Blasenekstrophie Probleme unter der Gürtellinie Eine junge Mutter sucht Hilfe im Internet. Ihr Sohn ist ein halbes Jahr alt und wurde mit Blasenekstrophie geboren. Im Forum einer Selbsthilfegruppe findet sie schließlich Eltern mit dem gleichen Los, die ihr Mut machen. Auch der medizinische Berater der Selbsthilfegruppe, Dr. Heiko Reutter vom Universitätsklinikum Bonn, steht ihr mit fachlichem Rat zur Seite. Als Arzt und selbst Betroffener kennt er sich auf dem Gebiet der Blasenekstrophie bestens aus, zudem forscht er seit einigen Jahren über die Ursachen und Folgen dieses Geburtsfehlers. „Blasenekstrophie ist ein Mittelliniendefekt, der unterhalb des Bauchnabels beginnt“, erklärt der angehende Genetiker und Pädiater. „Bei der klassischen Form ist von dort abwärts das infraumbilikale Abdomen bis zum Ende der Harnröhre gespalten und liegt offen.“ Die Epispadie beschreibt hierbei lediglich die gespaltene Harnröhre. Bei der kloakalen Blasenekstrophie liegt zwischen getrennten Blasenhälften der Enddarm offen und der Anus ist verschlossen. Diese drei Formen werden als BlasenekstrophieEpispadie-Komplex (BEEK) zusammengefasst (s. Kasten 1, S. 22). Meist wird vereinfacht von Blasenekstrophie gesprochen. „Die Mehrzahl der Betroffenen hat eine klassische Blasenekstrophie, deren Inzidenz bei etwa einem Fall auf 40 000 Geburten liegt. Die isolierte Epispadie (1 : 80 000 - 100 000) und kloakale Ekstrophie (1 : 400 000) sind weitaus seltener“, berichtet Reutter. Jungen sind etwa doppelt so häufig betroffen [2]. Insgesamt werden in Deutschland jährlich 40 bis 50 Kinder mit BEEK geboren. Je nachdem, in welcher embryonalen Phase der Defekt auftritt, ist diese Fehlbildung des Urogenitaltraktes unterschiedlich stark ausgeprägt. Fast immer liegt ein Spaltbecken vor, bei dem die Schambeinfuge nicht verschlossen ist. Zusätzlich treten weitere Probleme auf, wie Leistenhernie oder Urinrückfluss zur Niere durch Fehlmündung der Ureteren in die Blase. Infolge der Fehlbildungen haben die Betroffenen oft mit Infektionen des oberen Harntraktes, Urinekzem und im Verlauf ihres Lebens sogar mit Karzinomen zu kämpfen. Abhängig vom Symphysen-Abstand ist der Penis verkürzt und verdickt. Ferner liegen oft Leistenhoden vor. Ursachensuche Wie es zu der Fehlbildung kommt, ist unklar. „Die Ursachen sind schlecht erforscht“, stellt Reutter fest. „Es gibt nicht einen einzigen beim Menschen aufgeführten Kausalzusammenhang, von Luise Dorff Blasenekstrophie ist ein Mittelliniendefekt. Bei der klassischen Form ist das infraumbilikale Abdomen bis zum Ende der Harnröhre gespalten und liegt offen. Blasenekstrophie 22 Kasten 1: Die Formen des BlasenekstrophieEpispadieKomplexes [1] „Die Wahrscheinlichkeit, dass Eltern ein zweites BEEKKind bekommen, liegt zwischen 0,5 und 3,0 Prozent. Dieses Risiko ist zwar niedrig, aber immerhin 800fach höher im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.“ Dr. Heiko Reutter Reutter rät betroffenen Familien, bei einer erneuten Schwangerschaft die zehnfache Folsäure-Dosis im Vergleich zur normalen FolsäureGabe zu nehmen. Isolierte Epispadie • Spaltung der Harnröhre vom Blasenhals ausgehend: Beim Mann: über Penisrücken bis zur Penisspitze Bei Frauen: Spaltung von Klitoris und Harnröhre • Defekt des Blasenhalsschließmuskels • Mehr oder weniger ausgeprägtes Spaltbecken, Schambeinfuge nicht geschlossen • Beim Mann: dorsale Verkrümmung des Penis zum Bauch hin Klassische Blasenekstrophie • Komplette Epispadie mit Spaltbecken • Offene Bauchdecke mit hervorgetretener, nicht verschlossener Blase (Ausnahme: Pseudoekstrophie) der mehr als einmal zusammen mit Blasenekstrophie und deren Entstehung beschrieben ist.“ So sind in der Fachliteratur auch lediglich einzelne Fälle von Alkohol-, Medikamentenabusus und Infektionen der Mutter beschrieben. Doch diesen möglichen Ursachen schreibt Reutter eine geringe Bedeutung zu und geht vielmehr von einer Koinzidenz verschiedener Faktoren aus. Für einen durchaus wichtigen Faktor hält er Folsäuremangel, der bei Mittelliniendefekten eine große Rolle spielt. Zumindest scheint Folsäure BEEK tendenziell vermeiden zu können [2]. So rät Reutter betroffenen Familien, bei einer erneuten Schwangerschaft die zehnfache Folsäure-Dosis im Vergleich zur normalen FolsäureGabe zu nehmen. Ferner glaubt Reutter, dass eine relativ starke genetische Disposition vorliege. Dafür spreche, dass trotz gleicher Umweltbedingungen deutlich mehr Jungen als Mädchen betroffen sind und es zwischen ethnischen Gruppen signifikant unterschiedliche Inzidenzen gibt. Reutter fügt hinzu: „Die Wahrscheinlichkeit, dass Eltern ein zweites BEEK-Kind bekommen, liegt zwischen 0,5 und 3,0 Prozent. Dieses Risiko ist zwar niedrig, aber immerhin 800fach höher im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.“ Chromosomale Aberrationen oder genetische Syndrome, die mit BEEK assoziiert sind, wurden jedoch nur selten berichtet und auch Gendefekte konnten bislang nicht ausfindig gemacht werden. „Die Methode der Wahl wäre eine Kopplungsanalyse, doch es gibt einfach zu wenige betroffene Geschwisterpaare.“ So begannen Wissenschaftler der John-Hopkins-Universität Baltimore im Oktober, Genmaterial von 230 Trios, also einem betroffenen Kind und dessen Eltern, unter die Lupe zu nehmen. In dieser ersten groß angelegten Assoziationsstudie sollen die rund 350 Kandidatengene, die über das gesamte Genom verteilt liegen, überprüft werden. Kloakale Ekstrophie • Komplettes Bild einer Blasenekstrophie mit halbierter Harnblase und Spaltung des Enddarms, wobei das Becken zwischen den Blasenhälften offen liegt • Omphalocele • Analatresie • U.U. Neuralrohrdefekte Von der Identifizierung von Blasenekstrophie-spezifischen Genen verspricht sich Reutter vor allem Aufschluss darüber, warum BEEKPatienten ein weitaus höheres Risiko für BlasenAdenokarzinome haben und ob man dafür einen Test entwickeln könnte. Ferner hofft er, dass irgendwann einmal ein so genanntes Knock-outTiermodell etabliert werden könne, das es erlaubt, die Pathomechanismen besser zu verstehen und Operationsstrategien zu entwickeln. Operative Korrekturen In den letzten Jahren wurde vor allem von amerikanischen Kliniken empfohlen, sehr früh – innerhalb von 48 Stunden – sämtliche Operationen durchzuführen. „Durch die sehr kleinen anatomischen Verhältnisse gibt es aber u.a. Gefäßprobleme bis hin zu komplettem Penisverlust“, berichtet Prof. Margit Fisch, Leiterin des Urologischen Zentrums Hamburg. Daher rückt man heute zunehmend wieder von der einzeitigen frühen Korrektur ab. Ein Teil der Operative Maßnahmen bei Erhalt der Blase [1] • Blasenverschluss/Rekonstruktion der Blase aus der Blasenplatte • Korrektur des Spaltbeckens (soweit möglich und nötig) z.B. durch Beckenosteotomie • Aufbau des Blasenhalses sowie das Anlegen bzw. Verschließen der Harnröhre • Reimplantation der Harnleiter in die Blasenwand (bei klinisch relevantem Reflux) • kosmetische Anlage eines Nabels • Korrektur des Penis bei Jungen • kosmetische Korrektur des Genitales beim Mädchen, präpubertär Scheidenerweiterungsplastik defekt und sind die Ureteren deutlich verändert, werde nach dem 3. Lebensjahr ein Mainz Pouch I (s. Abb. 2 u. 3) vorgenommen. „Hier wird eine Neoblase aus Ileum- und Caecumgewebe konstruiert, in die die beiden Harnleiter eingepflanzt werden. Über ein Darmstück muss das Kind durch den Nabel katheterisieren“, erklärt die Kinderurologin. Abb. 2: An den Nabeltrichter fixierter Mainz-Pouch mit Ausleitung der Ureterensplints durch das Nabelstoma, die Haut wird mit Klammern verschlossen Abb. 3: Mainz Pouch-Technik Quellen: Astra Tech GmbH, Elz Da Darmgewebe Säuren aus dem Urin resorbiert, kann bei seiner Verwendung für Pouches oder eine Blasenhalsplastik eine Azidose auftreten. „Mit Azidosetherapeutika lässt es sich ganz gut einstellen“, so Fisch. Abb. 1 (links): Mainz Pouch II-Technik. Schleife antimesenterial, longitudinal eröffnet und zum Niederdruckreservoir verschlossen Quelle: www.urologie.lammpi.de Blasenekstrophie Kinderurologen bzw. -chirurgen wartet sieben bis acht Monate ab und verschließt dann die Blase. Eine völlig andere Strategie der Behandlung ist die Entfernung der Blasenplatte und eine primäre Harnableitung. Wird das Kind nach primärem Blasenverschluss nicht selbständig kontinent, sind weitere Eingriffe erforderlich, z.B. eine Blasenhalsaufbauplastik. „Es wird ein enger Trichter – als passiver Schließmuskel – geschaffen. Dadurch wird Urin in der Blase zurückgehalten. Wenn der Blasendruck zu groß wird, miktioniert sich die Blase selbst“, erläutert Reutter. Fisch ergänzt: „Bei einer Blasenhalsplastik gibt es das Problem, dass sie zu weit sein kann, dann bleibt das Kind inkontinent. Ist der Blasenhals zu eng, verbleibt Resturin und Infekte treten auf. Zwar ist es heute selten, doch sehen wir Kinder, die aufgrund rezidivierender Nierenbeckenentzündungen dialysepflichtig werden.“ Die Chirurgin glaubt nicht daran, dass die Blasenhalsaufbauplastik – wie oft dargestellt – eine 75-prozentige Erfolgsquote bringt. „Einige Kliniken beobachteten, dass nur 15 bis 25 Prozent der Kinder auf diese Weise kontinent werden.“ Eine Komplikation ist, dass die Blase nicht mitwächst und eine Vergrößerung nötig wird, um den vesikouretheralen Reflux und eine Harnabflussstörung zu verhindern und Kontinenz zu erreichen. Die Blasenkapazität kann auch medikamentös mit Anticholinergika gesteigert werden. Wegen erhöhten Resturins wird häufig ein Katheterismus nötig. Fisch vertritt, sofern analer Schließmuskel und Harnleiter in Ordnung sind, eine Vorgehensweise, bei der die Blase aufgegeben wird: Sie wartet bei einem Säugling mit BEEK ein Lebensjahr ab und implantiert dann die Harnleiter in den Enddarm, so dass ein Urin-StuhlGemisch entleert wird. Bei dem so genannten Mainz Pouch II (Sigma-Rektum-Pouch, s. Abb. 1) wird der untere Teil des Dickdarms geöffnet und zu einem kugeligen Reservoir zusammengenäht. „So wird die Peristaltik ausgeschaltet und gleichzeitig das Füllungsvermögen erhöht“, führt Fisch aus. Ist der anale Schließmuskel 23 Blasenekstrophie 24 Anders als bei lebensbedrohlichen, z.B. onkologischen Erkrankungen muss man sich bei der Rekonstruktion von Geburtsfehlern nicht an feststehende Richtlinien halten. Kasten 3: Ergebnisse der Pilotstudie zur Lebensqualität von BlasenekstrophiePatienten, koordiniert an der Universität Bonn Klare Richtlinien gibt es nicht „Es gibt Zentren, an denen versucht wird, alles in einem zu machen: Verschluss der Bauchdecke und Blase und ggf. Neuanpflanzung der Ureteren mit Antireflux-Plastik, Blasenhalsrekonstruktion und Genitalkorrektur“, merkt Reutter an und fährt fort: „Wichtig ist jedoch nicht, ob eine oder drei Operationen benötigt werden, sondern letztendlich das Langzeitergebnis im Hinblick auf Erhalt der Nierenfunktion und Funktion der Sexualorgane und der Fertilität.“ Fisch bevorzugt ein zweizeitiges Vorgehen und rekonstruiert beim Jungen das Genitale erst ab dem Alter von zwei Jahren. Beim Mädchen wird nach erster Korrektur des äußeren Genitales bis zur Pubertät eine Scheidenerweiterungsplastik notwendig. Nach der Genitalrekonstruktion und Scheidenweitung ist Geschlechtsverkehr und Konzeption meist möglich. Allerdings können Jungen mit Blasenhalsplastik durch Nebenhodenentzündungen steril werden. Vorbeugend können die Samenleiter unterbunden und bei späterem Kinderwunsch per Micro-OP wieder eröffnet werden. Eine andere Option bei Kinderwunsch ist die ICSI-Methode. Operationsfehler können schwere Folgen haben – bis hin zu Verstümmelungen des Genitales. „Anders als bei lebensbedrohlichen, z.B. onkologischen Erkrankungen muss man sich bei der Rekonstruktion von Geburtsfehlern nicht an feststehende Richtlinien halten. So werden BEEKBetroffene beinahe überall operiert“, bemängelt Reutter und beklagt, dass in Deutschland Patienten mit schweren Geburtsfehlern oft nicht an Zentren überwiesen werden. Dies zeigt die von Reutter durchgeführte Pilotstudie: Die erfassten 122 BEEK-Patienten wurden in 32 verschiedenen Kliniken operiert – eine ausreichende Expertise haben jedoch nur wenige Häuser. Selbst dort fällt es den erfahrenen Chirurgen trotz ihres hohen persönlichen Engagements aufgrund der Kürzungen schwer, den Patienten und Familien die Betreuung zukommen zu lassen, die diese benötigen würden. „Vielleicht wäre dies anders, wenn man ausgewählte Zentren in Deutschland hätte“, bemerkt Reutter. „Wir bräuchten Zentren, an denen chirurgische Expertise mit pflegerischer und psychosozialer Kompetenz kostengünstig und effektiv gebündelt wird.“ Konstruktive Selbsthilfe Von gegenseitigem Bedauern und Vorwürfen an die Ärzteschaft hält die Selbsthilfegruppe (SHG) Blasenekstrophie/Epispadie e.V. nichts. Über 210 Familien aus dem deutschsprachigen Raum sind heute in dieser Gruppe organisiert. Innerhalb der SHG werden Probleme, Meinungen und Erfahrungen jeglicher Art ausgetauscht: über Kliniken, Spezialisten, OP-Methoden, Ergebnisse der Pilotstudie zur Lebensqualität [3] Daten zum medizinischen und lebensqualitätsbezogenen Outcome von 122 Patienten wurden anhand eines Fragebogens erhoben. • Dabei zeigte sich, dass sich BEEK-Kinder entwicklungsneurologisch und neurokognitiv unauffällig entwickeln und zu 90 Prozent keine weiteren Organerkrankungen aufweisen. • Die Mehrzahl der Patienten erbrachte gute schulische Leistungen, erwachsene Patienten so- gar gute bis überdurchschnittliche berufliche Erfolge. Des Weiteren sind sie überaus sportlich und versuchen wohl auf diese Weise zu zeigen, dass ihr Körper leistungsfähig ist. • Die Hälfte der Patienten nimmt regelmäßig Medikamente oder gesundheitsfördernde Präparate ein, insbesondere eine antibiotische Dauerprophylaxe, Urospasmolytika und Urolithiasismittel. • Bis zum Alter von 5 Jahren wurden die Patienten im Schnitt einmal, bis 21 Jahre viermal operiert. • Zwischen 5 und 13 Jahren waren 36 Prozent der Betroffenen kontinent, zwischen 14 und 20 Jahren 64 Prozent, danach 80 Prozent. • Die Betroffenen werden mit dem Alter immer zufriedener: Von den unter 13-Jährigen sind nur 43 Prozent sehr zufrieden. Bei den bis 20-Jährigen ist es immerhin die Hälfte und bei den über 20-Jährigen sind es mehr als zwei Drittel. Studien Psychische Probleme „Das Besondere dieses Geburtsfehlers ist, dass er auf ganz vielen medizinischen und psychologischen Ebenen eine Vulnerabilität verursacht: Kontinenz, Kosmetik, Sexualfunktion und so weiter“, stellt Reutter heraus. Schon früh erhalten die Kinder Dämpfer, die sich tagtäglich fortsetzen: „Wenn ein Geschwisterchen kommt, das dann mit drei Jahren kontinent ist, erlebt der Betroffene das schon als erste schwere Niederlage innnerhalb der Familie.“ Auch unter den vielen Krankenhausaufenthalten, den Narben und Windeln oder darunter, dass sie nicht Schwimmen gehen können, leiden die Kinder. „Ich fand es ganz furchtbar, dass ich als kleiner Junge mit meinen Freunden nicht Wettpinkeln machen konnte“, erzählt Reutter weiter. „Kinder leiden von allen Betroffenen am meisten; sie finden die Welt einfach ungerecht.“ Ihre Sorgen gelten vor allem den Operationen, Was bleibt zu tun? Was den Patienten wirklich helfen würde, wäre eine bessere psychische und familiäre Unterstützung – durch die behandelnden Ärzte, die Patientenselbsthilfe und ggf. Fachpsychologen. Reutter bemängelt: „Eine psychologische Betreuung ist derzeit nicht existent, da es in den Kinderchirurgien viel zu wenige Stellen für Kinderpsychologen gibt.“ Zudem werden sie auch nicht für die Betreuung von Genitalfehlbildungen ausgebildet. Nach Einschätzung von Reutter sollten in Zukunft die psychologischen Anpassungsmechanismen an funktionelle und ästhetische Beeinträchtigungen näher untersucht werden. Doch dafür fehlen die Mittel. So wurde eine biopsychosozial ausgerichtete Studie mit mehrdimensionaler Outcome-Messung, an der sich die großen urologischen Einrichtungen beteiligen würden, auch in einem zweiten Antrag durch die DFG abgelehnt. Für die Zukunft wünscht sich Reutter, „dass der offene und freie Dialog zwischen Patienten und Chirurgen fortgesetzt wird und beide Seiten davon profitieren können.“ Quelle: privat Aus der SHG kam auch die Initiative zu mehreren Studien, die Reutter an der Uni Bonn koordiniert. Neben der Teilnahme am Genetikprojekt wurde eine Pilotstudie zur Lebensqualität durchgeführt. Insgesamt 122 BEEK-Patienten und deren Familien beteiligten sich an der Erhebung des funktionellen und psychosozialen Entwicklungs-Outcomes. Die Ergebnisse haben bereits eine Diskussion zwischen Ärzten und Patienten angeregt, bemerkt Reutter. „So hat sich z.B. gezeigt, dass gerade bei den erwachsenen Betroffenen auch die Fertilität sehr wichtig ist und nicht nur die Kontinenz im Vordergrund stehen sollte.“ Weitere Ergebnisse sind in Kasten drei zusammengestellt. den damit verbundenen Schmerzen und der Trennung von den Eltern, den Hänseleien, der Kontinenz und dem Verlust von Freunden. Ab der Pubertät überwiegen zukunftsbezogene Sorgen um Partnerfindung, -akzeptanz und langfristige Gesundheit. Die psychosexuelle Identitäts- und Verhaltensentwicklung in der Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter ist deutlich unterdurchschnittlich. Nur 33 Prozent gaben an, in einer Partnerschaft zu leben [3]. Es zeigt sich, dass im Vergleich zu den Männern doppelt so viele betroffene Frauen Partner haben. Blasenekstrophie Umgang mit der Krankheit, Sexualität und vieles mehr. Ein großes Gewicht hat die intensive und konstruktive Zusammenarbeit mit Ärzten. Zum Jahrestreffen kommen nicht nur die Mitglieder zusammen, sondern auch die spezialisierten Ärzte. So können sich einerseits die Eltern an einem Tag und einem Ort mehrere Spezialisten anhören. Andererseits erhalten auch die Ärzte einen sehr guten Einblick: „Die Mitglieder berichten von ihren Komplikationen und die Mediziner machen sich Gedanken, wie die Situation zu verbessern ist. Dabei wird viel unbefangener miteinander gesprochen als in der Klinik. Das wissen die Ärzte zu schätzen“, hebt Reutter hervor. 25 Literatur: 1: Reutter H, Boemers T: Blasenekstrophie und Epispadie. Frauenheilkunde aktuell 11/2/2002 Forum 2: Botto LD, Mulinare J, Erickson JD: Occurrence of om- phalocele in relation to maternal multivitamin use: A population-based study. Pediatrics 2002; 109: 904-908 3: Reutter H et al.: Entwicklungsergebnis bei Blasen- ekstrophie und Epispadie aus Patientensicht. Urologe 2005; 44: 57-63 Dr. med. Heiko Reutter vom Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn Eine biopsychosozial ausgerichtete Studie mit mehrdimensionaler Outcome-Messung, an der sich die großen urologischen Einrichtungen beteiligen würden, wurde auch in einem zweiten Antrag durch die DFG abgelehnt.