eine nacht im der Milchstraße

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Welt der Wissenschaft: FORSCHUNG AKTUELL
Eine Nacht im
Zentrum
der Milchstraße
Den Beobachtern am Very Large Telescope über die Schulter geschaut
Schwarze Löcher sind nicht leicht zu finden. Im Zentrum der Milchstraße befindet sich
aber mit Sicherheit eines. Beobachten kann man nur seine Auswirkungen
auf die unmittelbare Umgebung – und das erfordert den Einsatz moderner
Großteleskope im infraroten Spektralbereich.
Von Stefan Gillessen
P
ünktlich, eine halbe Stunde
In der chilenischen Atacama-Wüste
Auf der Plattform verfolgen die For-
vor Sonnenuntergang, holt der
sind die Winternächte im Juni lang und
scher die letzten Minuten der Dämme-
Nachtastronom der ESO die bei-
kalt, gutes Beobachtungswetter ist nahezu
rung, bis die Nacht tatsächlich anbricht.
den Gastbeobachter am Wohn-
garantiert. Am Kontrollgebäude angekom-
Am östlichen Horizont leuchtet der von
gebäude knapp 200 Höhenmeter unter
men, gehen die Wissenschaftler zunächst
der untergehenden Sonne beschienene,
dem Gipfel des Cerro Paranal ab. Die bei-
auf die Plattform, auf der die vier Teleskop-
6720 Meter hohe Vulkan Llullaillaco nahe
den Gäste sind aus ihrem Heimatinstitut
riesen errichtet wurden. Techniker und
der argentinischen Grenze; und unterhalb
in Garching bei München angereist, um in
Ingenieure der ESO haben die Teleskope
des Paranal im Westen liegt eine endlose
dieser Juninacht das Zentrum der Milch-
schon für die Nacht vorbereitet. Die Kuppel
Wolkendecke über dem Stillen Ozean, der
straße am bedeutendsten europäischen
steht kurz vor Sonnenuntergang bereits of-
Pazifik selbst ist nicht zu sehen. (Bild rechts
Observatorium, dem Very Large Telescope
fen, damit sich die kleinen Temperaturun-
unten). Mit etwas Glück wird die fantas-
(VLT) der ESO, zu beobachten. Das VLT be-
terschiede zwischen innen und außen aus-
tische Aussicht mit einem grünen Strahl
steht aus vier Großteleskopen mit je acht
gleichen, die im Laufe des Tages auftreten,
gekrönt, wenn der letzte Bruchteil der Son-
Metern Öffnung.
obwohl das Kuppelinnere klimatisiert ist.
nenscheibe hinter der scharf begrenzten
Wolkendecke am Horizont verschwindet.
Dann beginnt die Arbeitsnacht.
Zu diesem Beitrag stehen jedem Intereswissenschaft-schulen.de didaktische
Mit Infrarotaugen ins Herz der Milchstraße sehen
Materialien zur freien Verfügung. Darin
Das einzige Ziel unserer Beobachtungen
wird gezeigt, wie einige der hier ange-
heute Nacht ist das galaktische Zentrum,
sierten auf unserer Internetseite www.
sprochenen Themen im Rahmen des Physikunterrichts in der gymnasialen Oberstufe
wissenschaftlich eine hoch interessante
behandelt werden können. Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« führen wir
Region am Himmel, die schon von vielen
in Zusammenarbeit mit der Landesakademie für Lehrerfortbildung in Bad Wildbad
Forschern mit verschiedenen Telesko-
durch. Es wird von der Klaus Tschira Stiftung gGmbH großzügig gefördert.
pen beobachtet wurde. Dabei ist uns
der direkte Blick zum Herzen des Milch-
52
Februar 2009
Sterne und Weltraum
Y. Beletsky/ESO
Aus dem Schutzgebäude von UT4, dem vierten Großteleskop des VLT, zeigt
der Laserstrahl auf das galaktische Zentrum und erzeugt an der gewünschten Position in der Hochatmosphäre einen künstlichen Stern.
straßensystems nicht möglich: Dichte
interstellare
Staubwolken
behindern
die Sicht, die Schwächung des Lichts im
sichtbaren Spektralbereich beträgt rund
30 Größenklassen. Dies entspricht einer
Abschwächung der Sonnenhelligkeit auf
die Helligkeit des Polarsterns. Deswegen
müssen die Astronomen auf andere Wellenlängenbereiche ausweichen, um das
galaktische Zentrum und seine Umgebung
zu studieren.
Besonders wichtig für die Erforschung
des galaktischen Zentrums sind drei
Spektralbereiche: die Radiostrahlung, die
Infrarotstrahlung und die Röntgenstrahlung. Der Radiobereich ist deshalb interessant, weil er die höchste Winkelauflösung
erlaubt. Ein einzelnes Radioteleskop hat
zwar nur eine mäßige Winkelauflösung,
aber weil mehrere Antennen interkontinental zusammengeschaltet werden könrometrischen Verfahren noch Strukturen
ESO
nen, lassen sich mit solchen radiointerfevon wenigen Millibogensekunden auflösen – eine solche Bildschärfe wird heute
Die Teleskope des VLT auf dem Cerro Paranal bei Sonnenuntergang. Der kalte
in keinem anderen Wellenlängenbereich
Pazifik ist unter einer mächtigen Wolkendecke verborgen.
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Februar 2009
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Trick dabei ist: Man verwendet das Bild
eines hellen Sterns (eines so genannten Leitsterns), der sich im Gesichtsfeld
befindet, um mehrere hundert Mal pro
Sekunde aus der Abweichung seines
Bilds vom theoretischen Beugungsbild
die momentane Verformung der Wellenfront durch die Luftunruhe abzuleiten
(siehe Grafik rechts). Mit dieser Information wird die Verformung eines leichten,
dünnen und damit biegsamen Spiegels
geregelt, der auf zahlreichen einzeln ansteuerbaren Stempeln gelagert ist. Der
Spiegel befindet sich im Strahlengang
und wird ständig so verformt, dass die
Wellenfront nach der Reflexion wieder
eben ist. Nach Vereinigung aller beteilig­
ten Strahlen im Brennpunkt ergibt sich
nun das gewünschte beugungsbegrenzte
Bild des Leitsterns. Diese Korrektur ist
ESO
dann auch für alle anderen Lichtquellen
im Bildfeld wirksam.
In Richtung des galaktischen Zentrums
Die Infrarotkamera NACO ist im roten Behälter am ortsfesten Nasmyth-Fo-
gibt es jedoch im sichtbaren Licht kaum
kus von UT 4 installiert. In Verbindung mit einer adaptiven Optik erreicht sie
hinreichend helle Sterne, um als Leitsterne
das theoretisch mögliche Auflösungsvermögen des Großteleskops.
für die adaptive Optik zu dienen. NACO
kann aber mit einer Besonderheit aufwarten: Als weltweit einziges Gerät ist es mit
erreicht. In diesem Spektralbereich sieht
Sterne strahlen zwar bevorzugt bei kürze-
einem Infrarot-Wellenfrontsensor ausge-
man allerdings keine Sterne leuchten wie
ren Wellenlängen, aber der sichtbare und
rüstet. Damit lassen sich auch Leitsterne
im Sichtbaren, sondern vor allem inter-
der ultraviolette Anteil ihrer Strahlung
verwenden, die im Infraroten hell sind,
stellares Gas.
fällt größtenteils der interstellaren Extink-
und nicht im sichtbaren Licht – solche
Ebenso ungewöhnlich ist der Blick mit
tion zum Opfer. So lassen sich auch diese
Sterne stehen in der Umgebung des galak-
Röntgenaugen: Hier erzählt uns die Strah-
Sterne am besten im Infraroten beob­
tischen Zentrums in großer Zahl zur Ver-
lung vor allem von hochenergetischen
achten. Und genau das haben die beiden
fügung. Einer von ihnen ist besonders ge-
Prozessen, wie sie etwa stattfinden, wenn
VLT-Besucher heute auch vor.
eignet: Der rote Überriese IRS 7, etwa sechs
Materie in ein Schwarzes Loch fällt. Denn
Bogensekunden nördlich des galaktischen
dabei werden große Energiemengen frei-
Adaptive und aktive Optik
gesetzt, die zu einer gewaltigen Aufhei-
Das Acht-Meter-Teleskop UT4 des VLT
Bevor NACO jedoch zum Zuge kommt,
zung der Materie führen – und je höher
ist mit den Instrumenten NACO und
muss das Teleskop erst zum Zielobjekt
die Temperatur eines beliebigen Körpers
SINFONI ausgestattet, die wie gemacht
ausgerichtet werden. Diese Arbeit wird
ist, desto kürzer ist die Wellenlänge, bei
sind für das galaktische Zentrum. NACO
den Gastbeobachtern am VLT von einem
der er seine thermische Strahlung vorwie-
ist ein Vielzweckgerät, aber besonders
Ingenieur abgenommen, der zusammen
gend abgibt. Weil die Erdatmosphäre keine
interessant ist es als Kamera (Bild oben).
mit ihnen die ganze Nacht am Steuerpult
Röntgenstrahlung
werden
Seine spezielle Stärke ist, dass es wirklich
verbringt und diverse Funktionen des Te-
Röntgenteleskope als Satelliten gebaut
beugungsbegrenzte Bilder liefert. Die
leskops kontrolliert.
und im nahen Weltraum (außerhalb der
erreichte Bildschärfe ist also nicht durch
Neben der Ausrichtung des Teleskops
Erdatmosphäre) auf Erdumlaufbahnen
die atmosphärische Luftunruhe auf etwa
ist es seine Aufgabe auch, die aktive Op-
betrieben. Die räumliche Auflösung der
eine Bogensekunde begrenzt, sondern
tik einzustellen. In Abhängigkeit von der
heutigen Röntgenteleskope ist relativ
nur durch den Durchmesser des Haupt-
Richtung, in die das Teleskop schaut, biegt
moderat, sie liegt bei etwa einer Bogense-
spiegels und die Wellenlänge der emp-
sich sein großer Acht-Meter-Spiegel unter
kunde.
fangenen Strahlung – so erreicht man,
seinem eigenen Gewicht spürbar durch.
wie gesagt, eine räumliche Auflösung von
Diese zeitabhängige Verformung wird
etwa 50 Millibogensekunden.
kompensiert, indem der Hauptspiegel von
durchlässt,
Im infraroten Spektralbereich wird mit
bodengebundenen Großteleskopen eine
Zentrums (siehe Bild rechts unten).
mittlere räumliche Auflösung erreicht.
Dazu muss NACO permanent die durch
150 Aktuatoren (hydraulisch gelagerten
An einem der vier Acht-Meter-Spiegel des
die Luftunruhe verursachten hochfre-
und permanent nachjustierten Stempeln)
Very Large Telescope schafft man etwa 50
quenten Bildstörungen ausgleichen. Die
in der optisch korrekten Form gehalten
Millibogensekunden. Im Infraroten emit-
dazu erforderliche Technik wird adap-
wird (siehe Bild auf Seite 56). Ähnlich
tieren eher kühlere Sterne ihr Licht. Heiße
tive Optik genannt. Der entscheidende
wie bei der adaptiven Optik wird die zur
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Sterne und Weltraum
ebene Wellenfront des Leitsterns
ebene Wellenfront des Leitsterns
Atmosphäre
gestörte Wellenfront
Linse
Detektor
Spiegel
Linse
Detektor
ESO/SuW-Grafik
gestörte Wellenfront
Atmosphäre
Spiegel
Das Prinzip der adaptiven Optik: Das gestörte Bild des Leitsterns wird analysiert (links), daraus wird eine Verformung des adaptiven Korrekturspiegels
berechnet, welche die atmosphärische Störung genau kompensiert (rechts).
Steuerung der Stempel erforderliche In-
ergeben sich Bilder von etwa 27 Bogense-
sichtsfeld befindlichen Sterne immer wie-
formation aus der Analyse des Bilds eines
kunden Gesichtsfeld – ein Himmelsgebiet,
der bestimmt und ihre Eigenbewegungen
hellen, im Gesichtsfeld stehenden Sterns
das kleiner ist als das Jupiterscheibchen
(also die an den Himmel projizierten Ge-
abgeleitet.
Störungen
(Durchmesser: 42 Bogensekunden). Wegen
schwindigkeiten) abgeleitet. Nach sieben
kann man am Primärspiegel allerdings
der hohen Sterndichte im galaktischen
Jahren ist für die Winkelgeschwindigkeit
nicht korrigieren – dazu ist er zu groß und
Zentrum sind in diesem winzigen Ge-
der einzelnen Sterne eine Messgenauig-
lässt sich nicht schnell und flexibel genug
sichtsfeld trotzdem Tausende von Sternen
keit von etwa ± 0,1 Millibogensekunden
verformen.
zu sehen (siehe Bild unten).
pro Jahr erreicht – das entspricht für
Atmosphärische
Langsam werden die beiden Gäste
Solche Bilder wurden seit der Inbe-
die Geschwindigkeiten im Abstand des
ungeduldig. Wann starten denn nun die
triebnahme von NACO im Jahr 2002 re-
galaktischen Zentrums einer Unsicher-
Beobachtungen? Das Teleskop zeigt schon
gelmäßig aufgenommen. Daraus werden
heit von ± 5 Kilometern pro Sekunde. Die
zu den korrekten Koordinaten: Rektaszension 17h45m40s, Deklination –29°009300.
die Positionen der vielen tausend im Ge-
Geschwindigkeit eines Sterns, der sich so
Nur die aktive Optik funktioniert in der
Dämmerung noch nicht. Sie benötigt einen Leitstern im sichtbaren Licht, und die
treten erst bei hinreichend dunklem Himmel zum Vorschein. Auf dem Kontrollbildschirm von NACO sehen die Forscher
IRS 7
bereits ein Bild vom galaktischen Zentrum – ohne eingeschaltete aktive Optik
ist es allerdings hoffnungslos verschmiert
und unscharf. Endlich kommen die erlösenden Worte: »Active optics started!«.
Jetzt können unsere beiden Astronomen
loslegen.
Sgr A*
Ein wunderschöner Sternhaufen
Das Wetter ist nicht optimal. Die ersten
Seeing-Werte liegen bei etwa 1,2 Bogendas Bild einer punktförmigen Lichtquelle
5 Bogensekunden
erscheint, und ist ein Maß für die Bild-
2/3 Lichtjahre
ESO
sekunden (das »Seeing« gibt an, wie groß
verschmierung durch die Luftunruhe).
Damit ist klar: Die ersten Aufnahmen
werden bei einer Abbildungsskala von 27
Dieses Infrarotbild des galaktischen Zentrums ist eine Überlagerung von
Millibogensekunden pro Pixel und bei
Aufnahmen mit NACO in den Bändern J, H und K. Sgr A* kennzeichnet die
einer Wellenlänge von 2,2 Mikrometern
Radioquelle am Ort des galaktischen Zentrums, IRS 7 ist ein roter Überriese,
(im so genannten K-Band) erfolgen. Damit
der NACO als Leitstern dient..
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schnell bewegt, wie die Erde um die Sonne
ßensystems überlagert ist. Diese Rotation
dieser Wert wiederum erlaubt eine ganz
läuft (30 Kilometer pro Sekunde), wäre
findet nur in der galaktischen Ebene statt,
erstaunliche Messung, wenn er zusam-
also leicht messbar.
so dass die mittlere Geschwindigkeit in
mengenommen wird mit der mittleren,
dieser Richtung erhöht ist.
um die galaktische Rotation korrigierten
Die im Laufe von mittlerweile sieben
Jahren angesammelten Messdaten erge-
Ergänzt wird dieser Datensatz durch
ben zusammen einen fantastischen statis­
Radialgeschwindigkeitsmessungen. Diese
Sternhaufen (in dem also keine Bewe-
tischen Datensatz. Er zeigt deutlich, dass
wurden ebenfalls am VLT gewonnen, und
gungsrichtung bevorzugt ist) müssen
die Sterne sich umso schneller bewegen,
zwar mit dem 2004 installierten Spek-
diese beiden Größen identisch sein. Die
je näher sie dem galaktischen Zentrum
trografen SINFONI (Bild auf Seite 58), den
Einheit der Radialgeschwindigkeit ist
kommen – die höchsten gemessenen
unsere beiden Astronomen in der zweiten
Kilometer pro Sekunde, während die Ei-
Geschwindigkeiten liegen bei 5000 Kilo-
Hälfte dieser Beobachtungsnacht einset-
genbewegung in Millibogensekunden pro
metern pro Sekunde. Dies kann man nur
zen werden. Die meisten der Sterne im
Jahr gemessen wird: Durch Gleichsetzen
so erklären, dass dort eine große Masse
Bildfeld haben einen späten Spektraltyp.
beider Größen erhält man also die Um-
vorhanden sein muss, viel mehr als man
Ihr Infrarotspektrum ist durch drei säge-
rechnung von Millibogensekunden auf
durch Aufaddieren der Masse der einzel-
zahnartige Absorptionsbanden bei 2,29,
Kilometer – was genau der Entfernung des
nen, sichtbaren Sterne vermuten würde.
2,32 und 2,35 Mikrometern Wellenlänge
Sternhaufens (und damit auch des galak-
Die einzelnen Bewegungsrichtungen die-
geprägt. Die Verschiebung der Wellen-
tischen Zentrums) entspricht.
ser Sterne wirken zunächst zufällig. Wenn
längen dieser Strukturen aufgrund des
Die auf diese Weise gemessene Distanz
man die Daten aber in galaktischen Koor-
Dopplereffekts kann man gut nutzen, um
zum Zentrum unseres Milchstraßensys­
dinaten darstellt, so dass eine Koordina-
die Radialgeschwindigkeiten der Sterne zu
tems beträgt 26 300 ± 1100 Lichtjahre. (Der
tenachse entlang der galaktischen Ebene
bestimmen. Zwar liegen diese Messungen
erste Wert ist das Messergebnis, der zweite
liegt und die andere senkrecht dazu, dann
nicht für die vielen tausend Sterne vor,
dessen Unsicherheit.)
stellt man fest, dass die mittlere Bewe-
von denen die aus Direktaufnahmen
gung in Richtung der galaktischen Ebene
bestimmten Eigenbewegungen bekannt
etwas schneller ist als senkrecht dazu.
sind, doch immerhin für 600 von ihnen.
Eigenbewegung.
Für
einen
isotropen
Unausweichlich: ein Schwarzes Loch
Auch diese Zahl ist groß genug, um
Die ersten zwei Stunden der Nacht sind
ligen chaotischen Bewegung des zentralen
einen sinnvollen Wert für die mittlere
vergangen – nach der Auswertung der neu
Sternhaufens die Rotation des Milchstra-
Radial­geschwindigkeit zu erhalten. Und
gewonnenen Daten in unserem Garchin-
ESO
Dies liegt einfach daran, dass der zufäl-
Die Primärspiegelhalterung für die Hauptspiegel der Acht-Meter-Teleskope
auf dem Cerro Paranal. Der »weiche« (dünne) Acht-Meter-Spiegel ist auf 150
Aktuatoren gelagert, die ihn mit ständig angepasstem Druck unterstützen
und damit in der gewünschten Form halten.
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Sterne und Weltraum
ger Institut werden die Eigenbewegungen
im zentralen Sternhaufen wieder etwas
genauer bekannt sein. Das Seeing hat
sich mittlerweile auf 0,8 Bogensekunden
S12
verbessert, so dass sich die Forscher dazu
entschließen, NACO auf den riskantesten,
Das Bild zeigt acht
aber
der insgesamt 28
potenziell
gewinnbringendsten
Modus umzustellen: Sie verdoppeln die
Vergrößerung auf 13 Millibogensekunden
Umlaufbahnen
S2
S14
von Sternen, deren
pro Pixel und beobachten jetzt im H-Band
Positionen in der
bei 1,65 Mikrometer Wellenlänge. Dies ist
nahen Umgebung
die kürzeste Wellenlänge, bei der man die
des galaktischen
+
Sterne im galaktischen Zentrum noch gut
Zentrums regel-
Sgr A*
beobachten kann. Dementsprechend er-
mäßig bestimmt
S21
laubt das H-Band die allerschärfsten Auf-
wurden. Die Bahn
nahmen (je kürzer die Wellenlänge, desto
der Sterns S2 hat
höher die räumliche beugungsbegrenzte
mit rund 15 Jahren
Auflösung).
Ziel der beiden Astronomen ist es nun,
nersten Bogensekunde in der Umgebung
des galaktischen Zentrums zu vermessen.
In einem Gebiet, das uns kleiner als der
S9
S1
MPE/SuW-Grafik
die Positionen der Sterne innerhalb der in-
S8
S13
0,2 Bogensekunden
die kürzeste Periode
und ist mittlerweile
einmal komplett
vermessen worden.
Große Rote Fleck auf Jupiter erscheint, sind
hier mehr als hundert Sterne konzentriert.
struser sind als die Annahme, es existiere
naue Messung. Dies liegt vor allem daran,
Diese Sterne sind deshalb so interessant,
im galaktischen Zentrum tatsächlich ein
dass für einen der 28 Sterne inzwischen
weil sie nicht nur hohe Eigenbewegungen
Schwarzes Loch dieser Masse.
ein kompletter Umlauf beobachtet wurde:
zeigen, sondern weil mittlerweile für mehr
Auch für die Sterne innerhalb der zen-
Der Stern S 2 hat eine Periode von etwas
als dreißig von ihnen feststeht, dass sie
tralen Bogensekunde um das galaktische
mehr als 15 Jahren, und seine Bahn wird
sich auf gekrümmten Bahnen bewegen.
Wenn die Bahn eines Sterns gekrümmt
Zentrum wurden mit SINFONI Radial-
seit 1992 verfolgt.
ist, dann bedeutet dies nach den grundle-
sind inzwischen für 28 dieser Sterne die
Signale vom Ereignishorizont
genden Gesetzen der Mechanik, dass auf
kompletten räumlichen Umlaufbahnen
Etwa alle 30 Sekunden erzeugt NACO ein
diesen Stern eine Kraft einwirkt; deren
bekannt – entsprechend dem ers­ten
neues Bild. Längere Belichtungszeiten
Richtung und Stärke lässt sich aus der
keplerschen Gesetz sind sie elliptisch,
sind nicht möglich, sonst wären die Bil-
Form der Bahn bestimmen. Im Weltall
das unsichtbare Schwarze Loch steht in
der der hellsten Sterne im Gesichtsfeld
kann das nur die Gravitation sein. Deshalb
dem allen Umlaufbahnen gemeinsamen
gesättigt. Darum wird die für die licht-
kann man aus der Stärke der Krümmung
Brennpunkt (Bild oben).
schwächeren Objekte erforderliche lange
geschwindigkeiten gemessen. Dadurch
auf die Stärke der Kraft und somit auf die
Auch hier führt die Kombination von
Belichtungszeit durch die Addition vieler
Masse schließen, welche die Quelle der
Astrometrie und Spektroskopie dazu, dass
kurzer Belichtungen ersetzt. Aber die
Gravitation ist.
man eine geometrische Distanz angeben
Beob­achter haben nicht nur Interesse an
Das Ergebnis dieser Rechnung ist frap-
kann – die sich in diesem Fall sogar ohne
dem kombinierten Bild. Gespannt blicken
pierend: Die Sterne bewegen sich um ein
irgendwelche weiteren Annahmen ergibt.
sie auf den Kontrollschirm und sehen
Gravitationszentrum, dessen Masse rund
Der Wert beträgt 27 200 ± 1100 Lichtjahre.
sich jedes einzelne Bild an. Die Mühe wird
vier Millionen Sonnenmassen beträgt.
Diese Zahl stimmt im Rahmen der
belohnt: Auf einmal scheint ein neuer
Kein einzelner Stern oder Sternhaufen
Fehler perfekt mit dem Wert überein, der
Stern aufzuleuchten. Die beiden Forscher
kann eine so große Masse besitzen: Wäh-
aus dem Sternhaufen bestimmt wurde.
wissen sofort: Das ist kein Stern. Es ist ein
rend man an den heutigen Großtelesko-
Wohlgemerkt – die beiden Bestimmungen
Strahlungsausbruch des Schwarzen Lochs,
pen Sterne mit etwa 20 Sonnenmassen
sind gänzlich voneinander unabhängig.
ein »Flare«. Seit ihrer Entdeckung im Jahre
am Ort des galaktischen Zentrums leicht
Ebenso kann man die zentrale Masse zu
2003 sind diese Ausbrüche immer wieder
beobachten kann, ist an der Stelle, an der
4,31 ± 0,36 Millionen Sonnenmassen er-
gesehen worden, meistens tritt etwa ein
die vier Millionen Sonnenmassen liegen
rechnen. Der exakte Wert hängt vor allem
helleres Flare pro Nacht auf.
müssen, kein auffälliges Objekt zu sehen.
von der Entfernung ab, die ja nur auf
Jetzt heißt es, möglichst viele Aufnah-
Die konservativste Erklärung für die Beob­
± 1100 Lichtjahre genau bekannt ist. Wenn
men ohne Unterbrechung aufzuzeich­nen.
achtungen ist mittlerweile, dass sich dort
man aber die Distanz ganz genau wüsste,
Die immer wieder notwendige Bestim-
ein Schwarzes Loch dieser Masse befindet.
dann verbliebe für den Massenwert nur
mung des Himmelshintergrunds wird nur
Es werden zwar weiterhin andere Möglich-
noch eine Unsicherheit von ± 1,5 Prozent
noch so selten wie möglich ausgeführt.
keiten diskutiert, die jedoch in den Augen
oder 60 000 Sonnenmassen – für astro-
Die Forscher führen sofort eine grobe Aus-
der meisten Wissenschaftler noch ab-
nomische Verhältnisse eine extrem ge-
wertung der Daten durch, alle 30 Sekun-
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Februar 2009
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den ermitteln sie einen neuen Helligkeitswert. Hintereinander gesetzt, ergibt sich so
Stück für Stück die Lichtkurve des Flares
(Bild rechts). Innerhalb von nur 15 Minuten
Lochs ihre Helligkeit von schwächer als 18
mag auf knapp 14 mag, also mindestens
um einen Faktor 40, gesteigert. Sie leuchtet
nun fast so hell wie der 0,2 Bogensekunden
entfernt stehende Stern S2.
Die Lichtkurven sind besonders interessant, weil sich in vielen Fällen neben dem
8
S1
Sgr A*
MPE/Nature/R.Gänzel/SuW-Grafik
Flussdichte in Millijansky
hat die engste Umgebung des Schwarzen
4
Heller- und Dunklerwerden innerhalb von
etwa zwei Stunden eine quasiperiodische
Modulation mit einer Periode von etwa 20
Minuten zeigt. Periodizitäten sind deshalb
0
interessant, weil sie auf eine mögliche
0
Rotationsbewegung hindeuten. Eine Um-
50
drehung in nur 20 Minuten ist eine sehr
100
Zeit in Minuten
schnelle Bewegung, wenn man bedenkt,
dass die Sonne für eine Umdrehung um
Die Lichtkurve von Sgr A* im H-Band (Wellenlänge 1,6 Mikrometer) vom die eigene Achse etwa einen Monat be-
16. Juni 2003, aufgenommen mit NACO am VLT. Die Helligkeit des Vergleichs-
nötigt. In der Nähe des Ereignishorizonts
sterns S1 ist im Rahmen der Messfehler konstant.
eines Schwarzen Lochs allerdings erfolgt
die Umlaufbewegung mit einem merklichen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit.
den Daten ableiten, dass das Schwarze
der Strahlung. Temperaturstrahlung, also
Daraus ergibt sich die Vermutung, dass die
Loch nicht ruhen kann. Es muss vielmehr
Licht, wie es Sterne oder brennende Kerzen
periodischen
rotieren, mit mindestens 50 Prozent der
erzeugen, wäre unpolarisiert. Das Leuch-
bei Sgr A*, wie das Schwarze Loch von den
maximal
Winkelgeschwin-
ten der Flares entsteht dagegen durch den
Astronomen genannt wird, durch die Um-
digkeit. Durch diese Rotationsbewegung
Synchrotroneffekt: Schnelle Elektronen
laufbewegung eines leuchtenden Flecks
wird die Raumzeit um das Schwarze Loch
bewegen sich spiralförmig um die Feldli-
um das Schwarze Loch im galaktischen
mitgerissen, so dass sich gewissermaßen
nien eines Magnetfelds. Diese Spiralbewe-
Zentrum entstehen.
die Geschwindigkeit der Raumzeit und die
gung um die Magnetfeldlinien herum ist
Was ist die kürzest mögliche Umlauf-
eigentliche Umlaufbewegung der Materie
eine beschleunigte Bewegung, und da die
zeit um ein ruhendes Schwarzes Loch mit
addieren – dadurch sind kürzere Umlauf-
Elektronen geladen sind, geben sie dabei
vier Millionen Sonnenmassen? Es sind 27
zeiten möglich. Für die Forscher ist klar:
elektromagnetische Strahlung ab.
Minuten – etwas länger als die beobach-
Das Milchstraßenzentrum bietet die ein-
Es wurden erst sehr wenige Flares im
teten 20 Minuten. Darum kann man aus
zigartige Chance, die von der Relativitäts-
polarisierten Licht beobachtet, und in
theorie beschriebenen Effekte im Detail
keinem Fall wurde der Beginn eines Flares
zu testen. Die Flares sind besonders inter­
mit
essant, denn ihr Licht kommt aus einer
erwischt. Auch heute Nacht hat das Team
Region nur knapp außerhalb des Ereignis-
auf dem Paranal kein Glück – in der ver-
horizonts, wo die Welt hochrelativistisch
bleibenden Stunde mit NACO ereignet
ist (das heißt: wo die Gravitationskräfte so
sich im galaktischen Zentrum kein Flare
stark sind, dass die Geschwindigkeiten der
mehr.
Helligkeitsschwankungen
möglichen
Lichtgeschwindigkeit nahe kommen).
Den Flares auf der Spur
dieser
Instrumentenkonfiguration
Flares kennt man nicht nur im Infraroten. Auch im Röntgenlicht leuchtet Sgr A*
unregelmäßig auf. (Sgr ist die Abkürzung
von Sagittarius, dem Schützen – in diesem
Nacht bereits wieder abgeklungen: eine
Sternbild befindet sich das galaktische
gute Gelegenheit, NACO neu zu konfigu-
Zentrum). Auch im Submillimeterbereich,
rieren. Es soll weiter nach Flare-Emission
also bei den kürzesten Radiowellenlängen,
gesucht werden, dieses Mal jedoch im
ist der Strahlungsfluss veränderlich. Im
polarisierten Licht. Dazu wird ein doppel-
Jahre 2004 ist es zum ersten Mal gelungen,
brechender Kristall in den Strahlengang
während einer zeitgleichen Beobachtung
gebracht. Flares haben nicht nur stark
mit dem VLT und dem Röntgensatelliten
Der Bildfeldspektrograf SINFONI am
veränderliche Helligkeit, auch die Polari-
Chandra, Flares in beiden Wellenlän-
Cassegrain-Fokus von UT4, dem vierten
sation ihres Lichts ändert sich schnell. Das
genbereichen zu beobachten. Dies sind
Acht-Meter-Teleskop des VLT.
ist ein klarer Hinweis auf den Ursprung
besonders schwierig zu koordinierende
ESO
Nach etwa einer Stunde ist das Flare heute
58
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Sterne und Weltraum
Beobachtungen, schließlich müssen verschiedene Observatorien Beobachtungszeit zur Verfügung stellen, die Zeitpläne
müssen aufeinander abgestimmt werden,
und während der zeitgleichen Messungen
Strahlteiler
muss sich auch tatsächlich ein Flare ereignen. Die Ergebnisse sind aber extrem
interessant: Es scheint so, als sei jedes
Röntgenflare auch von einem Infrarotflare
begleitet; umgekehrt gilt das hingegen
nicht.
Wenn
in
beiden
WellenlängenbeESO/SuW-Grafik
reichen Flares zu sehen sind, dann sind
sie wirklich zeitgleich, der Zeitunterschied
beträgt weniger als fünf Minuten. Deswegen ist es klar, dass die Infrarot- und
die Röntgenstrahlung beide während
Weniger klar ist der Zusammenhang mit
ESO
desselben Ereignisses emittiert werden.
So funktioniert ein Bildfeldspektrograf:
Das zu beobachtende Feld wird in einzelne
der Variabilität im Submillimeterbereich.
Die Schwankungen dort sind nicht direkt
Ein vom Bildfeldspektrografen SINFONI Streifen zerlegt, die dann optisch hinterei-
mit denen im Infraroten korreliert, aber
erzeugter Datenkubus: Von jedem Bildele-
nander gesetzt und mit einem Langspalt-
möglicherweise folgt die Submillimeter-
ment entsteht ein Spektrum.
spektrografen analysiert werden.
Lichtkurve der Infrarotkurve mit einer
Verzögerung von rund zwei Stunden.
Das Seeing ist weiterhin gut, und nun,
wird von einem Strahlteiler zunächst
Zentrum schwierig: Der nächste verwend-
nach rund fünf Stunden, ist es Zeit, zu
in lau­ter einzelne Streifen zerlegt. Je-
bare Leitstern steht in 22 Bogensekunden
SINFONI zu wechseln. SINFONI (siehe Bild
der Streifen wird dann einzeln optisch
Entfernung und ist gerade mal 14,5 mag
links unten) ist ein moderner Infrarot-
abgebildet, und zwar so, dass alle Strei-
hell – deutlich schwächer als Pluto.
Spektrograf, der am gleichen Teleskop
fen hintereinander zu liegen kommen.
wie NACO montiert ist. Um den Fokus
Es wird also künstlich ein Langspalt
Ein Leitstern – selbst gemacht
umzuschalten, schwenkt der Teleskop-
er­zeugt, an dem dann ganz klassisch ein
Unsere beiden Astronomen haben jedoch
Operator den Fangspiegel zur Seite, so
Spektrum entsteht. Die Zahl der Pixel auf
noch einen Joker in der Hand. Sie müs-
dass das Licht vom Sekundärspiegel durch
dem Detektor lässt sich so natürlich nicht
sen nicht den lichtschwachen optischen
die zentrale Öffnung im Primärspiegel
erhöhen. Während ein Langspalt entlang
Leitstern verwenden. Stattdessen können
zum Cassegrain-Fokus gelangen kann. Na-
einer Zeile zum Beispiel 2048 Pixel abbil-
sie den Laser-Leitstern einsetzen. Dieses
türlich muss dazu niemand zum Teleskop
det, sind es bei den mit SINFONI erzeugten
neue Gerät verbessert die Einsatzmög-
laufen: ein paar Klicks am Computer, und
Bildern 32 3 64 Pixel. Die Bilder sind also
lichkeiten von SINFONI erheblich. Da das
die Forscher können SINFONI einsetzen.
relativ klein, eher wie Vorschaubilder auf
Gerät noch neu ist, müssen sich sowohl
dem Computer. Das Detektorbild bei SIN-
der Teleskop-Ingenieur als auch der Nach-
FONI ist ziemlich komplex. Erst nachdem
tassistent konzentrieren.
Dreidimensionale Daten
Während bei klassischen Spektrografen
ein Rechner die einzelnen Spalte rück-
Es herrscht gespannte Ruhe, und auch
das Licht untersucht wird, das auf einen
wärts wieder zusammengesetzt hat, kann
die Beobachter von den anderen Telesko-
langen Eingangsspalt des Instruments
man das ursprüngliche Bild erkennen.
pen schauen für einen Moment interes-
fällt, kann SINFONI ein komplettes Bildfeld
Das kleinste Gesichtsfeld, das SINFONI
siert zu. Eine Glasfaser leitet das Laserlicht
spektroskopieren. Mit einem Langspalt
bietet, hat einen Durchmesser von nur 0,8
in ein kleines Teleskop, das auf der Rück-
erhält man eine räumliche Dimension
Bogensekunden. Die einzelnen Pixel sind
seite des Sekundärspiegels sitzt und den
sowie die spektrale Richtung (die Wellen-
dann 25 3 12,5 Millibogensekunden groß,
Strahl zum Himmel projiziert. Zunächst
länge) – damit sind die zwei Dimensionen,
die optimale Größe für die Auflösung des
muss der Laserstrahl auf eine Höhe von
die ein Chip bietet, aufgebraucht. Mit SIN-
VLT im nahen Infrarot. Dies ist natürlich
rund 80 Kilometern fokussiert werden
FONI erhält man dagegen zwei räumliche
nur dann sinnvoll, wenn man auch eine
(siehe Bild auf Seite 53).
und eine spektrale Dimension. Die Daten
adaptive Optik zur Verfügung hat. Sonst
Dort befindet sich eine mit Natri-
sind also keine Bilder, sondern eher Ku-
wären die Bilder einzelner Sterne ja etwa
umatomen angereicherte Schicht (die
ben (siehe Bild oben). Für jedes Pixel hat
so groß wie das gesamte Gesichtsfeld.
Natriumatome werden beim Verglühen
man ein volles Spektrum zur Verfügung.
Darum ist SINFONI mit einer adaptiven
von Meteoriten aus dem Weltraum freige-
Wie erreicht man das?
Optik ausgestattet. Diese adaptive Optik
setzt). Die Wellenlänge des Laserlichts ist
Der Trick besteht in einer cleveren Op-
kann im Gegensatz zu NACO jedoch die
so gewählt, dass sie genau der Natrium-D-
tik (Bild oben rechts). Das Feld, das man
Wellenfronten nicht im Infraroten messen.
Linie entspricht. Die durch diesen Laser-
spektroskopisch
Das macht ihren Einsatz im galaktischen
strahl angeregten Natriumatome in der
untersuchen
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möchte,
Februar 2009
59
Nach Einfall einer Gaswolke bildet sich um
das zentrale Schwarze Loch eine riesige
Akkretionsscheibe, in der sich trotz widriger
Illustration: NASA/CXC/M. Weiss
Umstände viele massereiche Sterne bilden.
Natriumschicht fangen an, stark in der
auf Sgr A* zu und die Radialgeschwindig­
feld, und die beiden Gäste am VLT be-
gleichen Farbe wie der Laser zu leuchten.
keit. Und man benötigt genau sechs
schließen, die verbleibende Beobachtungs-
Dieses Gelb sieht man sonst vor allem als
Grö­ßen, um die Umlaufbahn komplett
zeit einer anderen Population von jungen
Straßenbeleuchtung. Sobald der künst-
bestimmen zu können.
Sternen zu widmen. Etwas weiter draußen,
liche Stern aufleuchtet, wird die adaptive
in einem Abstandsbereich zwischen einer
Optik auf ihn ausgerichtet. Das ist nicht so
Das Rätsel um die jungen Sterne
leicht wie mit einem echten Stern, denn
Die Linie, welche die beiden Astronomen
reiche helle, junge Sterne. Es sind O-Sterne
der Laserleitstern ist nicht ganz punktför-
im Spektrum suchen, liegt bei 2,166 Mikro-
oder Wolf-Rayet-Sterne, die auf jeden Fall
mig. Außerdem kann man ihn nicht zur
metern. Es ist eine Linie des Wasserstoffs.
nur wenige Millionen Jahre alt sind. Ihr
Messung der Verkippung der Wellenfront
Dass sie diese Linie überhaupt verwenden
Abstand zum Schwarzen Loch ist so groß,
verwenden, sondern nur ihrer Verfor-
können, ist eines der größten Rätsel, auf
dass zurzeit noch keine Beschleunigungen
mung – das heißt: Das Tanzen der Sterne
das die Forscher im Lauf der letzten Jahre
messbar sind. Das bedeutet: Wenn man
um ihre mittlere Position kann man mit
gestoßen sind. Die Linie tritt lediglich bei
die Positionen am Himmel und die Radial-
einem Laser nicht korrigieren, nur die Ver-
Hauptreihensternen des Typs A, B und O
geschwindigkeit kennt, hat man erst fünf
formungen des Abbilds des Sterns. Darum
auf – also bei heißen, massereichen Ster-
dynamische Größen gemessen. Einzelne
muss man zusätzlich noch einen natür-
nen. Da massereiche Sterne nur kurz le-
lichen Leitstern hinzunehmen, der aber
ben, müssen die Sterne in der Umgebung
Bahnen erhält man so also nicht.
Für keinen der Sterne kennt man die
viel lichtschwächer sein kann als ohne
des galaktischen Zentrums, die fast alle
sechste fehlende Größe. Da es viele von
Laserleitstern.
vom Spektraltyp B sind, relativ jung sein:
diesen Sternen gibt, kann man allerdings
Nach rund 20 Minuten ist es geschafft.
um die 50 Millionen Jahre oder jünger.
mit Hilfe eines statistischen Tricks weiter-
Alle Kontrollschleifen stehen auf Grün,
Das ist astronomisch gesehen eine kurze
kommen: Wenn man über die Verteilung
jetzt kann die eigentliche Beobachtung
Zeitspanne, wenn man bedenkt, dass auf
dieser Größe eine sinnvolle Annahme
mit SINFONI losgehen. Bei den guten Be-
der Erde vor rund 65 Millionen Jahren
macht, kann man für jeden Stern mög-
dingungen, die im Moment herrschen,
noch die Dinosaurier lebten.
liche Bahnen würfeln. Man nimmt also
knöpfen sich die beiden Wissenschaftler
Das Rätsel besteht darin, dass die
und zehn Bogensekunden, gibt es zahl-
alle möglichen Werte an, und rechnet damit jeweils die Bahn aus. Wenn man das
Wie können in der nächsten Umgebung des massereichen
Schwarzen Lochs ständig neue Sterne entstehen?
für jeden Stern viele tausend Mal macht,
erhält man einen Überblick darüber, wie
die Bahn wahrscheinlich aussieht. Für
die O-Sterne zwischen einer und drei Bo-
wieder die Sterne innerhalb der zentralen
Sterne eigentlich viel zu jung sind, um
gensekunden Abstand vom galaktischen
Bogensekunde vor. Aus dem aufgenom-
von weither gekommen zu sein. Aber noch
Zentrumfolgt daraus, dass es eine Ebene
menen Spektrum können sie deren Spek-
unwahrscheinlicher erscheint es, dass
gibt, in der mit hoher Wahrscheinlichkeit
traltyp und deren Radialgeschwindigkeit
sie auf ihren jetzigen Bahnen entstanden
etwa die Hälfte der Sternbahnen liegen.
bestimmen. Speziell auf zwei Sterne
sind, wo die enormen Gezeitenkräfte des
Da dieses Ergebnis statistisch signifikant
ha­ben sie es heute abgesehen. Für diese
Schwarzen Lochs wirken. Dieses Rätsel
ist, nimmt man an, dass die Sterne das
beiden Sterne sind bereits astrometrisch
werden die beiden Sternforscher heute
Schwarze Loch tatsächlich in einer Schei-
Beschleunigungen
worden,
Nacht nicht lösen können, aber sie werden
be in gebührendem Abstand umkreisen
aber noch keine Radialgeschwindigkeiten.
einen weiteren Puzzlestein sammeln, bis
(siehe Grafik oben).
Wenn man diese noch zusätzlich weiß,
kennt man sechs dynamische Größen des
sich irgendwann das Gesamtbild ergibt.
Nach zwei Stunden verschlechtert sich
Millio­nen Jahren ist so gering, dass die
Sterns: Seine Position in Rektaszension
das Seeing (die Luftunruhe) zusehends.
Sterne dort entstanden sein müssen, wo
und Deklination, seine Eigenbewegung in
Langsam wird die Korrektur der adaptiven
wir sie heute sehen. Man kann also anneh-
beiden Richtungen, die Beschleunigung
Optik zu schlecht für das kleine Gesichts-
men, dass zu jener Zeit eine Gaswolke von
60
Februar 2009
gemessen
Das geschätzte Alter von etwa sechs
Sterne und Weltraum
über ist der Himmel im Infraroten relativ
zum galaktischen Zentrum stürzte und
dunkel. Das erste System, das mit dem
dort eine riesige Gasscheibe bildete, in
herannahenden Tag Probleme bekommt,
der dann die Sterne entstanden sind. Da-
ist die aktive Optik, die es knapp eine
durch, dass die Gaswolke zu der Zeit, als
Stunde vor Sonnenaufgang nicht mehr
die Sterne entstanden, in einer Richtung
schafft, den Primärspiegel in Form zu
(nämlich senkrecht zur Scheibe) bereits
halten. Doch bevor es so weit kommt, ist
kollabiert war, wurde der Prozess der Stern-
auch der Kalibratorstern aufgenommen,
entstehung viel effizienter. So konnten
und der Operator kann das Teleskop für
die Gezeitenkräfte des Vier-Millionen-
den kommenden Tag in Ruhestellung
Sonnenmassen-Monsters im Zentrum den
bringen. Die restlichen Kalibrationsdaten,
entstehenden Sternen nichts anhaben.
wie etwa die Dunkelstrommessung oder
Die Entstehung der O-Sterne konnte
das Flatfield, werden tagsüber von ande-
also entschlüsselt werden. SINFONI hat
ren Mitarbeitern der ESO aufgezeichnet.
ganz entscheidend dazu beigetragen. Nun
Etwa eine halbe Stunde vor Sonnenauf-
möchten die Forscher die gleiche Technik
gang fahren die Astronomen wieder in
auf leuchtschwächere Sterne anwenden
ihr Domizil. Bevor sie ins Bett gehen, gibt
sowie auf Sterne, die von Sgr A* noch wei-
es noch ein Frühstück mit Blick auf die in
ter entfernt sind.
zartes Morgenlicht getauchte Atacama-
Guten Morgen!
Wüste.
Nach zwei weiteren Stunden mit SINFONI
wird es Zeit, an den nahenden Morgen zu
Stefan Gillessen forscht
denken. Es muss noch ein Kalibratorstern
als Mitglied der Infrarot/
gefunden werden. Dessen Spektrum wird
Submillimeter-Gruppe am
aufgenommen, obwohl es eigentlich schon
Max-Planck-Institut für
gut bekannt ist. Aber man kann damit die
extraterrestrische Physik in
von Nacht zu Nacht verschiedene Transpa-
Garching. Das galaktische
renz der Erdatmosphäre bestimmen. Da-
Zentrum ist ein bedeutender Schwerpunkt der
mit lassen sich dann die eigentlich interes-
Arbeit dieser Gruppe.
sierenden Spektren von den zusätzlichen,
durch die Moleküle der irdischen Lufthülle
erzeugten Strukturen befreien.
Die beiden Beobachter sind hoch zufrieden. Das Wetter hat mitgespielt, die
Technik hat keine Probleme bereitet, und
es sind rund neun Stunden wertvoller
Daten gewonnen worden. Die Arbeit am
galaktischen Zentrum ist dankbar. Es ist
ein einzigartiges Labor, in dem man die
grundlegenden Gesetze der Schwerkraft,
der Stellardynamik und der Sternbildung
unter extremen Bedingungen und im Detail studieren kann. Damit lässt sich das
Geschehen rund um das Zentrum unseres
eigenen Milchstraßensystems, wie auch
in den Kernen anderer Galaxien, besser
verstehen. Massereiche Schwarze Löcher
werden in praktisch jeder Galaxie vermutet, so dass die spannenden Prozesse im
galaktischen Zentrum sehr häufig auch
an anderen Stellen im Universum passieren sollten. Junge Sterne in der Nähe des
zentralen Schwarzen Lochs wurden im
Andromedanebel beispielsweise schon
nachgewiesen.
Die Dämmerung hat bereits begonnen,
doch das stört SINFONI und die beiden
Astronomen nicht besonders. Selbst tags-
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Literaturhinweise
Davies, R., Hippler, S., Ragazzoni, R.:
Künstliche Sterne und große Gesichtsfelder – Adaptive Optik, Teil 2. In: Sterne
und Weltraum 4/2005, S. 34 – 45.
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Loch und seine Umgebung im Radiobereich. In: Sterne und Weltraum 8/2003,
S. 28 – 35.
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Schwarze Loch im galaktischen Zentrum. In: Sterne und Weltraum 12/2006,
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Hippler, S., Kasper, M.: Dem Seeing ein
Schnippchen schlagen – Adaptive Optik,
Teil 1. In: Sterne und Weltraum 10/2004,
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dunkle Herz unserer Milchstraße. In:
Sterne und Weltraum 8/2003, S. 36 – 42.
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Technology Telescope. In: Sterne und
Weltraum 8–9/1992, S. 525 – 532.
Weblinks zu diesem Artikel: www.
astronomie-heute.de/artikel/976931
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