Neue Arzneimittel für Pferde und landwirtschaftliche Nutztiere 2009

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Übersichtsartikel
© Schattauer 2010
Neue Arzneimittel für Pferde und
landwirtschaftliche Nutztiere 2009
I. U. Emmerich
Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie, Veterinärmedizinische Fakultät der Universität Leipzig
Schlüsselwörter
Key words
Arzneimittel, Zulassung, Ketoprofen, Doxycyclin, lebensmittelliefernde
Tiere, Pferde
Drugs, registration, Ketoprofen, Doxycyclin, food producing animal,
horse
Zusammenfassung
Summary
Im Jahr 2009 kam für Pferde und landwirtschaftliche Nutztiere kein
neuer Wirkstoff auf den deutschen Markt. Zwei Wirkstoffe erhielten eine Tierartenerweiterung. So wurde das nichtsteroidale Antiphlogistikum Ketoprofen auch für Schweine und das Antibiotikum Doxycyclin
auch für Hühner zugelassen. Des Weiteren kamen vier Präparate mit
einer interessanten neuen Darreichungsform und ein Arzneimittel mit
einer neuen Formulierung für Pferde und landwirtschaftliche Nutztiere
auf den Markt.
In 2009 , no new active pharmaceutical ingredients were released on
the German market for horses and food producing animals. Two substances have been approved for additional species. The nonsteroidal
anti-inflammatory drug Ketoprofen is now available for pigs and the
antibiotic Doxycycline is now also authorized for chickens. Furthermore,
four new preparations with an interesting new pharmaceutical form
and one drug with a new formulation were added to the market for
horses and food producing animals.
Korrespondenzadresse
Dr. Ilka Ute Emmerich
Institut für Pharmakologie, Pharmazie und Toxikologie
Veterinärmedizinische Fakultät
der Universität Leipzig
An den Tierkliniken 15
04103 Leipzig
E-Mail: [email protected]
New drugs for horses and production animals in 2009
Tierärztl Prax 2010; 38 (G): 307–311
Eingegangen: 23. August 2010
Akzeptiert: 2. September 2010
Einleitung
Mit diesem Artikel soll wie in den vergangenen Jahren ein Überblick über interessante Neuzulassungen auf dem deutschen Arzneimittelmarkt für Pferde und landwirtschaftliche Nutztiere gegeben werden. Für die Auswahl der Präparate waren wie bisher folgende Kriterien entscheidend:
1. Präparate mit Wirkstoffen, die erstmals für die Veterinärmedizin zugelassen wurden:
Im Jahr 2009 wurde kein neuer Wirkstoff für Lebensmittel liefernde Tiere und Pferde zugelassen.
2. Wirkstoffe, die für weitere Tierarten zugelassen wurden:
– Dinalgen® 300 mg/ml Lösung zum Eingeben für Rinder und
Schweine, Dinalgen 60 mg/ml Injektionslösung für Schweine (Ketoprofen, neue Tierart Schweine, bislang für Rinder
und Pferde zugelassen, neue Applikationsform [oral] für
Rinder)
– Doxycycline Calier 500 mg/g, Pulver zum Eingeben über das
Trinkwasser für Huhn und Schwein (Doxycyclin, neue Tierart Hühner, bislang nur für Schweine, Hunde und Katzen zugelassen)
3. Präparate, die aufgrund ihrer neuen Darreichungsform, ihrer
erweiterten Indikation oder anderer Kriterien interessant sind:
– Belfer® (Eisenpräparat, anderes Kriterium: erstes Injektionspräparat ohne Phenol als Konservierungsmittel, Dosisreduktion um 50%)
– Nuflor® 40 mg/g Pulver zum Eingeben für Schweine (Florfenicol, neue Darreichungsform: Pulver zum Eingeben, bislang nur als Injektionslösung)
– Vectin® 22,75 mg Kautabletten für Pferde und Eraquell Tabs,
20 mg Kautabletten für Pferde (Ivermectin, neue Darreichungsform: Kautabletten zur oralen Verabreichung, bislang
nur als Paste und Gel)
씰Tabelle 1 bietet eine Übersicht zu den neuen Präparaten.
Präparate mit Wirkstoffen, die erstmals
in der Tiermedizin zugelassen wurden
Wirkstoffe, die für eine weitere Tierart
zugelassen wurden
Dinalgen® Lösung zum Eingeben und Injektionslösung
(Ketoprofen)
Das nichtsteroidale Antiphlogistikum Ketoprofen, das seit Jahren
zur intravenösen und intramuskulären Anwendung bei Rindern
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und zur intravenösen Anwendung bei Pferden auf dem Markt ist,
steht seit 2009 auch für Schweine in Form einer Injektionslösung
sowie einer Lösung zum Eingeben zur Verfügung. Letztgenannte
Darreichungsform besitzt auch eine Zulassung für die Anwendung
beim Rind. Als weitere nichtsteroidale Antiphlogistika für Schweine sind folgende Wirkstoffe zugelassen: Acetylsalicylsäure (Pulver
zum Eingeben über das Futter), Flunixin (Injektionslösung zur intramuskulären Anwendung), Meloxicam (Injektionslösung zur
intramuskulären Anwendung), Metamizol (Injektionslösung zur
intramuskulären und intravenösen Anwendung), Natriumsalicylat (Pulver zur Herstellung einer Lösung zum Eingeben über das
Trinkwasser) und Paracetamol (Arzneimittelvormischung).
Das Arylpropionsäurederivat Ketoprofen gehört zur Gruppe
der auf Carboxylsäure basierenden nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID). Wie alle Arylpropionsäurederivate enthält auch
Ketoprofen ein asymmetrisches C-Atom, wodurch es als (+)- und
(–)-Enantiomer vorkommt (7). Ketoprofen wird als zentral und
peripher wirkendes NSAID beschrieben, wobei sein genauer Wirkmechanismus noch nicht vollständig geklärt ist. Der primäre
Mechanismus beruht wie bei allen NSAID auf der Hemmung
der Cyclooxygenase (COX) und damit der Prostaglandinsynthese.
Ketoprofen ist in Abhängigkeit von der Tierart ein preferentieller oder selektiver COX-1- oder ein unspezifischer COX-Hemmer
(6). Die nach In-vitro-Studien vermutete Lipoxygenasehemmung
durch Ketoprofen konnte in In-vivo-Studien nicht bestätigt wer-
den (6). Der analgetischen Wirkung von Ketoprofen liegt eine
Hemmung von Entzündungsmediatoren (z. B. Bradykinin) zugrunde, wodurch deren Wirkung an den peripheren Schmerzrezeptoren verringert wird.
Ketoprofen wird bei Schweinen nach intramuskulärer Injektion
von 3 mg/kg KM rasch resorbiert mit maximalen Plasmakonzentrationen von 13 μg/ml nach 30–60 Minuten (4). Die Bioverfügbarkeit nach intramuskulärer Injektion ist mit ca. 96% hoch (4).
Nach oraler Verabreichung von 3 mg Ketoprofen/kg KM werden
maximale Plasmakonzentrationen von 10,6 μg/ml nach durchschnittlich 60 Minuten erreicht (3). Die Bioverfügbarkeit bei oraler
Applikation beträgt 84% (3). Bei 3-tägiger Verabreichung über das
Trinkwasser in einer Dosierung von 3 mg/kg KM/Tag ergaben sich
maximale Plasmakonzentrationen von 2,7 μg/ml nach durchschnittlich 16 Stunden (3). Das mittlere Verteilungsvolumen von
Ketoprofen ist nach intravenöser Applikation mit 0,2 l/kg niedrig,
die durchschnittliche Eliminationshalbwertszeit mit 2 Stunden
kurz (3, 4). Nach oraler und intramuskulärer Verabreichung wird
Ketoprofen zu mehr als 90% an Plasmaproteine gebunden, in der
Leber metabolisiert und vorwiegend über den Urin und zu einem
geringeren Grad auch über die Fäzes ausgeschieden (3, 4).
Als Nebenwirkungen wurden die für alle nichtsteroidalen Antiphlogistika typischen im Vordergrund stehenden gastrointestinalen Reizungen beobachtet. So führte Ketoprofen bei Schweinen
in der empfohlenen therapeutischen Dosierung zu oberflächlicher
Tab. 1
Übersicht über die im Artikel besprochenen veterinärmedizinischen Arzneimittel. Die interessanten Neuerungen, die zur Aufnahme der Arzneimittel in den Artikel geführt haben, sind rot hervorgehoben.
Table 1 Overview on the drugs for veterinary use presented in the article. Interesting innovations which led to inclusion of the drugs in the article are highlighted in red letters.
Wirkstoffgruppe
Wirkstoff
Präparat
(geschützter
Warenname)
Wirkstoffkonzentration
Darreichungsform und
Art der Anwendung
Tierart
Vertreiber
Doxycyclin
Doxycycline Calier
500 mg/g
Pulver zum Eingeben über das
Trinkwasser
Hühner, Schweine
Kon-Pharma
Florfenicol
Nuflor®
40 mg/g
Pulver zum Eingeben
Schweine
Intervet
Eraquell® Tabs
20 mg
Kautabletten zum Eingeben
Pferde
Virbac
22,75 mg
Kautabletten zum Eingeben
Pferde
Intervet
100 mg/ml
Phenolfreie Injektionslösung
zur intramuskulären und subkutanen Anwendung
Pferde, Schweine, Rinder,
Schafe, Ziegen, Hunde
Bela-Pharm
Antibiotika
Antiparasitika
Ivermectin
Vectin
®
Eisen, Eisenverbindungen
Eisendextran
Belfer®
Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID)
Ketoprofen
Dinalgen®
60 mg/ml
Injektionslösung zur intramus- Schweine
kulären Anwendung
Bayer Vital
300 mg/ml
Lösung zum Eingeben
Schweine
Bayer Vital
Lösung zum Eingeben
Rinder
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und tiefer Erosion und/oder oberflächlicher Ulzeration im MagenDarm-Trakt, die in Einzelfällen im Zusammenhang mit forciertem
Futterzugang, hoher Parasitenlast und Fremdkörperaufnahme
lebensbedrohliche gastrointestinale Blutungen mit Tod der Tiere
zur Folge hatten (3, 4). Des Weiteren kann es nach oraler Verabreichung zur vorübergehenden Stuhlerweichung (3) und bei Injektion zu schmerzhaften Reizungen an der Injektionsstelle kommen
(4).
Ketoprofen darf nicht angewendet werden bei Tieren mit Futterkarenz oder eingeschränktem Zugang zu Futter, bei Tieren mit
Magen-Darm-Ulzera und Läsionen der Darmschleimhaut, bei dehydrierten, hypovolämischen oder hypotensiven Tieren aufgrund
eines möglichen Anstiegs der Nierentoxizität, bei extensiv gehaltenen Mastschweinen mit Erd- oder Fremdkörperkontakt, bei Tieren mit Herz-, Leber- oder Nierenerkrankungen oder bei Anzeichen für Störungen der Blutzusammensetzung oder Blutgerinnung und bei Überempfindlichkeit gegenüber Ketoprofen oder
Acetylsalicylsäure. Da Ketoprofen Ulzerationen im Magen-DarmTrakt hervorrufen kann, wird seine Anwendung beim Post-Weaning Multisystemic Wasting Syndrome (PMW-Sydrom) nicht
empfohlen. Ketoprofen sollte nicht gleichzeitig mit Diuretika oder
potenziell nephrotoxischen Arzneimitteln angewendet werden, da
infolge der durch die Prostaglandinhemmung bedingten Minderdurchblutung Nierenfunktionsstörungen verstärkt werden können. Ketoprofen darf außerdem aufgrund einer möglichen Verstärkung der gastrointestinalen Nebenwirkungen nicht mit anderen nichtsteroidalen Antiphlogistika oder Glukokortikoiden kombiniert verabreicht werden. Auch die gleichzeitige Gabe von Ketoprofen mit Antikoagulanzien, insbesondere Kumarinderivaten wie
Warfarin, ist kontraindiziert (3, 4).
Obwohl in Studien zu Embryo- und Reproduktionstoxizität an
Labortieren und Rindern keine teratogenen, fetotoxischen oder
maternotoxischen Effekte durch Ketoprofen nachweisbar waren,
sollte Dinalgen® bei trächtigen Sauen nur nach entsprechender
Nutzen-Risiko-Bewertung angewendet werden (3, 4).
Die therapeutische Breite von Ketoprofen ist relativ gering (ca.
3). Die Gabe der bis zu 5-fachen therapeutischen Dosis (15 mg/kg
KM) über die empfohlene Höchstbehandlungsdauer (3 Tage) oder
die Gabe der empfohlenen Dosis (3 mg/kg KM) über das 3-Fache
der empfohlenen Höchstbehandlungsdauer (9 Tage) hinaus führte bei bis zu etwa einem Viertel der Schweine zu ulzerierenden Läsionen der Magenschleimhaut. Erste Toxizitätszeichen sind Appetitverlust und breiige Stühle oder Durchfall (3, 4).
Über das Trinkwasser wird Ketoprofen Schweinen in einer Dosierung von 1,5–3 mg/kg KM/Tag verabreicht. Um eine ausreichende Wirkstoffaufnahme sicherzustellen, muss die Wasseraufnahme der behandelten Tiere überwacht werden. Bei unzureichender Wasseraufnahme ist eine individuelle Behandlung der
Schweine, vorzugsweise mittels Injektion, erforderlich (3). Intramuskulär werden Schweinen 3 mg Ketoprofen/kg KM verabreicht.
Die Behandlungsdauer beträgt bei beiden Applikationsarten einen
Tag. Sie kann nach einer Nutzen-Risiko-Analyse auf maximal 3 Tage verlängert werden (3, 4). Die Wartezeit für essbares Gewebe bei
Schweinen beträgt nach intramuskulärer Injektion 3 Tage und
nach oraler Verabreichung über das Trinkwasser 1 Tag.
Die Wartezeit für das essbare Gewebe bei Rindern beträgt bei
oraler Verabreichung 1 Tag. Bei laktierenden Tieren, deren Milch
für den menschlichen Verzehr vorgesehen ist, darf das Tierarzneimittel nicht angewendet werden.
Ketoprofen steht für Equiden, Rinder und Schweine in Tabelle 1
„Zulässige Stoffe“ der Verordnung (EU) Nr. 37/2010 über pharmakologisch wirksame Stoffe und ihre Einstufung hinsichtlich der
Rückstandshöchstmengen in Lebensmitteln tierischen Ursprungs,
wobei für die Einstufung keine Rückstandshöchstmenge erforderlich war (ehemals Anhang II VO (EWR) 2377/90).
Dinalgen® 300 mg/ml wird als Lösung zum Eingeben für Rinder
und Schweine in 500-ml-Flaschen und als Dinalgen® 60 mg/ml Injektionslösung für Schweine in Durchstechflaschen mit 100 ml
und 250 ml von der Firma Bayer Vital GmbH vertrieben.
Doxycycline Calier, Pulver zum Eingeben über das
Trinkwasser für Hühner und Schweine (Doxycyclin)
Der antimikrobielle Wirkstoff Doxycyclin aus der Gruppe der Tetrazykline war bislang nur für Hunde, Katzen und Schweine verfügbar. Er wurde jetzt als Pulver zum Eingeben über das Trinkwasser unter dem Namen Doxycycline Calier 500 mg/g unter anderem
für Hühner (Broiler und Masthähnchen) zur Metaphylaxe und Behandlung chronischer Atemwegserkrankungen (CRD = Chronic
Respiratory Disease) hervorgerufen durch Mycoplasma gallisepticum zugelassen. Mit Doxycyclin steht für Hühner erstmals ein Tetrazyklin aus der Gruppe der „neuen Tetrazykline“ zur Verfügung.
Diese bieten gegenüber den älteren Tetrazyklinen (von denen
Chlortetracyclin, Oxytetracyclin und Tetracyclin für Hühner als
Pulver zur Herstellung einer Lösung zum Eingeben über das Trinkwasser zugelassen sind) Vorteile bezüglich des Wirkungsspektrums, des pharmakokinetischen Verhaltens und der Toxizität. So
verfügen die „neuen Tetrazykline“ über eine höhere Aktivität gegenüber Staphylococcus aureus, hemmen auch das Wachstum plasmidtragender tetrazyklinresistenter sowie penizillinresistenter
Stämme, zeigen schwächere Interaktionen mit zwei- und dreiwertigen Kationen (nicht bei Fe2+) und weisen eine geringere Toxizität
auf (5).
Doxycyclin wirkt wie alle Tetrazykline auf extra- und intrazellulär vorliegende Keime bakteriostatisch durch Hemmung der
Elongationsphase der Proteinsynthese, nachdem es über ein spezifisches Transportprotein in die Bakterienzelle transportiert wurde.
Durch Bindung an die ribosomale 30-S-Untereinheit wird die Bindung der t-RNA an die Akzeptorregion gehemmt (5). Die weit verbreitete Resistenz, die auf mindestens zwei Mechanismen beruht,
schränkt den therapeutischen Wert der Tetrazykline ein (5). Obwohl minimale Hemmkonzentrationen (MHK) für Doxycyclin in
der Regel niedriger ausfallen als bei Tetrazyklinen der älteren
Generation, sind aufgrund der fast immer bestehenden Kreuzresistenz innerhalb der Gruppe der Tetrazykline tetracyclinresistente Erreger auch generell resistent gegenüber Doxycyclin (1).
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Bei nüchternen Hühnern ist Doxycyclin nach oraler Aufnahme
zu 75% bioverfügbar, wobei maximale Plasmakonzentrationen
nach ca. 1,5 Stunden erreicht werden. Die orale Bioverfügbarkeit
hängt sehr vom Füllungszustand des Magens und der verabreichten Nahrung ab, da in Abhängigkeit vom Kationengehalt schwerlösliche Chelate gebildet und kaum resorbiert werden (5). Bei
gleichzeitigem Vorliegen von Futter im Gastrointestinaltrakt ergab
sich eine Bioverfügbarkeit von ca. 60% und maximale Plasmaspiegel wurden erst nach 3,3 Stunden erreicht (1). Doxycyclin akkumuliert in Leber, Nieren, Knochen und Intestinum und es findet
ein enterophepatischer Kreislauf statt. In der Lunge werden stets
höhere Konzentrationen an Doxycyclin erreicht als im Plasma. Die
Plasmaproteinbindung beträgt 90–92%. Doxycyclin wird zu 40%
verstoffwechselt und überwiegend über die Fäzes, meist in Form
mikrobiologisch inaktiver Konjugate, ausgeschieden.
Das Arzneimittel darf nicht bei Resistenzen gegenüber Doxycyclin, bei schweren Leber- und Nierenfunktionsstörungen und
nicht gleichzeitig mit Tierarzneimitteln angewendet werden, die
polyvalente Kationen enthalten (z. B. Antazida, Kaoline und Eisenpräparate). Der Zeitabstand zwischen den jeweiligen Einnahmen
sollte mindestens 1–2 Stunden betragen.
Doxycyclin verstärkt die Wirkung von Antikoagulanzien. Nach
Gabe von Doxycycline Calier 500 mg/g können wie bei allen Tetrazyklinen allergische Reaktionen und Lichtempfindlichkeit auftreten, insbesondere bei schwach pigmentierten Tieren. Des Weiteren
ist die Löslichkeit des Tierarzneimittels pH-abhängig, sodass es in
alkalischer Lösung zu einer Ausfällung des Wirkstoffs kommt.
Obwohl bei Studien zur Embryo- und Reproduktionstoxizität an
Labortieren (Ratte, Kaninchen) keine teratogenen, embryotoxischen oder maternotoxischen Effekte durch Doxycyclin nachweisbar waren, kann die Anwendung von Doxycycline Calier 500 mg/g
bei Zuchttieren nicht empfohlen werden, da keine Studien an der
Zielspezies vorliegen (1).
Nach Gabe des 4-fachen der empfohlenen Dosis über die empfohlene Höchstbehandlungsdauer (5 Tage) an Hühner konnten
keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen beobachtet werden
(1).
Die Dosierung beträgt 20 mg Doxycyclin/kg KM/d über 3–5 Tage über das Trinkwasser. Um eine ausreichende Wirkstoffaufnahme sicherzustellen, ist die Wasseraufnahme der behandelten Tiere
zu überwachen.
Doxycyclin steht für Geflügel, Rinder und Schweine mit einer
Rückstandshöchstmenge (MRL) in Tabelle 1 „Zulässige Stoffe“ der
Verordnung (EU) Nr. 37/2010. Die Wartezeit nach Anwendung
von Doxycycline Calier 500 mg/g beträgt für essbares Gewebe von
Masthähnchen 6 Tage. Es darf nicht bei Legehennen, deren Eier für
den menschlichen Verzehr bestimmt sind, sowie bei Tieren innerhalb von 4 Wochen vor Beginn des Legens, angewendet werden.
Doxycycline Calier 500 mg/g wird als Pulver zum Eingeben
über das Trinkwasser in Packungen zu 5 kg (OP 5 × 1 kg) und 25 kg
(OP 25 × 1 kg) von der Firma Kon-Pharma Handels GmbH vertrieben.
Weitere interessante Neuzulassungen
Nachfolgend finden Arzneimittel Erwähnung, die aufgrund einer
neuen Darreichungsform, einer erweiterten Indikation oder anderer Kriterien eine interessante Erweiterung oder Änderung ihrer
Zulassung erhalten haben.
Neue Formulierung
Eisendextran-Injektionspräparate zur Therapie von Eisenmangelzuständen enthielten bislang als Konservierungsstoff ausschließlich Phenol. Das Benzolderivat Phenol, ein Protoplasmagift, das
konzentriert alle lebenden Zellen abtötet und verdünnt entwicklungshemmend wirkt, ist abhängig von der Einwirkungszeit hautund schleimhautreizend. Daher wird es heute kaum mehr als Antiseptikum in der Wundbehandlung, sondern fast ausschließlich
zur Grobdesinfektion eingesetzt (2, 8).
In der von der Firma Bela-Pharm angebotenen EisendextranInjektionslösung wurde der Konservierungsstoff Phenol durch
Natriummethyl- und Natriumpropyl-4-hydroxybenzoat in Verbindung mit dem Komplexbildner Ethylendiamintetraessigsäure
(EDTA) ersetzt. Diese phenolfreie Eisendextran-Injektionslösung
Belfer® 100 mg/ml ist für Pferde, Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen
und Hunde zugelassen. Die Wartezeit beträgt für essbares Gewebe
und/oder Milch 0 Tage.
Nach intramuskulärer oder subkutaner Applikation von
100 mg Fe3+/kg KM dieser neu formulierten Eisendextran-Injektionslösung werden beim Saugferkel physiologisch notwendige
Eisenplasmakonzentrationen von > 18 μmol/l innerhalb von
1–6 Stunden erreicht und über mindestens 48 Stunden aufrechterhalten. Die sonst erforderliche Dosis von 200 mg Fe3+/kg KM der
phenolhaltigen Eisendextran-Injektionslösungen lässt sich somit
um die Hälfte reduzieren. Des Weiteren konnten nach Applikation
von Belfer® 100 mg/ml an der Injektionsstelle keine lokalen Reaktionen beobachtet werden.
Neue Darreichungsform
Das Antibiotikum Florfenicol aus der Gruppe der Fenicole, das
bislang ausschließlich als Injektionslösung für Rinder und Schweine zur Verfügung stand, erhielt jetzt auch als Pulver zum Eingeben
für Schweine eine Zulassung. Das 4%ige Pulver Nuflor® 40 mg/g,
vertrieben von der Firma Intervet Deutschland GmbH, wurde zur
Behandlung von porzinen Atemwegserkrankungen bei einzelnen
Tieren, hervorgerufen durch florfenicolempfindliche Pasteurellamultocida-Stämme, zugelassen. Die Wartezeit für das essbare Gewebe von Schweinen beträgt 14 Tage.
Das Endektozid Ivermectin aus der Gruppe der makrozyklischen Laktone war bislang in Form einer Monopräparation für
Pferde nur als Paste oder Gel zum Eingeben verfügbar. Jetzt ist der
Wirkstoff auch als Kautablette für Pferde unter der Bezeichnung
Eraquell® Tabs, 20 mg bei der Firma Virbac Tierarzneimittel
GmbH und als Vectin® 22,75 mg bei der Firma Intervet Deutsch-
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I. U. Emmerich: Neue Arzneimittel für Pferde und landwirtschaftliche Nutztiere 2009
land GmbH erhältlich. Die Wartezeit für das essbare Gewebe von
Pferden beträgt nach Anwendung von Eraquell® Tabs 35 Tage und
nach Verabreichung von Vectin® 52 Tage. Beide Arzneimittel dürfen nicht bei Tieren angewendet werden, deren Milch für den
menschlichen Verzehr vorgesehen ist.
Interessenskonflikt
Die Autorin bestätigt, dass kein Interessenskonflikt besteht.
Literatur
1. Doxycyclin. Fachinformation in Form der Zusammenfassung des Merkmale
des Tierarzneimittels Doxycycline Calier 500 mg/g Pulver zum Eingeben
über das Trinkwasser für Huhn und Schwein, 2009.
2. Hunnius C, Ammon HPT, Hrsg. Hunnius pharmazeutisches Wörterbuch.
Berlin: de Gruyter 2004.
3. Ketoprofen. Fachinformation in Form der Zusammenfassung des Merkmale
des Tierarzneimittels Dinalgen 300 mg/ml, Lösung zum Eingeben für Rinder
und Schweine, 2010.
4. Ketoprofen. Fachinformation in Form der Zusammenfassung des Merkmale
des Tierarzneimittels Dinalgen 60 mg/ml, Injektionslösung für Schweine,
2009.
5. Kroker R. Tetracycline. In: Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren.
Löscher W, Ungemach FR, Kroker R, Hrsg. Berlin: Parey 2006; 255–258.
6. Lees P. Analgesic, antiinflammatory, antipyretic drugs. In: Veterinary Pharmacology and Therapeutics. Riviere JE, Papich MG, eds. Ames, Iowa: WileyBlackwell 2009; 457–492.
7. Löscher W. Arylpropionsäurederivate. In: Pharmakotherapie bei Haus- und
Nutztieren. Löscher W, Ungemach FR, Kroker R, Hrsg. Berlin: Parey 2006;
209–210.
8. Schmerold I. Desinfektionsmittel. In: Lehrbuch der Pharmakologie und
Toxikologie für die Veterinärmedizin. Frey HH, Löscher W, Hrsg. Stuttgart:
Enke 2010; 527–542.
Meldung
Auftreten von Equiner Infektiöser Anämie
In Hessen wurde bei drei illegal von Rumänien nach Deutschland eingeführten Pferden
die ansteckende Blutarmut nachgewiesen. Es
können weitere Pferde in insgesamt sieben
Bundesländern betroffen sein!
Tierärzte sind gehalten, bei der Behandlung von Pferden insbesondere auf solche mit
rumänischer Herkunft zu achten und dabei die
Transpondernummern mit denen in den Equidenpässen angegebenen Nummern zu vergleichen. Insbesondere ist auf nachträgliche
Änderungen der Identität der Tiere in den Pässen sowie fehlende Eintragungen der Untersuchungsergebnisse zu achten. Sollten Verbringungen von Pferden aus Rumänien zur
Kenntnis gelangen bzw. Pferdepässe vorgelegt werden, die auf ein Verbringen aus Ru-
mänien hindeuten, wird um Mitteilung an das
zuständige Veterinäramt gebeten.
Bereits kleinste Blutmengen infizierter Einhufer reichen für eine Übertragung der ansteckenden Blutarmut der Einhufer aus. Daher ist
es zwingend erforderlich, alles, was mit diesem Blut in Berührung gekommen ist, zu reinigen und zu desinfizieren oder unschädlich
zu beseitigen. Zu den Geräten und Instrumenten, die nach Gebrauch gereinigt und desinfiziert werden müssen, gehören insbesondere
Sonden, chirurgische Instrumente und Thermometer. Blut infizierter Einhufer muss unschädlich beseitigt werden.
Die ansteckende Blutarmut ist eine Viruserkrankung von Pferden und anderen Einhufern, die sich als chronische Krankheit mit
Fieberschüben manifestiert und nach unterschiedlich langem Verlauf tödlich endet. Erkrankte Tiere scheiden das Virus mit allen Körpersekreten und -exkreten aus. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch blutsaugende Insekten, eher selten durch direkten Kontakt zwischen den Tieren (Einhufern wie Pferde, Esel, Maultiere und Zebras). Menschen
sind nicht gefährdet. Die maximale Inkubationszeit beträgt nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bis zu 90 Tage! Betroffene Tiere müssen eingeschläfert werden, da
eine Therapie oder eine Impfung nicht möglich
ist.
Die Krankheit tritt überwiegend in Nordund Südamerika, Afrika, Asien Australien sowie Süd- und Osteuropa auf. In nord- und mitteleuropäischen Ländern kommt die Krankheit
nur sporadisch vor. Die ansteckende Blutarmut
ist eine anzeigepflichtige Tierseuche.
Quelle: Bundestierärztekammer
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