top Serie Zukunft Landwirtschaft 7 Fragen zum Klimawandel H Was ist Klimawandel überhaupt? Welche Anzeichen gibt es dafür? Was bedeutet er für uns? Welche Folgen hat er für die tägliche Praxis in der Landwirtschaft? eißester Frühling seit Temperaturaufzeichnung“, „Rekorddürre in den USA“, „Kyrill“ und „Jahrhundertsommer“. – Wenn es ums Wetter geht, scheint in den letzten Jahren und Monaten ein Extremereignis das nächste zu jagen. Alles reiner Zufall? Fast täglich liefern die Medien neue Meldungen über Klimaänderung und spektakuläre Wetterereignisse. Geht es hier nur um mediengemachte Sensationsmeldungen oder stehen wir vor Entwicklungen mit weltweit dramatischen Folgen? 1 Klimawandel nichts als Sensationsmache? Das Klima in Deutschland hat sich in den letzten 100 Jahren verändert. So ist die mittlere Jahrestemperatur um 1,1 °C gestiegen. Das ist etwas mehr als der weltweit gemittelte Temperaturanstieg von 0,7 °C. In den Alpen betrug er sogar 1,5 °C. Ein Grund dafür ist, dass die Glet- scher kleiner geworden sind und sich die Luft über dunklem Gestein schneller erwärmt als über weißem Schnee. Vor allem die Winter sind in Deutschland im Mittel um 1,5 °C wärmer geworden. Die Winterniederschläge haben um etwa ein Viertel zu-, die Sommerniederschläge dagegen vor allem im Osten Deutschlands leicht abgenommen. Das klingt nicht besonders dramatisch. In der Tat erscheint eine Erwärmung von einem Grad Celsius zunächst nicht besonders bemerkenswert. Wenn man jedoch bedenkt, dass der Unterschied in der weltweit gemittelten Temperatur zwischen Eiszeiten und Wärmeperioden nur etwa 5 bis 10 °C betragen hat, relativiert sich dieser Eindruck. In Deutschland entspricht ein Anstieg von 1 °C etwa dem Unterschied zwischen dem kühlen Hamburg und dem warmen Bonn im Rheintal. Dieser beträgt 1,3 °C. Die Natur reagiert bereits seit geraumer Zeit auf die geänderten Bedingungen: Pflanzenarten aus dem Süden wandern ein, Werden Gewitter künftig heftiger? Noch sind sich die Klimaexperten nicht einig. Starkregen sollen aber häufiger auftreten. Foto: agrarfoto 26 top agrar 3/2008 kälteliebende Arten ziehen sich nach Norden und in höhere Bergregionen zurück, die Vegetationsperiode verlängert sich. 2 Verursacht der Mensch den Klimawandel? Hängen diese Phänomene nicht eher mit der Sonnenaktivität zusammen? Diese und ähnliche Fragen stellen sich immer wieder. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass die Sonnenaktivität in den letzten Jahrzehnten stabil war. Außerdem hat es einige starke Vulkanausbrüche gegeben. Durch diese gelangt Staub in die Atmosphäre, der die Sonnenstrahlung abhält. Dadurch kann die globale Temperatur sogar sinken. Die trotzdem steigenden Temperaturen können also nur durch die steigende Konzentration an Treibhausgasen in der Atmosphäre erklärt werden. Diese sollen für den so genannten Treibhaus-Effekt verantwortlich sein. Der Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre wird eindeutig durch menschliche Aktivitäten (z. B. CO2-Emissionen aus Kohlekraftwerken, Verbrennungsmotoren, Brandrodung usw.) verursacht. 3 Wie funktioniert der Treibhaus-Effekt? Von den Sonnenstrahlen, die die Erde treffen, werden etwa 30 % direkt reflektiert, ohne dass sie das Klima beeinflussen. Der Rest erwärmt die Erdoberfläche. Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2), Methan und Lachgas können diese Wärme „festhalten“, so dass sie nicht gleich wieder ins All abgestrahlt wird. Etwa 0,5 % der Atmosphäre besteht natürlicherweise aus Treibhausgasen. Sie sorgen dafür, dass die mittlere Temperatur auf der Erde statt kalte -18 °C angenehme +15 °C beträgt. Untersuchungen von Gaseinschlüssen in Eisbohrkernen aus der Antarktis lassen deutliche Übereinstimmungen der Konzentration der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan mit der Temperatur in den letzten 420 000 Jahren erkennen. 4 Wie ändert sich das Klima in Deutschland? Um künftige Klimaänderungen vorherzusagen, berechnen Klimaforscher verschiedene Szenarien. Basierend auf die- sen Szenarien und Modellen ergibt sich für unser Klima die folgende Prognose: ■ Die mittlere Jahrestemperatur in Deutschland steigt bis zum Jahr 2100 verglichen mit dem Zeitraum 1980 bis 1999 um 2,5 bis 3,5 °C. Dabei ist die Erwärmung im Herbst wahrscheinlich weniger stark als in den anderen Jahreszeiten. Im Winter nehmen durch die Erwärmung Tage mit Schnee und Frost ab, es fällt aber ein größerer Teil des Jahresniederschlags als bisher. ■ Für Süddeutschland wird ein stärkerer Anstieg der Winterniederschlagsmenge und der Wintertemperaturen erwartet als für andere Gegenden. Durch die stärkeren Niederschläge erhöht sich die Hochwassergefahr. Insgesamt sind mehr Starkregenereignisse zu erwarten, vor allem im Westen Deutschlands. ■ Die Sommer werden allgemein eher trockener und heißer: Tage mit Temperaturen über 30 °C werden häufiger (siehe auch Übersicht 1 auf Seite 28). Die Modelle errechnen einen Rückgang der Sommerniederschläge um durchschnittlich bis zu 30 %, wobei der Nordosten und Südwesten Deutschlands besonders betroffen sein werden. In diesen Regio- top agrar 3/2008 27 top Serie nen ist dann während der Vegetationsperiode wesentlich weniger Wasser vorhanden. Steigende Temperaturen verstärken diesen Trend. ■ Die geringsten Klima-Änderungen sind für Nordwestdeutschland zu erwarten, wo durch das Meer gemilderte Einflüsse vorherrschen. Diese Region und die Küstengebiete sowie die Mittelgebirgslagen könnten vom Klimawandel profitieren, da hier steigende Temperaturen und ein Rückgang der Sommerniederschläge die klimatischen Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft verbessern könnten. Allerdings könnten in den Küstenregionen Probleme durch den Anstieg des Meeresspiegels an Brisanz gwinnen. Diesen könnte die Ausdehnung des Wassers bei steigender Temperatur und schmelzendes Kontinentaleises Grönlands und der Antarktis verursachen. Insgesamt werden die Klimaveränderungen nicht linear verlaufen, sondern mit größerer Variabilität von Jahr zu Jahr und Region zu Region einhergehen. 5 Wie wirkt der Klimawandel auf den Boden? 6 Wirkt mehr CO2 in der Luft wie Dünger? Steigende Temperaturen und Niederschläge im Winter werden dafür sorgen, dass die Bodenlebewesen im Herbst und Winter aktiver werden. Die Folge: Sie mineralisieren mehr Stickstoff. Ein Teil dieses mineralisierten Stickstoffs spülen aber Niederschläge bis zum Frühjahr ins Grundwasser aus. Wenn die Mikroorganismen im Boden aktiver sind, ist auch die Bodenatmung erhöht. Das bedeutet: Der Boden gibt Kohlenstoff ab statt ihn zu speichern. Auf landwirtschaftlich genutzten Böden könnte es so bis zum Jahr 2100 zu Verlusten an organischem Kohlenstoff von 20 bis 30 %, in Extremfällen bis zu 60 % kommen. Dabei gilt: Je feuchter und kohlenstoffreicher der Boden, desto höher ist der Kohlenstoffverlust. Es ist aber noch nicht geklärt, ob sich die Bodenorganismen nicht nach einigen Jahren anpassen werden, so dass ihre Mineralisierungs- und Atmungsaktivität wieder auf die Ausgangshöhe sinkt. Bis dahin wäre aber bereits ein Teil des Bodenkohlenstoffs als Treibhausgas Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt. Die steigende Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre wirkt wie ein Dünger auf die Pflanzen. Diesen Effekt machen sich Gemüseanbauer schon seit langem im Gewächshaus zu nutze. Zusätzlich beschleunigen höhere Tempera- 28 top agrar 3/2008 Übersicht 1: Das Klima wird wärmer und extremer Wahrscheinlichkeit Klima heute Klima morgen Mehr warmes Wetter Mehr extrem warmes Wetter Weniger extrem kaltes Wetter Wetterextreme, wie z. B. Hitzewellen, sollen im Zuge des Klimawandels häufiger auftreten. Das sagen Klimaexperten voraus. Quelle: Prof. Weigel, FAL Kalt Mittel turen die Pflanzenentwicklung. Was hier wie ein leicht nutzbarer Vorteil klingt, hat aber auch negative Auswirkungen: So kann z. B. bei Getreide die Verkürzung der Kornfüllungsphase zu Ertragsverlusten führen. Außerdem nehmen die Pflanzen bei höherem CO2-Angebot häufig weniger Stickstoff auf. Dies kann zu niedrigeren Proteingehalten führen und die Backeigenschaften von Weizen beeinträchtigen. Durch die erhöhte Verdunstungsrate bei steigenden Temperaturen wird vor allem im Sommer eine ausreichende Wasserversorgung der Pflanzen schwieriger. In Experimenten haben Wissenschaftler bisher beobachtet, dass die „CO2-Düngung“ einen wassersparenden Effekt hat. Doch in welchem Maße wird sich dieser letztendlich tatsächlich auswirken? Bisher hat man festgestellt, dass Pflanzen durch den erhöhten CO2-Gehalt schneller CO2 für die Photosynthese aufnehmen können und so ihre Spaltöffnungen eher wieder schließen. Das senkt den Wasserverlust durch Transpiration. Dadurch steigen die Bestandstemperaturen. Das erhöht die Transpirationsrate und die Verdunstung durch die Bodenoberfläche. Doch haben Wissenschaftler auch hierbei generell einen höheren Bodenwassergehalt bei künstlich erhöhter CO2Konzentration gemessen. Unsere Autoren: Nicole Wrage, Erika Müller, Christiane Wunderow, Johannes Isselstein, Department für Nutzpflanzenwissenschaften, Uni Göttingen und Michaela Schaller, Fachgebiet Klimaschutz, Umweltbundesamt, Dessau Warm 7 Reagieren alle Pflanzen gleich auf mehr CO2? Ob Pflanzen eine gesteigerte CO2-Konzentration nutzen können, hängt auch von der jeweiligen Pflanzenart ab. Die meisten unserer Kulturarten sind so genannte C3Arten, die bei einer Verdoppelung des CO2-Gehalts ihren Ertrag potenziell um 20 bis 35 % steigern können. Dabei erhöht sich gleichzeitig ihre Wassernutzungs-Effizienz. Anders verhält es sich beim Mais, einer C4-Pflanze: Hier ist bereits heute das CO2Optimum erreicht. Allerdings hat der Mais eine höhere Hitzetoleranz und ein höheres Temperatur-Optimum als die meisten anderen bei uns angebauten Ackerkulturen. Eine entsprechende Klimaänderung begünstigt also den Maisanbau bei uns. Vermehrte Starkniederschläge können jedoch beim Mais leicht zu Ertragsausfällen führen. Bei Getreide ist die Temperatur besonders wichtig. Steigt diese während der Blüte über 30 °C, reduzieren die Pflanzen ihre Kornzahl. Außerdem bestimmt die Temperatur die Länge der Entwicklungsstadien. Da der Kornertrag von der Kornfüllungsdauer abhängt, kommt es durch steigende Temperaturen zu Ertragsminderungen. Trockenheit verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Die CO2-Düngungswirkung kann dies jedoch abmildern oder sogar überkompensieren. Durch die höheren Herbstund Wintertemperaturen haben Winterkulturen die Möglichkeit, sich schneller als bisher zu entwickeln. Dadurch kann es bei nach wie vor auftretenden Frösten zu starken Ausfällen kommen. Außerdem nimmt in der Regel der Eiweißgehalt ab, da die Pflanzen bei höheren CO2-Konzentrationen weniger Stickstoff aufnehmen.