66 BZB März 14 Wissenschaft und Fortbildung Der Zahnarzt als „Hautdetektiv“ Dermatologische Krankheitsbilder und Anzeichen für Krankheiten an der Haut E i n K u r s b e r i c h t v o n D r. F r a n z i s k a L e c h e l m a y r, A u g s b u r g „Der Zahnarzt als Hautdetektiv“ war das Thema eines Kurses von Dr. Marc A. Hünten an der eazf in München. Der Internist wollte Zahnmediziner dazu animieren, über das eigentliche Arbeitsfeld hinauszublicken, da in nächster Umgebung zur Mundhöhle Anzeichen einer systemischen Erkrankung oder auch ernsthafte Erkrankungen auftreten können. Der Referent riet davon ab, Diagnosen zu stellen, dies sollte dem Spezialisten überlassen werden. Der Patient sollte aber auf eventuelle Veränderungen angesprochen und im Zweifelsfall an den Facharzt überwiesen werden. Veränderungen im Blickfeld des Zahnarztes Zum Einstieg erläuterte Dr. Hünten, welche Veränderungen auch der Zahnarzt wahrnehmen kann, da sie in seinem direkten Blickfeld liegen. Abgesehen von Veränderungen an der Mundschleimhaut sind dies zum Beispiel Hautkrebs, Hyperplasien der Schilddrüse, Schwellungen der regionalen Lymphknoten oder Infektionen im Hals oder Rachen. Im Gesicht sind ein Hämangiom oder eine Akne leicht zu erkennen. Auch innere Erkrankungen können vermutet werden. So können Stauungen der V. jugularis zum Beispiel auf eine Rechtsherzinsuffizienz oder ein Lungenemphysem hinweisen. Im Gesicht kommen verschiedene Herpes-Formen vor, wobei der Herpes Zoster, also die Gürtelrose, auch im Trigeminusbereich auftreten kann. Er ist oft schwer von einem bakteriell verursachten Erysipel zu unterscheiden. Auch die Augen des Patienten liegen im Blickfeld des Zahnarztes. Eine ansteckende Krankheit wie eine Konjunktivitis sollte er nicht übersehen. Xanthelasmen sind unterhalb der Augen und an der nasalen Seite der Augenlider zu finden. Dies sind meist gelbliche, begrenzte Einlagerungen von Fett oder fettartigen Substanzen in der Haut. Ab und zu lohnt sich auch ein Blick auf das Ohr, wo neben entzündlichen Mykosen auch Infektionen des Gehörgangs vorkommen können. Der Zahnarzt sollte aber seine Aufmerksamkeit nicht nur auf das Gesicht lenken. Er darf in den Sommermonaten bei Trägern von Sandalen ruhig auch einen Blick auf die Füße seiner Patienten werfen. Ist etwa ein kompletter Fußnagel von Nagel- pilz befallen, ist das ein Zeichen für eine systemische Pilzinfektion, die vom Facharzt abgeklärt werden sollte. Hautkrebs Ein Schwerpunkt des Vortrags lag beim Hautkrebs. Die Prävalenz des malignen Melanoms steigt stetig, auch jüngere Patienten können betroffen sein. Mit aufschlussreichen Bildern und einem kurzen Film veranschaulichte Hünten das Krankheitsbild und seine Früherkennung. Bei der Beurteilung eines Pigmentmals hilft die ABCD-Regel: A = Asymmetrie; die Veränderung ist nicht rund oder oval, sondern hat eine asymmetrische Form. B = Begrenzung; diese ist unscharf und verwaschen. C = Color; man findet mehrere Farbtöne wie braun, grau, schwarz, rötlich oder bläulich. D = Durchmesser; die verdächtige Veränderung ist größer als fünf Millimeter oder in letzter Zeit gewachsen. Wie das Melanom entstehen auch andere Hautkrebsformen häufig bei sonnenbelasteter Haut. Die aktinische Keratose ist als Präkanzerose zu werten, da sie in ein spinozelluläres Karzinom (Plattenepithelkarzinom) übergehen kann. Davon zu unterscheiden ist das zwar infiltrierend wachsende, aber im Gegensatz zum Melanom und zum Spinaliom extrem selten metastasierende Basaliom (Basalzellkarzinom, weißer Hautkrebs). Kinderkrankheiten Auch Kinderkrankheiten manifestieren sich im Gesicht oder in der Mundhöhle. Bei Masern folgt einer Entzündung der Schleimhäute des oberen, teilweise auch des mittleren Atemtraktes ein Enanthem am weichen Gaumen, bevor das typische Masernexanthem am ganzen Körper auftritt. Masern galten als weitgehend ausgerottet, sind aber wieder auf dem Vormarsch. Auch Röteln sind eine hochansteckende Infektionskrankheit bei Kindern, aber auch bei Erwachsenen. Die typischen roten Hautflecke zeigen sich zuerst Wissenschaft und Fortbildung im Gesicht. Während der Schwangerschaft können Röteln zu schweren Komplikationen mit ausgeprägten Fehlbildungen des Kindes und zu Fehlgeburten führen. Wie bei Masern wird eine Impfung empfohlen. Auch die ansteckende sogenannte Hand-Fuß-MundKrankheit, eine Infektion durch den Coxsackie-Virus, betrifft meist Kinder. Anzeichen sind kleine, schmerzhafte Bläschen im Mund des Patienten. Gleichzeitig oder nur kurze Zeit später treten Bläschen bevorzugt an den Handflächen und den Fußsohlen auf. Weitere mögliche Auffälligkeiten im Gesicht des Patienten Hierzu beleuchtete der Referent das Thema AIDS und erläuterte, dass es durch die Fortschritte der Medizin heute kaum noch „echte“ AIDS-Patienten gebe. Trotzdem sollten für AIDS typische Veränderungen der Mundschleimhaut erkannt werden. So kann eine oropharyngeale Candidiasis auf AIDS hinweisen und Kaposi-Sarkome treten, für den Zahnarzt leicht sichtbar, als braun-bläuliche Plaques nicht nur im Gesicht, sondern auch an der Mundschleimhaut auf. Selten ist der Lupus erythematodes mit einem charakteristischen, in Schüben auftretenden schmetterlingsförmigen Ausschlag im Gesicht. Er erstreckt sich vom Nasenrücken beidseitig auf die Jochbeinund Wangenregion. Typisches Zeichen an der Haut für eine Borreliose ist die Wanderröte. Andere klinische Manifestationen sind oft nicht eindeutig auf eine Infektion mit Borrelien zurückzuführen. Rot-bläuliche Verfärbungen unter anderem im Gesicht sind meist Einblutungen, die auf Gewalt, überstandene Operationen oder eine hämorrhagische Diathese hinweisen können. Hierbei wies Hünten auf die neueren Antikoagulantien hin. Bei Medikamenten wie Pradaxa oder Xarelta sollten beim Zahnarzt die Alarmglocken klingeln, denn sie sind nicht antagonisierbar und es besteht keine Kontrolle über ein Gerinnungsmonitoring. Aufmerksam sollte der Zahnarzt auch bei Hämatomen oder Verletzungen sein, die keine üblichen Blessuren vom Spielen und Toben darstellen, da sie ein Anzeichen für eine Kindesmisshandlung sein können. In anschaulichen Fotokollagen demonstrierte der Internist noch diverse andere seltene Hauterkrankungen. Danach ging er auf Hautverfärbungen wie den Ikterus bei Leberzirrhose oder Virushepatitiden ein. Rötliche Verfärbungen im Gesicht manifes- BZB März 14 tieren sich auch bei der in verschiedenen Schweregraden im Gesicht auftretenden Rosazea. Unbehandelt kann sich daraus, besonders bei Männern, ein Rhinophym entwickeln. Schließlich sollte der Zahnarzt einen Raucher nicht nur an den verfärbten Zähnen identifizieren. Auch an der Struktur der Gesichtshaut kann man Raucher enttarnen und an der Mundschleimhaut kann bei starken Rauchern eine Leukoplakie auftreten. Die Raucherentwöhnung ist sehr wichtig, gerade bei jungen Patienten lohnt sich jeder Versuch. Lippen und Mundhöhle Eine Cheilitis (Perlèche, Mundwinkelrhagaden) kann verschiedene Ursachen haben, aber auch Ausdruck einer Mangelernährung zum Beispiel mit Mikronährstoffen wie Eisen sein. Jeder betroffene Patient ist dankbar für diesen Hinweis, denn häufig leidet er schon länger unter den schmerzhaften Wunden. Öfters wird ein Lichen ruber der Mundschleimhaut angetroffen. Charakteristisch sind weiße, netzartige, nicht abwischbare Streifen. Ein oraler Lichen ruber sollte Beachtung finden, da auch die Schleimhäute der Speiseröhre, die Genitalschleimhäute oder die Analregion betroffen sein können. Abschließend wies der Referent auf den M. Sjörgen (Sicca-Syndrom) und die Sklerodermie hin, da beide mit einem verminderten Speichelfluss einhergehen. Diese Krankheitsbilder sollten schon deshalb abgeklärt werden, weil bei vermindertem Speichelfluss oder gar bei Mundtrockenheit totale Prothesen keine zufriedenstellende Haftung aufweisen können. Fazit Der Patient sollte stets auf Veränderungen der Haut angesprochen werden – nicht nur um ihn vor Komplikationen der Erkrankung zu schützen, sondern auch um Mitmenschen und das zahnärztliche Team vor Infektionen zu bewahren. Einprägsam in diesem interessanten Kurs waren auch die vielen instruktiven Bilder der Erkrankungen, die man im farbigen Skript zu Hause in Ruhe noch einmal anschauen kann. Hinweis Die eazf bietet regelmäßig Kurse zur Zahnheilkunde an. Weitere Informationen unter www.eazf.de 67