Bern, 29. Februar 2016, von Stephan Suhner El Niño 2015

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Bern, 29. Februar 2016, von Stephan Suhner
El Niño 2015: Kolumbien und der Klimawandel
Hervorgerufen durch einen starken El Niño-Effekt leiden grosse Gebiete Kolumbiens aktuell
unter extremer Trockenheit. Es sind häufig dieselben Gebiete, die unter dem La Niña1 – Effekt
2010 litten, als weite Gebiete überschwemmt wurden. Sowohl La Niña 2010 wie auch El Niño
2015/2016 gehören zu den stärksten Klimaphänomenen der letzten Jahrzehnte und geben
einen Vorgeschmack darauf, was für viele Regionen Kolumbiens Alltag werden könnte. Sie
zeigen auch, dass Kolumbien auf den Klimawandel noch nicht vorbereitet ist und die in Paris
gemachten Klimaversprechen in Widerspruch zu Entwicklungsprioritäten des
Entwicklungsplanes stehen.
Dominierten 2010 über die Ufer getretene Flüsse, Gemeinden unter Wasser, Erdrutsche und
verlorene Ernten, passiert heute das Gegenteil: rissige, ausgetrocknete Erde; Flüsse, die so
wenig Wasser führen, dass man sie zu Fuss durchqueren kann und verdurstetes Vieh. Bei La
Niña 2010 wurden 6‘000 Häuser durch die Wassermassen ganz oder teilweise zerstört, es gab
gut 3 Millionen Geschädigte (7% der Bevölkerung), enorme Schäden an der Infrastruktur
(Strassen, Wasserversorgung etc.) und verursachte Kosten von 2% des BIP Kolumbiens. El
Niño führt jetzt dazu, dass in 25 von 32 Departementen die rote Alarmstufe wegen
Waldbrandgefahr herrscht, 318 Gemeinden leiden unter Wasserknappheit, in 120 ist die Lage
kritisch, und die Lebensmittelpreise steigen stark. El Niño wird sicher noch bis Juni 2016
andauern, Prognosen des US-Wetterdienstes des Instituts für Ozeane und Atmosphäre gehen
davon aus, dass er noch bis ins Frühjahr 2017 hinein wirksam sein könnte. Die Hinweise
verdichten sich, dass der generelle Klimawandel die Ausprägungen von El Niño und La Niña
verschärfen. Der gegenwärtige El Niño - Zyklus ist der zweitstärkste seit es Aufzeichnungen
gibt, und seit den 70er Jahren haben die Klimakatastrophen jedes Jahrzehnt um 50% bis 100%
1
El Niño ist ein Phänomen der Pazifikströmungen vor Peru, bei dem durch veränderte Passatwinde
der kalte Humboldtstrom zurück gedrängt wird und wärmeres Wasser vor die Küste Perus fliesst. La
Niña ist das gegenteilige Phänomen, bei dem stärkere Passatwinde das warme Wasser nach
Südostasien verdrängen und das kalte Tiefenwasser sich stärker ausbreitet. Beide Phänomene führen
in verschiedenen Regionen zu je unterschiedlichen Wetterextremen, Dürre oder eben
Überschwemmungen.
zugenommen: 1971-80: 743; 1981-90: 1534; 1991-2000: 2386; 2001 bis 2010: 3496
Klimakatastrophen.2
Ungenügende und widersprüchliche Politiken Kolumbiens
Die Klimakonferenz COP21 von Paris im Dezember 2015 hat sich zum Ziel gesetzt, die
Erwärmung der Erde auf 2 Grad Celsius zu beschränken. Die Staaten verpflichteten sich,
Programme umzusetzen, um die Resilienz3 gegenüber dem Klimawandel zu erhöhen.
Kolumbien hat sich in Paris verpflichtet, seine CO2-Emissionen bis 2030 um 20% zu
reduzieren und zehn spezifische Anpassungsmassnahmen an den Klimawandel umzusetzen.4
Dazu gehört ein nationaler Plan zum Klimawandel und Indikatoren, um die
Anpassungsresultate messen zu können, die Abgrenzung und der Schutz von 36 Páramos
sowie die Ausdehnung der Naturschutzgebiete um den Faktor 2,5, u.a. durch die Bildung von
sechs neuen Nationalparks. Die wichtigsten Wirtschaftssektoren sollten innovative
Anpassungsmassnahmen entwickeln, um von einer CO2-intensiven Produktion
wegzukommen. Die grössten CO2-Emittenten Kolumbiens sind Landwirtschaft und Viehzucht
sowie Abholzung. So nahm die Abholzung 2015 um 16% zu, und dies insbesondere in
Regionen, wo der Bergbau intensiviert werden soll, so Guaviare und Meta, Caquetá,
Putumayo und der Nordosten Antioquias. Die Regierungen von England und Norwegen haben
Kolumbien bis zu 100 Mio. USD für den Schutz der Amazonaswälder versprochen.
Die Politik der Regierung Santos ist insgesamt widersprüchlich: den Versprechungen, CO2Emissionen und Abholzung zu reduzieren, stehen eine Ausdehnung des Bergbaus und der
Erdölförderung in abgelegenen Gebieten mit empfindlichen Ökosystemen sowie ein
mangelhafter Einsatz gegen den illegalen Bergbau gegenüber. Unter anderem ist dabei auch
der Einsatz von Fracking nicht ausgeschlossen. Aber auch bei den grossen Städten stellen
sich enorme Herausforderungen. So geht der amtierende Bürgermeister Bogotás, Enrique
Peñalosa, davon aus, dass sich die Fläche Bogotás in den nächsten 40 Jahren verdreifachen
werde, mit schweren Folgen für umliegende Ökosysteme und Landwirtschaftsgebiete in
Stadtnähe. Städte wie Bogotá stehen vor grossen Herausforderungen, Grünzonen zu
bewahren, den zunehmenden Verkehr und die Abfallprobleme zu bewältigen und den
Umweltschutz zu stärken.5 So war Bogotá Anfang Februar 2016 auch von schweren
Waldbränden in den Cerros Orientales geplagt, die sich durch die grosse Trockenheit und
hohen Temperaturen nur schwer kontrollieren liessen. Starker Wind trieb den Rauch über
weitere Teile des Stadtzentrums und des Südens von Bogotá und führte dazu, dass
Universitäten, Schulen und Geschäfte geschlossen wurden, um gesundheitlichen
Beeinträchtigungen vorzubeugen.6
Klimapolitik ist Friedenspolitik
Der Klimawandel und die Anpassung daran haben aber auch Auswirkungen auf den
Friedensprozess und den Post-Konflikt7. So geht das UN-Entwicklungsprogramm PNUD
2
Manuel Guzmán Hennessey, Los desafíos ambientales y climáticos de 2016, 11. Januar 2016, in:
http://www.razonpublica.com/index.php/economia-y-sociedad/9135-los-desaf%C3%ADosambientales-y-clim%C3%A1ticos-de-2016
3 Widerstandsfähigkeit eines Ökosystems gegenüber ökologischen Störungen oder Fähigkeit von
Gesellschaften, externe Störungen zu verkraften.
4 Carolina García Arbeláez, Colombia: entre El Niño y La Niña, 22. Februar 2016, in:
http://www.razonpublica.com/index.php/economia-y-sociedad/9230-colombia-entre-el-nino-y-la-nina
5 Weitere Informationen speziell zum Klimaschutz und Anpassungsmassnahmen in Bogota gibt es in
folgendem Artikel: Ernesto Guhl Nanetti, Bogotá, Colombia y el cambio climático, 5. April 2015, in:
http://www.razonpublica.com/index.php/regiones-temas-31/8370-bogot%C3%A1,-colombia-y-elcambio-clim%C3%A1tico
6 Emergencia en Bogotá por incendios forestales, 3. Februar 2016, in: http://libreprensa.com/k/mesaambiental-de-los-cerros-de-bogota/8111102#s/9820285
7 Der Begriff Post-Konflikt wird hier aus dem Ursprungstext übernommen. Die ask! bevorzugt den
Begriff „post-acuerdo“, also die Zeit nach der Unterschrift eines Abkommens zwischen den
Konfliktparteien, da dies nicht unbedingt mit dem Ende des Konfliktes oder der Gewaltphänomene
gleichzusetzen ist.
davon aus, dass die Herausforderungen des Post-Konfliktes eng mit einem guten
Umweltmanagement der Regionen verbunden sind. Ein Raumplanungsprozess, der einen
nachhaltigen Frieden garantiert, muss zwischen der Regierung, den Gemeinschaften und der
Wirtschaft ausgehandelt werden. Der ländliche Raum sollte auch nicht nur unter dem Aspekt
der Landwirtschaft betrachtet werden, sondern es sollten lokale Modelle für eine nachhaltige
Nutzung der Biodiversität und der Umweltdienstleistungen entwickelt werden. Extraktivismus
und Bergbau müssen überdacht werden und mit einer sinnvollen Landpolitik die angepasstere
Nutzung des Bodens erreicht werden. Wenn nicht energisch Gegensteuer gegeben wird, wird
sich Kolumbien bald mit Umwelt- oder Klimavertriebenen befassen müssen, da verschiedene
Territorien wie z.B. die Guajira unbewohnbar werden, Konflikte um Wasser und dessen
Nutzung (Landwirtschaft, menschlicher Konsum, Bergbau etc.) zunehmen werden und die
Ernährungssicherheit kritischer wird. Kolumbien sollte nicht nur die Symptome (z.B. mittels
milliardenschwerer Hochwasserschutzmassnahmen), sondern stärker auch die Ursachen
bekämpfen (Bodendegradierung, Abholzung, falsche Raumplanung). Das Nationale
Umweltsystem und das Nationale System für Risikomanagement haben es (noch) nicht
geschafft, dass die Entwicklung des Landes in Harmonie mit den Ökosystemen voranschreitet,
und der Entwicklungsplan 2014-2018 setzt falsche Prioritäten: die Projekte von nationalem
strategischem Interesse PINES sind v.a. Bergbauprojekte, nicht Projekte für Klimaschutz und
Stärkung der Resilienz gegenüber dem Klimawandel.8
8
Gustavo Wilches.Chaux, El Niño 2015: una muestra de lo que puede ser nuestro futuro climático,
12. Oktober 2015, in: http://www.razonpublica.com/index.php/economia-y-sociedad/8892-el-nino2015-una-muestra-de-lo-que-puede-ser-nuestro-futuro-climatico
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