02/ 2005 ARCHIVIERUNG Digitale Archivierung im Krankenhaus: ein Leitfaden soll helfen Von der elektronischen Patientenakte zur digitalen rechtssicheren Langzeitarchivierung 58 Nicht nur auf die Software, sondern primär auf die Organisation der digitalen Archivierung von Patientenakten kommt es an. Ein neuer Handlungsleitfaden soll helfen. Das IfK Institut für Krankenhauswesen Braunschweig (Prof. Dr. Wolfgang Riedel) hat daher einen neuen Leitfaden entwickelt, der den Krankenhäusern Hilfestellung bei der Organisation des Umfeldes einer digitalen Patientenarchivierung liefern soll. Erst muss die Organisation stehen, dann kann die passende Software ausgewählt werden. Die Digitalisierung bestimmt zunehmend auch den Krankenhausalltag. Immer mehr Dokumente und Bilder fallen bereits in digitaler Form an, z.B. Befunde, Arztbriefe, Röntgenbilder etc. Bisher werden diese Dokumente und Bilder ausgedruckt und aufwendig konventionell gespeichert. Die Verwaltung von Krankenund Verwaltungsakten ist sehr aufwendig, außerdem stehen die Informationen oft nicht zeitgerecht zur Verfügung, da die Akte gerade unterwegs und / oder nicht auffindbar ist. Ein mittleres Krankenhaus mit 500 Betten und 20.000 Fällen p.a. und einer durchschnittlichen Patientenakte mit 50 Dokumenten muss jährlich rund 1 Million Belege verwalten, transportieren usw., eine riesige Belastung für Personal, Organisation und Räumlichkeiten. Die Krankenhäuser werden in 2005 weiter ihre Betriebsabläufe rationalisieren müssen, um wirtschaftlich zu überleben. Durch die DRG-Problematik werden die Dokumentationsaufgaben in den Kliniken wirtschaftlich noch bedeutsamer. Eine Papierdokumentation ist in Zeiten einer elektronischen Patientenakte unsinnig, Ziel muss die digitale Dokumentation mit vollständiger digitaler Akte sein, auch zur Langzeitarchivierung. Ein doppelter Aufwand (Papier und Digital, evtl. auch noch Mikrofilm) belastet das Personal und verursacht unnötige Kosten. Aufgaben und Ziele Von Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Riedel, Institut für Krankenhauswesen (IfK) Braunschweig ■ ■ Für folgende Ziele und Aufgaben muss vom Krankenhaus eine Lösungskonzeption entwickelt werden: ■ Papier reduzieren, so viele Dokumente wie möglich digital erstellen und verwalten, ■ möglichst viele Dokumente aus Subsystemen online digital übernehmen, ■ so wenig Dokumente wie möglich ausdrucken, d. h. Papierakte reduzieren ■ das Scannen von Belegen auf ein Mindestmaß reduzieren, zeitnah scannen, das Belegwesen neu organisieren, mit Indexierung und Neugestaltung zum Scannen, ■ den optimalen Ort im Workflow für das Scannen festlegen, Dokumente in einem anerkannten Datenformat weitgehend systemunabhängig ablegen, ■ Dokumente, die unterschrieben oder abgezeichnet werden müssen, nicht ausdrucken sondern im Netz weiterleiten und digital signieren, ■ Dokumente rechtssicher auf anerkannten digitalen Speichermedien ablegen und migrationssicher verwalten, nur ein Speichermedium (evtl. noch ein Backup), ■ Ärzten und Pflegedienst einen einfa- ■ ■ chen Zugriff auf alle Dokumente ermöglichen, möglichst nur in einer Systemumgebung, Login-Prozesse einfach und schnell gestalten, Digitale Akten an beliebigen Orten im Krankenhaus zur Verfügung stellen, d. h. z. B. mobile Lösungen mit Funknetz oder Aktenzugriff am Patiententerminal bettseitig einplanen, institutionsübergreifende Kommunikation (z. B. für Gesundheitsakte) einplanen, evtl. Verwaltungsakten bzw. Buchhaltungssysteme auch in ein Archivkonzept einbeziehen; Lösungsmöglichkeiten Der Handlungsleitfaden stellt zu diesen Forderungen typische Lösungsvorschläge ausführlich dar und geht auf ganz unterschiedliche Ausgangssituationen in den Krankenhäusern ein. Diese können abhängig sein davon, ob das Krankenhaus ■ eine elektronische Patientenakte (EPA) hat, ■ welchen Anteil digitaler Dokumente diese EPA hat, ■ eine Mikroverfilmung betreibt, ■ Mehrfacharchivierung betreibt (EPA, Mikrofilm, Subsysteme, Papierakten). Die Grafik auf der folgenden Seite veranschaulicht eine typische Situation in einem Krankenhaus: Archivmodell Jedes moderne Krankenhaus wird künftig drei archivierte Systemwelten betreiben: EPA, APA und PACS. Die EPA ist heute oft der klinische Teil eines Krankenhaus-Informations-Systems (KIS), damit meist stark hersteller- und systemabhängig. Die Migration von einer EPA in eine andere, z. B. bei Systemwechsel, ist praktisch unmöglich. Die Krankenhäuser riskieren hier den Totalverlust der medizinischpflegerischen Daten und führen daher parallel eine Papier- und / oder eine Mikrofilmakte, was aufwendig und kostenträchtig ist. Daher wird künftig die APA (archivierte Patientenakte) eine große Rolle spielen. Sie muss hersteller- und systemunabhängig sein, so dass eine Migration und ein späterer Zugriff auch bei rein digitaler Speicherung möglich sind. Integration Hauptproblem ist bei dem Archivmodell die Integration der drei Systemwelten EPA-APA-PACS. Der Arzt soll von seinem PC-Arbeitsplatz (stationär oder mobil) die Daten, Dokumente und Bilder des Patienten aus einer Systemumgebung aufrufen und eingeben können. Dazu sollte ein System als das führende System eingerichtet werden, z. B. die EPA. Dort werden die Zugriffsberechtigungen verwaltet, so dass nur ein Login nötig ist, auch für die übrigen verknüpften Systeme. Aber auch Szenarien mit der APA als führendem System sind abbildbar und werden in dem Leitfaden ebenso geschildert wie Systeme auf MetaaktenBasis. Der Arzt soll in der Patientenakte leicht navigieren können, um zu einem radiologischen Befund auch gleich die zugehörigen Bilder aus dem PACS aufrufen zu können. Voraufenthalte, die nicht in der EPA gespeichert sind, sollen über die APA integriert zur Verfügung gestellt werden, ohne langes Suchen im Altbestand oder Einloggen in einem anderen System. Probleme machen meist Dokumente, die nicht digital vorliegen. Diese können meist sowohl in die EPA (über ein entsprechendes Modul) als auch in die APA eingescannt werden. Hier ist organisatorisch zu lösen, welche Lösung sinnvoll ist, nicht jede Software unterstützt auch jede Lösung. Auf jeden Fall sollten diese Dokumente in der APA langzeitarchiviert werden. Die Schnittstelle zwischen EPA und APA ist ein ganz wichtiges Glied in diesem Prozess. Hier ist genau zu definieren, welche Prozesse hier wie abgebildet werden sollen, d.h. welche Dokumente in welche Richtung über diese Schnittstelle gehen. Auch der Komfort in der EPA, um Dokumente aus der APA bereitzustellen, wird ganz unterschiedlich von den Systemen am Markt erfüllt. Dies ist ein ganz kritischer Punkt der Archivkonzeption und erfordert viel Sachkenntnis und Kenntnis von Archivsystemen. Ähnlich sieht es mit der Schnittstelle PACS-EPA aus. Der kom- fortable Aufruf von Bildern in der EPA gehört heute leider in vielen Krankenhäusern noch nicht zum Alltag. Die Funktionen dieser Schnittstelle sind genau zu definieren und bei der Beschaffung von PACS und EPA durchzusetzen. Elektronische Signatur + Rechtssicherheit Spätestens bei der Frage der Rechtssicherheit kommt meist die elektronische Signatur in die Diskussion. Dabei ist das Thema Signatur viel breiter umzusetzen. Jede Freigabe z. B. eines Befundes oder Arztbriefes kann durch eine Signatur erfolgen, um einen Ausdruck mit händischer Unterschrift zu vermeiden. Bereits die Freigabe dieser Dokumente in der EPA stellt eine Art Signatur dar, sofern Person und Zeitpunkt eindeutig protokolliert werden. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und Langfristigkeit 59 02/ 2005 ARCHIVIERUNG reicht dies jedoch nicht aus. Dokumente sollten künftig generell elektronisch signiert werden, insbesondere wenn auf Papierdokumente zur Langzeitarchivierung verzichtet werden soll. Dabei sind verschiedene Sicherheitsstufen mit elektronischer Signatur möglich, von der einfachen Signatur bis zur qualifizierten Signatur. Bei der Dokumentationserstellung, Kommunikation und Archivierung sollte eine digitale Lösung verwendet werden, bei der zuverlässig auf den Urheber geschlossen werden kann und die Daten vor unbemerkter Veränderung geschützt sind. Diese Forderungen erfüllt die gesetzliche „qualifizierte“ elektronische Signatur. Sie ist eine Art von Siegel zu digitalen Daten. Sie wird unter Einsatz mathematischer Verfahren mit Hilfe eines privaten kryptographischen Schlüssels erzeugt. Mit Hilfe des dazugehörigen öffentlichen Schlüssels kann die Signatur jederzeit überprüft und damit der Signaturschlüssel-Inhaber und die Unverfälschtheit der Daten festgestellt werden. Für die Krankenhäuser ergibt sich derzeit noch eine Reihe von Problemen mit der elektronischen Signatur: ■ fehlendes Kartensystem für das Personal, ■ hohe Kosten für qualifizierte Signaturen (einmalig und laufend), ■ fehlende Lösungen zur Integration in EPA- und APA-Software, ■ fehlende Hardware (Lesegeräte) an den Signierplätzen. Angesichts der bevorstehenden Einführung des Heilberufeausweises (HBA bzw. HPC) Ende 2005 für die Ärzte sollten Krankenhäuser mit der Einführung der elektronischen Signatur noch warten, denn für den HBA ist bereits die Funktion Signatur vorgese- 60 hen. Entscheidender ist aber fast noch die fehlende Integration von Signaturkarten und zugehörigen Lesegeräten in die Software der klinischen Arbeitsplätze (EPA, APA). Hier warten die Softwareanbieter leider auch die Kartenlösungen von Gesundheitskarte und Heilberufeausweis ab. Die Krankenhäuser sollten trotzdem nicht abwarten sondern Übergangslösungen erarbeiten, bei denen auch ohne Heilberufeausweis und ohne qualifizierte elektronische Signatur ein hohes Maß an Rechtssicherheit für digital gespeicherte Dokumente erzeugt wird. Notwendig sind Organisationslösungen, wer wann wie wo signiert. Erst wenn dies für alle wichtigen Dokumente gelöst ist, kann der Einsatz qualifizierter elektronischen Signaturen umgesetzt werden. Bereits heute vernichten einige Krankenhäuser die Papierakten, ohne dass eine qualifizierte Signatur bzw. eine Mikroverfilmung eingesetzt wird. Im Haftungsfall muss dem Richter ähnlich wie bei einem Papierdokument anhand von Organisationsanweisungen, Archivkonzept und verwendeter Verschlüsselung nachgewiesen werden, dass es sich um ein Original handelt. Ob hierfür zwingend eine qualifizierte Signatur notwendig ist bleibt abzuwarten. Auch Papierdokumente haben in der Vergangenheit keine absolute Fälschungssi- cherheit gehabt und Krankenhäuser konnten damit ganz gut leben. Prozesse verschlanken Rechtssichere digitale Langzeitarchivierung lässt sich heute bereits umsetzen, auch ohne Mikroverfilmung und zunächst noch ohne qualifizierte Signatur. Das Risiko durch das Vernichten der Papierdokumente muss jedes Krankenhaus selbst abwägen, nach Auffassung des Autors stellt dies jedoch kein höheres Risiko dar als bisherige Papierdokumente, wenn gewisse „Spielregeln“ eingehalten werden. Die Umstellung auf digitale Archivierung mit entsprechender Anpassung der Betriebsprozesse wird für die deutschen Krankenhäuser zu einer wichtigen Frage in den nächsten Jahren. Keinesfalls darf die Archivierung einfach zusätzlich geplant werden, allein der Kosten wegen, ohne die bisherigen Prozesse zu „verschlanken“. Der neue Leitfaden „Digitale Archivierung“ soll dabei helfen. Wer sich bei der Gestaltung von Archivlösungen daran orientiert, legt bereits ein solides Fundament für ein vertrauenswürdiges digitales Archivkonzept. Der Leitfaden wird in einer ersten Version zur ITeG 2005 (26.-28.04.) zum Download unter www.Klinik-IT.info angeboten.