Erfahrungsbericht – 1 Jahr Studium in Italien – 1 Jahr Palermo

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Erfahrungsbericht – 1 Jahr Studium in Italien – 1 Jahr Palermo
Ich heiße Christine Börtitz, studiere Landschaftsökologie und Naturschutz im Hauptstudium und habe im
A.A. 2008/09 am Erasmus-Programm teilgenommen. Ich hatte nie darüber nachgedacht, zum Studieren ins
Ausland zu gehen. Mitte April 2008 stolperte ich über einen Aushang in der Botanik: „Noch freie Plätze für
ER AS MUS 2008/09 in Palermo/Italien“. Dieses lesend war meine Entscheidung gefallen: Ich gehe nach
Palermo. Trotz kurzer Abgabefristen war es kein Problem, die nötigen Unterlagen und Bescheinigungen
zusammen zu bringen. Italienisch konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Da das Sommersemester 2008
schon angefangen hatte, waren alle Sprachkurse an der Uni schon belegt. Deshalb habe ich mir einen
interaktiven Kurs zum Selbstlernen besorgt und einen Kurs an der Volkshochschule besucht, um das
Sprechen zu üben. So konnte ich mir mit einiger Mühe Grundkenntnisse aneignen.
Als sehr hilfreich empfand ich den EILC-Intensivsprachkurs für Erasmus-Studenten, den ich im August 2008
in Siena belegt habe. Er hat mich in der Sprache sehr viel weitergebracht und, da ich noch nie zuvor in
Italien gewesen war, mir meine vielen landeskundlichen Fragen, die Eigenarten und Kuriositäten Italiens
erklärt. Es war eine spannende Sache, mit Erasmus-Studenten aus ganz Europa zu leben und einen Monat
gemeinsam eine neue Sprache zu lernen.
Nach Beendigung des Kurses bin ich sofort nach Palermo weitergefahren. Palermo ist gut mit Flugzeug,
Fähre und Zug erreichbar. Am Flughafen Punta Raisa, der mit dem Zug an den Hauptbahnhof (stazione
centrale) Palermos angebunden ist, kommen fast jede Stunde Flugzeuge aus Mailand und Rom an. Im Hafen
von Palermo kommen Fähren aus Genua, Neapel und Civitavecchia (Fährhafen Roms) an. Auch mit dem
Zug ist es möglich, Palermo zu erreichen, was aber eine sehr lange und teilweise unsichere Reise bedeutet.
Da der August der absolute Ferien- und Urlaubsmonat ist sind Anfang September an der Uni noch fast alle
im Urlaub, so dass man erst mal in Ruhe in dieser chaotischen und lauten Stadt ankommen kann. Nur das
Auslandsamt ist schon geöffnet (Ufficio Relazioni Internazionali, Piazza Marina 61, Palazzo Arbadelli
1°piano, Öffnungszeiten [Juni 2009] Montag – Donnerstag 10-12, Mittwoch 15:30-16:30).
Die Uni stellt allen ausländischen Studenten keine Wohnheimplätze zur Verfügung, auch wenn im Internet
anderes steht. Für die erste Woche stellt das it. Auslandsamt günstige Hostelplätze zur Verfügung, um die
Zimmersuche zu erleichtern. Wenn ich mich richtig erinnere, sind es 5€/Nacht. Dadurch hat man Zeit, sich
ein Zimmer zu suchen. Zimmer findet man ganz leicht, da im Campus, „Città Universitaria“ Viale delle
Scienze, alle möglichen und unmöglichen Plätze mit Annoncen zu allen Preisen gepflastert sind. Ich kann
nur empfehlen, sich eine WG mit anderen Italiener/innen zu suchen und nicht mit anderen ErasmusStudenten zusammen zu wohnen. Sonst spricht man nur Englisch untereinander und der direkte Zugang zur
Fremdsprache wird sehr erschwert. Ich habe mit 4 Sizilianerinnen zusammen gelebt und kann sagen, ohne
sie und den dadurch bedingten Zwang, den ganzen Tag italienisch sprechen und verstehen zu müssen, hätte
ich nie so gut und in relativ kurzer Zeit italienisch gelernt. Weiterhin sollte sich das Zimmer in Uni-nähe
befinden, da die öffentlichen Verkehrsmittel nicht gut funktionieren und immer Verspätung haben oder ganz
ausfallen. Fahrrad fahren ist beim dortigen Verkehr tödlich.
Melde dich so bald wie möglich bei deinem Koordinator (Professor Barbera, [email protected]). Er kehrt
gewöhnlich, wie die meisten anderen Professoren, erst Mitte/Ende September an die Uni zurück, da sie (im
September) auf Kongressen, Forschungsreisen bzw. mit Diplomanden unterwegs sind. Prof. Barbera kann dir
die ersten Dinge erklären und erste Hinweise geben, wird dir aber sicher nicht auf alle Fragen antworten
können. Jetzt ist viel Selbstorganisation gefragt. Lass dir im COT (Centro Orientamento e Tutorato, Piazza
dell’Obelisco,Facoltà di Agraria) oder in der Presidenza (Sekretariat der Fakultät, innerhalb der Fakultät) die
Stundenpläne geben und dir von den dortigen Studenten, Tutoren (im COT), helfen. Die meisten sind sehr
hilfsbereit und lassen sich kaum von Sprachproblemen abschrecken, (die wenigsten können etwas Englisch).
Lass dich nicht entmutigen, wenn du auf die gleiche Frage unterschiedliche Antworten bekommst. Alle
Befragten wollen dir helfen, wollen aber nicht das Gesicht vor dir verlieren, wenn sie es nicht wissen oder
sich der Antwort nicht sicher sind. Viele Infos und Dokumente (darunter auch eines der wichtigsten, das
Formular für die Bestätigung der abgelegten Prüfung) findest du auf der Internetseite vom Ufficio Relazioni
Internazionali (http://www.unipa.it/relinter/ (programma erasmus + modulistica)). Schaue auch im Bereich
für die Dozenten nach den Unterlagen.
Vorlesungsbeginn ist immer zum Ersten des Monats (also erster Oktober), egal auf welchen Wochentag das
Datum fällt. Da die Stundenpläne erst 1-2 Tage vor Vorlesungsbeginn erscheinen (schwarzes Brett, COT und
Internet), ist zu empfehlen, sich vorher die Studienprogramme der verschiedenen Studiengänge und
Fachrichtungen durchzusehen und sich Gedanken zu den möglichen Vorlesungen zu machen. Es ist
empfehlenswert, möglichst alle Vorlesungen einer Fachrichtung/eines Studienganges und –jahres zu
besuchen, da für diese die Stundenpläne ausgearbeitet werden. Ein Mix aus Vorlesungen verschiedener
Fachrichtungen, aber auch schon verschiedener Studienjahre ist kompliziert, da sich die Vorlesungen meist
überschneiden. Die Professoren kommen zu den Vorlesungen meist zu spät. Wie überall ist das Niveau der
Vorlesungen von Professor zu Professor unterschiedlich. Es ist zu empfehlen, sich vor der ersten Vorlesung
bei dem jeweiligen Professor vorzustellen. So gibt es weniger Konfusionen und der Professor kann sich auf
die Situation einstellen.
Ich habe am Anfang des ersten Semesters ein Diktiergerät genutzt, um die Vorlesungen aufzunehmen. So
konnte ich mich besser konzentrieren, verstehen, mitschreiben, Vokabeln nachschlagen… .
Alle Prüfungen sind am Ende des Semesters, gestaffelt in mehrere Aufrufe. So gibt es keinen festen Termin,
an dem man eine spezielle Prüfung ablegen muss. Meist sprechen sich die Mitstudenten untereinander ab,
wann sie welche Prüfung ablegen wollen, sprechen dann mit dem Prof. und gegebenenfalls verschieben sie
die Prüfung um einige Tage. Die Prüfungen laufen in der Reihenfolge der Einschreibungen ab, also wer sich
zuerst auf die Liste setzt wird auch zuerst geprüft. Zum Prüfungstag sitzen alle, die sich prüfen lassen
wollen, zusammen mit den entsprechenden Profs in einem Zimmer zusammen und jeder Student wird einer
nach dem anderen (entsprechend der Einschreibeliste) vor allen anderen abgefragt. Die erste Prüfung ist
etwas gewöhnungsbedürftig. Aber keine Angst. Oft wissen die Professoren gar nicht genau, wie gut man als
Ausländer Italienisch versteht und spricht, so dass man bevorteilt ist. Auch gehen die Profs generell mit den
ER AS MUS – Studenten freundlicher um. Wichtig ist, sich nach abgeleter Prüfung sofort sein Formular
(Statino dell‘esame) ausfüllen zu lassen.
Tipps
Wenn du dich für ein halbes oder ein ganzes Jahr entscheiden musst, kann ich nur ein Ganzes empfehlen.
Nach einem halben Jahr kennst du dich gerade einigermaßen aus, kannst mit der Sprache umgehen, und dann
schon wieder abreisen? Erst jetzt geht der Spaß und das Erlebnis so richtig los …
Die Uni in Palermo bietet einen speziellen Sprachkurs für alle Erasmus-Studenten an, der kostenfrei ist. Er
geht Ende September mit einer Intensivwoche los und dauert bis Ende Oktober/Mitte November. Er ist sehr
hilfreich, da man außer den anderen Erasmus-Studenten Palermos und der Sprache auch die örtlichen
Besonderheiten kennenlernt.
Ich kann allen nur empfehlen, sich der Studentenorganisation A USF (Associazione Universitaria Studenti
Forestali; http://www.agrariaunipa.it/it/ausf/index.jsp ) anzuschließen. Für ein Einschreibgebühr von 10 €
kann man im Sommersemester an wunderbaren Exkursionen teilnehmen, neue Plätze, an die man als Tourist
nicht kommt, kennenlernen und neue Freundschaften schließen. Nur so kommt man in den Genuss von
Exkursionen, da es so gut wie keine innerhalb der Vorlesungen gibt.
Nutze deine freie Zeit zum reisen, um Sizilien kennenzulernen und um Einladungen von Freunden in ihre
Dörfer/Orte anzunehmen. Du wirst eine wunderbare Insel kennenlernen.
Lass dich am Anfang nicht entmutigen, wenn du vieles nicht verstehst. Du wächst schnell in die Sprache und
in das Land hinein. Sizilien ist nicht Italien. Frage immer nach. Du wirst sehen, dass dir alle, Mitstudenten
und Dozenten, deine Fragen erklären. Manchmal können es die Studenten besser als die Dozenten, da es für
sie einfacher ist, die Vokabeln zu finden, die du kennst. Es kann passieren, dass dir die Dozenten nicht
glauben, wenn du wirklich alles verstanden hast, da viele Erasmusstudenten vorgeben, zu verstehen ohne
wirklich verstanden zu haben.
Lass dir von deinen Mitbewohner/innen erklären, wo sie einkaufen gehen. Sie haben die günstigsten
Möglichkeiten ausgekundschaftet und wissen, in welchen Geschäften sie dir nur das Geld aus der Tasche
ziehen. Nutze die Märkte.
Es ist einfach, mit den Sizilianern bekannt zu werden und Freundschaften zu schließen, da sie sehr offen für
neue Leute sind.
Ich werde immer nach Sizilien zurückkehren, da ich mein Herz an dieses Stück Erde verloren habe. Diese
chaotische Insel, auf der vieles nicht funktioniert, hat mich als Mensch verändert. Ich bin eine andere, viel
offenere Person geworden, enorm gewachsen und habe viele gute Freunde gefunden, die mich am liebsten
gar nicht mehr wieder gehen lassen wollten. Dieses Jahr war das schönste meines Lebens und die beste
Entscheidung, die ich für mich treffen konnte.
Viel Spaß bei deinem Erlebnis Erasmus. Erlebnisse verändern den Menschen – lerne dich ganz neu und von
ganz anderen Seiten kennen!
Christine Börtitz
Palermo, den 14. September 2009
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