. Gopher sieht die Kritik gelassen. Gegenüber dem Bayerischen Zahnärzteblatt macht er deutlich, dass es sich bei seiner Untersuchung um eine ausführliche und wissenschaftliche Zahnstudie handele. „Begründete Zweifel – erst recht von Kollegen – sind willkommen. Aber diese Kritik ist nur Foto: Tel Aviv University, The Sonia and Marco Nadler Institute of Archaeology Forscher wollen in Israel 400 000 Jahre alte menschliche Zähne entdeckt haben Forscher sind sich uneinig, ob die in der Qesem-Höhle in Israel gefundenen Zähne tatsächlich vom Homo sapiens stammen. Falls ja, müsste die Geschichte der Evolution neu geschrieben werden. berechtigt, wenn andere die Zähne so studieren, wie wir es tun“, sagt Gopher. Die Forscher haben die Zähne aus der QesemHöhle mit denen verglichen, die ab 1931 in den Skhul- und Qafzeh-Höhlen in Israel gefunden wurden. Die dort entdeckten Fossilien sollen bis zu 110 000 Jahre alt sein und gelten damit derzeit als die ältesten des modernen Menschen außerhalb Afrikas. Die „Balance der Indizien“ deute darauf hin, dass die jetzt entdeckten Zähne aus der Qesem-Höhle denen aus der Skhul- und QafzehHöhle ähnlicher seien als Neandertaler-Zähnen, so Gopher. Allerdings könnten „viele dieser Ähnlichkeiten“ auch von einem früheren gemeinsamen Vorfahren stammen – was bedeuten würde, dass die einstigen Besitzer der Zähne aus der QesemHöhle auch Neandertaler sein könnten. Der britische Forscher Mellars kritisiert, dass Zähne generell nicht besonders zuverlässig für die Bestimmung einer Spezies seien. Reste eines Schädels wären hilfreicher, um genauere Informationen zu bekommen. „Natürlich wäre ein komplettes Skelett oder ein Schädel wünschenswert“, sagt Gopher. Er zeigt sich aber optimistisch, dass sein Team im Zuge der Ausgrabungen auch Schädel und Knochen findet. Gopher geht davon aus, dass die Grabungen, die nur im Sommer vonstattengehen, noch fünf bis sechs Jahre dauern werden. In der Zwischenzeit werde das Team die Untersuchungen an Zähnen, Tierknochen und Werkzeugen fortsetzen. Katja Voigt