Bereich PharmMed Schnirchgasse 9, A-1030 Wien Illegale biologische Arzneimittel Friedrich Lackner Das Europäische Arzneibuch ist als modernes und strenges Gesetzeswerk ein wichtiger Maßstab auch für viele außereuropäische Länder. Entsprechend zahlreich sind die Versuche, es zu umgehen. Die Arzneimittelkriminalität wird seit Jahren von internationalen Expertengruppen und Organisationen wie dem ILFCM (International Laboratory Forum for Counterfeit Medicines) und der EDQM (European Directorate for the Quality of Medicines & Health Care) bekämpft. Das ILFCM arbeitet eng mit den Sicherheitsbehörden der in ihr vertretenen Staaten zusammen. Die Zahl der Arzneimittel-Fälschungen wächst parallel zur Entwicklung des Welthandels und der Globalisierung. Seit über 10 Jahren findet man auf dem Arzneimittelmarkt vermehrt illegale Medikamente, die den Wirkstoff falsch dosiert, verunreinigt oder gar nicht enthalten. Manchmal enthalten diese Arzneizubereitungen auch einen anderen, unbekannten Wirkstoff. Es kann sich dabei um Fälschungen zugelassener oder um nicht zugelassene Arzneimittel handeln, die illegal importiert oder in Österreich hergestellt wurden. Diese gefährliche Entwicklung wird durch zahlreiche Anbieter beschleunigt, die ihre Medikamente im Internet bewerben. Man findet dort meist Arzneimittel unbekannter Herkunft und Qualität. Bis vor kurzem war diese Form der Illegalität großteils auf pharmazeutisch-chemische Arzneimittel beschränkt, eine Fälschung von Biologika (Gerinnungsfaktoren-Konzentrate, Immunglobuline, Albuminlösungen, Impfstoffe) schien unwahrscheinlich: eine zu optimistische Annahme, wie die unten folgenden Beispiele zeigen. Illegale Biologika entsprechen nicht den in Europa üblichen Sicherheitsstandards, die eine behördliche Zulassung und die Prüfung jeder Charge durch ein unabhängiges OMCL (Official Medicines Control Laboratory = Arzneimittelkontrolllabor) vorsehen. Die Herkunft der Spenderplasmen für die Herstellung illegaler Blutprodukte ist meist unbekannt, es gibt keine Dokumentation der Einzelspender- und Plasmapooltestungen sowie der für die Sicherheit unverzichtbaren Virusinaktivierungsverfahren. Alle diese Schritte machen die Originale teuer und die Fälschungen umso attraktiver. Gefälschte Blutprodukte in Südamerika Bei der ersten vom OMCL der AGES PharmMed untersuchten Fälschung handelte es sich um ein Humanalbumin aus Venezuela, bei dem die Endbehälter, die das Produkt eines lokalen Herstellers enthielten, mit gefälschten Etiketten beklebt worden waren. Diese Etiketten enthielten den Aufdruck „Human Albumin 20% Immuno“ und die Nummer einer Produktionscharge dieses Produkts, die vom österreichischen OMCL für den europäischen Markt freigegeben worden war. Proben dieser Charge wurden gemeinsam mit dem Hersteller 08.06.2009 1 von 3 Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Spargelfeldstraße 191, A-1226 Wien, www.ages.at, DVR: 0014541, Registergericht: Handelsgericht Wien, Firmenbuch: FN 223056z, Konto Nr.: 50670 871 619, BLZ: 12000, IBAN: AT971200050670871619; UID: ATU 54088605 Bereich PharmMed Schnirchgasse 9, A-1030 Wien Baxter und dem Institut für klinische Chemie der veterinärmedizinischen Universität Wien proteinchemisch untersucht. Die Charge konnte eindeutig als Fälschung erkannt werden, die Fälscher sind bislang unbekannt. Eine weitere Fälschung eines in Österreich freigegebenen Blutproduktes wurde in Argentinien gefunden (Immunate von Baxter). Der Fall wird von den argentinischen Behörden untersucht. Trotz intensiver Bemühungen des Herstellers und der Behörden in Österreich war es bis jetzt leider nicht möglich, Proben zur Analyse am österreichischen OMCL zu erhalten. Ein gefälschtes Blutprodukt in Europa Der erste bekannt gewordene Fall eines gefälschten Blutprodukts in Europa (Tetagam P) wurde den deutschen Behörden kürzlich bekannt. Es handelt sich um die Fälschung eines Immunglobulins, die im Kosovo gefunden wurde (Abb.). Das Produkt enthält keinen Wirkstoff und ist möglicherweise unsteril. Die Fälschung ist leicht durch die Färbung der Lösung und die fehlende Schaumbildung beim Schütteln zu erkennen. Abb.: Tetagam P, Ampullen der Fälschung (rechts) und des Originals (links) Ausblick Die bisher bekannten Biologika-Fälschungen sind möglicherweise nur die „Spitze des Eisbergs“. Leider sind diese Fälschungen nicht auf Blutprodukte beschränkt, man hat auch schon gefälschte Influenza-Impfstoffe in den USA gefunden. Es ist zu befürchten, dass gefälschte Impfstoffe und Blutprodukte auch in Österreich auftauchen. Um das Ausmaß des Problems abzuschätzen, ist die Aufmerksamkeit und Mitarbeit von Apothekern, Ärzten und Patienten erforderlich. Manche Fälschungen sind mit einigen Fachkenntnissen leicht zu erkennen, da auf der Verpackung fehlerhafte oder unsinnige 08.06.2009 2 von 3 Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Spargelfeldstraße 191, A-1226 Wien, www.ages.at, DVR: 0014541, Registergericht: Handelsgericht Wien, Firmenbuch: FN 223056z, Konto Nr.: 50670 871 619, BLZ: 12000, IBAN: AT971200050670871619; UID: ATU 54088605 Bereich PharmMed Schnirchgasse 9, A-1030 Wien Formulierungen zu finden sind. Andere Fälschungen kann man erst durch die chemische Analyse des Endprodukts eindeutig nachweisen. Manche können sehr einfach visuell erkannt werden (Trübung, Färbung), andere erfordern aufwändigere chemische Analysen. Dafür stehen Methoden zur Verfügung, die teilweise aus der Proteomik-Forschung kommen und im OMCL verstärkt etabliert werden sollen. Zwischenfälle durch illegale Arzneimittel verursachen menschliches Leid und großen volkswirtschaftlichen Schaden. Um den bisherigen hohen Qualitätsstandard von biologischen Arzneimitteln in Europa halten zu können, sind verstärkte Anstrengungen von Herstellern und Behörden erforderlich. Patienten und Ärzte erwarten von Arzneimitteln zu Recht, dass sie sicher und wirksam sind und dass sie im Bedarfsfall in entsprechender Qualität zur Verfügung stehen. Hinweis Alle Warnungen zu illegalen Arzneimittel und Arzneimittelfälschungen finden Sie unter http://www.basg.at/omcl/arzneimittel-faelschungen/warnungen/ 08.06.2009 3 von 3 Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH Spargelfeldstraße 191, A-1226 Wien, www.ages.at, DVR: 0014541, Registergericht: Handelsgericht Wien, Firmenbuch: FN 223056z, Konto Nr.: 50670 871 619, BLZ: 12000, IBAN: AT971200050670871619; UID: ATU 54088605