Ein faseroptisches Sensorsystem für das hämodynamische

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8 Diskussion und Schlussfolgerungen
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Weiterentwicklung eines faseroptischen Sensorsystems im
Hinblick auf den Einsatz im Bereich des hämodynamischen Monitoring und der Elektrotherapie des Herzens in implantierbaren Geräten. Da Herzschrittmacher und ICD in der Regel in
zeitlichen Abständen von 3-6 Monaten durch den Arzt überprüft werden, ist es für die sichere
Funktion eines solchen Systems erforderlich, dass es über einen langen Zeitraum autark und
zuverlässig arbeitet. Das ursprüngliche, in der Arbeit von Hoeland beschriebene System war für
manuelle Bedienung im Laborbetrieb konzipiert [24]. Im Rahmen der vorangegangenen Untersuchungen hat sich bereits gezeigt, dass während eines Versuchszeitraums von einigen Stunden
bereits eine mehrfache Nachkalibrierung und Einstellung der Verstärkung erforderlich war. Aus
diesem Grund wurde das System zunächst in der Form modifiziert, dass nach einer einmaligen Kalibrierung nach der Implantation des Sensors keine weiteren Einstellungen erforderlich
sind. Da für die hämodynamische Beurteilung des Herzzustandes nur die Amplitude des Wechselanteils des Sensorsignals sowie die Kenntnis des aktuellen Arbeitspunktes erforderlich sind
(siehe Abschnitt 5.3), wurde die manuelle Offseteinstellung durch eine Tiefpassfilterung und
anschließende Subtraktion des Summensignals ersetzt (siehe Abschnitt 5.2). Weiterhin wurde
anstelle der manuellen eine automatische Verstärkungsregelung (AGC) implementiert. Durch
diese Maßnahmen konnte das System während der gesamten durchgeführten Versuche an insgesamt 25 isoliert schlagenden Schweineherzen störungsfrei über bis zu 12 Stunden betrieben
werden. Obwohl es sich im Vergleich zu einem möglichen in-vivo-Einsatz des Systems um eine
vergleichsweise geringe Zeitspanne handelt, kann hieraus gefolgert werden, dass auch bei einer
späteren Integration in implantierbare Geräte eine dauerhaft zuverlässige Messung gewährleistet ist.
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8 DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN
Im Rahmen der anfänglich durchgeführten Versuche zeigten sich immer wieder Störungen und
Artefakte im Sensorsignal, die auf zwei Ursachen zurückgeführt werden konnten. Da der ursprünglich verwendete Sensor auf der gesamten Länge der Faser eine konstante Biegeempfindlichkeit besaß, wurde das Signal durch Bewegungen außerhalb des Herzens verfälscht. Insbesondere beim rechtsventrikulären Einsatz waren weiterhin Artefakte erkennbar, die durch das
Öffnen und Schließen der Trikuspidalklappe verursacht wurden. Diese Artefakte sind im Hinblick auf die Störsicherheit des Systems für den dauerhaften Einsatz nicht tolerabel, da auch in
diesem Fall Verfälschungen beispielsweise durch Armbewegungen oder Husten des Patienten zu
erwarten sind. Aus diesem Grund wurde nach Möglichkeiten gesucht, die Biegeempfindlichkeit
des Sensors lokal auf den Messort zu begrenzen. Es konnten zwei Verfahren entwickelt werden,
die auf unterschiedliche Weise die Erhöhung der Sensorempfindlichkeit am Messort ermöglichen.
Ein Verfahren basiert auf dem Bestrahlen der Faseroberfläche mit Glasperlen. Hierdurch wird
der Fasermantel abgetragen und zusätzlich aufgeraut, was zu einer verstärkten Lichtauskopplung und damit verbundenen Erhöhung der Biegeempfindlichkeit führt. Die zweite Methode
nutzt das Verkippen der Spiegelfläche an der Spitze des Sensors durch Biegebelastungen. Dies
führt ebenfalls zu einer Lichtauskopplung mit stark ausgeprägter Intensität. Durch die Aufnahmen der Kennlinien beider Sensoren konnte festgestellt werden, dass die Empfindlichkeitssteigerung im Fall des Kippspiegel-Sensors zwar deutlich ausgeprägter ist, die Zuleitungsdämpfung
(Störunterdrückung) jedoch um den Faktor drei niedriger liegt als für den Sensor, der mittels
des Strahlverfahrens hergestellt wurde. Die Störunterdrückung muss für den Einsatz in einem
autonom arbeitenden medizinischen Gerät im Hinblick auf die Patientensicherheit jedoch deutlich höher bewertet werden als eine bessere Messempfindlichkeit. Aus diesem Grund wurde im
weiteren Verlauf der Untersuchungen das Konzept des Sensors nach dem Strahlverfahren weiterverfolgt.
Neben der Störsicherheit ist ein weiterer wichtiger Faktor für die praktische Verwendbarkeit des
Systems in der Leistungsaufnahme zu sehen. Implantierbare Defibrillatoren und Schrittmacher
besitzen trotz ihrer aufgrund der eingeschränkten Platzverhältnisse geringen Batteriekapazitäten eine hohe Lebensdauer von 8-12 Jahren. Dies wird durch eine sehr stromsparende Auslegung
der elektronischen Komponenten ermöglicht. Diese liegt im Mittel bei ca. 10-15 µA. In der Kon-
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sequenz musste daher auch die elektronische Auswerteeinheit des Sensorsystems derartig modifiziert werden, dass deren Energieverbrauch in der gleichen Größenordnung liegt. Die Sendediode
zur Einkopplung der optischen Leistung in die Messfaser, welche den größten Stromverbrauch
des Gesamtsystems aufweist, wurde bisher kontinuierlich betrieben. Da die Weiterverarbeitung des Messsignals ohnehin digital erfolgt, wurde zur Reduzierung der Leistungsaufnahme
auf gepulsten Betrieb der Sendediode übergegangen. Hierdurch konnte eine Einsparung um den
Faktor 400 erreicht werden. Durch Vergrößerung des Querschnittes der Messfaser mit damit verbundener Verbesserung der Lichteinkopplung konnte der Sendediodenstrom nochmals auf ein
Viertel reduziert werden. Mit diesen Maßnahmen wurde eine Leistungsaufnahme von 12,5 µA
realisiert. Durch weitere Optimierung und Integration der elektronischen Komponenten mithilfe
von Verfahren der Mikroelektronik ist eine weitere deutliche Verbesserung zu erwarten.
Im Rahmen der Entwicklung geeigneter Algorithmen für implantierbare Geräte wurde zunächst
anhand theoretischer Überlegungen die zu erwartende Korrelation des Signals mit hämodynamischen Herzparametern untersucht. Hierbei wurde eine kugelförmige Gestalt der Ventrikel zugrunde gelegt. Mit Hilfe der bekannten Kennlinie des Sensors und dem Ventrikel-Modell konnte
rechnerisch nachgewiesen werden, dass bei der Implantation des Sensors im linksventrikulären
koronarvenösen System ein linearer Zusammenhang des Signals mit der Herzauswurfleistung
erwartet werden kann. Im Fall des rechtsventrikulären Einsatzes des Systems gilt diese Aussage
jedoch nur mit Einschränkungen. Für diesen Fall konnte dargelegt werden, dass nur dann stabile und reproduzierbare Signale gewährleistet sind, wenn der Sensor fest an der Ventrikelwand
anliegt.
In der anschließenden Validierung der theoretisch gewonnenen Erkenntnisse am isolierten Herzen konnten diese bestätigt werden. Für den Fall der linksventrikulären Sensorposition konnte
an 18 Herzen ein gut reproduzierbarer Zusammenhang der Signalamplitude mit dem Schlagvolumen nachgewiesen werden.
Eine Korrelation mit dem Signal aus dem rechten Ventrikel konnte dagegen zunächst nicht
festgestellt werden. Die Ursache hierfür ist darin zu vermuten, dass die Sensorfaser in eine
Standard-Schrittmacherelektrode integriert wurde, welche sehr weich und flexibel ist. Dadurch
trat der bereits im Rahmen der theoretischen Untersuchung angesprochene Fall auf, dass der
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8 DISKUSSION UND SCHLUSSFOLGERUNGEN
Sensor sich frei im Ventrikel bewegt und es so zu unkontrollierbaren Veränderungen des Signals
kommt. Diese Problematik wurde bereits in der Arbeit von Hoeland erkannt [24]. Als Lösung
wurden dort Algorithmen zur Korrektur der Signalveränderungen vorgeschlagen. Dieser Ansatz
erscheint aber insofern wenig erfolgversprechend, als die Lageänderungen des Sensors zufällig
auftreten und somit praktisch nicht berechenbar sind. Aus diesem Grund wurde ein anderer
Lösungsansatz gewählt. Die Sensorgeometrie wurde für den rechtsventrikulären Einsatz in der
Art verändert, dass diese eine auf die Form der Herzhöhle angepasste Tropfenform erhält. Auf
diese Weise konnte die Randbedingung des Anliegens des Sensors an der Ventrikelwand erfüllt
werden. Anschließende Messungen zeigten ähnlich gute Ergebnisse wie im Fall der linksventrikulären Lage. Ein Nachteil der veränderten Sensorgeometrie ist jedoch darin zu sehen, dass
durch die dreidimensionale Form eine Implantation erschwert wird. Dieser Nachteil kann zwar
durch geeignete Einführvorrichtungen, wie sie auch für Herzkatheter verwendet werden, abgemildert werden, die Akzeptanz dieses Sensortyps in der Praxis muss jedoch trotzdem in Frage
gestellt werden. Aufgrund dessen kann festgestellt werden, dass für einen sinnvollen Einsatz des
Systems eine linksventrikuläre Sensorlage zu bevorzugen ist.
Die alleinige Kenntnis des linksventrikulären Schlagvolumens ist zwar für das hämodynamische Monitoring von ventrikulären Tachyarrhythmien, jedoch nicht als Steuerparameter für
den Einsatz in einem ANS-kontrollierten Schrittmacher ausreichend. Da das Schlagvolumen
aufgrund des Frank-Starling-Mechanismus ebenso von den aktuellen Vorlastbedingungen wie
vom inotropen Status des Herzens abhängt, musste eine Möglichkeit gefunden werden, aus
dem Sensorsignal den sympathischen Einfluss des Autonomen Nervensystems herauszufiltern.
Anhand von Betrachtungen des ventrikulären Arbeitsdiagramms konnte gezeigt werden, dass
sich aufgrund der unterschiedlichen Konstellationen der enddiastolischen und endsystolischen
Ventrikelvolumina bei Vorlaständerung und gesteigerter Inotropie ein unterschiedlicher Arbeitspunkt des Sensorsystems ergibt. Dieser Effekt konnte ebenfalls in Versuchen bestätigt werden.
Auf Basis dieser Ergebnisse konnte aus dem Rohsignal des Sensors ein Parameter extrahiert
werden, der sich sowohl im Hinblick auf den inotropen Herzstatus als auch unter lagebedingten Vorlastveränderungen physiologisch verhält. Unter Verwendung dieser als Ejektionsfraktion
EF bezeichneten Größe wurde ein Ansatz für einen frequenzadaptiven Schrittmacheralgorith-
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mus entwickelt. Durch Messungen am isolierten Herzen konnte nachgewiesen werden, dass der
entwickelte Algorithmus sowohl den Orthostase-Effekt (Frequenzanpassung bei Lageänderung
des Patienten) korrekt nachbildet, als auch eine physiologische Frequenzsteigerung unter körperlicher Belastung gewährleistet. Zum abschließenden Nachweis der Funktion des Algorithmus
steht eine Validierung im Rahmen von Ganztierversuchen und klinischen Tests noch aus. Der
Nachweis der Eignung des Sensorsystems zur Detektion von hämodynamisch wirksamen Tachyarrhytmien konnte ebenfalls am isolierten Herzen erbracht werden. Es wurde dargelegt, dass
das Sensorsignal bei einer durch schnelle Stimulation der Herzspitze simulierten Tachykardie mit
Ursprung im rechten Ventrikel synchron zum Abfall des Schlagvolumens SV sowie des mittleren
arteriellen Blutdrucks M AP reagiert. In vivo sind jedoch die Entstehungsorte derartiger Tachykardieformen sehr vielfältig. Für eine abschließende Bestätigung der bisherigen Ergebnisse sind
daher auch in diesem Fall klinische Testreihen zwangsläufig erforderlich. Zusammenfassend kann
festgestellt werden, dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Eignung des faseroptischen
Sensorsystems für das hämodynamische Monitoring in implantierbaren Geräten nachgewiesen
werden konnte.
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