550 WISSENSCHAFT / RESEARCH Leserbrief / Letter to the Editor O. Krischek J-D Rompe: Konservative Versorgungsrealität am Beispiel der Behandlung der symptomatischen Gonarthrose. OUP 2013; 9: 414–419 Leserbrief Herzlichen Glückwunsch an Professor Rompe und die OUP zu dieser offenen und ungewöhnlich ehrlichen Zustandsbeschreibung des konservativ-orthopädischen Praxisalltags. Selten zuvor hat jemand öffentlich derart schonungslos den Finger in die Wunde der kassenärztlichen Realitäten an einem einfachen Beispiel gelegt. Das alltägliche Dilemma, in dem wir uns mit den sich uns anvertrauenden Patienten befinden, schildert Professor Rompe sehr plastisch, wobei die direkte, plakative Art und Weise der Darstellung ironisch-überzeichnet wirkt, leider aber nicht ist! Auch wenn die konkreten Zahlen in jedem KV-Bereich etwas differieren, so sind die Größenordnungen, denke ich, bundesweit treffend dargestellt. Die Fehlentwicklung beginnt schon sehr früh, meist bei der ersten Vorstellung des Patienten bei seinem Hausarzt. Dieser verfügt prinzipiell ebenfalls über das Grundwerkzeug der konservativfunktionellen Therapiemöglichkeiten: Edukation, Analgetika, Körpergewicht und Gewichtsreduktion. Nur, auch er ist bezüglich all dieser Maßnahmen beschränkt, aber: Er ist ja gründlich, veran- ■ © Deutscher Ärzte-Verlag | OUP | 2013; 2 (11) lasst eine Kernspintomografie, die ist nicht budgetiert; der Patient zufrieden und sie fördert praktisch bei jedem spätestens über 50-Jährigen irgendetwas zu Tage. Bei den allermeisten ArthroseKniegelenken findet man degenerative Meniskopathien, die dann in der Beurteilung zementiert die noch viel zu häufigen Arthroskopien (auch nicht begrenzt und budgetiert) indizieren. Erfolg: Die zunehmend engmaschiger angeordneten MRTs sind chronisch überlastet (mit den 90 % funktionellen Rückenschmerzen funktioniert dieses Spiel genauso gut!), man bekommt für indizierte MRTs kaum Termine und produziert reihenweise Kunst- und Bilddiagnosen und -krankheiten. Dabei sind die Bandscheibenchirurgen schon seit vielen Jahren über das Stadium der operativen Behandlung von Bildbefunden hinweg! Oder der Patient wird dann dem konservativen Orthopäden/Unfallchirurgen vorgestellt, der in der gleichen Falle sitzt. In diesem System werden konsequent falsche Anreize gegeben und dadurch allzu oft teurere, meist aufwendigere und gelegentlich riskantere Therapien und Methoden eingesetzt, nicht zuletzt auch die EndoprothesenImplantation. Letztlich sind wir oft im kassenärztlichen Alltag auf der ständigen Suche nach einer budget- und haftungsfreien Verordnungsweise, die dann zu Aus-dem-Boden-Schießen von Maßnahmen wie Rehasport/Funktionsgymnastik oder dem unerklärlichen (?) Anstieg der Opioid-Verordnung führen, auch bei Arthroseschmerzen, alles da budgetneutral. Immer die bessere Wahl? Genau diese Frage stellt Professor Rompe zu Recht. Es bleibt nur zu hoffen, dass die ehrlichen Worte nicht folgenlos verhallen, sondern auf fruchtbaren Boden treffen, zu einem Diskussionsprozess und bei den Verantwortlichen möglicherweise zu Korrekturen führen. Korrespondenzadresse Dr. Oliver Krischek Facharzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie, physikalische Therapie, Akupunktur, Rettungsmedizin Luisenstraße 28 26382 Wilhelmshaven