2. Philosophischer Tag Wir bauen eine Zeitmaschine _______________________________________________________________ _ Zeitmaschinen Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts glaubten die Physiker, ein gutes Verständnis dafür zu haben, was Zeit ist: Sie verläuft kontinuierlich, in eine Richtung und ist absolut, also unabhängig von allen Rahmenbedingungen. Dieses Bild wurde durch die beiden größten physikalischen Revolutionen des letzten Jahrhunderts nachhaltig zerstört: Die Spezielle und Allgemeine Relativitätstheorie sowie die Quantenphysik. Diese Ergebnisse der “modernen” Physik werfen zum einen selbst interessante philosophische Fragen bezüglich der Natur der Zeit und den Konsequenzen für unser Verständnis der Welt auf – zum anderen lassen sie ein Lieblingskind der Science Fiction zumindest theoretisch möglich erscheinen, nämlich den Bau und die Benutzung einer Zeitmaschine. Im weiteren sollen die physikalischen Grundideen kurz skizziert werden, ohne dass dabei auf die mathematischen Grundlagen eingegangen werden kann, da diese jenseits der Schulmathematik liegen – ein anschauliches Verständnis ist aber auch ohne Mathematik möglich, vielleicht sogar einfacher. Zudem sollen einige philosophische Fragestellungen angedeutet werden, die aber eher als Diskussionsgrundlage verstanden werden sollen. 1. Die Spezielle Relativitätstheorie (SRT) Ein Hauptergebnis von Einsteins Relativitätstheorie ist die so genannte “Zeitdilatation”. Das bedeutet, dass für alle bewegten Objekte die Zeit langsamer vergeht als für ruhende. Der Effekt wird allerdings erst auffällig, wenn es um Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit geht, so dass man im Alltag davon nichts merkt. Die Zeitdilatation hat aber erhebliche Auswirkungen auf unser Verständnis der Zeit – denn diese ist plötzlich nicht mehr absolut sondern abhängig vom Bewegungszustand des Messenden. Daraus folgt, dass man nicht mehr absolut angeben kann, ob zwei Ereignisse gleichzeitig eintreten – es ist möglich, dass ein ruhender Beobachter zwei Ereignisse als gleichzeitig wahrnimmt, während die selben Ereignisse für einen bewegten Beobachter nacheinander stattfinden. Die Graphik auf der folgenden Seite soll dieses Phänomen illustrieren. Immerhin wird ein fundamentaler Aspekt der Zeit auch durch die SRT nicht beschädigt, nämlich die Kausalität – ein Ereignis, das die Ursache eines anderen Ereignisses ist, findet unabhängig vom Beobachter vor diesem statt. Weiterhin legt die SRT eine andere Vorstellung von Raum und Zeit nahe: In der mathematischen Darstellung nimmt die Zeit im wesentlichen dieselbe Rolle ein wie die drei Raumdimensionen. Die Grundlage der Physik ist somit die so genannte “Raumzeit”, die man sich wie in folgender Graphik als Block vorstellen kann: 2. Philosophischer Tag Wir bauen eine Zeitmaschine _______________________________________________________________ _ (Aus [1]) 2. Die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) In der ART wird auch die Gravitation in das Gesamtbild eingebaut – mit dem Hauptergebnis, dass Massen “die Raumzeit krümmen” und somit andere Körper dazu veranlassen, sich auf speziellen Bahnen, den so genannten “Geodäten” zu bewegen. Da aber eben auch die Zeit als integraler Bestandteil der Raumzeit gekrümmt ist, vergeht sie in der Nähe großer Massen langsamer – am extremsten, nämlich unendlich langsam, am Rand eines schwarzen Lochs. Die ART verändert also noch einmal die Sicht auf das Grundgerüst unserer Existenz. Das Ergebnis der ART lässt sich in den “Einsteinschen Gleichungen” mathematisch fassen; Lösungen dieser Gleichungen beschreiben die Welt, wie sie aus Sicht der ART sein könnte – diese Lösungen sind natürlich extrem komplex und damit die Grundlage für viele Spekulationen. Eine faszinierende Möglichkeit, die durch die Einsteinschen Gleichungen zumindest nicht ausgeschlossen wird, sind “Wurmlöcher”, also Verbindungen einer Position in der Raumzeit mit einer möglicherweise eigentlich weit entfernten – ein solches Wurmloch wird im Film “Contact” benutzt, um eine Zeitmaschine zu konstruieren. Inzwischen haben Physiker eine Möglichkeit erdacht, wie dies wirklich denkbar ist – wohlgemerkt auf Grundlage der spekulativen Wurmlöcher und einiger weiterer momentan unerreichbar erscheinenden Konzepte. Die folgende Graphik soll die Idee verdeutlichen: 2. Philosophischer Tag Wir bauen eine Zeitmaschine _______________________________________________________________ _ (Aus [2]) Natürlich birgt auch eine solche Zeitmaschine philosophische Probleme – vor allem wird es mit der Kausalität schwierig, wie das folgende Beispiel verdeutlichen soll: 2. Philosophischer Tag Wir bauen eine Zeitmaschine _______________________________________________________________ _ (Aus [2]) 3. Die Quantenphysik Während SRT und ART in großen Maßstäben (hohe Geschwindigkeiten, große Entfernungen) relevant werden, spielt die letzte große physikalische Revolution auf der umgekehrten Skala, nämlich auf der Ebene der Atome. Das wichtigste Ergebnis der Quantenphysik ist die Tatsache, dass auf atomarer Ebene kein eindeutiger Determinismus existiert. Das heißt, dass man zum Beispiel aus allen messbaren Daten über ein Elektron nicht schließen kann, wo und mit welcher Geschwindigkeit sich dieses zu einem späteren Zeitpunkt befinden wird. Dieser Indeterminismus führt zum einen zu den bekannten “Parallelwelt-Theorien”, zum anderen kann er aber genutzt werden, um die Sonderrolle der Zeit aus der Sicht der Menschen zu erklären – das menschliche Bewusstsein hänge mit Quantenprozessen zusammen... 2. Philosophischer Tag Wir bauen eine Zeitmaschine _______________________________________________________________ _ Es ergibt sich also ein weites Feld mit philosophischen Anknüpfungspunkten ... vorerst sei mit zwei Zitaten von Albert Einstein geschlossen: “Zeit ist das, was eine Uhr misst.” “Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind nur Illusionen, wenn auch hartnäckige.” Quellen: [1]: Paul Davies: Der rätselhafte Fluss der Zeit, in: Spektrum der Wissenschaft spezial, “Phänomen Zeit”. [2]:Paul Davies: Bauanleitung für eine Zeitmaschine, in Spektrum der Wissenschaft spezial, “Phänomen Zeit” [3]: Brian Greene: Der Stoff aus dem der Kosmos ist - Raum, Zeit und die Beschaffenheit der Wirklichkeit, Pantheon, 2006