Mainz Johannes Gutenberg Universität Mainz Stabilisierung der Europäischen Währungsunion und Implikationen für Private Geldanlage Der Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen und die Stabilität des Euro - Eine ökonometrische Analyse der europäischen Krisen 2007–2010 Betreuende Hochschullehrerin: Prof. Dr. Isabel Schnabel Studentische Teammitglieder: Elisabeth Falck Isabell Scheringer Johannes Tischer Cornelius Veith Gerold Willershausen Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Der Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen und die Stabilität des Euro Eine ökonometrische Analyse der europäischen Krisen 2007–2010 Wettbewerbsbeitrag zum Postbank Finance Award 2011 zum Thema „Stabilisierung der Europäischen Währungsunion und Implikationen für die Private Geldanlage“ Wir danken Maximilian Hofmann für die fotografische Umsetzung des Deckblatts. Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ...................................................................................................................................1 2 Die Eurokrise als Folge der Banken- und Schuldenkrisen im Euroraum .......................................2 3 2.1 Von der amerikanischen Immobilienkrise zur globalen Finanzkrise .....................................2 2.2 Die europäischen Banken- und Schuldenkrisen ....................................................................3 2.3 Auswirkungen auf die Stabilität des Euro.............................................................................8 Die Wechselwirkungen von Banken- und Schuldenkrisen .......................................................... 11 3.1 Der Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen und seine Auswirkungen auf die Währungsstabilität ........................................................................................................................ 11 3.2 Empirische Evidenz über den Zusammenhang von Banken- und Schuldenkrisen................ 12 3.3 Der Einfluss von Bankenkrisen auf Schuldenkrisen............................................................ 13 Kanal 1: Direkte fiskalische Kosten von Bankenkrisen .............................................................. 13 Kanal 2: Rückkopplungseffekte von Bankenkrisen durch konjunkturelle Effekte ....................... 15 3.4 Der Einfluss von Schuldenkrisen auf Bankenkrisen............................................................ 18 Kanal 3: Bilanzeffekte von Schuldenkrisen................................................................................ 18 Kanal 4: Die Glaubwürdigkeit staatlicher Garantien .................................................................. 20 Kanal 5: Rückkopplungseffekte von Schuldenkrisen durch konjunkturelle Effekte .................... 21 4 Ökonometrische Analyse........................................................................................................... 22 4.1 Schätzung 1: Der Einfluss von Bankenkrisen auf Schuldenkrisen ....................................... 22 4.1.1 Empirisches Modell .......................................................................................................... 22 4.1.2 Regressionsergebnisse von Schätzung 1 ............................................................................ 25 4.2 Schätzung 2: Der Einfluss von Schuldenkrisen auf Bankenkrisen ....................................... 27 4.2.1 Empirisches Modell .......................................................................................................... 27 4.2.2 Regressionsergebnisse von Schätzung 2 (Pooled OLS) ..................................................... 31 4.2.3 Regressionsergebnisse von Schätzung 2 (Instrumentvariablenschätzung) .......................... 34 5 Implikationen für die Wirtschaftspolitik und die private Geldanlage .......................................... 38 5.1 Reformen auf Bankenebene ............................................................................................... 38 Vorschlag 1: Bail-in statt Bail-out ............................................................................................. 38 Vorschlag 2: Antizyklische Eigenkapitalpuffer einführen .......................................................... 40 Vorschlag 3: Staatsanleihen stärker mit Eigenkapital unterlegen ................................................ 41 Vorschlag 4: Risikoungewichtete Mindesteigenkapitalanforderungen vorsehen ......................... 42 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 5.2 Reformen auf Staatenebene................................................................................................ 42 Vorschlag 5: Verbindliche Schuldenbremsen im gesamten Euroraum einführen ........................ 42 Vorschlag 6: Implementierung eines Insolvenzrechts für Staaten der Eurozone .......................... 44 5.3 6 Implikationen für die private Geldanlage ........................................................................... 45 Fazit .......................................................................................................................................... 48 Literaturverzeichnis .......................................................................................................................... 50 Anhang ............................................................................................................................................... I Anhang 1: Umrechnung der Ratings in numerische Werte ............................................................... I Anhang 2: Datenquellen und Datenbeschreibung ............................................................................ II Anhang 3: Bailoutvolumina .......................................................................................................... III Anhang 4: Deskriptive Statistiken der ersten Schätzung ............................................................... IV Anhang 5: Deskriptive Statistiken der zweiten Schätzung ............................................................... V Anhang 6: Nominaler effektiver Wechselkurs .............................................................................. VI Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 – CDS-Spreads europäischer Banken und der Euroländer ................................................4 Abbildung 2 – CDS-Spreads deutscher Banken und Deutschlands .......................................................6 Abbildung 3 – CDS-Spreads der Euroländer und Entwicklung des Euro ..............................................9 Abbildung 4 – Wechselwirkungen von Banken- und Schuldenkrisen und Auswirkungen auf die Währung .................................................................................................................... 11 Abbildung 5 – CDS-Spreads irischer Banken und Irlands .................................................................. 14 Abbildung 6 – CDS-Spreads portugiesischer Banken und Portugals .................................................. 17 Abbildung 7 – CDS-Spreads Griechenlands und der 3 Banken mit dem größten Exposure gegenüber Griechenland .............................................................................................................. 19 Tabellenverzeichnis Tabelle 1 – Ergebnisse Schätzung 1 .................................................................................................. 26 Tabelle 2 – Ergebnisse Schätzung 2 (Pooled OLS) ............................................................................ 33 Tabelle 3 – Ergebnisse Schätzung 2 (Instrumentvariablenschätzung) ................................................. 35 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 1 Einleitung Am 10. Mai 2010 spannte der europäische Rettungsfonds EFSF (European Financial Stability Facility) einen 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm über den Staaten der europäischen Währungsunion auf. Nachdem Griechenland zu diesem Zeitpunkt bereits 110 Milliarden Euro an Hilfen zugesagt worden waren, forderte Irland im Herbst 2010 ein 85 Milliarden Euro schweres Rettungspaket an. Weitere Länder könnten folgen, und es besteht die Gefahr, dass die Währungsunion auseinanderbricht. Wie konnte es dazu kommen? Welche Folgen wird die europäische Krise für die Eurozone und ihre Bürger haben? Die derzeitige Krise in Europa zeichnet sich dadurch aus, dass es auf drei Ebenen krisenhafte Zuspitzungen gegeben hat: im Bankensystem, bei den Staatsfinanzen einiger Mitgliedsstaaten und schließlich bei der Gemeinschaftswährung. Betrachtet man die Chronologie der Ereignisse, so lässt sich eine klare Reihenfolge ausmachen. Die Krise begann mit Problemen im Finanzsystem, weitete sich dann zu einer Schuldenkrise aus und gipfelte schließlich in einer ernsthaften Bedrohungssituation für den Euro. Während der Zusammenhang zwischen Schuldenkrisen und Währungsproblemen sowie zwischen Banken- und Währungsproblemen in der Literatur gut belegt ist (Reinhart, 2002; Kaminsky und Reinhart, 1999), ist das wesentliche Element der aktuellen Krise – die Verkettung von Banken- und Schuldenkrisen – in der Literatur bislang nur wenig erforscht worden. Erst in jüngerer Zeit entstanden einige wichtige Arbeiten zu diesem Thema. Bemerkenswert ist vor allem das Buch von Reinhart und Rogoff (2009a), in dem die Autoren zeigen, dass es in der Geschichte eine Vielzahl von Episoden gegeben hat, in denen Schulden- und Bankenkrisen gemeinsam auftraten. Unsere Arbeit untersucht nun, ob sich Banken- und staatliche Schuldenkrisen in der aktuellen Krise gegenseitig beeinflussten und dadurch die Stabilität der europäischen Währungsunion gefährdeten. Den Kern der Arbeit bildet eine umfangreiche ökonometrische Analyse, die die Interdependenzen zwischen Banken- und Schuldenkrisen untersucht. Auf Basis unserer Ergebnisse leiten wir Implikationen für die Regulierung des Finanzsystems, die Reform der Währungsunion und die private Geldanlage her. Die ökonometrische Analyse belegt, dass die Kausalität zwischen Banken- und Schuldenkrisen in der aktuellen Krise in beide Richtungen verlief. Zum einen führten die umfangreichen staatlichen Rettungspakete im Bankensystem zu einem Risikotransfer von den Banken zum Staat, wodurch sich das Länderrisiko erhöhte. Weiterhin führte auch der durch die Finanzkrise verursachte Konjunktureinbruch über steigende Staatsausgaben und fallende Steuereinnahmen zu einer Erhöhung des Länderrisikos. Das erhöhte Länderrisiko fiel dann jedoch auf die Banken zurück, weil diese in großem Maße in- und ausländische Staatsanleihen in ihren Portfolios hielten. Unsere Analyse zeigt also, dass die Banken- und Schuldenkrisen sich gegenseitig in einer Art Teufelskreis verstärkten und so schließlich auch den Euro in Bedrängnis brachten. Um zunächst einen Überblick über die wichtigsten Ereignisse zu geben, stellen wir im zweiten Kapitel den Verlauf der aktuellen Finanz- und Schuldenkrise in Europa dar. Hierbei belegen wir die zeitliche Abfolge der verschiedenen Krisentypen. Zuerst kam die Bankenkrise und dann die Schuldenkrise, die Seite 1 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 schließlich in einer akuten Bedrohung der Währung gipfelte. Kapitel 3 beschreibt die Wechselwirkungen zwischen Banken- und Schuldenkrisen aus Sicht der existierenden Literatur. Auf Basis der theoretischen Argumente leiten wir mehrere Hypothesen her, die in der darauf folgenden ökonometrischen Analyse getestet werden. Das vierte Kapitel enthält die ökonometrische Analyse. Hier untersuchen wir zunächst, ob die Probleme im Bankensystem sich in einem höheren Länderrisiko niederschlugen. In einer zweiten Schätzung untersuchen wir, ob erhöhte Länderrisiken Rückkopplungseffekte auf das Bankensystem hatten. In Kapitel 5 leiten wir politische Handlungsempfehlungen aus den empirischen Ergebnissen ab. Diese zielen auf eine Durchbrechung des Teufelskreises zwischen Banken- und Schuldenkrisen ab. Abschließend gehen wir darauf ein, welche Implikationen sich für private Anleger aus den aufgezeigten Zusammenhängen ergeben. 2 Die Eurokrise als Folge der Banken- und Schuldenkrisen im Euroraum1 2.1 Von der amerikanischen Immobilienkrise zur globalen Finanzkrise Der Auslöser der aktuellen europäischen Finanz- und Schuldenkrise war die Immobilienkrise in den USA. Seit Beginn der neunziger Jahre war ein kontinuierlicher Anstieg der Immobilienpreise in den USA zu beobachten, der durch die lockere Geldpolitik der USA sowie die großzügige Kreditvergabe der amerikanischen Banken ausgelöst wurde und im Gegenzug die Vergabe von Hypothekenkrediten durch die amerikanischen Banken beflügelte. Selbst finanzschwache Kunden aus dem „Subprime“Segment erhielten Kredite zur Eigenheimfinanzierung, da mit einem weiteren Anstieg der Immobilienpreise und somit mit einer Wertsteigerung der Sicherheiten gerechnet wurde. Durch Verbriefung und Tranchierung wurden die Subprimekredite handelbar und weltweit von Investoren, insbesondere Banken und deren Zweckgesellschaften, gehalten. Der Anstieg des Leitzinses in den USA ab 2004 und somit der Zinsen der überwiegend variabel verzinsten Hypothekenkredite führte zu Tilgungsschwierigkeiten der Schuldner und zu einem Absinken der Nachfrage nach Immobilien. Aufgrund des entstandenen Überangebots an Immobilien sanken die Immobilienpreise ab Mitte 2006, und die Sicherheiten der Hypothekenkredite verloren massiv an Wert. Die Immobilienblase platzte und führte zu einem hohen Abschreibungsbedarf bei Banken und anderen Investoren, die verbriefte Kredite als Anlagen hielten. Die Unsicherheit über das Ausmaß der Ausfälle und die Verflechtungen des internationalen Finanzsystems führten zu einem Übergreifen der Finanzkrise auf den Rest der Welt, insbesondere auf Europa. Die amerikanische Immobilienkrise entwickelte sich Mitte 2007 zu einer globalen Finanzkrise. Der Preisverfall der strukturierten Finanzprodukte, die massiven Abschreibungen und die steigende Unsicherheit auf den Finanzmärkten hatten ein Austrocknen des Interbankenmarktes zur Folge. Hierdurch erschwerte und verteuerte sich die kurzfristige 1 Maßgebliche Darstellungen der Finanzkrise finden sich bei Brunnermeier (2009) und Hellwig (2009). Bei der Darstellung der Chronologie haben wir uns in Kapitel 2 zusätzlich der folgenden Quellen bedient: Deutsche Bundesbank (2009); Deutsche Bundesbank (2010a); Internationaler Währungsfonds (2009); Europäische Zentralbank (2009); Guillén (2009); Mock und Kappius (2009); Arghyrou und Tsoukalas (2011); Tagesschau.de (2011). Seite 2 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Refinanzierung der Banken, was zu erheblichen Liquiditätsproblemen führte. Bereits 2007 standen die ersten Banken vor der Insolvenz. Die Stabilität des internationalen Finanzsystems war akut bedroht. 2.2 Die europäischen Banken- und Schuldenkrisen Aufgrund staatlicher Rettungsmaßnahmen für angeschlagene europäische Banken und eines Einbruchs der Konjunktur wirkte sich die Krise unmittelbar auf die Haushaltslage der europäischen Staaten aus. Im Folgenden werden der Verlauf der Bankenkrise sowie der anschließenden Schuldenkrise in Europa zwischen 2007 und 2010 näher beleuchtet. Zur Illustrierung von Banken- und Länderrisiken werden Credit Default Swaps (CDS) auf Anleihen europäischer Banken und Staaten betrachtet. 2 CDS sind Finanzinstrumente, die gegen den Kreditausfall einer Institution oder eines Landes versichern. Je höher das Risiko des Ausfalls ist, desto höher sind die Preise (Spreads) dieser Kreditausfallversicherung. Die CDS-Spreads messen somit die vom Markt eingeschätzte Kreditwürdigkeit einer Institution oder eines Landes. Im nachfolgenden Kasten wird auf die Charakteristika von CDS genauer eingegangen. Fact Box: Credit Default Swaps 3 Credit Default Swaps (CDS) sind Derivate für Kreditrisiken, mit denen sich Investoren gegen Risiken aus Kreditbeziehungen absichern können. Der Sicherungsnehmer zahlt eine Prämie (den Spread) an den Sicherungsgeber, der sich verpflichtet, dem Sicherungsnehmer bei Eintritt eines bestimmten Kreditereignisses, beispielsweise eines Zahlungsausfalls oder der Insolvenzanmeldung eines Kreditnehmers, einen Ausgleichsbetrag zu zahlen. CDS ermöglichen somit den Handel von Kreditrisiken, die von der eigentlichen Kreditbeziehung losgelöst sind. CDS werden außerbörslich in „Over-the-Counter-Geschäften“ gehandelt. An der Höhe der zu zahlenden Prämie (Spread) zeigt sich das vom Markt eingeschätzte Ausfallrisiko des Referenzschuldners. Aufgrund seiner hohen Liquidität und seiner schnellen Reaktion auf Informationen bietet der Markt für CDS eine Möglichkeit zur Früherkennung von Finanzmarktrisiken. CDS werden für eine Vielzahl von Referenzschuldnern und Kreditereignissen abgeschlossen. So dienen CDS-Spreads auf Staatsanleihen als Indikator für die Einschätzung der erwarteten Ausfallwahrscheinlichkeit des jeweiligen Landes. Die Entwicklung der CDS-Spreads auf Anleihen von Banken kann hingegen das Risiko innerhalb der Bankbilanzen und die Erwartung von möglichen Bankinsolvenzen anzeigen. Während der Finanzkrise von 2007 bis 2010 wurde vermehrt kritisiert, dass die Höhe der CDS-Spreads durch Spekulationen getrieben sei. Diese These kam verstärkt in Bezug auf CDS auf Staatsanleihen während der Schuldenkrise 2010 auf. Durch Spekulation auf eine Verschlechterung der Kreditwürdigkeit eines Landes würden die Refinanzierungskosten des entsprechenden Landes erhöht (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2010a). Die Bundesbank stellt fest (Deutsche Bundesbank, 2010b), dass die Bewegung der CDS-Spreads primär fundamental getrieben ist und als ein Frühindikator für eine fundamental getriebene 2 Die gesamte Arbeit verwendet fünfjährige Senior CDS-Kontrakte, deren Kreditereignis „modified modified restructuring“ einschließt (CDS MM). Dies ist die in Europa übliche Ausprägung von CDS-Kontrakten. Die Daten stammen aus der Markit-Datenbank. 3 Die Fact Box beruht auf Deutsche Bundesbank (2004) und Deutsche Bundesbank (2010b). Seite 3 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Verschlechterung der Kreditqualität des Referenzschuldners gesehen werden kann. Darüber hinaus verdeutlichen auch andere Quellen, dass die Bewegung von CDS-Spreads nicht durch Spekulationen getrieben ist (Arghyrou und Kontonikas, 2010). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gibt hierzu in einer Erklärung am 8. März 2010 an, dass es keine Anhaltspunkte für Spekulationen gegen griechische Staatsanleihen durch CDS gebe (Bundesanstalt für Finanzaufsicht, 2010). Abbildung 1 – CDS-Spreads europäischer Banken und der Euroländer 4 Eingezeichnete Ereignisse: (1) Verkauf von Bear Stearns, 16. März 2008, (2) Insolvenz Lehman Brothers, 15. September 2008, (3) Beschluss der EU-Finanzminister zu staatlichen Rettungspaketen, 7. Oktober 2008, (4) Korrektur griechischer Haushalt, 21. Oktober 2009, (5) Gründung Euro-Rettungsschirm EFSF, 10. Mai 2010. Der durchschnittliche CDS-Spread der Euroländer ist der Mittelwert der CDS-Spreads von 14 Euroländern, für die uns kontinuierliche Daten vorliegen (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien). Der durchschnittliche CDSSpread der europäischen Banken bezieht sich auf insgesamt 51 Banken aus diesen Ländern. Zunächst wurden die CDS-Spreads der Banken pro Land gemittelt, anschließend wurde daraus das arithmetische Mittel über die Länder berechnet. Zugrunde liegen fünfjährige Senior CDS-Kontrakte (MM). Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis der CDS-Spreads entnommen aus der Markit-Datenbank. Abbildung 1 zeigt den Verlauf der Mittelwerte der CDS-Spreads fünfjähriger CDS-Kontrakte von Banken und Ländern innerhalb des Euroraums von 2006 bis 2010. Vor dem Ausbruch der Finanzkrise mussten für CDS der europäischen Banken und Länder sehr geringe Spreads bezahlt werden. Das Risiko eines Ausfalls der Staaten und Banken wurde demnach vor dem Ausbruch der Finanzkrise in Europa als sehr gering eingeschätzt. Eine erste Reaktion der CDS-Spreads der europäischen Banken zeigte sich Ende Juli 2007, als die ersten europäischen Banken Probleme durch Investitionen am amerikanischen Subprimemarkt meldeten. Darunter waren auch deutsche Banken, so wurden Verluste bei der IKB, der Bayerischen Landesbank, der Sachsen LB und der West LB bekannt. Auch in anderen europäischen Staaten häuften sich Meldungen von Verlusten bei Banken durch 4 In dieser Arbeit werden die CDS-Spreads der Banken in Graphiken immer durch eine blaue Farbkennzeichnung hervorgehoben, diejenigen der Staaten durch eine rote Farbkennzeichnung. Seite 4 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Abschreibungen. Im Zuge dieser Entwicklungen begannen die CDS-Spreads der europäischen Banken stetig anzusteigen. Bereits Mitte August 2007 hatte sich die im Mittel zu zahlende Prämie im Vergleich zu ihrem Wert im Juni vervierfacht und betrug 40 Basispunkte (siehe Abbildung 1). Auf dem Interbankenmarkt zeigten sich die Auswirkungen der steigenden Unsicherheit innerhalb des Bankensystems durch einen zunehmenden Liquiditätsengpass. Die europäische Zentralbank versuchte Ende 2007 mittels einer erhöhten Bereitstellung von Liquidität den Bankensektor zu unterstützen. Es waren jedoch immer mehr europäische Banken aufgrund der Verflechtungen innerhalb des Bankensektors gezwungen, Abschreibungen zu tätigen, so dass sich die Liquiditätsprobleme weiter verschärften. Im Herbst 2007 war erstmals auch ein Anstieg der CDS-Spreads auf Anleihen europäischer Staaten zu beobachten. Zuvor hatten einzelne Staaten bereits inländische Banken unterstützt. So erhielt zum Beispiel in England die Bank Northern Rock Hilfe vom Staat. Der Grund des Anstiegs der CDS-Spreads der Staaten könnte demzufolge in einer steigenden Erwartung von staatlicher Hilfe an den Bankensektor liegen. Anfang 2008 setzte sich der Aufwärtstrend der CDS-Spreads auf Anleihen europäischer Banken fort. Die CDS-Spreads erreichten Mitte März 2008, zeitgleich mit dem drohenden Zusammenbruch der amerikanischen Bank Bear Stearns, einen ersten Höhepunkt. Aufgrund der Verflechtungen auf dem Interbankenmarkt wurden erhebliche Auswirkungen einer Insolvenz der Bank auf die internationalen Märkte befürchtet (Bernanke, 2008). Nachdem JP Morgan Chase & Co. am 16. März 2008 ein Übernahmeangebot für Bear Stearns abgab, erholten sich auch die CDS-Spreads auf Bankanleihen in Europa leicht. Doch bereits Anfang April 2008 setzten diese ihren Aufwärtstrend fort, getrieben durch weitere Verluste der europäischen Banken. Die CDS-Spreads auf Anleihen der europäischen Staaten blieben in dieser Phase im Mittel nahezu konstant. Eine deutliche Reaktion zeigten die CDS-Spreads auf Anleihen der europäischen Banken auf die sich zuspitzende Situation der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Anfang September 2008. Nachdem die Bank of Amerika und Barclays ihre Kaufangebote für Lehman Brothers zurückgezogen hatten und die US-amerikanische Regierung die angeschlagene Bank nicht unterstützen wollte, musste Lehman Brothers am 15. September 2008 Insolvenz anmelden. Die Finanzmärkte reagierten mit enormen Kurseinbrüchen, und der Interbankenmarkt kam fast vollständig zum Erliegen. Der Mittelwert der CDS-Spreads auf Anleihen europäischer Banken erreichte bei 176 Basispunkten am 17. September 2008 einen neuen Höchststand. Die Insolvenz von Lehman Brothers zeigte, welche Ausmaße die Pleite einer großen, systemrelevanten Bank hatte und bewegte die Politik zur Zusage umfangreicher Finanzhilfen. In den USA wurde bereits am 19. September ein Rettungspaket für den Bankensektor beschlossen. Ähnliche Maßnahmen folgten in Europa. Anfang Oktober verkünden die europäischen Finanzminister in einer gemeinsamen Erklärung, alle systemisch relevanten Banken zu stützen. Die CDS-Spreads der europäischen Staatsanleihen stiegen daraufhin deutlich an und verdoppelten sich bis Mitte Oktober. Ein erstes Maximum erreichte der durchschnittliche Wert der CDS-Spreads der europäischen Staaten Ende Oktober 2008 bei 87 Basispunkten. Zuvor hatte die Mehrzahl der europäischen Staaten umfangreiche Rettungspakete für den Finanzsektor verabschiedet. Seite 5 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 In Deutschland gewährte die Regierung erstmals am 29. September 2008 der kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Bank Hypo Real Estate Bürgschaften in Höhe von 35 Milliarden Euro. Zusätzlich sprach die Regierung am 5. Oktober eine Garantie für alle privaten Einlagen bei deutschen Banken aus und schnürte Mitte Oktober 2008 ein Rettungspaket für den deutschen Finanzsektor über 480 Milliarden Euro. Zeitgleich wurde der Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) eingerichtet. Auch der deutsche Staat bürgte somit für die Risiken innerhalb des Bankensektors. Die CDS-Spreads auf deutsche Staatsanleihen veranschaulichen die erhöhte Risikoübernahme des deutschen Staates (siehe Abbildung 2). Auf der anderen Seite zeigte sich, dass die deutschen Banken durch die staatlichen Unterstützungen vorerst wieder etwas Vertrauen an den Märkten gewinnen konnten. Während sich die CDS-Spreads der deutschen Banken Ende Oktober – wenn auch nur kurzfristig – erholten, stiegen die CDS-Spreads deutscher Staatsanleihen Ende September 2008 erstmals deutlich an und erreichten Ende Februar 2009 bei 78 Basispunkten ihren historischen Höchstwert. Abbildung 2 – CDS-Spreads deutscher Banken und Deutschlands Eingezeichnete Ereignisse: (1) Verkauf von Bear Stearns, 16. März 2008, (2) Insolvenz Lehman Brothers, 15. September 2008, (3) Beschluss der EU-Finanzminister zu staatlichen Rettungspaketen, 7. Oktober 2008, (4) Korrektur griechischer Haushalt, 21. Oktober 2009, (5) Gründung Euro-Rettungsschirm EFSF, 10. Mai 2010. Der durchschnittliche CDS-Spread der Banken bezieht sich auf 11 deutsche Banken. Zugrunde liegen fünfjährige Senior CDS-Kontrakte (MM). Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis der CDSSpreads entnommen aus der Markit-Datenbank. Die europäischen Staatshaushalte wurden zusätzlich durch Konjunkturmaßnahmen belastet. Ende 2008 befanden sich die europäischen Staaten in schweren Rezessionen, denen man durch Konjunkturpakete entgegenzuwirken versuchte. Getrieben durch diese zusätzlichen Belastungen stiegen die CDS-Spreads auf europäische Staatsanleihen weiter an. Erst im März 2009 erholten sich die CDS-Spreads der Staatsanleihen wieder, nachdem der europäische Mittelwert am 9. März 2009 seinen Höchststand bei 350 Basispunkten erreicht hatte. In diesem Monat wurden auf einem G20Treffen der Finanzminister die Finanzmittel des IWF deutlich aufgestockt, um Länder zu unterstützen, die aufgrund der Belastungen aus der Finanzkrise in Zahlungsschwierigkeiten geraten waren. Seite 6 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Unterstützt wurde das Absinken der CDS-Spreads auf Staatsanleihen durch die allmähliche Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ab Mitte des Jahres 2009. In Folge der Finanzkrise gerieten die Haushalte der europäischen Staaten durch sinkende Steuereinnahmen sowie hohe Ausgaben zur Stabilisierung der Banken und Stimulierung der Wirtschaft Ende des Jahres 2009 jedoch zunehmend unter Druck. Das durchschnittliche Haushaltsdefizit erhöhte sich im Euroraum von 2% des BIP im Jahr 2008 auf 6,3% des BIP im Jahr 2009 (Europäische Zentralbank, 2010a). Spanien, Irland und Griechenland lagen mit Werten im zweistelligen Bereich weit über dem europäischen Durchschnitt.5 Diese hohen Defizite schlugen sich in einem Anstieg der Schuldenquoten nieder. Die durchschnittliche Schuldenquote stieg von 2008 auf 2009 im Euroraum um 9,4 Prozentpunkte auf 79,2% des BIP und lag damit deutlich über der in Maastricht vereinbarten Höchstgrenze von 60% des BIP (Europäische Zentralbank, 2010a). Die schlechte Haushaltlage der europäischen Staaten spiegelte sich auch in den CDS-Spreads auf Staatsanleihen wider. Nach der öffentlichen Berichtigung des Staatshaushalts in Griechenland im Oktober 2009 begann ein erneuter Anstieg der CDS-Spreads auf Anleihen der europäischen Staaten, der durch die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands durch die Ratingagenturen Ende 2009 weiter verstärkt wurde. Die Zinsen auf griechische Staatsanleihen stiegen drastisch und standen Anfang 2010 350 Basispunkte über den Zinsen auf Bundesanleihen, so dass Griechenland die Zahlungsunfähigkeit drohte (Financial Times Deutschland, 2011). Die anderen europäischen Länder einigten sich Mitte Februar 2010 darauf, Griechenland finanziell zu unterstützen, und gewährten dem Land erstmals im März bilaterale Kredite. Im Mai folgte die Einigung der EU-Finanzminister über ein umfangreiches Rettungspaket. Neben Griechenland wurden auch Portugal und Spanien im Frühjahr 2010 durch die Ratingagenturen herabgestuft, so dass auch für diese Länder die Refinanzierung schwieriger wurde. 6 Im Mai 2010 erreichten die CDS-Spreads auf Staatsanleihen bei einem Durchschnitt von über 300 Basispunkten ihren historischen Höchststand. Die europäischen Regierungen und der IWF versuchten am 10. Mai durch die Verabschiedung eines Stabilitätspaketes über 750 Milliarden Euro und die Einführung eines Euro-Rettungsfonds, der “European Financial Stability Facility“ (EFSF), die Stabilität des Euroraums zu sichern (Europäischer Rat, 2010). Die Europäische Zentralbank begann überdies, Staatsanleihen von betroffenen Staaten anzukaufen. Das Ausfallrisiko der angeschlagenen europäischen Staaten wurde jedoch weiter hoch eingeschätzt, so dass das Niveau der CDS-Spreads auf Staatsanleihen im Euroraum im Mittel hoch blieb. Neben Griechenland waren auch Portugal, Spanien, Irland und Italien in einer prekären Lage, so dass die Notwenigkeit weiterer Hilfspakete erwartet wurde. Im November 2010 erhielt schließlich das hoch verschuldete Irland finanzielle Hilfe aus dem Eurorettungsfonds sowie von der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds. Im Jahr 2010 gab es kaum noch Meldungen über Abschreibungen und Schwierigkeiten bei den europäischen Banken. Dennoch stiegen auch die CDS-Spreads auf Anleihen der europäischen Banken während der Schuldenkrise im Jahr 2010 deutlich an. Ihr Durchschnitt verlief weiterhin parallel zu 5 Die Daten stammen aus „Eurostat“, Datenreihe „gov_q_ggdebt“, siehe Anhang 2. Herabstufungen des Long-Term Issuer Ratings des Staates. Die Daten stammen von der Ratingagentur Moody's, siehe Anhang 2. 6 Seite 7 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 dem Durchschnitt der CDS-Spreads auf Anleihen der europäischen Staaten. Zuvor wurde der parallele Verlauf der CDS-Spreads auf Staatsanleihen und auf Anleihen europäischer Banken vermutlich durch die hohen Risiken im Finanzsektor und die gewährten finanziellen Unterstützungen der Staaten getrieben. Angesichts der geringen Zahl an Meldungen über Risiken im Finanzsektor und des zeitgleichen Bekanntwerdens der massiven Haushaltsprobleme bei europäischen Staaten scheint die gleichgerichtete Bewegung der CDS-Spreads 2010 vor allem durch die Probleme der Staaten getrieben zu sein. Die Probleme der Staaten scheinen somit einen Einfluss auf die Banken gehabt zu haben. Dies war auch in Deutschland zu beobachten. Während der Schuldenkrise stiegen die CDS-Spreads auf Anleihen deutscher Banken ohne ein Bekanntwerden von Kreditausfällen oder andern Verlusten bei den Banken an. Dieser Anstieg kann durch das steigende Ausfallrisiko europäischer Staaten erklärt werden, gegenüber denen deutsche Banken Forderungen hielten. Anfang 2010 hatten die deutschen Banken beispielsweise Forderungen gegenüber Griechenland in Höhe von etwa 14 Milliarden Euro 7 (Avdjiev, Upper und Vause, 2010, S. 7). Der Markt antizipierte bei der Risikoeinschätzung der deutschen Banken somit möglicherweise die steigende Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit Griechenlands. Es zeigte sich demnach während der Finanz- und Schuldenkrise in Europa, dass die Entwicklung der Risiken der Staaten und der europäischen Banken zunehmend miteinander verwoben waren. 2.3 Auswirkungen auf die Stabilität des Euro Die Finanz- und Schuldenkrise hatte über die Geldpolitik der EZB und über das Anlageverhalten der Investoren direkte Auswirkungen auf die Gemeinschaftswährung des Euroraums. In Abbildung 3 werden die über die Euroländer gemittelten CDS-Spreads der Staaten dem effektiven Wechselkurs des Euro gegenübergestellt. Der von der EZB veröffentlichte effektive Wechselkurs ist als gewichtetes Mittel der mengennotierten Wechselkurse der wichtigsten Handelspartner der EU definiert 8 und ist auf das erste Quartal 1999 als Bezugsperiode (=100) standardisiert. Der effektive Wechselkurs gibt somit den Außenwert des Euro an. Ein Anstieg des effektiven Wechselkurses entspricht einer Aufwertung des Euro gegenüber den ausländischen Währungen, ein Absinken einer Abwertung (Europäische Zentralbank, 2011). 9 In der Graphik kann man erkennen, dass die Entwicklungen der Länder-CDSSpreads und des effektiven Wechselkurses ab Frühjahr 2008 gegenläufig sind. Betrachtet man beispielsweise den Zeitraum ab Januar 2008, so ergibt sich eine deutliche negative Korrelation der beiden Größen von -0,63. Die Ausfallrisiken der Staaten und der Außenwert des Euro scheinen also entgegengesetzt zu verlaufen. Natürlich wird der Wechselkurs des Euro durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die nicht zwangsläufig auch in Bezug zu den Ausfallrisiken der Euroländer stehen. So reagierte der durchschnittliche CDS-Spread der Euroländer kaum auf die großen Bankenzusammenbrüche in den USA im September 2008 (Fanny Mae, Freddie Mac, Lehman Brothers), während der Euro7 Stand: Ende erstes Quartal 2010. Die Zahlen werden in der Quelle in Dollar angegeben und wurden mit dem Wechselkurs vom 31.03.2010 von US-Dollar in Euro umgerechnet. 8 Die hierbei berücksichtigten 12 wichtigsten Handelspartner sind Australien, Kanada, Dänemark, Hongkong, Japan, Norwegen, Singapur, Südkorea, Schweden, Schweiz, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika. 9 Eine Erläuterung des effektiven Wechselkurses findet sich in Anhang 6. Seite 8 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Wechselkurs in dieser Zeit stark fiel. Auch gleichläufige Entwicklungen des Wechselkurses und der Länderrisiken waren im betrachteten Zeitraum zu verzeichnen. Dies war vor allem zwischen Anfang Oktober und Anfang Dezember 2008 der Fall, als diverse Rettungsmaßnahmen für Banken und Konjunkturpakete beschlossen wurden. In dieser Zeit stiegen sowohl die Staats-CDS-Spreads (aufgrund der fiskalischen Belastungen) als auch der Wechselkurs stark an, wobei letzteres auf die noch größeren Probleme in den USA zurückzuführen sein könnte. 10 Eine mögliche Gefahr für den Euro durch die Staatshaushalte war zu diesem Zeitpunkt noch nicht greifbar. Abbildung 3 – CDS-Spreads der Euroländer und Entwicklung des Euro Eingezeichnete Ereignisse: (1) Verkauf von Bear Stearns, 16. März 2008, (2) Insolvenz Lehman Brothers, 15. September 2008, (3) Beschluss der EU-Finanzminister zu staatlichen Rettungspaketen, 7. Oktober 2008, (4) Korrektur griechischer Haushalt, 21. Oktober 2009, (5) Gründung Euro-Rettungsschirm EFSF, 10. Mai 2010. Die linke Achse trägt den Verlauf der CDS-Spreads der Euroländer in Basispunkten ab. Die rechte Achse gibt den effektiven Wechselkurs des Euro an, welcher für das erste Quartal 1999 auf 100 normiert ist. Der durchschnittliche CDS-Spread der Euroländer ist der Mittelwert der CDS-Spreads von 14 Euroländern, für die uns kontinuierliche Daten vorlagen (vergl. Abbildung 1). Zugrunde liegen fünfjährige Senior CDS-Kontrakte (MM). Der nominale effektive Wechselkurs des Euro gilt für alle 17 Euroländer und wird aus dem Wechselkurs gegenüber den 12 wichtigsten Handelspartnern der Europäischen Union berechnet. Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis der CDS-Spreads entnommen aus der Markit-Datenbank sowie des effektiven Wechselkurses, zu finden auf der Homepage der Europäischen Zentralbank, http://sdw.ecb.europa.eu/ (Zeitreihe EXR.D.Z68.EUR.EN00.A). Mit Beginn der Schuldenkrise Ende 2009 wurde der negative Zusammenhang zwischen Länderrisiko und effektivem Wechselkurs jedoch klar ersichtlich. Ab November 2009 brach der effektive Wechselkurs ein, gleichzeitig stieg der Durchschnitt der CDS-Spreads der Euroländer stark an. Auslöser dieser Entwicklung war vor allem die Griechenlandkrise. Am 21. Oktober verkündete die neu gewählte griechische Regierung unter Ministerpräsident Papandreou, dass Schuldenstand und Haushaltsdefizit drastisch nach oben korrigiert werden müssten. Das erwartete Haushaltsdefizit für 10 Im Zeitraum Oktober bis Dezember 2008 wird die Entwicklung des effektiven Wechselkurses deutlich durch die Entwicklung des bilateralen Wechselkurses des Euro gegenüber dem US-Dollar getrieben, was bei einem Vergleich der beiden Zeitreihen ersichtlich wird. Seite 9 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 2009 wurde um 8,8 Prozentpunkte auf 12,5% des BIP erhöht (Europäische Kommission, 2010). Als am 8. Dezember 2009 die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit Griechenlands herunterstufte und kurz darauf die anderen Ratingagenturen nachzogen, verstärkte dies den Abwärtstrend des Euro und den Aufwärtstrend der Staats-CDS. Nach einer kurzen Erholung im Januar stieg das Risiko im Euroraum bis Anfang Februar weiter an. Die Lage im CDS-Markt entspannte sich erst etwas, als am 3. Februar 2010 die EU-Kommission das von Athen vorgelegte Sparprogramm akzeptierte und den griechischen Haushalt direkt unter ihre Kontrolle stellte. Fortan musste Griechenland der Kommission monatliche Berichte über die Haushaltslage liefern. Zeitgleich fiel der Euro aufgrund des Verschuldungsproblems Griechenlands, aber auch Portugals und Spaniens, am 5. Februar 2010 auf den tiefsten Stand seit acht Monaten. Auch die Staats-CDS erfuhren wieder einen Aufwärtstrend, als im März 2010 die Kreditwürdigkeit Portugals herabgestuft wurde und am 27. April Standard & Poor’s das Rating Griechenlands auf „below investment grade“ herabstufte. Um den anhaltenden Wertverlust des Euro aufzuhalten, beschlossen die EU und der IWF am 10. Mai 2010 ein 750-Milliarden-Paket zur Stützung des Euro und schufen die “European Financial Stability Facility“ (EFSF)11, deren Kredite von sämtlichen Euroländern unter Auflagen in Anspruch genommen werden können. Nachdem der Euro am 17. Mai 2010 den tiefsten Wert seit 2006 erreichte, zeigte der Rettungsschirm Wirkung, und der Außenwert des Euro stieg bis in den Juni hinein deutlich an und stabilisierte sich. Auch die CDS-Spreads der Euroländer fielen an den Tagen nach dem Beschluss sehr stark, stiegen aber einige Tage später wieder an. Ende Juni fielen die Staats-CDS-Spreads erneut als Reaktion auf die Überlegung der EU-Kommission, eine vorbeugende Überwachung der Haushalte der Mitgliedsstaaten einzuführen. Mit der Vorlage der überwiegend positiven Ergebnisse der europäischen Banken-Stresstests am 23. Juli 2010 setzte sich das Absinken der Staats-CDS fort, und auch der Außenwert des Euro erholte sich, im August noch zusätzlich beflügelt von den guten Fortschritten der griechischen Reformen. Im weiteren Verlauf der Euro-Krise kamen auch andere Länder in Bedrängnis. So spitzte sich im November 2010 die Situation in Irland so weit zu, dass Irland schließlich Hilfen des EuroRettungsschirms annehmen musste. Derzeit leiden auch Spanien und Portugal unter deutlich erhöhten Refinanzierungskosten. Am 13. November 2010 spekulierte der portugiesische Außenminister Luis Amado in einem Interview mit einer portugiesischen Zeitung sogar öffentlich, ob Portugal mittelfristig aus dem Euro aussteigen müsse, wenn es seine ökonomischen Probleme nicht in den Griff bekäme (Wall Street Journal, 2010). Es wird also deutlich, dass aus der globalen Finanzkrise zunächst eine Krise der europäischen Banken, dann der europäischen Staaten und schließlich der europäischen Währung wurde. Zusammenfassend zeigt dieses Kapitel, dass sich die Finanzkrise in Europa zunächst im Finanzsektor niederschlug und einen erheblichen Anstieg des vom Markt eingeschätzten Ausfallrisikos der europäischen Finanzinstitute zur Folge hatte. Als Reaktion auf die finanziellen Unterstützungen der europäischen Staaten für die angeschlagenen Banken zeigte sich Ende 2008 ebenfalls ein Anstieg der 11 Siehe hierzu Europäischer Rat (2010). Seite 10 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Risiken der europäischen Staaten. Diese Entwicklungen wurden anhand der CDS-Spreads auf Staatsanleihen europäischer Staaten und Banken veranschaulicht. Simultan zum Anstieg der Länderrisiken war auch eine Abschwächung des Euro zu beobachten. Die Korrelation der Staats-CDSSpreads mit dem effektiven Wechselkurs war vor allem auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise deutlich negativ. Der Krisenverlauf deutet also auf eine enge Verknüpfung der Banken-, Schuldenund Währungsprobleme im Euroraum hin. 3 Die Wechselwirkungen von Banken- und Schuldenkrisen In diesem Kapitel soll ein kurzer Literaturüberblick über die Zusammenhänge zwischen Banken- und Schuldenkrisen gegeben werden. Aus der Diskussion werden mehrere Hypothesen abgeleitet, die im folgenden Kapitel ökonometrisch überprüft werden. 3.1 Der Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen und seine Auswirkungen auf die Währungsstabilität Abbildung 4 verdeutlicht die potentiellen Verbindungen zwischen Banken- und Schuldenkrisen. Da die Kausalität in beide Richtungen verläuft, besteht die Gefahr, dass die beiden Krisenarten sich gegenseitig verstärken und zu einer Krisenspirale entwickeln. Banken- und Schuldenkrisen können ihrerseits wiederum Währungsprobleme verursachen. Abbildung 4 – Wechselwirkungen von Banken- und Schuldenkrisen und Auswirkungen auf die Währung Die Kanäle von der Banken- bzw. Schuldenkrise zu den Währungsproblemen sollen hier nur kurz betrachtet werden, da sie in der Literatur bereits umfassend behandelt wurden. Da Staatsschulden meist als Nominalschulden ausgegeben sind, haben Inflationsbewegungen direkte Auswirkungen auf die reale Belastung des Staates. Für den Staat besteht somit der Anreiz, durch inflationäre expansive Geldpolitik die reale Schuldenlast zu senken (Görgens, Ruckriegel und Seitz, 2008, S. 370 ff.), wodurch die Währung gleichzeitig geschwächt wird. Der damalige Chefvolkswirt der EZB, Ottmar Seite 11 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Issing, bemerkte im Jahre 1999: „Je höher die Staatsschuld, desto größer das Gefährdungspotenzial, das auf der Stabilität des Landes wie der Geldpolitik lastet. Der Verdacht, zumindest die stille Befürchtung, am Ende könnte doch die Versuchung für die Politik zu groß werden, sich der Schuld „schmerzlos“ durch Inflation zu entledigen, wächst quasi proportional zum (relativen) Schuldenstand. Die Unabhängigkeit der Notenbank ist kein für allemal wirksames Bollwerk gegen diesen Zusammenhang“ (Issing, 1999). Auch die frühen Modelle von Währungskrisen (Krugman, 1979; Flood und Garber, 1984) beruhen auf der Idee, dass eine Monetisierung von Staatsschulden nicht mit der Aufrechterhaltung fester Wechselkurse vereinbar ist. In den neunziger Jahren entstand eine umfangreiche empirische und theoretische Literatur zum Thema „Zwillingskrisen“ („twin crises“), womit man das gleichzeitige Auftreten von Banken- und Währungskrisen bezeichnet (siehe insbesondere den viel beachteten Aufsatz von Kaminsky und Reinhart, 1999). Diese Literatur betont den Zielkonflikt, der sich ergibt, wenn eine Zentralbank einerseits dem Bankensystem in einer Krisensituation Liquidität bereitstellen möchte, andererseits aber die Währung stabilisieren möchte (Velasco, 1987; Chang und Velasco, 2000). Eine prominente Rolle spielen außerdem Bilanzeffekte, über die sich Währungsprobleme auf Banken auswirken können, wenn innerhalb der Bankenbilanzen ein Währungsungleichgewicht („currency mismatch“) besteht (Krugman, 1999; Schneider und Tornell, 2004). Im Folgenden konzentrieren wir uns nun auf die Interdependenzen zwischen Banken- und Schuldenkrisen. Die beschriebenen Transmissionskanäle werden – sofern möglich – durch kleine Fallstudien aus der aktuellen Krise illustriert. 3.2 Empirische Evidenz über den Zusammenhang von Banken- und Schuldenkrisen Das gemeinsame Auftreten von Banken- und Schuldenkrisen ist keine Seltenheit, wie der historische Rückblick über die Banken- und Schuldenkrisen der letzten zwei Jahrhunderte von Reinhart und Rogoff (2009a) eindrucksvoll zeigt. Während Bankenkrisen in Industrieländern und Entwicklungsländern mit derselben Häufigkeit auftraten, kamen Schuldenkrisen signifikant häufiger in Entwicklungsländern vor. Zudem waren Bankenkrisen oft von kürzerer Dauer als Schuldenkrisen. Eine Gemeinsamkeit beider Krisenarten ist, dass sie von makroökonomischen Zyklen begleitet werden. Eines der zentralen Ergebnisse von Reinhart und Rogoff (2009a, 2010a) ist, dass beide Krisentypen nicht unabhängig voneinander auftreten, sondern miteinander korreliert sind. Innerhalb von drei Jahren nach einer systemischen Bankenkrise steigt der Anteil der Staatsschulden am BIP beträchtlich an, im historischen Durchschnitt um 86% (Reinhart und Rogoff, 2009a). Reinhart und Rogoff (2010a) testen auch die kausalen Zusammenhänge zwischen den beiden Krisenarten. Sie zeigen, dass eine Bankenkrise in einem Land die Wahrscheinlichkeit einer Schuldenkrise in diesem Land erhöht, können aber gleichzeitig keinen signifikanten Effekt in die andere Richtung finden. Borensztein und Panizza (2008) beobachten hingegen, dass Schuldenkrisen die Wahrscheinlichkeit von Bankenkrisen erhöhen. Auch sie stützen ihre Berechnung auf eine große Anzahl von Krisen. Da beide Arbeiten auf stark aggregierten Daten beruhen, können Kausalitäten Seite 12 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 nicht ohne weiteres identifiziert werden. Diese Arbeit versucht daher, auf Basis disaggregierter Daten in hoher Frequenz (monatlich bzw. täglich), verschiedene theoretische Kanäle empirisch zu überprüfen, die im Folgenden vorgestellt werden. 3.3 Der Einfluss von Bankenkrisen auf Schuldenkrisen Wir betrachten zunächst den Einfluss von Bankenkrisen auf Schuldenkrisen und unterscheiden hierbei zwei verschiedene Kanäle. Der erste Kanal läuft über die direkten fiskalischen Belastungen, die sich aus den Rettungspaketen für das Bankensystem ergeben. Der zweite Kanal geht davon aus, dass eine Bankenkrise zu einer Beeinträchtigung der Konjunktur führt, die über steigende Staatsausgaben (z. B. in Form von Konjunkturpaketen) und über fallende Steuereinnahmen die Staatsfinanzen bedroht und somit das Länderrisiko erhöht. Kanal 1: Direkte fiskalische Kosten von Bankenkrisen Dem Staat entstehen während einer Finanzkrise direkte fiskalische Kosten durch Rettungsmaßnahmen im Bankensystem. Dies schließt Verluste staatlicher Finanzinstitute mit ein, die beispielsweise in Deutschland in der derzeitigen Krise eine wichtige Rolle spielten. Die geschätzten Kosten, die dem Staat durch Kriseninterventionen im Finanzsystem entstehen, liegen gemäß einer Studie von Honohan und Klingebiel (2000) im Durchschnitt bei 12,9% des BIP. Laeven und Valencia (2010) weisen jedoch auf erhebliche Unterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern hin. Die Kosten in Industrieländern liegen ihren Berechnungen nach bei durchschnittlich 11,5% des BIP, in Entwicklungsländern dagegen lediglich bei 3,7% des BIP. Die geschätzten Kosten von Bankenkrisen weichen allerdings je nach verwendeter Methodik stark voneinander ab (Frydl, 1999). Reinhart und Rogoff (2009a) vergleichen die geschätzten Kosten von Krisen in der existierenden Literatur und stellen in einzelnen Ländern Abweichungen von bis zu 50% des BIP fest. Die staatlichen Rettungsmaßnahmen führen zu einem Transfer des Risikos aus dem Bankensektor zum Staat, was sich in einer Erhöhung des Länderrisikos niederschlagen sollte. Dieser Zusammenhang wird in einem theoretischen Modell von Acharya, Drechsler und Schnabl (2010) beschrieben. Der Staat muss die Kosten der Rettungsmaßnahmen im Finanzsystem durch Kreditaufnahme oder Steuererhöhungen finanzieren und erhöht damit sein eigenes Insolvenzrisiko. In jüngerer Zeit sind eine Reihe von Studien entstanden, die diesen Kanal untersuchen und seine ökonomische Bedeutung weitgehend unterstützen. 12 Dies führt zu Hypothese 1, deren Plausibilität am Beispiel Irlands illustriert wird. Hypothese 1: Die Durchführung staatlicher Rettungsmaßnahmen im Bankensystem erhöht das Länderrisiko. Der Effekt ist umso stärker, je größer die (erwarteten) fiskalischen Belastungen relativ zur Wirtschaftsleistung des Landes sind. 12 Attinasi, Checherita und Nickel (2009) weisen einen Anstieg der Spreads von Staatsanleihen und einen Anstieg der Differenz zwischen Länder- und Banken-CDS-Spreads in Reaktion auf angekündigte Rettungsmaßnahmen nach. Mody (2009) sowie Sgherri und Zoli (2009) belegen einen Zusammenhang zwischen dem Zustand des Finanzsystems und den Spreads von Staatsanleihen. Weitere Evidenz für einen Risikotransfer findet sich bei Ejsing und Lemke (2009) Seite 13 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Fact Box: Bankenrettung in Irland Abbildung 5 – CDS-Spreads irischer Banken und Irlands Der durchschnittliche CDS-Spread der Banken bezieht sich auf die 2 irischen Banken, für die uns CDS-Spreads vorliegen. Zugrunde liegen fünfjährige Senior CDS-Kontrakte (MM). Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis der CDS-Spreads entnommen aus der Markit-Datenbank. Der Verlauf der Finanzkrise in Irland zeigt deutlich die Übernahme der Risiken des Bankensektors durch den Staat.13 Irlands Bankensektor wurde von der Finanzkrise sehr stark getroffen und musste durch den Staat mit hohen Summen unterstützt werden. Die Krise wurde durch das Platzen einer Immobilienblase in Irland verschärft. Vor Ausbruch der Bankenkrise war Irlands Wirtschaft rasant gewachsen, vor allem der Bausektor boomte. Das veranlasste die irischen Banken, viele Hypothekenkredite zu vergeben, so dass die Bankportfolios hauptsächlich aus Immobilienkrediten bestanden. Refinanziert wurden die Kredite über kurzfristige Kredite am Interbankenmarkt. Bis 2006 stieg der Nettoschuldenstand der irischen Banken gegenüber dem Rest der Welt auf 60% des BIP (Honohan et al., 2010). Der Finanzsektor machte mit einem Anteil von 10,9% des BIP einen wesentlichen Teil der irischen Wirtschaft aus. Durch das Stocken des Interbankenmarktes im Zuge der internationalen Finanzkrise bekamen die irischen Banken ab Anfang 2008 Probleme, sich zu refinanzieren. Dies ging einher mit dem Ende des Immobilienbooms und einem Absinken der Hauspreise. Diese Situation verursachte große Liquiditätsprobleme bei den einheimischen Banken, deren CDS-Spreads extrem anstiegen und Mitte September 2008 durchschnittlich 400 Basispunkte betrugen. Die irische Regierung reagierte am 30. September 2008 mit einer Garantie für alle Einlagen und Schulden von sechs irischen Banken, die einen deutlichen Abfall der CDS-Spreads zur Folge hatte. Wenig später zeigte sich jedoch, dass diese Garantien nicht ausreichen würden, um den irischen Bankensektor zu stabilisieren. Die CDS-Spreads der irischen Banken stiegen wieder rasant an und erreichten im März 2009 nach der Verstaatlichung der Anglo Irish Bank Höchststände weit über dem 13 Die Darstellung der irischen Krise orientiert sich an Frankfurter Allgemeine Zeitung (2010b), Honohan, Donovan, Gorecki und Mottiar (2010) sowie Honohan (2009). Seite 14 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Mittel der anderen europäischen Banken bei über 640 Basispunkten. Die irische Regierung weitete die Unterstützung für den Bankensektor daraufhin weiter aus. Dies wirkte sich maßgeblich auf die CDSSpreads auf irische Staatsanleihen aus. Diese hatten Anfang September 2008 noch unter 30 Basispunkten gelegen. Ausgelöst durch die Übernahme von Garantien für die Banken stiegen die CDS-Spreads für Staatsanleihen erheblich an und erreichten im Dezember 2008 mehr als 200 Basispunkte. Verschärft wurde dies durch den wirtschaftlichen Abschwung, der durch den Einfluss der Finanzkrise auf die Realwirtschaft im Jahr 2008 begonnen hatte. 14 Das BIP brach 2008 im Gegensatz zum Vorjahr um etwa 3% ein, 2009 sogar um 9%. 15 Das irische Rettungspaket für den Finanzsektor erhöhte sich bis Ende 2010 nochmals um über 200 Milliarden Euro auf insgesamt 723 Milliarden Euro.16 Dies stellt die höchste Unterstützung für den inländischen Finanzsektor eines europäischen Landes während der Finanzkrise dar. Keiner der anderen europäischen Staaten sprach Garantien über 600 Milliarden Euro aus. Vor Ausbruch der Finanzkrise hatte sich Irland in einer sehr guten wirtschaftlichen Lage befunden. Die Kosten der Krise belasteten den irischen Haushalt ab 2008 jedoch enorm. Das Defizit des Staates stieg von 6% des BIP in 2008 auf 12% des BIP in 2009 und ließ den Schuldenstand des Landes von etwa 30% Anfang 2008 auf über 65% des BIP Ende 2009 steigen. 17 Die Ratingagenturen reagierten mit mehreren Abstufungen Irlands. Die Schuldenkrise des Landes spitzte sich im Laufe des Jahres 2010 weiter zu. Die CDS-Spreads irischer Staatsanleihen stiegen Mitte 2010 ebenfalls erneut an. Um einer möglichen Zahlungsunfähigkeit zu entgehen, beantragte Irland finanzielle Hilfen bei der Europäischen Union, die daraufhin dem Land im Dezember 2010 ein Rettungspaket über rund 85 Milliarden Euro zusagte. Irland steht somit als ein Beispiel für ein europäisches Land, das sich vor der Krise in einer sehr guten wirtschaftlichen Lage befand und durch die Kosten der Finanzkrise, insbesondere durch umfangreiche Rettungsmaßnahmen, in eine tiefe Rezession und Schuldenkrise rutschte. Kanal 2: Rückkopplungseffekte von Bankenkrisen durch konjunkturelle Effekte Bankenkrisen werden typischerweise von einem Rückgang des Wirtschaftswachstums oder gar einer Rezession begleitet (Eichengreen und Rose, 1999). Laut Reinhart und Rogoff (2009a) ist ein Großteil der nach einer systemischen Bankenkrise entstehenden Staatsschulden durch den Rückgang der Wirtschaftsleistung begründet. Reinhart und Rogoff (2009b) betrachten die systemischen Bankenkrisen in Industrie- und Entwicklungsländern seit dem Zweiten Weltkrieg und stellen dabei einen erheblichen Rückgang der Wirtschaftsleistung im Zuge von Bankenkrisen fest. Nach einer Krise sank das BIP in zwei Jahren um durchschnittlich 9,2%. Eine Rezession schlägt sich in einem Rückgang der Steuereinnahmen und einem Anstieg der Staatsausgaben in den öffentlichen Haushalten nieder. 14 Dieser Aspekt wird in der nächsten Hypothese genauer beleuchtet. Die Daten stammen aus der Datenbank „Eurostat“, Datenreihe „gov_q_ggdebt“, siehe Anhang 2. 16 Siehe „State Aid Control“ der Europäischen Kommission sowie Anhang 2 und 3. 17 Die Daten wurden der Website des Central Statistics Office Ireland (www.cso.ie/statistics) entnommen. 15 Seite 15 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Diese Beobachtungen lassen einen Zusammenhang zwischen dem Finanzsystem und der Realwirtschaft vermuten. Bernanke (1983) belegte diesen Zusammenhang in einem viel beachteten Aufsatz über den Konjunktureinbruch in den USA während der Weltwirtschaftskrise. Sein zentrales Argument war, dass der Finanzsektor eine wesentliche Rolle im Umgang mit asymmetrischen Informationen in Finanzierungsbeziehungen spielt. Diese Funktion wurde durch die vielfältigen Bankenzusammenbrüche und die gestiegene Unsicherheit gestört, was einen Rückgang der Kreditvergabe und – aufgrund der unvollständigen Substituierbarkeit mit anderen Finanzierungsinstrumenten – zu einer Abschwächung der Konjunktur führte. Diese Sichtweise, die inzwischen als weithin akzeptiert betrachtet werden kann, fand Eingang in die Theorie der Finanzakzeleratoren, die unter anderem durch Bernanke und Gertler (1989, 1990) begründet wurde. Diese Theorie erklärt, wie reale Schocks durch das Finanzsystem verstärkt werden können. Eine wesentliche Rolle spielen auch hier asymmetrische Informationen im Kreditmarkt. Bernanke und Gertler zeigen, dass sich die Informationskosten durch Schocks in der Realwirtschaft erhöhen, wodurch ein negativer Effekt auf die Kreditvergabe und damit auf die Konjunktur entsteht. Bernanke (2007) argumentiert, dass dieser Mechanismus auch auf Finanzschocks, die Firmen- und Haushaltvermögen reduzieren, angewendet werden kann. Auch in der aktuellen Krise existiert ein breiter Konsens über die beschriebene Verbindung zwischen dem Kreditmarkt und dem Konjunktureinbruch in den Jahren 2008 und 2009.18 Eine Abschwächung der Konjunktur geht typischerweise mit fallenden Staatseinnahmen (Steuern) aufgrund des Rückgangs der Bemessungsgrundlage und mit steigenden Staatsausgaben (z. B. in der Sozialversicherung oder durch staatliche Maßnahmen zur Konjunkturbelebung) einher. In den Industrieländern lässt sich der starke Anstieg der Staatsschulden im Zeitraum zwischen 2008 und 2009 zu zwei Dritteln auf den Rückgang des Wirtschaftswachstums zurückführen (Internationaler Währungsfonds, 2010a). Somit ergibt sich ein indirekter Kanal von Bankenkrisen über einen konjunkturellen Rückgang zu einer Belastung der Staatsfinanzen und damit einer Erhöhung des Länderrisikos. In offenen Volkswirtschaften wird die heimische Konjunktur wesentlich von den Entwicklungen der Weltkonjunktur mitbestimmt. Insofern kann der Kanal auch auf Länder wirken, die direkt nur in geringem Maße von der Finanzkrise betroffen waren. Hieraus ergibt sich unsere zweite Hypothese, die am Beispiel Portugals näher beleuchtet wird. Hypothese 2: Die mit einer Bankenkrise einhergehende Abschwächung der Konjunktur belastet die Staatsfinanzen und erhöht somit das Länderrisiko. Der Effekt ist umso stärker, je stärker die Wirtschaftsleistung in der Krise zurückgeht. 18 Empirische Untersuchungen des Einflusses des Kreditmarktes auf das Wirtschaftswachstum finden sich bei Ciccarelli, Maddaloni und Peydro (2010), Teiman und Maechler (2009) sowie Bondt, Maddaloni, Peydro und Scopel (2010). Seite 16 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Fact Box: Konjunktureinbruch in Portugal Im Gegensatz zu anderen Ländern war die Bankenkrise in Portugal vergleichsweise mild. Die portugiesische Regierung unterstützte die inländischen Banken durch Rettungsprogramme in Höhe von lediglich 20 Milliarden Euro19, diese Summe lag weit unterhalb der von anderen europäischen Staaten für deren Bankensektor zugesagten Summen. Vor Beginn der Finanzkrise waren die Zukunftserwartungen in Portugal positiv. Die Regierung hatte die Verschuldung in 2007 senken können, und die Wirtschaft wuchs leicht. Der folgende konjunkturelle Einbruch lässt sich somit mit großer Wahrscheinlichkeit auf die globale Finanzkrise zurückführen. Im Zuge der Finanzkrise geriet Portugal durch sinkende Steuereinnahmen und die zusätzliche Belastung des Staatshaushalts aufgrund von Konjunkturprogrammen in Schwierigkeiten. Das portugiesische Haushaltdefizit stieg 2009 deutlich an, und das BIP brach ein, so dass sich der Schuldenstand in 2010 auf 86% des BIP erhöhte 20. Die Situation verschärfte sich durch die geringe Wettbewerbsfähigkeit Portugals – sowohl innerhalb der EU als auch international – sowie durch eine schlechte Wachstumsprognose, so dass mit einem stetigen Anstieg der Schuldenquote gerechnet wurde. Abbildung 6 – CDS-Spreads portugiesischer Banken und Portugals Der durchschnittliche CDS-Spread der Banken bezieht sich auf 4 portugiesische Banken. Zugrunde liegen fünfjährige Senior CDS-Kontrakte (MM). Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis der CDSSpreads entnommen aus der Markit-Datenbank. Die CDS-Spreads auf portugiesische Staatsanleihen zeigten eine deutliche Reaktion. Ab Anfang 2010 stiegen sie enorm an und erreichten Mitte 2010 ihren Höchststand bei über 440 Basispunkten. In Portugal zeigt sich sehr deutlich, dass der Anstieg des Risikos des Staates nicht durch die finanzielle Unterstützung der inländischen Banken ausgelöst wurde, sondern durch die im Zuge der Finanzkrise eintretende Rezession. Außerdem wurde durch den Anstieg des Länderrisikos auch ein steigendes Risiko innerhalb des portugiesischen Bankensektors antizipiert. Gemäß der portugiesischen 19 20 Siehe State Aid Control der Europäischen Kommission sowie Anhang 2 und 3. Die Daten entstammen der Datenbank Eurostat, Datenreihe „gov_q_ggdebt , siehe hierzu Anhang 2. Seite 17 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Zentralbank (Banco de Portugal, 2010) reflektiert der Anstieg der CDS-Spreads der portugiesischen Banken Anfang 2010 nicht steigende Risiken innerhalb des Bankensystems, sondern lediglich die steigende Ausfallwahrscheinlichkeit des portugiesischen Staates sowie die sich zuspitzende Schuldenkrise innerhalb der Eurozone. 21 3.4 Der Einfluss von Schuldenkrisen auf Bankenkrisen Nun betrachten wir den Einfluss von Schuldenkrisen auf Bankenkrisen, wobei wir wiederum verschiedene Kanäle unterscheiden. Der erste Kanal (Kanal 3) läuft über Bilanzeffekte: Wenn Banken in ihren Portfolios Staatsanleihen halten, werden sie direkt durch einen Anstieg des Länderrisikos betroffen. Kanal 4 beruht auf der Idee, dass die zukünftige Rettung des Bankensystems bei höherem Schuldenstand unwahrscheinlicher wird. Der letzte Kanal (Kanal 5) betrachtet schließlich die konjunkturellen Auswirkungen einer Schuldenkrise, die zu Rückkopplungseffekten auf das Bankensystem führen können. Kanal 3: Bilanzeffekte von Schuldenkrisen Staatliche Schuldverschreibungen im Bankportfolio stellen eine direkte Verbindung zwischen Länderund Bankenrisiken her. Der heimische Bankensektor eines Landes ist meist ein wichtiger Gläubiger des Staates (Europäische Zentralbank, 2010b). Im Fall eines Staatsbankrotts, der eine Umschuldung mit sich bringt, drohen dem Finanzsektor hohe Abschreibungen. Auch wenn noch keine Umschuldung stattgefunden hat, führt ein erhöhtes Länderrisiko zu Verlusten bei den Banken. Eine gestiegene Insolvenzgefahr eines Staates spiegelt sich z. B. in Ratingabstufungen wider, die sich negativ auf die Kurse von Staatsanleihen auswirken. Für Schuldtitel, die im Handelsbuch von Banken gehalten werden, verlangt die „Fair-value“-Bewertung eine sofortige Abschreibung (Internationaler Währungsfonds, 2010a). Eine unzureichende Diversifizierung gegen Länderrisiken kann verschiedene Gründe haben. In Krisenzeiten kann sie der Ausdruck einer Flucht in die Qualität („flight to quality“) sein, wenn Staatsanleihen als besonders sichere und liquide Anlageformen betrachtet werden. Des Weiteren könnte politischer Druck eine Risikodiversifikation verhindern. Ein Blick in die Geschichte verrät, dass besonders kurz vor und auch nach einer Schuldenkrise der Anteil an inländisch gehalten Schulden stark ansteigt (Reinhart und Rogoff, 2009a). Auch die Finanzierungskosten von Banken werden von Länderrisiken beeinflusst. Sinken die Kurse von Staatsanleihen und damit das Reinvermögen der Banken, werden die Finanzierungskosten von Banken steigen (ähnlich wie in der Theorie der Finanzakzeleratoren, siehe Bernanke, 2007). Die Vorschriften im Rahmen des Basel-II-Regelwerks schreiben zudem für Anlagen mit gesunkenem Kreditrating einen Anstieg des zugrunde gelegten Eigenkapitals vor. Eine Folge der Abstufung eines Staates wäre somit ein Anstieg der Fremd- und Eigenkapitalkosten der Banken. 21 Dies entspricht den weiter unten diskutierten Kanälen von Schuldenkrisen zu Bankenkrisen (Kanal 3 bis 5). Seite 18 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Acharya et al. (2010) argumentieren, dass Staatsschuldtitel somit eine wichtige Rolle für die Interdependenzen zwischen Banken- und Schuldenkrisen spielen. Laut den Autoren sind Exposures gegenüber dem Staat ursächlich für die Rückkopplungseffekte von Bailouts und tragen damit zur Krisenspirale bei. Sie belegen diesen Effekt, indem sie zeigen, dass das Kreditrisiko des Bankensystems von den Staatsschuldtiteln in dessen Bilanzen beeinflusst wird. 22 Wir sehen also, dass sich eine Erhöhung des Länderrisikos unmittelbar in einem Anstieg des Bankenrisikos niederschlagen kann, was der Inhalt unserer dritten Hypothese ist. Diese wird am Beispiel griechischer Staatsanleihen illustriert. Hypothese 3: Eine Erhöhung des Länderrisikos führt über Bilanzeffekte zu einer Erhöhung des Bankenrisikos. Die Größe des Effektes hängt positiv vom Exposure der Banken gegenüber dem Länderrisiko ab. Fact Box: Bilanzeffekte durch griechische Wertpapiere Abbildung 7 – CDS-Spreads Griechenlands und der 3 Banken mit dem größten Exposure gegenüber Griechenland Der durchschnittliche CDS-Spread der Banken bezieht sich auf die 3 nicht-griechischen Banken mit dem größten Exposure (relativ zum Kernkapital) gegenüber Griechenland. Zugrunde liegen fünfjährige Senior CDSKontrakte (MM). Quelle: Eigene Berechnungen und Darstellung auf Basis der CDS-Spreads entnommen aus der Markit-Datenbank sowie auf Basis der Exposure-Angaben der Banken im Rahmen des Bankenstresstests (zu finden auf den jeweiligen Homepages der Banken) und des Kernkapitals (Tier 1), veröffentlicht im Bankenstresstest (siehe Anhang 2). Durch die Auswirkungen der Finanzkrise, aber vor allem auch aufgrund struktureller Probleme und einer schlechten Haushaltspolitik, zeichnete sich Ende 2009 eine schwere Schuldenkrise in Griechenland ab. Ab Dezember 2009 wurde die Kreditwürdigkeit Griechenlands mehrmals 22 In unserer empirischen Analyse dieses Kanals orientieren wir uns an der Arbeit von Acharya et al. (2010). Seite 19 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 heruntergestuft. Im April 2010 erreichte das Rating Griechenlands schließlich die Klassifikation „below investment grade“. Trotz rigider Sparprogramme musste Griechenland im Mai 2010 Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm in Anspruch nehmen, um die Finanzierung des eklatanten Haushaltslochs zu sichern. All diese Entwicklungen blieben natürlich nicht ohne Folgen auf die Wertentwicklung griechischer Wertpapiere. Banken, die solche Papiere hielten, mussten hohe Abschreibungen in Kauf nehmen und wurden durch diesen negativen Bilanzeffekt einem größeren Risiko ausgesetzt. Es ist also davon auszugehen, dass Banken, die ein hohes Exposure gegenüber Griechenland hatten, einem stärkeren Bilanzeffekt ausgesetzt waren. Mittels der Angaben im Rahmen des Bankenstresstests haben wir die drei Banken mit dem größten relativen Exposure gegenüber Griechenland im Vergleich zum Kernkapital (Tier 1) identifiziert.23 Um den Bilanzeffekt von den makroökonomischen Effekten innerhalb Griechenlands zu trennen, wurden hierbei nur nicht-griechische Banken betrachtet. Absolutes nominales Exposure Bank gegenüber Griechenland Relatives Exposure gegenüber Griechenland (in Mio. €) (nominales Exposure / Tier 1) DZ Bank 1.195 12,70 % Société Générale 4.225 12,18 % 718 11,76 % Banco Comercial Português Quelle: Bankenstresstest, Angaben der Banken im Rahmen des Bankenstresstests (siehe Anhang 2). Das Risiko dieser drei Banken sowie Griechenlands wird in obiger Graphik durch CDS-Spreads dargestellt. Die drei ausgewählten Banken, die alle relativ groß sind, zeigten während der Finanzkrise nur geringe Erhöhungen in dem vom Markt eingeschätzten Risiko. Während der Schuldenkrise Griechenlands stieg allerdings gleichzeitig sowohl der CDS-Spread Griechenlands als auch der durchschnittliche CDS-Spread der drei Banken deutlich an. Dies deutet auf einen Bilanzeffekt griechischer Papiere auf Banken mit einem Exposure gegenüber Griechenland hin. Kanal 4: Die Glaubwürdigkeit staatlicher Garantien Der Schuldenstand eines Landes gibt Auskunft darüber, ob der Staat zukünftig in der Lage sein wird, Banken zu retten. Ist der Schuldenstand sehr hoch, so verliert eine implizite oder explizite Garantie des Staates gegenüber dem Finanzsystem an Glaubwürdigkeit, was sich in einem Anstieg des Bankenrisikos niederschlagen sollte. Dies gilt vor allem dann, wenn es keine übergeordnete Institution gibt, die im Notfall Kredite bereitstellen kann. Da solche Kredite typischerweise an Bedingungen geknüpft sind, können auch diese negative Auswirkungen auf die einheimischen Banken haben. 23 Es wurden nur Banken berücksichtigt, für die CDS-Spreads vorliegen. Seite 20 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Der Risikotransfer, der unter Kanal 1 beschrieben wurde, führt also nicht zu einer einmaligen Übertragung des Risikos vom Finanzsektor zum Staat, sondern stellt eine permanente Verbindung zwischen Banken und Staat her. Ein Indiz für diese Überlegung ist die starke Korrelation des Risikos der europäischen Staaten und ihrer Finanzsysteme, die sich nach den ausgesprochenen Bankengarantien entwickelt hat (Internationaler Währungsfonds, 2010b). Allerdings könnte auch der dritte Kanal diese Korrelation erklären. Hypothese 4: Eine Erhöhung des Schuldenstands eines Landes erhöht das Bankenrisiko, weil der Staat möglicherweise zukünftig nicht in der Lage ist, das Bankensystem zu stützen. Dieser Kanal lässt sich sowohl anhand des irischen als auch des portugiesischen Fallbeispiels illustrieren (siehe vorangegangene Kästen). Kanal 5: Rückkopplungseffekte von Schuldenkrisen durch konjunkturelle Effekte Ebenso wie Finanzkrisen können Schuldenkrisen signifikante Kosten für Volkswirtschaften bedeuten, die von direkten Sanktionen und Strafen bis hin zu einer Rezession reichen. Ein Rückgang des Wirtschaftswachstums in Folge einer Schuldenkrise würde das Bankensystem indirekt über einen Anstieg der Kreditausfälle belasten. Aus theoretischer Sicht müssen Schuldenkrisen für ein Land mit hohen Kosten verbunden sein, um bei souveränen Schuldnern überhaupt eine Rückzahlung von Schulden erwirken zu können, da Ansprüche nicht einfach in Insolvenzverfahren durchgesetzt werden können. In der Literatur werden als Sanktionierungsmaßnahmen vor allem der Ausschluss von der zukünftigen Kreditvergabe und direkte Sanktionen (z. B. über den Handel) diskutiert (Eaton und Gersovitz 1981; Bulow und Rogoff, 1989a, 1989b). Solche Maßnahmen können das Wirtschaftswachstum eines Landes abschwächen und so indirekt auch das Bankensystem belasten. Auch ein möglicher Spillover der schlechten Kreditwürdigkeit des Staates auf den privaten Sektor könnte aufgrund der gestiegenen Finanzierungskosten zu einem Rückgang des Outputs führen. 24 Laut Reinhart und Rogoff (2010b) ist ein negativer Effekt des Schuldenstandes auf das Wirtschaftswachstum ab einem Niveau von etwa 90% des BIP zu erwarten. Weitere empirische Literatur bestätigt den schädlichen Effekt von Staatsschulden auf das Wirtschaftswachstum. 25 Hypothese 5: Die mit einer Schuldenkrise einhergehende Abschwächung der Konjunktur erhöht das Bankenrisiko. Der Effekt ist umso stärker, je stärker die Wirtschaftsleistung in der Krise zurückgeht. Diese Hypothese lässt sich zum derzeitigen Stand noch nicht so leicht illustrieren, da noch kein ausreichender Zeitraum seit Beginn der Schuldenkrisen vergangen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die konjunkturellen und Wachstumseffekte der Bankenkrise gerade im späteren Verlauf nicht ohne weiteres von den Auswirkungen der Schuldenkrise trennen lassen. Ein positiver Zusammenhang 24 Die empirische Literatur unterstützt die Existenz eines solchen Spillover-Effektes (Arteta und Hale, 2008; Das, Papaionannou und Trebesch, 2010). 25 Mehrere Arbeiten stützen den negativen Wachstumseffekt von Staatsschulden in der langen Frist (Caner, Grennes und Koehler-Geib, 2010; Checherita und Rother, 2010; Kumar und Wo, 2010). Die in Reinhart und Rogoff (2010b) beschriebenen Schwelleneffekte sind jedoch nicht eindeutig zu bestimmen. Seite 21 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 zwischen Schuldenstand und Bankenrisiko wäre jedoch mit dieser Hypothese zumindest kompatibel. Er könnte aber ebenso als Evidenz für Hypothese 4 interpretiert werden. Im Folgenden sollen die beschriebenen Hypothesen nun in einer ökonometrischen Analyse statistisch überprüft werden. 4 Ökonometrische Analyse In diesem Kapitel werden die zuvor formulierten Hypothesen ökonometrisch getestet. Hierbei betrachten wir zunächst die Auswirkungen der Bankenrisiken auf das Länderrisiko, bevor wir uns der umgekehrten Kausalität zuwenden. 4.1 Schätzung 1: Der Einfluss von Bankenkrisen auf Schuldenkrisen In diesem und dem folgenden Abschnitt stellen wir zunächst das empirische Modell und die verwendeten Daten vor, dann präsentieren und interpretieren wir die Regressionsergebnisse vor dem Hintergrund der Hypothesen aus Kapitel 3. 4.1.1 Empirisches Modell In dieser ersten Schätzung sollen die Einflussfaktoren der staatlichen Schuldenkrisen im Euroraum untersucht werden. Hierbei beziehen wir uns auf die ersten beiden der in Kapitel 3 aufgestellten Hypothesen und fragen, ob sich staatliche Rettungsmaßnahmen und die Abschwächung der Konjunktur in Folge der Finanzkrise in einem gestiegenen Länderrisiko niedergeschlagen haben. Anhand eines Paneldatensatzes mit Daten von 14 Ländern26 aus der europäischen Währungsunion untersuchen wir, ob der CDS-Spread der Länder – als Maß des Länderrisikos – abhängt von Variablen, die Rettungsprogramme und die Konjunktur abbilden. Der Zeitraum der Untersuchung orientiert sich an den Eckdaten der Finanzkrise. Da erste Turbulenzen im Sommer 2007 auftraten, beginnt unsere Schätzung im Juni 2007 und endet im Juni 2010. Die zu erklärende Variable in dieser Schätzung sind die CDS-Spreads der Länder, ausgedrückt in Basispunkten. Den Schätzungen liegen CDS-Kontrakte in Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren zugrunde, deren Kreditereignis „modified modified restructuring“ einschließt (CDS MM).27 Dies ist die in Europa üblichste Variante von CDS-Kontrakten und weist daher die größte Liquidität auf. Die Daten stammen aus der Markit-Datenbank.28 26 Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Zypern. 27 Für eine Beschreibung von CDS-Arten und Quellen siehe Mayordomo, Pena und Schwartz (2010). Zur Bewertung von CDS siehe O’Kane und Turnbull (2003). 28 Eine Übersicht der verwendeten Datenquellen und der genauen Variablendefinitionen findet sich in Anhang 2. Seite 22 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Unsere Schätzgleichung sieht folgendermaßen aus: Die deskriptiven Statistiken der verwendeten Variablen finden sich in Anhang 4. Die erklärenden Variablen setzen sich wie folgt zusammen. Um den Einfluss der Ankündigung einer Rettungsmaßnahme zu messen, schließen wir einen Bailoutdummy ein, der bei der ersten Ankündigung einer Bankenrettung in einem Land auf eins springt und dort verbleibt. Die Idee ist hierbei, dass allein die Zusage des Staates, Banken zu unterstützen, dazu führt, dass die antizipierten Schulden des Staates steigen. Dies könnte zu einem höheren CDS-Spread des Landes führen. In den meisten Fällen liegt der Zeitpunkt der Ankündigung am Ende des Jahres 2008 und fällt oftmals auf den Tag der ersten Anmeldung konkreter Bailout-Summen bei der Europäischen Kommission. In Einzelfällen wurde zuvor bei der Europäischen Kommission lediglich die Grundlage für finanzielle Hilfe geschaffen. In diesen Fällen bestimmt dieses Datum den relevanten Zeitpunkt des Dummys. 29 Neben der Ankündigung einer Rettungsmaßnahme spielt auch deren Volumen eine Rolle. Während der Dummy vor allem die grundsätzliche Erwartung höherer Staatsschulden misst, kann er nicht erfassen, welche Belastung die Staaten tatsächlich tragen müssen. Dieser Einfluss wird gemessen mit Hilfe des tatsächlichen Volumens der Rettungsprogramme. Die Variable erhöht sich an dem Tag, an dem die (zusätzlichen) Finanzhilfen bei der Europäischen Kommission angemeldet wurden. Es wurde bewusst nicht das Datum der Bewilligung durch die Kommission gewählt, das teilweise auf einen weit späteren Zeitpunkt fällt. Es wird angenommen, dass die Reaktion der Märkte bereits bei Bekanntwerden beabsichtigter Rettungsmaßnahmen eines Landes erfolgt. Die Summen enthalten sämtliche Staatshilfen im Zuge der Finanzkrise, darunter neben Garantien auch Rekapitalisierungen, Bürgschaften und Liquiditätshilfen. Folglich beschreibt die Variable nicht die tatsächlich ausgezahlten Summen, sie beinhaltet vielmehr auch alle vom Staat gegebenen Sicherheiten, die möglicherweise zukünftig nicht ausbezahlt werden. Die Daten wurden aus der auf der Website der Europäischen Kommission veröffentlichten „State Aid Control“ der europäischen Staaten gewonnen. 30 Um einen sinnvollen Bezug zur Größe der jeweiligen Volkswirtschaft herzustellen, werden die Volumina der Rettungspakete durch das BIP des jeweils letzten Jahres geteilt. Dies ergibt die Variable Bailoutratio, die in Spezifikation 2 zusätzlich zum Bailoutdummy eingeschlossen wird. Je höher die Bailoutvolumina gemessen am BIP sind, desto stärker ist die Belastung für den Staatshaushalt. Die Koeffizienten dieser ersten beiden Variablen geben Aufschluss über die Gültigkeit von Hypothese 1. Statistische Signifikanz der Koeffizienten der Variablen Bailoutdummy und Bailoutratio würde auf die Bedeutung von Rettungsmaßnahmen für das Länderrisiko hindeuten. 29 Eine Übersicht über sämtliche Rettungsmaßnahmen findet sich in Anhang 3. Eine Zusammenfassung der Europäischen Kommission über die während der Finanzkrise vergebenen Staatshilfen an den Finanzsektor in Europa (http://ec.europa.eu/competition/state_aid/studies_reports/ expenditure.html#3) gibt für einzelne Mitgliedsländer eine höhere Summe an finanzieller Unterstützung an, als wir in unserer Schätzung für das jeweilige Land eingeschlossen haben. Da wir die zusätzlichen Summen keinem konkreten Datum zuordnen konnten und ihre Höhe nicht ins Gewicht fällt, werden diese Summen in unserer Schätzung nicht berücksichtigt. 30 Seite 23 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Um die zweite Hypothese zu überprüfen, schließen wir das BIP-Wachstum im Vergleich zum Vorjahresquartal für jedes Land ein. 31 Alle Länder des Panels erfuhren seit ungefähr Mitte 2008 eine Abschwächung ihrer Wirtschaftsleistung. Diese kann als Auswirkung der Finanzkrise interpretiert werden. Die daraus resultierenden fiskalischen Belastungen sollten gemäß Hypothese 2 die CDSSpreads der Länder erhöhen. Bei Gültigkeit von Hypothese 2 würde man also einen negativen Koeffizienten des Wirtschaftswachstums erwarten. Eine wichtige Kontrollvariable ist die Schuldenquote eines Landes. Eine hohe Schuldenquote sollte die Wahrscheinlichkeit einer Schuldenrückzahlung verringern und so den CDS-Spread erhöhen. Die Schuldenquote setzt die Schulden eines Landes ins Verhältnis zu dessen Wirtschaftsleistung, dem BIP. In den Schätzungen werden die vierteljährlichen Staatsschuldenquoten von Eurostat verwendet, die als Nominalwert der Bruttoschuld des Staates am Ende jedes Quartals im Verhältnis zum BIP berechnet werden. Als weitere Kontrollvariable schließen wir zudem noch das Länderrating ein, das die langfristige Schuldentragfähigkeit des Landes misst. Unerwartete Ratingänderungen sollten einen Effekt auf den CDS-Spread eines Landes haben, da hierdurch neue Informationen an den Markt gelangen, die eine Reaktion des CDS-Spreads nach sich ziehen sollten. Für das Rating des Staates wird auf das LongTerm Issuer Rating der Ratingagentur Moody’s zurückgegriffen. Dieses beschreibt die langfristige Bonität eines Landes, gemessen an dessen Fähigkeit, langfristige finanzielle Obligationen und Verträge (senior unsecured) zu bedienen. Das Long-Term Issuer Rating spiegelt sowohl die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls, als auch den möglichen finanziellen Verlust im Falle eines Ausfalls wider. Das Rating gibt somit einen Anhaltspunkt für das Ausfallrisiko der emittierten Staatsanleihen. 32 Die meisten erklärenden Variablen liegen in einer relativ geringen Frequenz vor. Die Schuldenquote und das BIP-Wachstum liegen quartalsweise vor, der Bailoutdummy ändert sich nur einmal und die Bailoutratio ändert sich nur, wenn zusätzliche Rettungssummen bei der Europäischen Kommission angemeldet wurden. Aus diesem Grund haben wir uns für eine Schätzung in monatlicher Frequenz entschieden. Hierzu berechnen wir für jedes Land den Monatsmittelwert der täglichen CDS-Spreads. Für den Bailoutdummy, die Bailoutratio und das Rating verwenden wir den Modus des Monats. Der Modus ist etwas „vorausschauender“ als der Mittelwert, so dass wir mit dieser Berechnung eventuelle Antizipationseffekte messen können. Augmented Dickey-Fuller-Tests zeigen, dass die Monatsmittelwerte der CDS-Spreads der Länder alle nicht-stationär sind. Um dennoch konsistente Schätzer zu erhalten, schätzen wir die Gleichung in ersten Differenzen. Die Interpretation der Koeffizienten ändert sich hierdurch nicht. Die differenzierten Monatswerte sind auf dem Ein-Prozent31 Zur Berechnung der Wachstumsrate verwenden wir das reale BIP mit Preisbereinigung nach dem Chain-linkVerfahren, wie es im Statistical Data Warehouse der Europäischen Zentralbank zu finden ist. Dieses bietet gegenüber den beiden verbreiteteren Konzepten, dem nominalen bzw. realen BIP mit festem Basisjahr, den Vorteil, dass die Schätzung immer auf Basis des aktuellsten Warenkorbs durchgeführt wird. Dies führt zu einer deutlich präziseren Schätzung des realen Werts des Bruttoinlandsproduktes. Vergleiche http://www.stat.ee/dokumendid/29861. 32 Um das Rating als Regressor in die Schätzungen einfügen zu können, wurde eine numerische Entsprechung der von Moody’s herausgegebenen Noten definiert. Das beste Rating „Aaa“ entspricht dem Wert 1, das schlechteste Rating „C“ entspricht dem Wert 21. Eine Erhöhung der Variable Länderrating entspricht also einer Ratingverschlechterung. Für die genaue Umrechnung siehe Anhang 1. Seite 24 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Niveau stationär, wie Augmented Dickey-Fuller-Tests zeigen. Um für Heteroskedastie der Fehlerterme zu kontrollieren, verwenden wir robuste Standardfehler. Die sich ergebende Schätzgleichung wird mit Pooled OLS geschätzt. Aufgrund der Differenzenbildung kontrolliert die Schätzung implizit für individuelle (fixe) Effekte im Niveau der CDS-Spreads. Fixe Effekte in den ersten Differenzen sind nicht zu erwarten und werden daher nicht eingeschlossen. Wir schätzen drei verschiedene Spezifikationen. In der ersten Spezifikation wird nur der Bailoutdummy zur Erfassung des Einflusses der Ankündigung einer Rettungsmaßnahme eingefügt. In Spezifikation 2 wird zusätzlich die Bailoutratio eingeschlossen. Spezifikation 3 trägt einer Besonderheit in den Daten Rechnung. Irland hat das mit Abstand größte Verhältnis von Bailoutvolumen zum BIP. Um zu untersuchen, ob die Ergebnisse allein von Irland getrieben werden, wird hier die Variable Bailoutratio getrennt in einen Teil, der nur die Werte für Irland beinhaltet, und einen Teil, der die Werte der anderen Länder misst. 4.1.2 Regressionsergebnisse von Schätzung 1 Die Schätzergebnisse der drei Spezifikationen sind in Tabelle 1 angegeben. In Spezifikation 1 zeigt sich ein positiver und hochsignifikanter Einfluss des Bailoutdummys auf die CDS-Spreads der Länder. Die erstmalige Ankündigung von finanzieller Unterstützung für den inländischen Finanzsektor durch den Staat führt demnach ceteris paribus zu einer höheren Risikoeinschätzung des jeweiligen Staates am Markt. Der resultierende Anstieg der CDS-Spreads der Länder beträgt 17 Basispunkte. Dieses Ergebnis bestätigt die in Kapitel 3 aufgestellte Hypothese 1, dass sich staatliche Rettungsmaßnahmen gegenüber Finanzinstituten auf die Ausfallwahrscheinlichkeit und somit auf das vom Markt eingeschätzte Risiko des Staates auswirken. Hierdurch wird auch die Erwartung von Folgezahlungen miterfasst, da der Staat nun auch anderen Banken die Unterstützung nicht ohne weiteres verweigern kann. Die Ergebnisse unterstützen auch die zweite in Kapitel 3 aufgestellte Hypothese. Die Ergebnisse zeigen einen negativen und hochsignifikanten Einfluss des Wirtschaftswachstums auf die CDSSpreads der Länder. Ein Anstieg des Wirtschaftswachstums um einen Prozentpunkt führt ceteris paribus zu einer Verminderung der CDS-Spreads des Landes um etwa 3 Basispunkte. Es wird also bestätigt, dass das Ansteigen der CDS-Spreads der Länder während der Finanzkrise nicht nur durch die finanziellen Hilfen für den Finanzsektor, sondern auch durch die sinkende Wirtschaftsleistung getrieben wurde. Die Schuldenquote hat gemäß unseren Ergebnissen keinen Einfluss auf die CDS-Spreads der Länder. Dieses Ergebnis widerspricht unseren Erwartungen. Der Grund für die Insignifikanz dieser Variable könnte darin begründet sein, dass die Schuldenquote quartalsmäßig angegeben ist und sich demnach nur alle drei Monate ändert. Somit zeigt diese Variable zu wenig Variation, um einen signifikanten Einfluss zu besitzen. Darüber hinaus würden wir vor dem Hintergrund der vorangegangenen deskriptiven Analyse erst während der Schuldenkrise Ende 2009 bis 2010 einen Zusammenhang zwischen der Schuldenquote und den CDS-Spreads der Länder erwarten. Der Schätzzeitraum beginnt jedoch bereits im Juli 2007. Eine modifizierte Schätzung dieser Spezifikation, bei der der Seite 25 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Schätzzeitraum auf den Zeitraum der Schuldenkrise eingegrenzt wurde, unterstützt diese Argumentation, da die Schuldenquote hier einen zumindest schwach signifikanten Einfluss aufweist.33 Weiterhin belegen die Ergebnisse, dass eine Ratingabstufung des Staates wie erwartet einen deutlichen Effekt auf den CDS-Spread des Staates hat. Einer Abstufung um eine Stufe folgt demnach im Mittel ceteris paribus ein Anstieg der CDS-Spreads um 38 Basispunkte. Die Variation dieser Variable und folglich das Ergebnis werden vermutlich durch die Ratingabstufungen Griechenlands getrieben, da die meisten anderen Staaten im Schätzzeitraum nicht abgestuft wurden. Tabelle 1 – Ergebnisse Schätzung 1 Abhängige Variable: CDS-Spread Land Spezifikationen: (1) (2) Bailoutdummy 16,915*** (4,896) 14,554*** (5,007) Bailoutratio (3) 10,107* (5,543) 0,074** (0,029) 0,336*** Bailoutratio exklusive Irland (0.110) Bailoutratio Irland 0,053*** (0,019) -3,239*** (0,734) -3,118*** (0,749) -3,212*** -0,949 (0,659) -0,973 (0,660) -0,912 37,976*** (8,560) 37,939*** (8,547) 37,828*** 4,292*** ( 0,967) 4,234*** (0,967) 4,115*** Anzahl der Beobachtungen 504 504 504 Korrigiertes R² 0,146 0,146 0,147 BIP-Wachstum Schuldenquote Länderrating Konstante (0,756) (0,665) (8,426) (0,961) Schätzzeitraum Juni 2007 bis Juni 2010, mit Monatsdaten. *** (**, *) stehen für ein Signifikanzniveau von 1% (5%, 10%). In Klammern sind die robusten Standardfehler angegeben. Die Schätzung erfolgt in ersten Differenzen. Der Bailoutdummy steigt in dem Monat auf 1, in dem die jeweilige Regierung beschlossen hat, den inländischen Finanzsektor mit einem Rettungspaket zu unterstützen. Die Bailoutratio setzt die gesamte Unterstützung eines Staates an den inländischen Finanzsektor ins Verhältnis zum BIP. In die Schätzung sind folgende Länder eingeschlossen: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Slowakei, Slowenien, Spanien, Zypern. 33 Diese Regressionsergebnisse werden in der Tabelle nicht gezeigt. Seite 26 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Die zweite Spezifikation kontrolliert neben dem Bailoutdummy auch für die Größe der Rettungspakete. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bailoutratio einen positiven und signifikanten Einfluss auf die CDS-Spreads der Länder aufweist. Somit steigt die Risikoeinschätzung eines Staates mit steigender Höhe der finanziellen Unterstützung an den Finanzsektor an. Ein Staat, der eine hohe Summe an Finanzhilfen bereitgestellt hat, wird also risikoreicher eingeschätzt als ein Staat mit einer geringeren Bereitstellung an Hilfen. Eine nachträgliche Aufstockung der bereitgestellten Summen, die es in einem Großteil der eingeschlossenen Länder gegeben hat, hat somit ebenfalls einen Einfluss auf die CDS-Spreads des Staates. Zu beachten ist, dass der Bailoutdummy weiter signifikant bleibt. Die Effekte zwischen dem Bailoutdummy und dem Volumen sind also voneinander zu trennen. Der Bailoutdummy misst die grundsätzliche Bereitschaft zur finanziellen Unterstützung des Finanzsektors und die Bailoutratio die konkrete finanzielle Belastung des Staates durch die Hilfe an den Finanzsektor. Die Einflüsse der weiteren eingeschlossenen Variablen, also der Schuldenquote, des Wirtschaftswachstums und des Ratings, ändern sich im Vergleich zur ersten Spezifikation nicht. In einer dritten Spezifikation untersuchen wir, ob der Einfluss der Bailoutratio nur durch die extrem hohen Summen in Irland getrieben wird. Dies können wir verwerfen. Das Volumen der Rettungspakete an den Finanzsektor hat sowohl in Irland als auch in den anderen europäischen Staaten einen hochsignifikanten Einfluss auf die CDS-Spreads der Staaten. Der Effekt des Volumens in den anderen europäischen Ländern übersteigt sogar den Effekt des Volumens in Irland signifikant, wie ein Test auf Gleichheit der Koeffizienten auf dem Ein-Prozent-Niveau bestätigt. Es lässt sich also ein genereller Effekt des Volumens der Rettungsmaßnahmen auf die Höhe der CDS-Spreads der Länder zeigen. Die Ergebnisse bezüglich der weiteren eingeschlossenen Variablen ändern sich gegenüber den vorherigen Spezifikationen auch hier nicht. Zusammenfassend zeigt diese Schätzung also, dass die finanzielle Unterstützung für den Finanzsektor durch die Staaten zu einer erhöhten Risikoeinschätzung der Staaten geführt hat. Neben der grundsätzlichen Bereitschaft, den Finanzsektor zu unterstützen, hatte hierbei auch die Höhe der Rettungspakete, relativ zum BIP des jeweiligen Landes, einen Einfluss. Diese Ergebnisse unterstützen die in Kapitel 3 aufgestellte Hypothese 1, dass das Bankenrisiko während der Finanzkrise auf die Staaten überging. Darüber hinaus konnten wir einen deutlichen Einfluss der wirtschaftlichen Entwicklung auf die CDS-Spreads der Staaten belegen und somit die zweite Hypothese des dritten Kapitels ebenfalls bestätigen. 4.2 Schätzung 2: Der Einfluss von Schuldenkrisen auf Bankenkrisen In der zweiten Schätzung untersuchen wir nun den Einfluss des Ausfallrisikos des Staates auf die Einschätzung des Ausfallsrisikos der europäischen Banken. Wir betrachten wiederum zunächst das empirische Modell und die Daten, bevor wir die Regressionsergebnisse beschreiben und interpretieren. 4.2.1 Empirisches Modell In der ersten Schätzung haben wir gezeigt, dass die Bankenkrise zu einer Erhöhung des Ausfallrisikos der Länder geführt hat. Die zweite Schätzung untersucht nun, ob es einen Rückkopplungseffekt von der erhöhten Risikoeinschätzung der Staaten auf die Banken gegeben hat. In diesem Fall verwenden Seite 27 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 wir einen Paneldatensatz von CDS-Spreads europäischer Banken und untersuchen, ob diese Spreads vom Risiko der Länder abhängen. Den Schätzungen liegen wiederum CDS-Kontrakte in Euro mit einer Laufzeit von fünf Jahren zugrunde (Kreditereignis „modified modified restructuring“), deren Spreads wie zuvor der Markit-Datenbank entstammen. Die deskriptiven Statistiken zur Schätzung finden sich in Anhang 5. Wir verwenden das folgende Regressionsmodell: Zur Überprüfung von Hypothese 3 orientieren wir uns an der Arbeit von Acharya et al. (2010). Diese benutzen die im Rahmen des CEBS-Stresstests veröffentlichten Forderungen von 91 europäischen Banken gegenüber 28 europäischen Staaten, um die Bankrisiken aus Forderungen gegenüber Staaten zu erfassen. Die Forderungen jeder Bank gegenüber einem Land (unter Auslassung des Heimatlandes) werden dabei mit dem CDS-Spread des jeweiligen Landes multipliziert, und die Ergebnisse werden für jede Bank und jeden Zeitpunkt aufaddiert. So entsteht ein Maß für das Ausfallrisiko aus dem Halten ausländischer Staatsanleihen (im Folgenden „Exposure“). Acharya et al. (2010) regressieren den logarithmierten CDS-Spread der jeweiligen Bank auf das logarithmierte Exposure und finden einen positiven und signifikanten Zusammenhang zwischen den CDS-Spreads der Bank und dem Risiko aus ihren Forderungen gegenüber europäischen Staaten. Acharya et al. (2010) schließen das Exposure gegenüber dem Heimatland nicht ein, obwohl sie selbst anmerken, dass dieses betragsmäßig besonders bedeutend ist. Als Grund für den Ausschluss des Exposures gegenüber dem Heimatland nennen sie das Endogenitätsproblem, das darin besteht, dass die Spreads der Banken (die abhängige Variable) selbst einen Einfluss auf das eigene Länderrisiko (mit dem das Exposure gegenüber dem Heimatland gewichtet werden müsste) besitzt. Ein Auslassen dieser zentralen Variable stellt unseres Erachtens allerdings keine zufriedenstellende Lösung des Endogenitätsproblems dar.34 Daher generieren wir aufbauend auf Acharya et al. (2010) zwei Exposurevariablen. Die erste erfasst die Forderungen gegenüber dem Heimatland der Bank (Exposure Inland) und die zweite (analog zu Acharya et al.) die Forderungen gegenüber den restlichen Ländern (Exposure Ausland): Die Daten über die Forderungen stammen aus den Bankenstresstests des Committee of European Banking Supervisors (CEBS). Hier waren 91 Banken aus 20 europäischen Ländern angehalten, ihr Kredit- und Anleihenexposure gegenüber 28 europäischen Staaten zu benennen. Die Angaben 34 Weiter unten präsentieren wir eine Instrumentvariablenschätzung, die versucht, das Endogenitätsproblem zu beheben. Seite 28 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 beziehen sich auf den Stichtag 31. März 2010. Das Tier-1-Kapital ist das Kernkapital einer Bank. Es wird hier genutzt, um die Risikotragfähigkeit einer Bank zu messen. Wir verwenden das am 31.12.2009 von den Banken gehaltene Kernkapital, das ebenfalls im Rahmen der Ergebnisse des Bankenstresstests des CEBS veröffentlicht wurde. Die beiden Exposure-Variablen sollen den Effekt der erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit von Staatsverbindlichkeiten auf die Risikoeinschätzung von Banken messen. Ein positiver Zusammenhang wäre in Kombination mit den Ergebnisse der ersten Schätzung ein Hinweis auf einen Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen, da in diesem Fall das von den Staaten durch Rettungsmaßnahmen übernommene Risiko letztendlich durch die gesunkene Solvenz der Staaten auf die Bankbilanzen zurückfällt und die Banken zu Abschreibungen zwingt. Von den 91 in den Stresstests partizipierenden Banken finden sich für 51 Banken CDS-Spreads. Aufgrund der unvollständigen Verfügbarkeit anderer Kontrollvariablen besteht das in den Schätzungen verwendete Panel aus 38 Banken, die in zehn verschiedenen EWU-Ländern beheimatet sind. Der Zeitraum der Untersuchung umfasst den Zeitraum 30. Oktober 2009 bis 19. August 2010. Da die Bankforderungen gegenüber Staaten nur für einen einzigen Zeitpunkt bekannt sind, sollte der Schätzzeitraum nicht zu groß gewählt werden. Über den hier betrachteten Zeitraum (fünf Monate vor und nach dem Stichtag) scheint die Annahme vertretbar, dass die Forderungen gegenüber Staaten näherungsweise konstant geblieben sind. 35 Durch die Normierung der CDS-gewichteten Forderungen mit dem Kernkapital der Bank wird den unterschiedlichen Bilanzstrukturen der Banken Rechnung getragen. Je höher das Kernkapital der Bank, desto größer ist die Risikoabsorptionsfähigkeit einer Bank. Gemäß Hypothese 3 sollten beide Exposure-Variablen einen positiven und signifikanten Einfluss auf die CDS-Spreads der Banken haben. Da die beiden Exposure-Variablen aufgrund des Einflusses der Länder-CDS-Spreads eine tägliche Variation aufweisen, können wir hier – anders als in Schätzung 1 – tägliche Daten verwenden. Verwerfungen am CDS-Markt für Staaten sollten sich schnell in den CDS-Spreads der Banken niederschlagen. Da sich das Risiko des Exposures der Banken täglich ändert, ist es also sinnvoll, die täglichen Reaktionen der Bank-CDS-Spreads zu betrachten. Im Gegensatz zu Acharya et al. (2010) schließen wir weitere Kontrollvariablen ein. Auf Staatenebene sind dies das BIP-Wachstum des Quartals im Vergleich zum Vorjahresquartal und die Schuldenquote des Landes im jeweiligen Quartal. Diese sollen für die fiskalische und ökonomische Situation im Land kontrollieren. Sie erfassen damit auch Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit der Zusage von zusätzlichen Staatshilfen für Banken, da sie die Schuldentragfähigkeit eines Landes bestimmen. Ein höheres Wirtschaftswachstum führt zu höheren Steuereinnahmen, und ein niedrigerer Schuldenstand lässt mehr Spielraum beim zusätzlichen Aufnehmen von Schulden. Beides induziert eine höhere Solvenz des Staates. Gemäß Hypothese 4 sollte daher das BIP-Wachstum einen negativen und die Schuldenquote einen positiven Einfluss auf die CDS-Spreads der Banken besitzen. Gleichzeitig könnte eine Schuldenkrise (oder die Erwartung einer Schuldenkrise) die Konjunktur schwächen und so auch das Bankensystem belasten. Dies ist die Vorhersage von Hypothese 5. Auch hier würden wir einen 35 Streng genommen reicht es, wenn es über Banken hinweg und – bei den ausländischen Forderungen – über Länder hinweg zu keinen erheblichen relativen Veränderungen gekommen ist. Seite 29 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 negativen Effekt des BIP-Wachstums und einen positiven Effekt des Schuldenstands erwarten. Empirisch lassen sich Hypothese 4 und 5 nur schwer trennen. Eine weitere Kontrollvariable auf Bankebene ist das Rating der Bank. Wie in der ersten Schätzung soll mit Hilfe des Ratings für den Effekt unvorhergesehener Ratingänderungen, die zur Umschichtung von Investitionen in Banken führen können, kontrolliert werden. Den Bankenratings liegt das sogenannte Bank Financial Strength Rating der Ratingagentur Moody’s zugrunde. Dieses Rating bewertet die intrinsische Stabilität einer Bank, ungeachtet eventueller externer Unterstützungsmaßnahmen (z. B. einer Rettung durch den Staat). Bailouts sollen in unserer Schätzung über die anderen erklärenden Variablen erfasst werden. Das Rating wird auf Basis bankspezifischer Faktoren festgelegt, jedoch finden auch die generelle Struktur und Leistungsfähigkeit des Finanzsystems und der Wirtschaft Beachtung.36 Da im Unterschied zur ersten Regression nun Tagesdaten verwendet werden, schließen wir zusätzlich den absoluten Bid-Ask-Spread der CDS-Kontrakte ein, um für die Liquidität im CDS-Markt zu kontrollieren. Der Bid-Ask-Spread der CDS ist der Unterschied zwischen dem besten Verkaufsgebot (Best Ask) und dem besten Kaufgebot (Best Bid). Da der Preis eines CDS durch die jährlich gezahlten Prämien, angegeben in Basispunkten des zu versichernden Betrags, definiert ist, wird der absolute Bid-Ask-Spread demnach ebenso in Basispunkten ausgedrückt. Je größer der Spread, desto illiquider ist der Markt für das gehandelte Papier. Dies beruht auf der Argumentation, dass ein Käufer in einem Markt, in dem Handel und Preise nicht oft zustande kommen, (der also illiquide ist) schon beim Kauf des CDS höhere Verkaufskosten antizipiert und dies einpreist. Die Zeitreihen für Best Bid und Best Ask stammen aus der Datenbank Datastream. 37 Eine weitere erklärende Variable ist die Bilanzsumme, die logarithmiert in die Schätzung eingeht. Sie soll für Größeneffekte bei der Risikoeinschätzung von Banken kontrollieren. Außerdem lassen sich über die Variable auch „Too–big-to-fail“-Effekte erfassen. Die verwendeten Bilanzsummen sind die in der Datenbank Bankscope für den 31.12.2009 angegebenen „Total Assets“. Die letzte Kontrollvariable ist eine Dummy-Variable für die Rettung Griechenlands durch EU und IWF am 12. April 201038 (zu diesem Zeitpunkt springt die Variable auf den Wert eins). Diese geht für Griechenland und die restlichen Länder getrennt ein, um die Effekte auf griechische Banken und auf die restlichen Banken zu unterscheiden, da für beide Gruppen unterschiedlich Effekte vorhanden sein sollten. Während das Rettungspaket bei griechischen Banken negative Effekte haben könnte (aufgrund der Konditionalität der Rettungspakete und aufgrund des Signaleffekts bezüglich der Schwere der Krise), sollten die restlichen Banken von einer Absicherung ihrer Forderungen und einer gestiegenen Wahrscheinlichkeit weiterer Bailouts profitieren. 36 Um das Rating als Regressor in die Schätzungen einfügen zu können, wurde wiederum eine numerische Entsprechung der von Moody’s herausgegebenen Noten definiert. Das beste Rating „A“ entspricht hier dem Wert 1, das schlechteste Rating „E“ entspricht dem Wert 13. Man beachte, dass Moody’s Skala bei diesen Ratings von der bei den Länderratings abweicht (siehe Anhang 1). 37 Gemäß einer Arbeit von Martins, Pereira und Pires (2010) sind in CDS-Schätzungen die absoluten Bid-AskSpreads den relativen Spreads vorzuziehen. 38 Dies ist der erste Börsentag nach der Ankündigung der Eurogruppe am 11. April 2010, Hilfen für Griechenland bereitzustellen. Seite 30 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Da sämtliche CDS-Spreads der Banken nicht-stationär sind, ist eine konsistente Schätzung der oben genannten Gleichung in Niveaus nicht möglich. Um dieses Problem zu lösen, wird auch diese Gleichung in ersten Differenzen geschätzt. Die Differenzen sämtlicher Banken-Spreads sind auf dem Ein-Prozent-Niveau stationär. Fixe Effekte in der Niveaugleichung entfallen durch die Differenzenbildung. Fixe Effekte in ersten Differenzen sind nicht zu erwarten. Daher schätzen wir die oben gegebene, einfach differenzierte Schätzgleichung zunächst mit Pooled OLS. Dabei verwenden wir robuste Standardfehler.39 Die beschriebene Basisspezifikation (Spezifikation 1) wird im nächsten Schritt um quadratische Terme für die Exposure-Variablen erweitert, um nicht-lineare Effekte des Exposures zuzulassen. Um einen Vergleich der Ergebnisse mit der Arbeit von Acharya et al. (2010) zu ermöglichen, verwenden wir in Spezifikation 3 logarithmierte Bank-CDS-Spreads und Exposure-Variablen. 4.2.2 Regressionsergebnisse von Schätzung 2 (Pooled OLS) Tabelle 2 zeigt die Schätzergebnisse der drei Spezifikationen. Die erste Spezifikation zeigt einen positiven und hochsignifikanten Einfluss des Exposures gegenüber dem inländischen Staat (gewichtet mit dem CDS-Spread des Staates und berechnet als Anteil am Kernkapital der Bank). Wir können demnach bestätigen, dass die CDS-Spreads von Banken über die von der Bank gehaltenen Staatsanleihen vom Risiko ihres jeweiligen Heimatlandes abhängen. Der Effekt ist umso größer, je mehr die jeweilige Bank in Staatsanleihen investiert hat.40 Die Schuldenkrise der europäischen Staaten hatte folglich Einfluss auf die inländischen Banken, so dass von einem Rückkopplungseffekt von den Staaten auf die inländischen Banken über Bilanzeffekte gesprochen werden kann. Hypothese 3 kann also bestätigt werden. Unterstützt wird dieses Ergebnis auch durch die Resultate der zweiten Spezifikation, in der ein quadratischer Einfluss der Exposure-Variable zugelassen wird. Der quadratische Term der Variable ist negativ und (ebenso wie der lineare Term) hochsignifikant. Bei einem hohen Ausgangsniveau des Exposures hat ein weiterer Anstieg einen geringeren Einfluss auf das Risiko der Bank als bei einem niedrigen Ausgangsniveau. Der marginale Effekt bleibt jedoch stets positiv.41 Das inländische Exposure einer Bank hat also einen signifikant positiven, aber abnehmenden Effekt auf die CDS-Spreads der Banken. Auch das Exposure gegenüber dem Ausland hat einen hochsignifikanten Einfluss. Banken werden als risikoreicher eingestuft, wenn sich das Ausfallrisiko der von ihnen gehaltenen Staatsanleihen ausländischer Staaten erhöht.42 Auffällig ist, dass der Effekt des Exposures gegenüber dem Ausland den Effekt des Exposures gegenüber dem Inland deutlich übersteigt, wie Tests auf Gleichheit der beiden Koeffizienten auf dem Ein-Prozent-Niveau bestätigen. Dieses Ergebnis könnte davon beeinflusst sein, dass Griechenland, Irland, Portugal und Spanien im Gegensatz zu den anderen 39 Auf Länderebene geclusterte Standardfehler sind nicht zu empfehlen, da die Anzahl der Cluster auf Länderebene lediglich 10 beträgt. Laut Cameron, Gelbach und Miller (2006) sind geclusterte Standardfehler für weniger als 50 Cluster verzerrt. 40 Es ist zu beachten, dass die Höhe der gehaltenen Staatsanleihen einer Bank über den Schätzungszeitraum nicht variiert, sondern nur über Banken hinweg. 41 Dies kann man zeigen, indem man den marginalen Effekt für die höchste Ausprägung von Exposure Inland in unserer Stichprobe berechnet. 42 Dies entspricht dem Ergebnis von Acharya et al. (2010). Seite 31 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 europäischen Staaten extrem risikoreich eingeschätzt wurden und die größten Bewegungen in ihren CDS-Spreads aufweisen. Diese starke Variation der CDS-Spreads ist maßgeblich für die Variation der Exposure-Variablen verantwortlich und ist für den Großteil der in der Schätzung eingeschlossenen Banken in der ausländischen Exposure-Variable enthalten. Hingegen ist die Anzahl der Banken aus diesen vier Ländern im Datensatz relativ gering, so dass der Effekt des inländischen Exposures durch weniger stark von der Schuldenkrise betroffene Länder dominiert wird. Die Resultate für das ausländische Exposure in der zweiten Spezifikation ähneln denen für das inländische Exposure. Auch hier findet sich ein konkaver Zusammenhang zwischen dem Exposure und den Bank-CDS-Spreads. Bei einem hohen Ausgangsniveau des ausländischen Exposures wirkt sich ein weiterer Anstieg des Risikos des ausländischen Staates weniger stark auf das Risiko der Bank aus als bei einem niedrigen Ausgangsniveau. Der Effekt bleibt dabei auch hier stets positiv. Der marginale Effekt des Auslandsexposures ist fast überall größer als der des inländischen Exposures. Nur bei sehr hohen Ausgangsniveaus kann die Differenz der Effekte negativ werden. Zusammenfassend hat demnach auch das Exposure gegenüber dem Ausland einen positiven und hochsignifikanten, aber abnehmenden Einfluss auf die CDS-Spreads von Banken. Wir sehen hier also einen Spillover-Effekt des Ausfallrisikos von Staaten auf Banken anderer Länder, sofern diese Banken ausländische Staatsanleihen halten. Dieser Aspekt ist aus wirtschaftspolitischer Sicht sehr bedeutsam. Auch diese Ergebnisse sind konsistent mit Hypothese 3. Die Ergebnisse aller drei Spezifikationen zeigen außerdem, dass das Wirtschaftswachstum eines Landes einen negativen, hochsignifikanten Einfluss auf die CDS-Spreads der Banken aufweist. Wachstum wirkt sich positiv auf die Ertragsmöglichkeiten der Banken und negativ auf die Zahl der Insolvenzen aus, was zu einem geringeren Abschreibungsbedarf bei den Banken führt. Zudem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von finanzieller Unterstützung der Bank durch den Staat bei steigender Wirtschaftsleistung und Solvenz des Staates. Die Schätzung belegt somit einen Effekt des makroökonomischen Umfelds der Banken auf deren Risikoeinschätzung. Die Schätzung ist also konsistent mit Hypothese 4 und 5. Allerdings ist dieses Ergebnis zu unspezifisch, um den genauen Wirkungskanal identifizieren zu können. Im Gegensatz zum Wirtschaftswachstum ist der Koeffizient der Schuldenquote des Landes nicht signifikant von Null verschieden. Hier hatten wir einen signifikant positiven Einfluss auf die CDSSpreads der inländischen Banken erwartet. Hypothese 4 und 5 können in diesem Punkt also nicht bestätigt werden. Das Problem der geringen Frequenz der Schuldenquote fällt hier naturgemäß noch stärker ins Gewicht als in der Schätzung auf Basis von Monatsdaten. Für die vierteljährlich erhobene Schuldenquote liegen im Schätzzeitraum gerade einmal drei Beobachtungen vor, die zudem kaum variieren. Lediglich in Spezifikation 3 findet sich ein zumindest schwach signifikanter, positiver Effekt der Schuldenquote. Dennoch bleibt insgesamt festzuhalten, dass sich auf Basis dieser Schätzung nur gemischte Evidenz für Hypothese 4 und 5 finden lassen. Seite 32 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Tabelle 2 – Ergebnisse Schätzung 2 (Pooled OLS) Abhängige Variable: logarithmierter CDS-Spread Bank CDS-Spread Bank Spezifikationen: (1) Exposure Inland 0,211*** (0,019) (2) (3) 0,31*** (0,04) -0,00005*** (Exposure Inland)² (0,00002) ln(Exposure Inland) Exposure Ausland 0,164*** (0,021) 0,369*** (0,04) (Exposure Ausland)² 1,077*** (0,121) -0,001*** (0,0002) ln(Exposure Ausland) 0,377*** (0,026) BIP-Wachstum -0,478*** (0,225) -0,533** (0,225) -0,003*** (0,001) Schuldenquote 0,100 (0,191) 0,144 (0,189) 0,001* (0,0004) Bank Financial Strength Rating -0,489 (1,776) -0,406 (1,859) 0,006 (0,004) Bid-Ask-Spreads der BankCDS 0,233*** (0,075) 0,197*** (0,072) 0,001*** (0,0002) ln(Bilanzsumme) -0,313*** (0,111) -0,319*** (0,107) -0,001** (0,0004) Dummy Griechenlandrettung griechische Banken 13,464 16,882 0,023 (13,332) (13,355) (0,033) Dummy Griechenlandrettung ausländische Banken -1,878*** (0,509) -0,515 (0,628) -0,007** (0,003) Konstante 4,185*** (1,466) 4,118*** (1,415) 0,010** (0,005) Anzahl der Beobachtungen 7555 7555 7555 Korrigiertes R² 0,262 0,315 0,389 Schätzzeitraum 30. Oktober 2009 bis 19. August 2010, mit Tagesdaten. *** (**, *) stehen für ein Signifikanzniveau von 1% (5%, 10%). In Klammern sind die robusten Standardfehler der Koeffizienten angegeben. Alle Variablen außer der logarithmierte Bilanzsumme wurden in ersten Differenzen in die Schätzung eingeschlossen. Die Variable "Exposure Inland" ergibt sich durch die Multiplikation des CDS-Spreads des Heimatlandes mit den Forderungen der jeweiligen Bank gegenüber seinem Heimatland geteilt durch das Tier-1-Kapital der Bank. Zur Generierung der Variable "Exposure Ausland" wurde zuerst die Forderung der jeweiligen Bank gegenüber einem ausländischen Land mit dem CDS-Spread dieses ausländischen Landes multipliziert und anschließend all diese Werte für eine Bank aufaddiert und durch das Tier-1-Kapital der Bank geteilt. Der Dummy "Griechenlandrettung griechische Banken" und der "Dummy Griechenlandrettung ausländische Banken" nimmt am 12. April 2010 den Wert 1 für die jeweilige Bankengruppe an. Folgende Länder wurden in die Regression eingeschlossen: Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien. Seite 33 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Das Bank Financial Strength Rating der Bank zeigt in keiner der drei Spezifikationen einen signifikanten Einfluss, obwohl man einen positiven Effekt vermutet hätte. Für das Rating ergibt sich jedoch das gleiche Problem wie bei der Schuldenquote des Staates. Das Rating der Banken verändert sich während des Schätzzeitraums nur bei wenigen Banken. Der Grund der Insignifikanz könnte somit in einer zu geringen Variation des Regressors liegen. Der Bid-Ask-Spread der Bank-CDS zeigt in allen Spezifikationen – wie erwartet – einen positiven, hochsignifikanten Einfluss auf die CDS-Spreads der Banken. Der Koeffizient der logarithmierten Bilanzsumme ist stets negativ und hochsignifikant. Größere Banken werden bei sonst gleichen Bedingungen risikoärmer eingeschätzt als kleine Banken. Dies könnte als Beleg für die „Too-big-tofail“-These genommen werden, die besagt, dass die Wahrscheinlichkeit für staatliche Rettungsmaßnahmen bei größeren Banken höher ist, da sie als systemrelevant eingestuft werden. Schließlich betrachten wir noch die Auswirkung der Rettung Griechenlands auf griechische und andere europäische Banken. Die Entscheidung für eine Rettung des griechischen Staates durch die anderen Länder der Eurozone am 12. April 2010 zeigt in keiner Spezifikation einen signifikanten Einfluss auf die Risikoeinschätzung der griechischen Banken. Dies könnte das Ergebnis gegenläufiger Effekte sein. Die Rettung des Staates sollte auf der einen Seite eine risikoärmere Umgebung für die griechischen Banken schaffen. Andererseits wird es für Griechenland nach der Rettung schwieriger, inländische Banken zu unterstützen, da die strengen Auflagen des Rettungspaketes den griechischen Staat dazu verpflichten, Sparmaßnahmen durchzuführen. Weiterhin signalisiert die Rettung des griechischen Staates die Schwere der Krise in Griechenland. Möglicherweise haben sich diese gegenläufigen Effekte gerade neutralisiert. Die Rettung Griechenlands zeigt hingegen zumindest in der ersten und dritten Spezifikation einen negativen und signifikanten Einfluss auf die CDS-Spreads der anderen europäischen Banken. Laut Spezifikation 1 sanken die CDS-Spreads der nicht-griechischen Banken im Mittel um etwa 2 Basispunkte nach der Rettung Griechenlands. Die Unterstützung Griechenlands senkte das Ausfallrisiko des griechischen Staates. Dies reduzierte auch die Verunsicherung auf den internationalen Finanzmärkten, was sich (über den Exposure-Effekt hinaus) begünstigend auf die CDS-Spreads der ausländischen Banken auswirkte. Weiterhin erzeugte die Rettung Griechenlands die Erwartung, dass andere europäische Staaten ebenfalls Hilfen erhalten würden. Dieser Erwartungseffekt sollte das Risiko ausländischer Banken ebenfalls senken. Die angesprochenen Effekte übersteigen offensichtlich den Effekt, dass die anderen europäischen Länder durch die finanzielle Unterstützung des griechischen Staates finanzielle Verpflichtungen eingingen. In der zweiten Spezifikation wird der Koeffizient allerdings insignifikant. 4.2.3 Regressionsergebnisse von Schätzung 2 (Instrumentvariablenschätzung) Die zuvor präsentierten Ergebnisse könnten aufgrund des oben beschriebenen Endogenitätsproblems verzerrt sein, das sich durch den Einschluss der CDS-Spreads des Heimatlandes auf der rechten Seite der Schätzung ergeben könnte. Wie in Schätzung 1 in Kapitel 4.1 gezeigt wurde, hat die Situation der inländischen Banken einen Effekt auf die CDS-Spreads des entsprechenden Landes. Eine Veränderung der CDS-Spreads der Banken kann somit zu einer Veränderung der CDS-Spreads des Landes führen, und es ist von einer wechselseitigen Beziehung zwischen den CDS-Spreads eines Landes und denen Seite 34 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 der inländischen Banken auszugehen. Acharya et al. (2010) weisen ebenfalls auf diese simultane Kausalität der CDS-Spreads der Banken und der CDS-Spreads der Länder hin, finden jedoch keine zufriedenstellende Lösung. Ohne Berücksichtigung des Endogenitätsproblems könnten die Schätzer verzerrt und inkonsistent sein. Zur Lösung dieser Problematik verwenden wir im Folgenden eine Instrumentvariablenschätzung. Tabelle 3 – Ergebnisse Schätzung 2 (Instrumentvariablenschätzung) Abhängige Variable: CDS-Spread Bank Spezifikationen: (1) (2) (3) Exposure Inland 0,229*** (0,074) 0,215*** (0,073) 0,409*** (0,099) Exposure Ausland 0,357*** (0,060) 0,366*** (0,060) 0,239*** (0,071) BIP-Wachstum -0,487** (0,228) -0,480** (0,227) -0,570** (0,244) Schuldenquote 0,113 (0,200) 0,102 (0,198) 0,245 (0,231) Bank-financial-strength Rating 0,756 (2,110) -0,544 (2,060) -3,400 (3,046) Bid-Ask-Spreads der Bank-CDS 0,232*** (0,075) -0,303** 0,233*** (0,075) -0,310*** 0,224*** (0,079) -0,204 (0,119) (0,119) (0,133) Dummy Griechenlandrettung griechische Banken 15,021 (14,519) 13,785 (14,656) 30,42** (14,006) Dummy Griechenlandrettung ausländische Banken -1,900*** (0,510) -1,882*** (0,513) -2,114*** (0,494) Konstante 4,049*** (1,581) 4,157*** (1,573) 2,712 (1,782) Instrumentierte Variable Exposure Inland Exposure Inland Exposure Inland Instrumente Exposure Inland (BidAsk) Exposure Inland (BidAsk), Bid-Ask-Spread des Landes, nominales Exposure / Tier1 Bid-Ask Spread des Landes F-Wert des Tests auf Relevanz der Instrumente 22,48 (relevant) 14,23 (relevant) 33,5 (relevant) Anzahl der Beobachtungen 7555 7555 7555 ln (Bilanzsumme) *Schätzzeitraum 30. Oktober 2009 bis 19. August 2010, mit Tagesdaten. *** (**, *) stehen für ein Signifikanzniveau von 1% (5%, 10%). In Klammern sind die robusten Standardfehler angegeben. Alle Variablen (inklusive der Instrumentvariablen) außer der logarithmierten Bilanzsumme wurden in ersten Differenzen in die Schätzung eingeschlossen. Die Variable "Exposure Inland" ergibt sich durch die Multiplikation des CDS-Spread des Heimatlandes mit den Forderungen der jeweiligen Bank gegenüber ihrem Heimatland geteilt durch das Tier-1-Kapital der Bank. Zur Generierung der Variable "Exposure Ausland" wurde zuerst die Forderung der jeweilgen Bank gegenüber einem ausländischen Land und dem CDS-Spread dieses ausländischen Landes multipliziert und anschließend all diese Werte für eine Bank aufaddiert und durch das Tier1-.Kapital der Bank geteilt. Der Dummy "Griechenlandrettung griechische Banken" und der "Dummy Griechenlandrettung ausländische Banken" nimmt am 12. April 2010 den Wert 1 für die jeweilige Bankengruppe an. Die Variable "Exposure Inland (Bid-Ask)" beinhaltet den CDS-Spread des Heimatlandes multipliziert mit dem Bid-Ask-Spread des Heimatlandes und geteilt durch das Tier-1-Kapital der Bank. Ab einem F-Wert größer 10 gelten Instrumente bei einer Schätzung mit einer endogenen Variable als relevant (Staiger und Stock, 2007). Folgende Länder wurden in die Regression eingeschlossen: Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien. Seite 35 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Allen verwendeten Instrumentvariablen liegen die absoluten Bid-Ask-Spreads der CDS der Staaten zugrunde. Diese Bid-Ask-Spreads messen die Liquidität der CDS-Kontrakte und sollten daher mit den CDS-Spreads der Länder korreliert sein. 43 Die Korrelation der Länder-CDS-Spreads und der Bid-AskSpreads der Länder-CDS beträgt in unserem Datensatz 69 Prozent. Der Bid-Ask-Spread hängt unter anderem von dem gehandelten Volumen und der Volatilität ab. Es ist plausibel, dass kein Zusammenhang zwischen der Liquidität der Länder-CDS und dem Risiko der Banken dieses Landes besteht. Es gibt hierfür auch keine Anhaltspunkte in der Literatur. Da der CDS-Spread des Landes in einen Interaktionsterm (die inländische Exposurevariable) eingeht, verwenden wir in der ersten Spezifikation als Instrumentvariable einen Interaktionsterm, der das Exposure der Bank gegenüber dem Heimatland mit den Bid-Ask-Spreads der Staats-CDS (statt den CDS-Spreads selbst) gewichtet und durch das Kernkapital der Bank teilt. Die Korrelation zwischen dem risikogewichteten ExposureTerm, der CDS-Spreads verwendet, und dem Term, der die Bid-Ask-Spreads einschließt, beträgt 89 Prozent. Auch die Instrumentvariablen gehen in ersten Differenzen ein. Die Ergebnisse der Instrumentvariablenschätzung sind in Tabelle 3 angegeben. 44 Es zeigen sich nur geringe Abweichungen zu den vorherigen Schätzungen. Das risikogewichtete Exposure gegenüber dem Heimatland sowie gegenüber dem Ausland ist weiterhin positiv und hochsignifikant. Ein F-Test auf Gleichheit der beiden Koeffizienten zeigt jedoch, dass nicht verworfen werden kann, dass die Höhe der Einflüsse identisch ist. Das Ergebnis eines höheren Einflusses des ausländischen Exposures ist also nicht vollständig robust. Die Einflüsse der weiteren eingeschlossenen erklärenden Variablen – Wirtschaftswachstum, Schuldenquote, Bid-Ask-Spreads der Bank-CDS, Rating der Bank und logarithmierte Bilanzsumme – ändern sich im Vergleich zu den vorherigen Schätzungen nicht. Ein FTest auf Relevanz des Instruments gemäß Staiger und Stock (1997) in der ersten Stufe der Instrumentvariablenschätzung bestätigt die Relevanz (siehe letzte Zeile der Regressionstabelle). 45 Die zweite Spezifikation in Tabelle 3 beinhaltet die Ergebnisse einer weiteren Instrumentvariablenschätzung, in der drei Instrumente eingeschlossen wurden. Neben dem bereits in Spezifikation 1 verwendeten Instrument werden hier als weitere Instrumente das mit dem Kernkapital gewichtete Exposure gegenüber dem Heimatland und die absoluten Bid-Ask-Spreads der CDS des Heimatlandes eingeschlossen. Ein F-Test nach der ersten Stufe der Instrumentvariablenschätzung ergibt auch hier, dass alle Instrumente gemeinsam relevant sind. Die Schätzkoeffizienten dieser zweiten Spezifikation zeigen keine Veränderungen zur ersten Instrumentvariablenschätzung. Durch die Überidentifizierung in der zweiten Instrumentvariablenschätzung ist es hier möglich, die Exogenität der überschüssigen Instrumente zu testen. Ein J-Test nach Hansen ergibt allerdings, dass die Instrumente nicht exogen sind. Ein möglicher Grund für dieses Ergebnis ist die fehlende Exogenität des nominalen Exposures gegenüber dem Inland. Um dieses Problem zu umgehen, wird in einer dritten Spezifikation nur der Bid-Ask-Spread der Staats-CDS als Instrumentvariable benutzt. Ein Test der Relevanz dieses Instrumentes zeigt mit einem Wert von 33,5 ein bestätigendes Ergebnis. Die Exogenität dieses Instruments wurde oben bereits begründet. Diese Spezifikation liefert wiederum 43 Dies ist empirisch gut belegt (siehe z. B. Deutsche Bundesbank, 2010b). Der Schätzzeitraum geht wiederum vom 30. Oktober 2009 bis zum 19. August 2010. 45 Der F-Wert liegt weit oberhalb des kritischen Wertes von 10, der von Staiger und Stock angegeben wird. 44 Seite 36 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 keine abweichenden Ergebnisse im Vergleich zu den vorangegangenen Schätzungen. 46 Die zentralen Ergebnisse der Pooled-OLS-Schätzung werden also durch die Instrumentvariablenschätzung bestätigt. Es ergeben sich lediglich zwei kleine Veränderungen. Die Bilanzsumme scheint gemäß dieser Spezifikation keinen Einfluss auf die CDS-Spreads einer Bank zu haben. Es zeigen sich außerdem Veränderungen des Effekts der Rettung Griechenlands. Der Effekt auf griechische Banken ist nun signifikant positiv und sehr hoch. Die Unterstützung des griechischen Staates hat einen durchschnittlichen Anstieg der CDS-Spreads der griechischen Banken von 30 Basispunkten zur Folge. Die Rettung des griechischen Staates wirkt sich folglich verstärkend auf die Risikoeinschätzung griechischer Banken aus. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die dritte Hypothese aus Kapitel 3 durch unsere ökonometrischen Ergebnisse deutlich bestätigen lässt. Bei Hypothese 4 und 5 ist dies hingegen nur eingeschränkt der Fall. Die Schätzergebnisse belegen eine Übertragung des Ausfallrisikos eines Staates auf inländische und ausländische Banken über das Halten von Staatsanleihen. In Kombination mit den Ergebnissen von Schätzung 1 konnte also eine wechselseitige Beziehung zwischen dem Bankenrisiko und dem Länderrisiko in Europa gezeigt werden. Es scheint also tatsächlich ein Teufelskreis zwischen Banken- und Schuldenkrisen zu bestehen. Auch das Wirtschaftswachstum hat einen deutlichen Effekt auf das Bankenrisiko. Eine eindeutige Zuordnung zu Hypothese 4 oder 5 ist aber nicht möglich. Zusätzlich wurde abschließend gezeigt, dass die Rettung Griechenlands möglicherweise sogar einen Anstieg des Risikos von griechischen Banken auslöste und abschwächend auf das Risiko nicht-griechischer europäischer Banken wirkte. Die empirische Analyse in diesem gesamten Kapitel kam also zu dem folgenden Ergebnis: Es gab eine doppelte Risikoübertragung zwischen Staaten und Banken während der Banken- und Schuldenkrise. Zunächst übernahmen die Staaten das Risiko der Banken, indem sie das Finanzsystem stützten und vor dem Zusammenbruch retteten. Die zusätzlichen Belastungen setzten die Haushalte einiger europäischer Staaten massiv unter Druck. Hierdurch kam es zu Rückkopplungseffekten in den Bankensektor, weil die Banken über ihre Staatsanleihenbestände unmittelbar von den Länderrisiken betroffen wurden. So entstand ein Teufelskreis zwischen der Solvenz von Banken und Staaten, wodurch schließlich sogar die europäische Gemeinschaftwährung, der Euro, in einen Abwärtstrend geriet. Unsere Analyse hat somit eine wichtige wirtschaftspolitische Implikation: Um den Fortbestand der Währungsunion zu sichern, muss dieser Teufelskreis durchbrochen werden. 46 Ein F-Test belegt auch hier keinen signifikanten Unterschied der Einflüsse der beiden Exposure-Variablen. Seite 37 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 5 Implikationen für die Wirtschaftspolitik und die private Geldanlage In diesem Kapitel diskutieren wir, wie sich der Teufelskreis zwischen Banken- und Schuldenkrisen durch wirtschaftspolitische und regulatorische Maßnahmen durchbrechen lässt, um so letztendlich auch die Währung zu stabilisieren. Die Maßnahmen können auf zwei Ebenen ansetzen: zum einen auf der Bankenebene, die zuerst diskutiert werden soll, zum anderen auf der Staatenebene, die anschließend betrachtet wird. Schließlich analysieren wir im dritten Abschnitt, welche Implikationen sich für die private Geldanlage ergeben. 5.1 Reformen auf Bankenebene In einem ersten Schritt zeigen wir Wege auf, um die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems zu stärken und die Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung zu reduzieren. Dies trägt dazu bei, die in Hypothese 1 beschriebene und Schätzung 1 empirisch belegte Risikoübernahme von den Banken auf den Staat zu vermindern. Gleichzeitig wird durch eine Stärkung des Bankensektors auch die Wirkung von Finanzakzeleratoren abgeschwächt (Hypothese 2). Vorschlag 1: Bail-in statt Bail-out Eine wichtige Bestimmungsgröße in den ökonometrischen Analysen in Kapitel 4 stellen staatliche Rettungsmaßnahmen dar. Sie spielen eine zentrale Rolle im aufgezeigten Risikotransfer, der, wie das Beispiels Irlands eindrucksvoll zeigt, den Teufelskreis zwischen Banken- und Schuldenkrisen in Gang setzen kann. Um diese Negativspirale zu durchbrechen, schlagen wir Folgendes vor: Die Erwartung von Bankenrettungen muss weitestgehend reduziert werden, unvermeidliche Rettungsmaßnahmen sollen möglichst aus Mitteln der Banken finanziert werden. Die Schwierigkeit der Umsetzung dieses Vorschlags beruht auf dem existierenden Zeitinkonsistenzproblem: Aufgrund der enormen Kosten einer systemischen Finanzkrise hat der Staat den Anreiz, Banken in einer Notlage zu stützen, um Dominoeffekte zu vermeiden. Die Erwartung einer staatlichen Rettung führt bei den Banken wiederum zu einem Moral-hazard-Problem, das zu einer übermäßigen Risikoübernahme führt. Auch die Gläubiger der Banken haben aufgrund der Erwartung einer staatlichen Rettung keinen Anreiz, Kosten aufzuwenden, um das Risikoverhalten der Banken zu kontrollieren. Die Marktdisziplin ist außer Kraft gesetzt. Aus staatlicher Sicht ist die Notwendigkeit der Rettung einer Bank dann besonders groß, wenn die Bank „systemisch“ ist, weil sie z. B. sehr groß oder stark vernetzt ist. 47 In einem solchen Fall sind die Kosten eines Bankenzusammenbruchs aus gesellschaftlicher Sicht besonders groß. Dies bedeutet aber auch, dass Banken letztlich einen Anreiz haben, die negativen Auswirkungen ihres Scheiterns zu maximieren, da sie so die Wahrscheinlichkeit staatlicher Hilfen erhöhen und ihre Refinanzierungskosten senken können (Haldane, 2010). Durch die aktuelle Krise wurde dieses Problem noch deutlich verschärft. In der Krise wurden selbst kleine Banken wie die IKB als systemisch betrachtet und gerettet. Die dramatischen Effekte der Nicht47 Eine ausführliche Beschreibung des „Too-big-to-fail“-Problems findet sich bei Stern und Feldman (2004). Seite 38 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Rettung von Lehman Brothers dürften die Überzeugung noch verstärkt haben, dass eine Nicht-Rettung von Banken verheerende Auswirkungen haben kann und daher gerade in Krisenzeiten nicht zu empfehlen ist. Daher befinden wir uns nun in einer Situation, in der quasi das gesamte Bankensystem einer impliziten staatlichen Rettungsgarantie unterliegt – mit entsprechenden Folgen für die Staatsverschuldung und die Währung im Falle einer Krise. Die wichtigste Herausforderung besteht daher darin, die Erwartungen staatlicher Rettungsmaßnahmen zurückzuschrauben. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat zu diesem Thema ein vielbeachtetes Arbeitspapier veröffentlich, auf dem unsere Vorschläge bezüglich systemisch relevanter Finanzinstitute beruhen (Doluca, Klüh, Wagner und Weder di Mauro, 2010). Die erste Säule des Vorschlags sieht eine Lenkungssteuer auf systemische Risiken vor. Hierzu muss das systemische Risiko eines Instituts quantifiziert werden, wofür es zurzeit allerdings noch kein allgemein anerkanntes Verfahren gibt. 48 Um den Refinanzierungsvorteil systemisch relevanter Finanzinstitute zu neutralisieren, müsste der Steuersatz diesen Vorteil gerade ausgleichen. Schätzungen des Sachverständigenrats (Doluca et al., 2010) und von Haldane (2010) gehen davon aus, dass der Steuersatz sich in der Größenordnung von 50 Basispunkten bewegen müsste. Als Bemessungsgrundlage dienen die unversicherten Verbindlichkeiten, da diese potentiell zu Ansteckungseffekten führen. Bei richtiger Adjustierung des Steuersatzes bestünde für Banken kein Anreiz mehr, systemrelevant zu werden. 49 Die empirische Evidenz über relativ geringe Skalenerträge im Finanzsystem (Laeven und Levine, 2005; Kosmidou, Pasiouras, Doumpos und Zopounidis, 2006; Goisis, Giorgetti, Parravicini, Salsano und Tagliabue, 2009) und die beträchtliche Höhe des Finanzierungsvorteils systemrelevanter Institute (Baker und McArthur, 2009; Haldane 2010) lässt darauf schließen, dass nach einer Internalisierung des Refinanzierungsvorteils weniger Banken existieren würden, die als „too big to fail“ (oder „too systemic to fail“) angesehen werden müssten. Die Verringerung des systemischen Risikos im Finanzsektor ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Vorschläge zum Durchbrechen der Negativspirale von Banken- und Schuldenkrisen. Für den Fall einer Schieflage müssen jedoch zusätzliche Vorkehrungen getroffen werden, um das Moral-HazardProblem im Bankensektor abzumildern. Dies führt uns zur zweiten Säule unseres Vorschlags (siehe Doluca et al., 2010). Die Steuereinnahmen der Lenkungssteuer sollen verwendet werden, um einen Systemrisiken-Fonds mit Überwachungs-, Interventions- und Abwicklungsrechten zu finanzieren. Da auch im Finanzsystem Prävention günstiger ist als Reaktion, sollte dem Fonds das Recht auf eine „Prompt Corrective Action“ eingeräumt werden, um identifizierte Probleme frühzeitig und kostengünstig zu beheben. Dabei nimmt der Fonds Einfluss auf das Geschäft der betroffenen Bank und schreibt Maßnahmen vor, wie die Schieflage beseitigt werden kann. Für den Fall, dass eine Rettung nicht mehr möglich erscheint, muss der Fonds das Recht haben, eine Art Insolvenzverwalter 48 Als Grundlage können statistische Methoden wie der vielbeachtete CoVaR-Ansatz von Adrian und Brunnermeier (2009), Netzwerkmodelle (Dagli und Kamo, 2009) oder Scoring-Modelle mit deskriptiven Indikatoren (Doluca et al., 2010) verwendet werden. Letztere haben aufgrund ihrer Einfachheit den Vorteil, dass sie weniger Interpretations- und Manipulationsspielraum bieten. Zudem sind die für kompliziertere Methoden benötigten tagesaktuellen Statistiken derzeit noch nicht verfügbar. 49 Die in Deutschland eingeführte Bankensteuer erfüllt diese Forderungen nur in beschränktem Maße, da ihre Höhe sich nur unzureichend an den systemischen Risiken orientiert. Seite 39 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 einzusetzen, um die Bank abzuwickeln. Nur wenn eine geregelte Insolvenz auch systemischer Finanzinstitute ermöglicht wird, kann die Marktdisziplin wiederhergestellt werden und die Übernahme übermäßiger Risiken im Finanzsystem verhindert werden. Das Risiko tragen in diesem Fall die Eigenkapitalgeber und die Kreditoren der nachrangigen Verbindlichkeiten (Bail-In). Dies stärkt die Marktdisziplin, da letztere nun risikoabhängige Zinsaufschläge verlangen werden. Verbindlichkeiten höherer Senioritäten werden so weitgehend geschützt und das Risiko eines Dominoeffekts verringert. Die Einrichtung eines Fonds hat zudem den Vorteil, dass Rettungsmaßnahmen und Restrukturierungsmaßnahmen zumindest teilweise aus Geldern des Bankensektors finanziert werden und somit im Krisenfall nicht zu Lasten des Staates gehen. Auch dies leistet einen Beitrag zur Durchbrechung des Teufelskreises. Idealerweise würde ein derartiger Vorschlag auf internationaler Ebene implementiert, um Regulierungsarbitrage zu vermeiden. Auf kurze Sicht erscheint dies jedoch kaum realisierbar, daher sollte zunächst eine Implementierung auf europäischer Ebene angestrebt werden. Dies würde bereits einen wesentlichen Beitrag zur langfristigen Stabilisierung der Währung leisten. Vorschlag 2: Antizyklische Eigenkapitalpuffer einführen In Kapitel 3 wurden der Mechanismus des Finanzakzelerators und die damit verbundene Prozyklizität der Kreditvergabe ausführlich beschrieben. In Kapitel 4 wurden diese theoretischen Erkenntnisse durch die Signifikanz der BIP-Wachstumsvariable beim Erklären der CDS-Spreads bestätigt. Um diese prozyklischen Effekte abzumildern, sprechen wir uns für die Implementierung antizyklischer Eigenkapitalpuffer aus. Die Grundidee antizyklischer Kapitalpuffer besteht darin, in Phasen drohender Überhitzung durch zusätzliche Kapitalanforderungen eine weitere Kreditexpansion zu verhindern und in Abschwüngen durch reduzierte Kapitalanforderungen Kreditklemmen zu vermeiden. 50 Da die Entscheidung über die Anpassung des antizyklischen Kapitalpuffers nicht auf Ex-post-Daten (wie z. B. der tatsächlichen Abweichung vom Potentialwachstum) beruhen kann, empfiehlt sich die Verwendung der Neukreditvergabe an den privaten Sektor, um zu bestimmen, ob sich die Wirtschaft in einer Aufschwung-, Normal- oder Abschwungphase befindet. Dies ist die gängigste Kennziffer, um den Verlauf des Konjunkturzyklus zu schätzen, da sie stark vorlaufend ist (Borio und Drehmann, 2009). Zentral bei der Implementierung eines antizyklischen Puffers ist die ständige Neubewertung der gegenwärtigen Kreditsituation einer Volkswirtschaft. Ob Kreditmengenausweitungen auf Produktivitätsfortschritte, Innovationen oder Strukturreformen zurückzuführen sind oder aber erste Anzeichen einer Überhitzung sind, ist in der Praxis meist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen. Es muss daher eine ständige Neubewertung der makroökonomischen Umgebung stattfinden, die versucht, permanente und temporäre Schocks zu unterscheiden. Nur so kann sichergestellt werden, dass ein antizyklischer Kapitalpuffer weder eine Kreditrationierung profitabler Projekte herbeiführt, noch zu viel Spielraum für das Aufbauen neuer Vermögensblasen lässt. 50 Zum Problem der Prozyklizität der Bankenregulierung siehe Blum und Hellwig (1995) sowie Kashyap und Stein (2004). Ein aktueller Reformvorschlag findet sich bei Repullo, Saurina und Trucharte (2010). Seite 40 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Die Notwendigkeit einer antizyklischen Kreditvergabe ist inzwischen allgemein anerkannt. So sehen auch die neuen Basel-III-Richtlinien einen antizyklischen Eigenkapitalpuffer vor (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 2010). Dessen Bandbreite soll 0 bis 2,5% zusätzliches hartes Kernkapital betragen. Zur Beurteilung eines solchen Puffers hat der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht eine Simulation durchgeführt. Diese zeigt, dass in der gegenwärtigen Finanzkrise Schweizer Banken frühzeitig verpflichtet worden wären, rund 1,5% mehr hartes Kernkapital zu halten (Neue Zürcher Zeitung, 2011). Diese Puffer hätten die Kreditexpansion vor der Krise durch stärkere Unterlegung abgemildert, die durch die Finanzkrise ausgelöste Kontraktion durch eine höhere Kreditvergabe gedämpft und durch größere interne Eigenkapitalpuffer die Verlusttragfähigkeit der Institute erhöht. Dies hätte die Krise zwar nicht verhindern können, es hätte die benötigten staatlichen Stützungsmaßnahmen jedoch infolge größerer interner Puffer deutlich verringert. Der antizyklische Kapitalpuffer hätte somit dazu beigetragen, den Kreislauf zwischen Banken- und Schuldenkrisen zu durchbrechen. 51 Daher begrüßen wir die Implementierung antizyklischer Eigenkapitalpuffer im Basel-III-Regelwerk. Das vorgeschlagene Reformtempo ist jedoch nicht ausreichend. Der Einführungszeitpunkt des antizyklischen Puffers wird 2016 mit maximal 0,625% zusätzlichem harten Kernkapital erwartet, erst 2019 soll der Maximalwert von 2,5% gelten (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 2010). Wir plädieren für eine schnellere Anpassung der Kapitalanforderungen, um den Aufbau neuer Blasen nach der Finanzkrise zu verhindern, sowie eine Überprüfung der Bandbreite des Puffers, um eine hinreichende Wirkung zu gewährleisten. Vorschlag 3: Staatsanleihen stärker mit Eigenkapital unterlegen In unserer zweiten Schätzung haben wir aufgezeigt, dass Länderrisiken Rückkopplungseffekte auf den Finanzsektor haben. Um die Anfälligkeit von Banken gegenüber Länderrisiken zu vermindern, empfehlen wir eine stärkere Unterlegung von Staatsanleihen mit hartem Kernkapital. Unter Basel II richtet sich die Risikogewichtung der Staatsanleihen nach ihrem Rating. Anleihen höchster Güte müssen gar nicht mit Eigenkapital unterlegt werden, Staatsanleihen mit schlechterem Rating nur in relativ geringem Maße.52 Diese im Vergleich zu anderen Aktiva geringe Unterlegung wird durch das relativ geringe statistische Ausfallrisiko gerechtfertigt. Hier stellt sich zunächst die Frage, ob diese Einschätzung angesichts der aktuellen Ereignisse aufrechterhalten werden kann. Dies wird natürlich auch davon abhängen, in welchem Maße zukünftig Umschuldungen von Staatsanleihen möglich sein werden. 53 Außerdem könnte die Existenz des beschriebenen Teufelskreises zusätzliche Eigenkapitalpuffer rechtfertigen. Durch die implizite Verteuerung der Staatsanleihen aus Sicht der Banken würde es für diese unattraktiver, Staatsanleihen zu halten, wodurch dieser Wirkungskanal von Schulden- zu Bankenkrisen abgeschwächt würde. 51 Nach Berechnungen der Bundesbank kann die Aufstockung der Kapitalpuffer weitestgehend durch einbehaltene Gewinne geschehen (Deutsche Bundesbank, 2010c). 52 Die Risikogewichtungen können der Solvabilitätsverordnung (Fassung vom 5. Oktober 2010) entnommen werden. 53 Vergleiche hierzu Vorschlag 6. Seite 41 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Vorschlag 4: Risikoungewichtete Mindesteigenkapitalanforderungen vorsehen Manche Beobachter sehen eine fein kalibrierte Eigenkapitalregulierung inzwischen kritisch (siehe Admati, DeMarzo, Hellwig und Pfleiderer, 2010; Wissenschaftlicher Beirat, 2010). Die aktuelle Krise lässt den Schluss zu, dass ein solches Regulierungsmodell es den Finanzinstituten ermöglicht hat, die faktischen Eigenkapitalanforderungen zu reduzieren. Daher ist in Basel III mit der „Leverage Ratio“ eine Kennzahl vorgesehen, die sehr viel weniger Interpretationsspielraum und Manipulationsmöglichkeiten lässt als das bisherige Regulierungssystem (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, 2010). Die Leverage Ratio bezeichnet das Verhältnis von hartem Kernkapital zur Bilanzsumme einer Institution, sie ist also ein risikoungewichtetes Maß. Wir begrüßen auch diese Maßnahme aus dem Katalog der Basel-III-Maßnahmen, da sie einen Mindestkapitalpuffer gewährleistet und so wesentlich zur Stabilisierung des Finanzsystems beitragen kann. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die geplante Größenordnung der Leverage Ratio von 3% effektiv die Stabilität des Finanzsystems erhöhen kann. Einige Wissenschaftler fordern inzwischen eine deutliche Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen von Banken, um die Anreize im Bankensystem zu verbessern und die Puffer zu vergrößern (Wissenschaftlicher Beirat, 2010; Admati et al., 2010). Vor allem aus dem Finanzsektor hört man jedoch kritische Stimmen gegenüber verstärkten Kapitalanforderungen, weil diese die Kreditversorgung der Wirtschaft in Frage stellen würden. Wir teilen diese Befürchtungen nicht und schließen uns weitgehend der Sichtweise von Admati et al. (2010) an, dass ein Rückgang der Kreditversorgung keineswegs zwingend ist und dass die Nutzen höherer Eigenkapitalquoten deren Kosten mit großer Wahrscheinlichkeit übersteigen. Durch die höheren Eigenkapitalanforderungen wird der Umfang erforderlicher staatlicher Rettungsmaßnahmen geschmälert, weil die bankinternen Puffer erhöht werden, wodurch einer der Kanäle von Banken- zu Schuldenkrisen abgeschwächt wird. Gleichzeitig verringert sich die Prozyklizität der Kreditvergabe durch erhöhte Eigenkapitalanforderungen, da eine Reduzierung des Bankkapitals in einer Rezession dann eine geringere Bilanzverkürzung erzwingt (siehe hierzu Wissenschaftlicher Beirat, 2010; Meh und Moran, 2010). Also wird auch der zweite Kanal (Rezession) entschärft. Die vier genannten Maßnahmen im Bankensystem würden also bereits erheblich dazu beitragen, den Teufelskreis zwischen Banken- und Schuldenkrisen zu durchbrechen. Wir wollen nun diskutieren, welche zusätzlichen Maßnahmen auf Staatenebene erforderlich sind. 5.2 Reformen auf Staatenebene Die nun folgenden Vorschläge zielen darauf ab, die Staaten zu stabilisieren und so die in Schätzung 2 aufgezeigten Rückkopplungen von Länderrisiken in den Finanzsektor zu unterbinden. Die Stabilisierung der Staatsfinanzen impliziert hierbei gleichzeitig eine Stabilisierung der Europäischen Gemeinschaftswährung. Vorschlag 5: Verbindliche Schuldenbremsen im gesamten Euroraum einführen Unser erster Vorschlag sieht vor, verbindliche Schuldenbremsen in den Verfassungen aller Mitgliedsstaaten zu verankern. Bereits vor den staatlichen Rettungsmaßnahmen in der Finanzkrise Seite 42 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 litten viele Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion trotz der Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes unter einer hohen Schuldenlast. In den letzten beiden Jahren ist diese Last jedoch nochmals erheblich angestiegen und engt durch die damit verbundenen Zinszahlungen die Handlungsspielräume der Regierungen immer weiter ein. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in den nächsten Monaten weitere Rettungsaktionen im Finanzsektor erforderlich sein werden. Das Resultat sind immer weiter steigende Schuldenberge, die den Teufelskreis aus Schulden- und Bankenkrisen verschärfen. Wie unsere Analyse zeigt, ist dies nicht nur aus nationaler Perspektive ein Problem. Das Beispiel Griechenlands illustriert, dass es über Ländergrenzen hinweg zu einer Verschärfung des Teufelskreises gekommen ist. Darüber hinaus schürt die mit den steigenden Schulden einhergehende Angst vor mittel- und langfristiger Inflationierung der Schulden durch die Europäischen Zentralbank Sorgen um die mittel- und langfristige Stabilität der Gemeinschaftswährung. Hier setzt unser erster Vorschlag der Einführung verbindlicher Schuldenbremsen an. Die wesentlichen Vorteile einer Schuldenbremse bestehen in einer Automatisierung der Prozesse und einer Einschränkung der diskretionären Spielräume der Regierung. Gleichzeitig hilft eine Schuldenbremse, die Haushaltsziele innenpolitisch durchzusetzen (Wissenschaftlicher Beirat, 2011). Bei der Ausgestaltung der Schuldenbremsen sollte sich die Europäische Gemeinschaft an den in Deutschland bereits beschlossenen und bis 2016 implementierten Richtlinien orientieren. Die deutsche Schuldenbremse besteht aus zwei Modulen. Das erste Modul orientiert sich an der Goldenen Regel der Fiskalpolitik. Hiernach sollen die staatlichen Kredite über konjunkturell bedingte Schwankungen hinaus die öffentlichen Investitionen nicht übersteigen. Das zweite Modul ist eine Ausgabenregel, die je nach konjunkturellem Umfeld fiskalpolitische Spielräume einräumt. Ein weiteres wichtiges Element ist ein Ausgleichskonto, das Fehler in der vergangenen Steuerschätzung abfedert und im jeweils nächsten Haushalt berücksichtigt. Ein drittes Modul, vorgeschlagen vom Sachverständigenrat, jedoch nicht umgesetzt von der Bundesregierung, sind automatische Sanktionen. Das Hauptproblem des momentanen Sanktionierungsregimes des Maastrichtvertrags ist, dass die potentiellen Strafen Geldzahlungen sind. Diese verschärfen das Problem unausgeglichener Staatsfinanzen jedoch noch weiter. Somit wären zielführende Sanktionen wie eine automatische Umsatzsteuer- oder Lohnsteueranpassung sinnvoller. Bei der Sanktionierung ist außerdem zu beachten, dass sie idealerweise automatisch geschieht. Bei Verstößen gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt ist derzeit nach einer sog. „Frühwarnung“ ein „Verfahren wegen übermäßigen Defizits“ vorgesehen. Damit dieses jedoch tatsächlich zu einer Sanktionierung führt, bedarf es der qualifizierten Mehrheit im Ministerrat.54 Ein kritischer Einwand gegen verbindliche Schuldenbremsen ist die mangelnde Flexibilität in Krisenzeiten. Zwar versuchen die im ersten Teil vorgeschlagenen Maßnahmen, das Risiko einer Finanzkrise zu minimieren. Dennoch werden sich Krisen nicht vollständig vermeiden lassen, so dass staatliche Rettungsmaßnahmen auch in Zukunft erforderlich sein werden. Das Nichteingreifen des Staates kann in solchen Situationen zu weit höheren Kosten führen als gezielt eingesetzte 54 Trotz zahlreicher Verstöße kam es daher bisher noch nie zu einer Sanktionierung im Rahmen des Stabilitätsund Wachstumspakts, wodurch das Defizitverfahren seine Wirksamkeit einbüßt. Seite 43 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Rettungsmaßnahmen. Der Teufelskreis zwischen Banken- und Schuldenkrisen würde durch ein Nichteingreifen des Staates also möglicherweise noch verschärft, weil zwar der erste Kanal ausgeschaltet würde, der zweite hingegen umso stärker wirken würde. Um für derartige Maßnahmen Spielräume zu haben, muss die Ausnahme erlaubt sein, in Krisen unter bestimmten strengen Bedingungen ein höheres Haushaltsdefizit zuzulassen. Momentan sind solche „außergewöhnlichen Notsituationen“ in der deutschen Schuldenbremse vor allem für Naturkatastrophen vorgesehen. Um im Notfall einer drohenden Finanzkrise ausreichend Spielraum für staatliche Hilfe zu haben, plädieren wir für eine Erweiterung dieser außergewöhnlichen Notsituationen um den Fall einer systemischen Finanzkrise. Um mit solchen Ausnahmeregelungen nicht doch ausufernden Defiziten Tür und Tor zu öffnen, müssen Regularien geschaffen werden, die einen Missbrauch dieser Klausel verhindern. 55 Vorschlag 6: Implementierung eines Insolvenzrechts für Staaten der Eurozone Eine Schuldenschranke könnte mittel- und langfristig die Schuldenlast der europäischen Haushalte reduzieren. In einigen Ländern sind die Schuldenlast und die damit verbundenen Zinsen aber bereits jetzt so erdrückend, dass selbst bei Durchführung langer schmerzhafter Sparmaßnahmen eine Konsolidierung fraglich erscheint. Mögliche Reaktionen auf unhaltbar hohe Schuldenstände bewegen sich zwischen den beiden Extrema der vollständigen Solidarität und der vollständigen Souveränität. Stark solidarisch geprägte Vorschläge sehen direkte zwischenstaatliche Finanzhilfen, die Emission sogenannter „Eurobonds“, für die sämtliche Mitgliedsstaaten gemeinsam haften, oder das Aufkaufen von Staatspapieren durch die Europäische Zentralbank vor. Das Hauptproblem dieser Maßnahmen besteht in den schlechten Anreizwirkungen für die betroffenen Länder, vor allem hinsichtlich ihrer Haushaltsdisziplin. Regierungen mit einer eher laxen Haushaltsdisziplin haben keinen Anreiz, Defizite zurückzuführen, da ein höherer Schuldenstand nur mit minimal höheren Zinsen einherginge und die Länder die Kosten der mangelnden Haushaltsdisziplin somit nicht internalisiert hätten. Zweitens besteht bei stark solidarisch geprägten Lösungen eine Inflationsgefahr, da beispielsweise durch den Aufkauf von Staatsanleihen bedrohter Schuldnerländer der Anreiz der Zentralbank steigt, diese Schulden zu inflationieren. Aus diesen Gründen plädieren wir für eine stärker souverän geprägte Lösung übermäßiger Staatsverschuldung. Ein geordnetes Insolvenzverfahren ist integraler Bestandteil einer solchen Lösung. Ein zentrales Ziel ist – ähnlich wie beim Bail-in der Bankgläubiger – eine Wiedereinführung der Marktdisziplin. Allein die Existenz einer Insolvenzordnung sendet das Signal aus, dass eine Unterstützung eines Landes durch die EU keineswegs gesichert ist (siehe Wissenschaftlicher Beirat, 2011). Die Gläubiger von Staatsanleihen werden somit Risikoprämien verlangen, die von der Haushaltsdisziplin des Landes abhängen. Dies setzt bei den Regierungen Anreize zu einer soliden Haushaltsführung. Ein vielversprechender erster Schritt in diese Richtung ist die von der Eurogruppe vorgeschlagene Einführung standardisierter und identischer Umschuldungsklauseln („collective action clauses“) in alle 55 Außerplanmäßige Ausgaben bedingt durch außergewöhnliche Notsituationen müssen im deutschen Haushalt durch eine qualifizierte Mehrheit im Bundestag genehmigt werden (Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, 2009). Seite 44 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 neu emittierten Anleihen der Mitgliedsländer ab 2013 (Wissenschaftlicher Beirat, 2011). Derartige Klauseln regeln die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Verhandlungen zwischen dem Land und seinen Gläubigern. So können beispielsweise eine Verschleppung der Insolvenz (verbunden mit einem „gambling for resurrection“) oder das Ausnutzen einer Vetoposition durch einen Gläubiger verhindert werden. Die neuen Regeln könnten von den Investoren bei der Preisbildung der Anleihen berücksichtigt werden. Auch die Banken könnten das damit verbundene Risiko bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigen. Derartige Klauseln sind in den bereits emittierten Staatsanleihen nicht enthalten. Eine Umschuldung der Anleihen von Griechenland scheint angesichts der erdrückenden Schuldenlast jedoch nahezu unausweichlich. Die hohen Renditen auf griechische Staatsanleihen machen deutlich, dass dies auch vom Markt so gesehen wird. Gleichzeitig besteht angesichts des von uns beschriebenen Teufelskreises die Gefahr, dass eine Umschuldung Griechenlands (und möglicherweise weiterer Länder) die Stabilität des europäischen Bankensystems erneut gefährden könnte. Daher besteht die Notwendigkeit eines Übergangsregimes, das die Ziele einer Rückführung der Schulden der betroffenen Länder auf ein nachhaltiges Niveau und der Vermeidung einer Destabilisierung des Bankensystems angemessen berücksichtigt (siehe Weder di Mauro und Zettelmeyer, 2010). Dies bedeutet aber auch, dass eine Umschuldung der existierenden Schulden nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann. 5.3 Implikationen für die private Geldanlage Durch die aufgezeigten Zusammenhänge zwischen der aktuellen Finanzkrise, den Schuldenkrisen einiger europäischer Länder und deren Auswirkungen auf die Gemeinschaftswährung ergeben sich weitreichende Konsequenzen für die private Geldanlage deutscher Haushalte. Die Sparquote der Deutschen hat sich im Verlauf der Krise kaum verändert, die Anlagebedingungen jedoch enorm (Deutsche Bundesbank, 2011a). Unsere erste Implikation für die private Geldanlage betrifft die Vermögensdiversifikation. Mangelnde Diversifikation in privaten Portfolios ist ein weltweites Phänomen, und auch Deutschland bildet hier keine Ausnahme (siehe hier und im Folgenden Deutsche Bundesbank, 2011b). Einerseits beschränken sich viele Anleger auf einige wenige Vermögensklassen, und auch innerhalb dieser Vermögensklassen ist die Diversifikation gering. Bei einer Befragung privater Anleger durch das Sozioökonomische Panel im Jahr 2006 stellte sich heraus, dass 46% der Haushalte ausschließlich in zwei bis drei verschiedene Anlageprodukte investiert hatten, jeder fünfte Haushalt hielt gar nur ein einziges Anlageprodukt. Dies steht im Gegensatz zur klassischen Finanzmarkttheorie, in der rationale Anleger das gesamte Marktportfolio halten und gemäß ihrer Risikopräferenz mit einem risikolosen Wertpapier mischen (Capital Asset Pricing Model, Sharpe, 1964). Viele Portfolios sind zudem zu wenig diversifiziert, da sie überwiegend Wertpapiere aus ihrem Heimatmarkt halten. Dieser sogenannte „Home Bias“ kann durch höhere Informations- und Transaktionskosten begründet werden. Empirische Untersuchungen weisen jedoch eindeutig darauf hin, dass das Ausmaß des Home Bias nicht rational durch derartige vermeintliche Vorteile begründet Seite 45 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 werden kann (Kilka, 1998).56 Interessanterweise weisen die deskriptiven Statistiken zu den Anleihebeständen der Banken im Euroraum in Kapitel 4 darauf hin, dass selbst die Banken einem Home Bias unterliegen, da über die Hälfte der Staatsanleihen gegenüber dem Heimatland gehalten werden. Hieraus ergibt sich unsere erste wesentliche Implikation für die private Geldanlage. Gerade in Zeiten einer erhöhten Unsicherheit über die Risiken verschiedener Anlageformen ist eine breite Diversifikation des Portfolios wichtig. Dies gilt sowohl für verschiedene Wertpapierklassen wie Staatsanleihen, Aktien und Fonds als auch – vor allem vor dem Hintergrund der Eurokrise – für verschiedene Währungen. Durch eine Diversifikation kann das Risiko des Portfolios gesenkt werden, ohne dadurch zwangsläufig die erwartete Rendite zu reduzieren. Anders ausgedrückt können Anleger keine zusätzliche Rendite erwarten, wenn sie diversifizierbare Risiken übernehmen. Die zweite Implikation betrifft das Exposure der deutschen Anleger gegenüber Banken- und Länderrisiken. Bei den deutschen Anlegern sind vor allem als relativ risikoarm angesehene Vermögensanlagen wie Sparbücher, Lebensversicherungen und Bausparverträge beliebt; der Großteil der deutschen Anleger hält keine Aktien oder festverzinslichen Wertpapiere (Deutsche Bundesbank, 2011b, 2011c). Aufgrund der großen Bedeutung von Bankprodukten im Anlegerportfolio sind die deutschen Anleger in erheblichem Maße Bankrisiken ausgesetzt. Allerdings werden diese weitgehend durch die Einlagensicherung abgedeckt. Dennoch sollten Einleger sich genau überlegen, bei welcher Bank sie ihr Geld anlegen, da auch eine Absicherung über die Einlagensicherung nicht zwangsläufig bedeutet, dass sie ihr Geld jederzeit und in beliebiger Höhe zurückerhalten. Tatsächlich kann die Entschädigung sich über mehrere Wochen hinziehen. Im Gegensatz zu den Bankenrisiken scheinen die deutschen Haushalte von Länderrisiken auf den ersten Blick in weitaus geringerem Maße betroffen zu sein. Aus den oben genannten Zahlen zu den Beständen an festverzinslichen Wertpapieren kann geschlossen werden, dass die meisten Anleger dem gestiegenen Länderrisiko im Euroraum nicht unmittelbar ausgesetzt sind. Allerdings müssen auch die indirekten Beteiligungen beachtet werden, um die tatsächliche Risikostruktur der deutschen Portfolios zu erkennen. Ein indirekter Effekt besteht über den Kanal der Banken: Wenn die Banken durch Länderrisiken betroffen werden, schlägt das auch auf die Gläubiger der Banken durch (hier schützt wiederum teilweise die Einlagensicherung). Auch durch Lebensversicherungen, die traditionell in erheblichem Maße in Staatsanleihen investieren, steigt das wahre Exposure der deutschen Anleger gegenüber Länderrisiken weit über das, was ihre primären Bestände an Staatsanleihen vermuten lassen. Traditionell gelten Staatsanleihen, vor allem solche aus Deutschland, als quasi risikolose Wertpapiere. Durch die von uns aufgezeigten Kreisläufe zwischen Finanz- und Schuldenkrisen und der momentanen Entwicklung im Euroraum dürfen jedoch auch Staatsanleihen nicht mehr als 56 In Deutschland ist der Anteil der Aktienbeteiligungen an deutschen Unternehmen an den gesamten Aktienbeteiligungen zwischen 1991 und 2007 allerdings beträchtlich von 84% auf 59% gesunken, bei Schuldverschreibungen sank der Anteil von 91% auf 58% (Deutsche Bundesbank, 2011b). Seite 46 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 ausfallsicher angesehen werden. Neben den Privatanlegern müssen sich auch die institutionellen Anleger auf die geänderte Situation einstellen. 57 Unsere letzte Implikation für die private Geldanlage betrifft den Einfluss der Inflation. Die Flutung der Geldmärkte mit Zentralbankliquidität in der aktuellen Krise stellt ein nicht zu unterschätzendes Inflationsrisiko dar. Auch die staatlichen Rettungsmaßnahmen im Finanzsystem und der resultierende Schuldenanstieg in vielen Ländern erhöht die mittel- bis langfristige Inflationserwartung. Unkonventionelle Maßnahmen der Zentralbank wie der Aufkauf von Staatsanleihen verstärken solche Erwartungen. Tatsächlich mehren sich in jüngerer Zeit die Anzeichen eines verstärkten Inflationsdrucks. Auch wenn sich die Europäische Zentralbank in den letzten Jahren als Hüterin der Preisstabilität bewährt hat, muss sie noch zeigen, dass sie den Ausstieg aus der krisenbedingten geldpolitischen Strategie meistert. Doch gerade die in Deutschland relativ beliebten festverzinslichen Anlageprodukte sind kein gutes Instrument, um sich gegen einen Kaufkraftverlust abzusichern. Sie weisen hier massive Nachteile beispielsweise gegenüber Aktien auf. Die Aktienakzeptanz ist seit dem Platzen der Dotcom-Blase Anfang des Jahrtausends quasi stetig gesunken, auch im zweiten Halbjahr 2010 setzte sich dieser Trend fort (Deutsches Aktieninstitut, 2011). So hielten Anfang 2011 lediglich 8,2 Millionen Deutsche Anteile an Aktien und Aktienfonds. In Hinblick auf diese Entwicklungen raten wir zu einer stärkeren Berücksichtigung des Inflationsaspektes bei der Geldanlage durch die Beimischung von weniger inflationsanfälligen Anlageprodukten (z. B. Aktien, Immobilien). Wachsender Beliebtheit erfreuen sich derzeit auch inflationsgeschützte Anleihen („inflation-linked bonds“). Diese meist an einen Verbraucherpreisindex gekoppelten Anleihen können verwendet werden, um sich gegen das Inflationsrisiko abzusichern. Variabel verzinsliche Anleihen, wie z. B. Floating Rate Notes, stehen den deutschen Anlegern bereits länger zur Verfügung. Sie werden jedoch den privaten Portfolios nur in sehr geringem Ausmaß beigemischt. Inflation-linked bonds sind zurzeit jedoch noch mit Vorsicht zu genießen. Empirische Evidenz aus den USA (Lehnert, Andonov und Bardong, 2009) deutet auf erhebliche Marktineffizienzen hin. Außerdem sind diese Papiere weniger liquide als nicht-indexierte Anleihen, was gerade in Krisenzeiten von großer Bedeutung sein kann. Weiterhin würden inflationsindexierte Anleihen in einem durchaus denkbaren Szenario einer Deflation in der kurzen und mittleren Frist zu einem Kaufkraftverlust der Inhaber führen (Lehnert et al., 2009). Eine verstärkte Anlage in solchen Anleihen können wir daher nicht empfehlen. Zusammenfassend lassen sich unsere aus den vergangenen Kapiteln abgeleiteten Implikationen in drei Bereiche einteilen. Erstens plädieren wir für stabilitätsfördernde Reformen des Finanzsystems, um die Notwendigkeit von staatlicher Unterstützung zu verringern und prozyklische Effekte einzudämmen. Diese Reformen umfassen ein Reduzieren der systemischen Relevanz von Banken, die Einführung antizyklischer Kapitalpuffer, eine stärkere Unterlegung von Staatsanleihen mit regulatorischem Eigenkapital und die Ergänzung der risikogewichteten Eigenkapitalregulierung durch eine substantielle risikoungewichtete Leverage ratio. Zweitens plädieren wir für strukturelle Reformen auf 57 Auch im Versicherungsbereich sind möglicherweise regulatorische Änderungen bezüglich der Behandlung von Staatsanleihen angezeigt. Seite 47 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 staatlicher Ebene, um die ausufernde Staatsverschuldung zu reduzieren und somit Rückkopplungen auf das Finanzsystem zu verhindern. Diese Reformen umfassen verbindliche Schuldenbremsen und die Implementierung eines Insolvenzrechts für Mitgliedsstaaten der europäischen Währungsunion. Drittens ergeben sich auch für die private Geldanlage weitreichende Konsequenzen im Hinblick auf den beschriebenen Kreislauf aus Finanz- und Schuldenkrisen. Konkret empfehlen wir eine breite Diversifikation über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Währungen, eine Schärfung des Bewusstseins für Banken- und Länderrisiken sowie eine stärkere Berücksichtigung des Inflationsaspektes bei der Anlageentscheidung durch eine Beimischung weniger inflationsanfälliger Anlageprodukte. 6 Fazit In dieser Arbeit haben wir gezeigt, dass in der aktuellen Krise im Euroraum ein Teufelskreis zwischen Banken- und Schuldenkrisen bestand, der wesentlich für die Probleme der Gemeinschaftswährung verantwortlich ist. Wir haben fünf Kanäle aufgezeigt, über die Banken- und Schuldenkrisen sich gegenseitig verstärken können. Zum einen führen staatliche Rettungsmaßnahmen im Finanzsystem zu einem Risikotransfer von den Banken zum Staat, wodurch sich das Länderrisiko erhöht (Kanal 1). Über Finanzakzeleratoren wirken sich Probleme im Bankensystem auf die reale Wirtschaft aus und beeinflussen auch auf diesem Wege das Länderrisiko, da eine Rezession mit fallenden Steuereinnahmen und steigenden Staatsausgaben (z. B. aufgrund von Konjunkturpaketen) verbunden ist (Kanal 2). Die gestiegenen Länderrisiken können jedoch auf die Banken zurückfallen. Dies kann zum einen über Bilanzeffekte erfolgen, wenn Banken in großem Maße Staatsanleihen in ihrem Portfolio halten (Kanal 3). Zum anderen kann ein erhöhter Schuldenstand die Glaubwürdigkeit staatlicher Garantien gegenüber dem Bankensystem verringern (Kanal 4). Schließlich sind auch Schuldenkrisen mit realen Kosten (z. B. in Form einer Rezession) verbunden, die wiederum auf den Bankensektor zurückwirken (Kanal 5). Anhand einer Darstellung der Krisenereignisse der vergangenen Jahre haben wir einige dieser Kanäle bereits illustrieren können. Außerdem haben wir gezeigt, dass die Stabilität des Euro maßgeblich durch die Finanz- und Schuldenkrisen in Europa beeinflusst wurde. Im Hauptteil der Arbeit haben wir den Zusammenhang zwischen den Banken- und Schuldenkrisen im Euroraum ökonometrisch untersucht und getestet, welche der fünf Hypothesen sich bestätigen lassen. Die Regressionen beruhten auf den CDS-Spreads von Ländern bzw. Banken, die auf verschiedene makroökonomische und bankspezifische Variablen regressiert wurden. Die ersten drei Hypothesen (Kanal 1 bis 3) konnten deutlich bestätigt werden. Wir finden einen signifikanten Einfluss der staatlichen Rettungsprogramme und des Wirtschaftswachstums auf die CDS-Spreads von Staaten und damit auf das Länderrisiko. Zudem können wir zeigen, dass Banken aufgrund ihres Exposures gegenüber Staaten risikoreicher eingeschätzt werden, wenn das Seite 48 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Ausfallrisiko dieser Staaten steigt. Ebenso haben das Wirtschaftswachstum des Landes und die Rettung Griechenlands einen signifikanten Einfluss auf das Risiko von Banken, was mit der vierten und fünften Hypothese konsistent ist. Dennoch ist die Evidenz für diese beiden Hypothesen schwächer als für die ersten drei. Wir können also eine Vielzahl von Kanälen empirisch belegen, die für die gegenseitige Verstärkung von Banken- und Währungskrisen verantwortlich sind. Das bestehende Endogenitätsproblem aufgrund der wechselseitigen Beziehungen lösen wir durch eine Instrumentvariablenschätzung und zeigen so, dass unsere Ergebnisse robust sind. Somit können wir die postulierte fatale Wechselwirkung zwischen den Banken- und Schuldenkrisen in Europa überzeugend belegen. Um den Euro zu stabilisieren, muss also dieser Teufelskreis durchbrochen werden. Aus dieser Erkenntnis leiten wir umfangreiche Regulierungsvorschläge ab, die ein Auseinanderbrechen der europäischen Währungsgemeinschaft verhindern können. In einem ersten Schritt plädieren wir für eine Stärkung des Finanzsystems, um dessen Belastungsfähigkeit zu erhöhen. Unsere Vorschläge sehen eine Reduzierung des systemischen Risikos, ein Abwicklungsregime für angeschlagene Finanzinstitute, antizyklische Eigenkapitalpuffer, eine stärkere Risikogewichtung von Staatsanleihen und die Implementierung einer substantiellen, risikoungewichteten Leverage Ratio vor. Die Implikationen unserer Ergebnisse bleiben jedoch nicht auf die Finanzmarktregulierung beschränkt. Um die Schuldenproblematik der europäischen Staatshaushalte anzugehen, die den beschriebenen Teufelskreis weiter angefeuert hat, plädieren wir für die Einführung verbindlicher Schuldenbremsen im Euroraum und für eine Insolvenzordnung für Mitgliedsstaaten der Europäischen Währungsunion. Aus unserer Analyse lassen sich einige wichtige Implikationen für die private Geldanlage ableiten. Wir schlagen insbesondere eine breite Diversifikation über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Währungen, eine stärkere Berücksichtigung von Banken- und Länderrisiken, auch über indirekte Kanäle, sowie eine Umschichtung der Portfolios hin zu weniger inflationsanfälligen Anlageprodukten vor. Der Teufelskreis von Banken- und Schuldenkrisen kann erklären, warum sich die anfängliche Bankenkrise fast zu einer „Drillingskrise“ – der Kombination einer Banken-, Schulden- und Währungskrise – ausgewachsen hat. Bislang hat der Euro seine Stabilität bewahren können, und zu einer echten Währungskrise ist es noch nicht gekommen. Auch wenn sich ein internationaler Konsens nicht finden lassen sollte, sollten wir unsere europäischen Institutionen reformieren, um auch in Zukunft von einer stabilen Währung profitieren zu können. Seite 49 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Literaturverzeichnis Acharya, V., I. Drechsler und P. Schnabl (2010): „A Pyrrhic Victory? 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Seite 57 Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Anhang Anhang 1: Umrechnung der Ratings in numerische Werte "Long term issuer Rating" (Rating des Staates) Long term issuer Rating Umrechnung Aaa Aa1 Aa2 Aa3 A1 A2 A3 Baa1 Baa2 Baa3 Ba1 Ba2 Ba3 B1 B2 B3 Caa1 Caa2 Caa3 Ca C 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 "Bank financial strength Rating" (Bankenratings) Bank financial strength Rating Umrechnung A AB+ B BC+ C CD+ D DE+ E 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Quelle der Ratings: Moody's (www.moodys.com) Seite I Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Anhang 2: Datenquellen und Datenbeschreibung Seite II Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Anhang 3: Bailoutvolumina Land Datum Kumuliertes Volumen (in Millarden Euro) Belgien 29.09.2008 05.10.2008 12.11.2008 19.11.2008 27.11.2008 4,7 8,7 158,7 251,5 255,2 Deutschland 30.09.2008 14.10.2008 14.12.2008 17.12.2008 19.12.2008 02.04.2009 22.04.2009 29.04.2009 13.10.2009 11.11.2009 39,0 515,0 529,8 534,8 545,2 565,2 575,2 588,2 591,2 592,2 Finnland 11.11.2008 29.05.2009 50,0 54,0 Frankreich 28.10.2008 19.11.2008 03.12.2008 19.01.2008 21.01.2008 13.04.2009 265,0 320,3 341,3 341,8 343,5 346,0 Griechenland 07.11.2008 06.05.2010 18.06.2010 22.07.2010 28,0 43,0 68,0 78,0 Irland 13.10.2008 08.01.2009 11.02.2009 10.03.2009 12.06.2009 15.06.2009 31.03.2010 10.08.2010 376,0 377,5 381,0 384,5 696,1 700,1 713,3 723,3 Italien 18.12.2008 20,0 Niederlande 29.09.2008 21.10.2008 22.10.2008 12.11.2008 25.11.2008 15.03.2009 17.07.2009 14.01.2010 05.02.2010 4,0 204,0 214,0 217,0 217,8 240,5 243,8 248,2 334,3 Österreich 06.11.2008 07.04.2009 19.11.2009 17.12.2009 90,0 90,1 91,1 91,7 Portugal 12.10.2008 05.12.2008 20,0 20,5 Slovakei 01.07.2009 3,5 Slovenien 16.12.2008 12,0 Spanien 13.10.2008 19.01.2010 250,0 334,3 Zypern 09.09.2009 3,0 Das kumulierte Volumen erhöht sich mit jeder weiteren Anmeldung von finanziellen Unterstützungen eines Staates an den inländischen Finanzsektor bei der Europäischen Kommission. Die Daten stammen aus der "State Aid Control" der Europäischen Union (http://ec.europa.eu/competition/state_aid/register/). Die jeweiligen Volumina der finanziellen Unterstützungen entsprechen den in den Dokumenten zu dem jeweilgen Fall angegebenen Summen. Eine Aufstellung der Europäischen Union zeigt teilweise geringe Abweichungen zu diesen Zahlen (http://ec.europa.eu/competition/state_aid/studies_reports/expenditure.html#3), da in unserer Schätzung nur Volumina verwendet wurden, die anhand des Anzeigers der "State Aid Control" einem Datum zugeordnet werden konnten. Seite III Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Anhang 4: Deskriptive Statistiken der ersten Schätzung Variable N Mittelwert Std.abw. Minimum Maximum Einheit CDS-Spread Land 518 63,20 76,83 1,32 818,86 Bp Bailoutdummy 518 0,52 0,50 0 1 - Bailoutratio 518 32,30 86,44 0 528,74 Prozent Bailoutratio exkl. Irland 518 15,71 22,83 0 93,41 Prozent Bailoutratio Irland 518 17,49 87,63 0 528,74 Prozent BIP-Wachstum 518 -0,14 4,01 -9,67 13,13 Prozent Schuldenquote 518 63,91 27,35 22,50 132,90 Prozent Länderrating 518 2,35 1,57 1 11 - BIP des Quartals 518 135.741 165.645 3.064 576.881 Mio. € BIP (annualisiert) 518 544.064 663.060 12.516 2.287.725 Mio. € Bailoutvolumen 518 99.108 175.579 0 713.256 Mio. € Deskriptive Statistiken für den Zeitraum Juni 2007 bis Juni 2010 und die 14 in der Schätzung enthaltenen Euroländer. CDS-Spread Staat ist der Monatsmittelwert, die Schuldenquote und die BIP-Variablen sind Quartalsdaten, die Variable BIP (annualisiert) ist die Summe der letzten vier Quartals-BIP. BIP-Wachstum ist das Wachstum des Quartals-BIP im Vergleich zum Vorjahresquartal. Bailoutdummy, -volumen und das Rating sind der Modus des jeweiligen Monats. Seite IV Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Anhang 5: Deskriptive Statistiken der zweiten Schätzung Variablen N Mittelwert Std.abw. Minimum Maximum Einheit CDS-Spread Bank 7558 190,73 156,30 49,08 1.040,08 Bp Exposure Inland 7561 165,87 266,53 3,08 2.549,42 - Exposure Ausland 7561 95,60 93,20 0,53 485,27 - BIP-Wachstum 7561 0,68 2,53 -6,10 4,30 Prozent Schuldenquote 7561 81,47 23,47 53,20 140,10 Prozent Bank Financial Strength Rating 7561 7,60 2,04 3 12 - Bid-Ask-Spread der Bank-CDS 7561 14,47 11,85 1 100 Bp Bilanzsumme 7561 434.985 478.929 32.325 Griechenlandrettung gr. Banken 7561 0,04 0,19 0 1 - Griechenlandrettung ausl. Banken 7561 0,41 0,49 0 1 - Bid-Ask-Spread der Staats-CDS 7561 5,93 5,94 1,30 49,72 Bp Nominalexposure ggü. Inland 7561 18.269 17.802 953 64.029 Mio. € Nominalexposure ggü. Ausland 7561 13.289 16.641 38 77.489 Mio. € Tier-1-Kapital der Bank 7561 17.185 16.291 1.974 62.910 Mio. € CDS-Spread Staat 7561 128,80 145,63 19,51 979,45 Bp 2.057.698 Mio. € Deskriptive Statistiken für den Zeitraum 30.10.2009 - 19.8.2010 und die 38 in die Schätzung einbezogenen Banken. Das BIP-Wachstum bezieht sich auf das Vorjahresquartal. Die Exposures datieren auf den 31.3.2010. Das Tier-1Kapital und die Bilanzsumme wurden am 31.12.2009 gemessen. Die Variablen Exposure Inland und Exposure Ausland bestehen aus Nominalexposure gegenüber dem Staat * CDS-Spread Staat / Tier-1-Kapital, wobei das Exposure Ausland aus den aufsummierten gewichteten Nominalexposures der ausländischen Staaten / Tier-1Kapital besteht. Seite V Beitrag zum Postbank Finance Award 2011 Anhang 6: Nominaler effektiver Wechselkurs Der nominale effektive Wechselkurs (nominal effective exchange rate, NEER) ist definiert als der durchschnittliche Wechselkurs der Inlandswährung gegenüber einem Korb von ausgewählten Fremdwährungen. Er gibt somit den Außenwert einer Währung an, und ist gegen Schwankungen von einzelnen Wechselkursen robuster als rein bilaterale Wechselkurse (European Central Bank Statistical Data Warehouse, 2011a). Wird der nominale effektive Wechselkurs mit geeigneten Preis- und Kostenindizes deflationiert, ist er als Maß für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eines Landes (einer Währungsunion) geeignet (Buldorini, Markydakis und Thimann, 2002, S. 7). In unserem Falle Daten handelt es sich um den nominalen effektiven Wechselkurs der Währungen der 12 wichtigsten Handelspartner der EU gegenüber dem Euro, auf Basis der 17 Euroländer (entnommen aus dem Statistical Data Warehouse der Europäischen Zentralbank). Die 12 wichtigsten Handelspartner (Australien, Kanada, Dänemark, Hongkong, Japan, Norwegen, Singapur, Südkorea, Schweden, Schweiz, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika) machen über 60% der Exporte und Importe der Europäischen Union aus (Buldorini et al., 2002, S. 10). Die einzelnen Wechselkurse, die in die Berechnung des NEER eingehen, sind mengennotiert (Fremdwährung pro Euro), und werden im NEER geometrisch gewichtet. Die Gewichtung erfolgt anhand des Gesamthandels, und berücksichtigt somit sowohl die Anteile des jeweiligen Landes am europäischen Import, als auch am europäischen Export, wobei für Drittmarkteffekte (=Weiterverkauf der Exporte) korrigiert wird (Buldorini et al., 2002, S. 12-13). Zur Berechnung ergibt sich daher folgende Formel: N NEER e i , euro wi i 1 mit N = Anzahl der Fremdwährungen im Index, e = mengennotierter Wechselkurs gegenüber dem Euro und w = Gewichtung des jeweiligen Wechselkurses im Index. Der Index ist zur besseren Lesbarkeit standardisiert. Das erste Quartal 1999 dient als Basisperiode. Dies hat institutionelle Gründe, da zu diesem Zeitpunkt der Euro als Gemeinschaftswährung eingeführt wurde. Der so definierte nominale effektive Wechselkurs kann in zweierlei Weise interpretiert werden. Zum einen können Aussagen über die Stärke der Währung gemacht werden. Wenn der Index steigt, kann für einen Euro (durchschnittlich) mehr Fremdwährung erworben werden (ein „starker“ Euro“). Zugleich bedeutet dies auch, dass es für ausländische Investoren im Durchschnitt teurer wird, Euros im Tausch für ihre Währung zu erhalten (Europäische Zentralbank, 2011b). Zum anderen kann der effektive Wechselkurs als Indikator für die Preis- und Kostenwettbewerbsfähigkeit der Eurozone interpretiert werden. Werden die entsprechenden Preis- und Kostenindizes zur Deflationierung als konstant angenommen, so entspricht ein steigender Index einer schwächeren Wettbewerbsfähigkeit (Buldorini et al., 2002, S. 23). Seite VI Beitrag zum Postbank Finance Award 2011