Unterrichtseinheit 3: Tierversuche für Kosmetik, Nahrungsmittel und Medizin Zwischen Tierversuchen zu medizinischen Zwecken und solchen zu kosmetischen liegt in der Öffentlichkeit eine tiefe Kluft. Während sich ein Großteil der Bevölkerung gegen Tierversuche für Mittel der Schönheitsindustrie ausspricht, erhoffen sich auf der anderen Seite viele Menschen von Tierversuchen in der Medizin Linderung ihrer eigenen Krankheiten. Jahre hat es gedauert bis endlich qualvolle Tierversuche für kosmetische Produkte zumindest in der Europäischen Union verboten wurden. Nun drohen Substanzen, die als Medikamente deklariert sind in den Markt der Kosmetik vorzudringen, und die Grenzen zwischen Medizin und Kosmetik zu verwischen. Mit dem Ergebnis, dass wieder Tierversuche für kosmetische Produkte durchgeführt werden. Tierversuche liefern aber vielfach auch im Bereich der Pharmazie nicht die erwünschten Ergebnisse. So können nach der Prüfung von Substanzen Tiere ohne Schädigungen den Tests überstehen, während Menschen gravierende gesundheitliche Folgen erleiden. Material 3a: Tierversuche für Schönheitsspritzen: Mäuse sterben grausamen Erstickungstod Anti-Falten Behandlungen mit dem Nervengift Botulinum Toxin sind derzeit in Mode gekommen. Ein kaum spürbarer Stich und nach wenigen Tagen verschwinden die feinen Linien um die Augen und die Zornesfalten auf der Stirn. Der Grund: die darunter liegende Muskulatur erlahmt. Die Wirkung hält nur für drei bis vier Monate an, da das Gift vom Körper langsam abgebaut wird. Botulinum Toxin ist ein Nervengift, das die Signalübertragung von den Nerven zum Muskel blockiert. Dieses Gift hat es in sich: Botox ist die giftigste Einzelsubstanz, die derzeit bekannt ist. Schon die unvorstellbar winzige Menge von 0,000 000 07 Gramm kann einen Menschen töten. Weil schon diese mikroskopische Menge des Nervengiftes so gefährlich wirkt, ist es schwierig die richtige Verdünnung zu finden. Um die Konsistenz zu überprüfen ist deshalb EU-weit ein Tierversuch vorgeschrieben, weil es noch keine anerkannte Alternativmethode gibt. Jede Produktionseinheit des Giftes wird an Mäusen getestet. Nach einer Spritze in die Bauchhöhle erleiden die Tiere Muskellähmungen, Sehstörungen und sterben schließlich qualvoll an Atemstillstand. Für jede Prüfung müssen die Hersteller des Bakteriengiftes bis zu 100 Mäusen dieser Qual aussetzen. Botulinum Toxin wird vor allem aus den USA und England importiert. In Deutschland und Österreich bieten längst nicht mehr nur plastische Chirurgen eine solche Behandlung an. In vielen Wartezimmern unterschiedlichster medizinischer Fachrichtungen wird für die Spritze offensiv geworben. Das Nervengift ist derzeit nur für die medizinische Behandlung zugelassen. Sie dürfen auf eigenes Risiko des „Schönheitspatienten“ vom Arzt angewendet werden. Alternativmethode in Entwicklung Ein Toxikologe aus Hannover arbeitet derzeit an einer Methode, die den grausamen Tierversuch ersetzen soll. Für das neue Verfahren wird eine betäubte Maus getötet und ihr Atemmuskel entnommen. An diesem Muskel kann dann die Wirksamkeit des Giftes getestet werden. In Zukunft soll nur noch eine Maus für jede Prüfung des Nervengiftes nötig sein. Eine kleine Geschichte des Botulinum Toxins: Biologische Waffe, Medikament und Kosmetikum Als biologische Waffe wurde das Nervengift im letzten Jahrhundert in den USA und England hergestellt. Unter strengsten Auflagen wurde das Bakteriengift als Kriegswaffe in Hochsicherheitsanlagen verwahrt. Schon mikroskopisch kleine Mengen etwa in Nahrungsmittel gemischt, würden eine Vielzahl von Menschen auf grausame Weise töten. Aus dieser Zeit stammt auch die Grundlagenforschung. Botulinum Toxin wird nun mehr als Medikament für zahlreiche Erkrankungen an Muskeln und Drüsen eingesetzt. So lassen sich Patienten, die zu übermäßigem Schwitzen neigen das Medikament in die Achselhöhlen spritzen. Seine kosmetische Wirkung entdeckte ein Arzt eher durch Zufall: Bei der Behandlung eines Gesichtskrampf seines Patienten mit dem Nervengift stellte er fest, dass die entspannten Muskeln zugleich auch die Gesichtsfalten glätten. Botulinum Toxin wird von dem in der Natur vorkommenden Bakterium „Clostridium botulinum“ gewonnen. Gerade in den Sommermonaten können sich in verdorbenen Lebensmitteln die tödlichen Bakterien bilden. Sie entwickeln sich besonders gut unter Ausschluss von Sauerstoff, wie etwa in einer alten Wursthaut. Schon winzige Spuren reichen aus, um an Atemlähmung zu sterben. In den vergangenen Jahren sind in Österreich keine tödlichen Fälle einer Vergiftung bekannt geworden, während in Deutschland in den letzten drei Jahren etwa zehn Sterbefälle jährlich verzeichnet sind. Material 3b: Material 3c: Tierversuche für Meeresfrüchte- Alternativmethoden und die Hürde der EU Tierversuche und krankmachende Arzneimittel Muscheln können Algengifte enthalten, die beim Menschen zu Magen-Darm Erkrankungen und in Einzelfällen sogar zum Tod führen können. Deshalb sind EU-weit Tierversuche vorgeschrieben. 1957 brachte ein deutsches Pharmaunternehmen ein Medikament mit dem Namen „Contergan“ auf den Markt, das als Schlaf-und Beruhigungsmittel angeboten wurde. Contergan war nicht verschreibungspflichtig und wurde unter insgesamt 60 verschiedenen Bezeichnungen weltweit vertrieben. Diese Versuche sind besonders grausam: Mäusen wird dabei ohne Betäubung Muschelextrakt in den Bauch gespritzt. Anschließend wird abgewartet wie lange es dauert bis die Mäuse sterben. Anhand der Dauer des Todeskampfes wird berechnet wie hoch die Konzentration des Muschelgiftes ist. Da einige der Gifte eine Lähmung verursachen, können die Tiere einen qualvollen Erstickungstod erleiden. Dieser kann sich bis zu 24 Stunden hinziehen. 1961 musste das Medikament mit dem Wirkstoff Thalidomid vom Markt genommen werden, weil weltweit 12 000 Kinder mit missgebildeten inneren Organen, sowie missgebildeten Armen und Beinen geboren wurden. In den küstennahen Ländern der EU aber auch in Österreich, wird der Gifttest an Mäusen noch immer durchgeführt. Im Vereinigten Königreich werden die Mäuse für die Dauer des Versuches bis zu ihrem Tod betäubt. In Deutschland ist der Tierversuch seit Ende der achtziger Jahre durch ein chemisches Verfahren ersetzt worden. Dieses ist genauer als der Tierversuch. Außerdem gibt es wissenschaftliche Belege dafür, dass der grausame Tierversuch weder aussagekräftig noch zuverlässig ist. Z.B. reagieren Mäuse aus verschiedenen Stämmen unterschiedlich auf die Gifte, was eine Übertragung der Testergebnisse auf den Menschen äußerst problematisch werden lässt. Umso mehr erstaunt ein Gesetzeskonflikt. Zwei EU Richtlinien konkurrieren derzeit miteinander. Einerseits hat die EU 1986 eine Richtlinie veröffentlicht, die es zum Ziel hat Tierversuche zu reduzieren und Ersatzmethoden zu fördern. In dieser Richtlinie ist verankert, unter welchen Bedingungen Tierversuche nicht mehr durchgeführt werden dürfen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Prüfverfahren zur Verfügung steht, das zum selben Versuchsziel führt, ohne dass dabei Tiere verwendet werden müssen. Andererseits schreibt eine EU Richtlinie von 1991 den Gifttest an Mäusen verbindlich vor, obwohl international anerkannte Alternativmethoden existieren. Dies führt zu der widersprüchlichen Konsequenz, dass der Gifttest an Mäusen vorgeschrieben und zugleich verboten ist. Obgleich nun in Deutschland seit rund 15 Jahren der grausame Gifttest mit Mäusen erfolgreich ersetzt werden konnte, unterstützt die Europäische Kommission die Anerkennung der alternativen Tests nicht hinreichend. Ganz im Gegenteil: Deutschland und das Vereinigte Königreich wurden von der Europäischen Kommission angemahnt, weil ihre Prüfverfahren nicht mit den Vorschriften zum Gifttest mit Mäusen übereinstimmen. Contergan Werbung von 1958. Quelle: http://www.tierversuchsgegner.org/contergan Das Medikament wurde bevor es auf den Markt kam in den derzeit vorgeschriebenen Tierversuchen getestet, zeigte aber keine gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen. Nicht vorgeschrieben war damals, neue Wirkstoffe auch auf die Entwicklung von Embryonen zu überprüfen, deshalb war der Wirkstoff nicht auf Missbildungen getestet worden. Nachdem das Medikament vom Markt genommen wurde, wurden auch Tierversuche bezogen auf Missbildungen durchgeführt. Die Ergebnisse waren uneinheitlich: Bei vielen Mäusen, Ratten und Kaninchenarten, und bei einigen Hamster- und Hundearten, sowie bei Frettchen, Katzen und Schweinen konnten keine Missbildungen festgestellt werden. Lediglich wenige Kaninchenarten und einige Affenarten bekamen Missbildungen. Zu den Missbildungen kam es aber erst, nach dem die Dosis des Wirkstoffs über mehre Monate verabreicht und tausendfach erhöht wurde.