Gesundheitsfördernde Ernährung – Brauchen wir neue Lebensmittel?

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Gesundheitsfördernde Ernährung –
Brauchen wir neue Lebensmittel?
Prof. Dr. Peter Stehle
Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften
Ausgangssituation
• Die Gesellschaften in den entwickelten
Ländern unterliegen in den vergangenen
Dekaden weit reichenden Veränderungen
– in der Arbeitswelt
– in der Lebenswelt
– in der Bevölkerungsdemografie
– im sozialen Gefüge
mit erheblichen Auswirkungen auf das
individuelle Ernährungsverhalten und den
Lebensstil.
Verminderte körperliche
Arbeit/mangelnde Bewegung
•
•
•
•
Automatisierte Arbeitsprozesse
Geändertes Freizeitverhalten
Weniger Spielflächen für Kinder
……
3200
3100
Energieumsatz
und -aufnahme
im
BevölkerungsEnergieaufnahme
durchschnitt in D
seit 1882
3000
2900
2800
2700
2600
Energieumsatz
(gesamt)
2500
[kcal]
1882
1925
1950
1970
Jahr
nach Wirtz, 1977
Individuelles „Risiko“ für eine positive
Energiebilanz
Demographischer Wandel
Quellen: General-Anzeiger Bonn, DIE ZEIT
Soziologische Aspekte
• Das klassische, in Familienstrukturen
organisierte Leben wird abgelöst durch
„Individualisierung“:
• „Schrumpffamilien“
Gemeinsame Aktivitäten treten in den
Hintergrund
• „McDonaldisierung“
Essen muss schnell gehen und „vorbereitet“
sein
nach Kutsch, 2005
Ernährung im
Überfluss!
• Unbegrenzte Verfügbarkeit (24 h-Service) von
Lebensmitteln bzw. Speisen zu verhältnismäßig
niedrigen Preisen
• „all what you can eat“ – Angebote
• „all inclusive“ – Angebote
Auswirkungen auf das
Ernährungsverhalten
• Wegfall des traditionellen Mahlzeitenmusters
(„coffee to go“)
• Stetig steigender Konsum von „convenience
food“
• Inanspruchnahme der Außer-Haus-Verpflegung
nimmt zu
• Kochkenntnisse nehmen ab
⇓
Essen wird zum unkontrollierten „Nebenher“
DGE- Ernährungsberichte 2004, 2008
Konsequenzen:
Steigender Anteil an Übergewicht
NVS II, 2008
Konsequenzen:
Steigender Anteil an Übergewicht
3 bis 6 J.
7 bis 10 J.
14-17 J.
% der Stichprobe
25,0
20,0
15,0
17,0
15,0
9,0
10,0
5,0
1,4
1,9
1,9
0,0
BMI < 3.
Perzentile
BMI > 90.
Perzentile
Kurth & Schaffrath-Rosario, 2007 - KiGGS
Auswirkungen auf
Ernährungsverhalten
• Durchschnittliche Lebensmittelauswahl entspricht nicht (mehr) den
wissenschaftlich begründeten
Vorgaben !
⇓
• Präventionsziele werden nicht erreicht
Gemüsekonsum (g/Tag)
Gemüsekonsum in D deutlich
unter dem Soll-Wert
400
350
300
250
200
150
100
50
0
Frauen
Männer
ll
o
S
re hre hre hre hre hre
h
Ja Ja Ja Ja Ja Ja
24 -34 -44 -54 -64 -79
8 25 35 45 55 65
1
t, st, st, st, st, st,
s
I
I
I
I
I
I
Ernährungssurvey 1998
Obstkonsum in D unter dem Soll-Wert
Obstkonsum (g/Tag)
250
200
150
100
50
Frauen
Männer
0
ll
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S
re hre hre hre hre hre
h
Ja Ja Ja Ja Ja Ja
24 -34 -44 -54 -64 -79
8 25 35 45 55 65
1
t, st, st, st, st, st,
s
I
I
I
I
I
I
Ernährungssurvey 1998
Situationsbeschreibung
Zusammenfassung
• Die gegenwärtigen Arbeits- und
Lebenswelten verändern das individuelle
Ernährungsverhalten ungünstig
⇓
• Risiko für degenerative Krankheiten nimmt
zu
?
⇓
Problemlösungen??
Neue Lebensmittel – die Lösung?
• Novel Food
• Functional Food („..mit
Zusatznutzen“)
• Veränderte „traditionelle“
Lebensmittel
• …?
Nährstoffe/LM-Inhaltsstoffe mit
nachweislich präventiven Wirkungen
Arbeitshypothese:
• Bestimmte (entbehrliche) Nährstoffe bzw.
LM-Inhaltsstoffe (n3-Fettsäuren, phytochemicals,
Pro-, Prä-, Synbiotika) besitzen präventive
Wirkungen (Minderung des Risikos für chronische
Erkrankungen)
⇓
• Ausreichende Aufnahme dieser Nährstoffe
ist durch verfügbare LM nicht möglich
Die Fischöl-Story
Grönland-Inuit:
geringe Rate an Herzinfarkten
in DK lebende Inuit: gleiche Infarkthäufigkeit wie
Mitteleuropäer
Ernährung der Grönland-Inuit
* hochenergetische Kost
* reich an Fett (40en%) und tierischem
Protein
* arm am Ballaststoffen
* geringer Gehalt an n6-Fettsäuren (5%)
* hoher Gehalt an n3-Fettsäuren (14%)
Bang & Dyerberg 1976
Fischöl und Arteriosklerose
Epidemiologische Beobachtungen:
Zufuhr an n3-FS:
kardiovaskuläre Mortalität:
Gesamtmortalität im Beobachtungszeitraum:
Klinische Beobachtungen:
Triglycerid-Spiegel
Lipoprotein a
Gesamt-Cholesterol
Blutdruck
HDL-Cholesterol
Thrombo-Aggregation
LDL-Cholesterol (
)
IL-1β
β, TNF-α
α
Fischöl-n3-Fettsäuren Bewertung
• Soll-Werte für die absolute n3Fettsäurenzufuhr als auch für das
Verhältnis n6:n3 werden in Deutschland
im Durchschnitt nicht erreicht !
⇓
„Neue“ Lebensmittel mit verbessertem
Fettsäurenmuster (n3
; n6/n3
) sinnvoll!
Noch unklar:
Wirkt α-Linolensäure ähnlich
effektiv wie EPA/DHA?
Sind unsere Lebensmittel
„Schuld“, dass wir dick
werden?
Ist die Zusammensetzung entscheidend:
Wieviel Kohlenhydrate, Fett und Eiweiß?
Ludwig:
GI pyramid
Der tägliche
Wahnsinn!!
Gewichtszunahme ist immer das
Ergebnis eines Ungleichgewichts
zwischen Energieaufnahme und –
verbrauch!
Energiezufuhr
Energieverbrauch
Fehlen uns wichtige Nährstoffe?
Arbeitshypothese:
• Referenzwerte für einzelne unentbehrliche
Nährstoffe (z.B. Vitamine, Mineralstoffe)
werden auch unter optimaler Ernährung
nicht erreicht; Liste der unentbehrlichen
Nährstoffe wird erweitert
⇓
• Erfüllung der Referenzwerte ist durch
verfügbare LM nicht möglich
Nährstoff-Zufuhr in Deutschland
• Die Versorgung mit essenziellen
Nährstoffen ist in Deutschland generell
ausreichend!
• Ausnahmen: Folat, Vitamin D, Calcium
DGE-Ernährungsberichte
• Folat: Versorgungsstatus erreicht nur
ca. 50% des Referenzwertes (= 400 µg/d)
Problem-Nährstoff Folat/Folsäure
• Versorgung mit Folat kann auch bei
ausreichendem Konsum von grünem
Gemüse, Vollkorn-produkten und Käse
nur knapp erreicht werden.
⇓
• Anreicherung von Lebensmitteln
notwendig!
Krawinkel et al, 2006
Essen wir zu wenig sek.
Pflanzenstoffe?
• Beteiligung sek. Pflanzenstoffe an der
präventiven Wirkung einer hohen Obstund Gemüsezufuhr sehr wahrscheinlich
• Grundlegende Informationen über sek.
Pflanzenstoffe (Bioverfügbarkeit, Metabolisierung)
sind (noch) unzureichend
⇒ (noch) keine Referenzwerte
⇒ (noch) keine Bewertung möglich
Brauchen SeniorInnen spezielle
Lebensmittel?
Arbeitshypothese:
• Energie- und Nährstoffbedarf ändern
sich im Alter
⇓
• derzeit verfügbare LM führen bei
Senioren zu Nährstoffmangel
Nährstoffbedarf im Alter
Gibt es Unterschiede in den
Referenzwerten für Ältere (> 65 J)?
• Ja, aber nur für
– Energie
– Vitamin D
kcal/d
Täglicher Energieumsatz
– Abhängigkeit vom
Lebensalter
(Shock 1972)
Energieumsatz
gesamt
- 600 kcal/d
Grundumsatz
- 200 kcal/d
Energie für zusätzliche
- 400 kcal/d
körperliche Aktivität
Alter
[Jahre]
Energiebedarf
& Nährstoffbedarf =
Nährstoffdichte
Energie
Nährstoff
2200 kcal
2000 kcal
1800 kcal
Nährstoffdichte Lebensmittel
•
Lebensmittel mit ausreichend hoher
Nährstoffdichte sind schon immer verfügbar:
Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, fettarme
Milchprodukte, fettarmes Fleisch, Fisch ..
⇓
Keine „maßgeschneiderten, altersgerechten“ LM
notwendig!
Notwendigkeit für neue LM?
⇒ Nein!
• Prinzipiell ist es möglich, nahezu alle gültigen
Vorgaben für eine ausgewogene, gesundheitsfördernde Ernährung mit den gegenwärtig
verfügbaren LM einzuhalten.
• Informationen hierzu werden dem Verbraucher
durch Institutionen, Gesellschaften etc.
bereitgestellt.
• Nahrungsergänzungsmittel sind unnötig!
Welche Richtung sollen wir einschlagen?
für ihre Aufmerksamkeit !
Many thanks for your attention!
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