JUDASTIK 2: Überblick über die Geschichte des Judentums von Steffen Sorgatz I Die Frühzeit des Exils in Vorderasien Schon vor 70 und 135 lebten mehr Juden außerhalb von Judaä als innerhalb. Nach dem Tod Hadrians 138 erleichterte sich die Situation für die Juden erheblich. Die Verbote von Beschneidung, Sabbat und Rabbinerordination wurden aufgehoben, und unter anerkannten Patriarchen („Nasi“) durften sich kleine Gemeinden konstituieren. Lehrhäuser (v.a. Jamnia/ Jabne und in Mesopotamien) entstanden. (Æ Talmud!) Nach dem Sturz der Parther-Herrschaft durch die persischen Sassaniden (Neuperser?) im frühen 3. Jh. verschlechterten sich die Lebensumstände des mesopotamischen Juden zeitweilig, blieben aber erträglich. Juden aus Vorderasien und Ägypten unterstützten sogar einen sassanidischen Vorstoß in diese oströmisch-byzantinischen Gebiete 602-622. Der 623 erfolgreich zurückgeschlagene Kaiser Herakleios rächte sich dafür mit Pogromen. Gewinner dieser Kriege waren die vom Süden vorstoßenden Araber (Zerschlagung des Sassanidenreich und Eroberung byzantinischer asiatischer Gebiete und Nordafrikas). Das führte zur Polarisierung zwischen dem christianisierten Abendland und dem islamisierten Vorderen Orient und Nordafrika. II. Juden im Mittalter II.a) Juden und Christen Seit dem „Apostelkonzil“ 49 (Apg 15; Gal 2) setzte sich das Christentum vom Judentum ab und war ohne Einschränkung offen für alle Heiden. Das antike Judentum sah im Christentum eine Form von Ketzertum, das auch bekämpft wurde, v.a. in Syrien und Kleinasien. Zwar wurden Christen anfangs auch von den Römern verfolgt, mit Konstantin (324) änderte sich das aber. Die Toleranz des Christentums wurde unterbrochen durch Julian „Apostata“ (361-363), der den Juden sogar die Wiedererrichtung des Tempels in Aussicht stellte. Theodosius I übernahm 380 das Christentum als Staatsreligion. Zu seiner Regierungszeit häuften sich religiös motivierte Übergriffe auf jüdische Gemeinden, die der Kaiser aber verbot. Aber 418 erließ Kaiser Honorius ein Gesetz, das die Beschäftigung von Juden in öffentlichen Ämtern verbot. Theodosius II verbot 438 den Bau jüdischer Gotteshäuser. Die Nachfolger des Weströmischen Reiches setzten den christlichen Druck auf die Juden fort. Rohe Gewalt und gesellschaftliche Isolation der Juden kam aber erst im Hochmittelalter im Taumel der Kreuzzugsbewegung im 11. Jh. auf. Landsitz wurde ihnen verwehrt, die Zünfte schlossen sie aus, nur der Geldverleih wurde ihnen gewährt (für die Christen auf dem 4. Laterankonzil von 1215 verboten). Geistliche und weltliche Obrigkeit steuerte den Antijudaismus und benutze ihn als Ventil für soziale Enttäuschungen der unteren Stände: - Die Juden als „Gottesmörder“, die den Gottessohn umgebracht haben. (Mt 27,25) - Die Juden als „Teufelssöhne“, deren Seelen und Synagogen Heimstätten des Bösen sind. (Joh 8,37-47) - „Hostienfrevel“: nach dem 4. Laterankonzil (Dogmatisierung der Transsubstantionslehre) mehrten sich die Fälle von „Hostienfrevel“ als nochmalige Ermordung Jesu durch Durchstechen der Hostie - „Ritualmord-Legende“: Zur Osterzeit entführen Juden Christenjungen um sie zu schlachten. 12. Jh – 15. Jh, sogar noch 19.-20. Jh - „Brunnenvergiftung“: während der großen Pest 1347-1353 - Abzeichenpflicht (seit dem 4. Laterankonzil) zusammen mit Huren und Scharfrichtern ... Æ Judenhut, Sterne, stilisierte Gesetzestafeln, gelber Fleck (Dtschl. 15. Jh.) - Ghettos (nach Geto Nouvo, einem Stadtteil von Venedig, in angeblich erstmals Juden zwangsangesiedelt wurden), 1179 beschlossen, 1434 durchgesetzt II.b) Kreuzzüge 1095 Konzil von Clermont, Papst Urban II. ruft zur Befreiung des Heiligen Grabes auf, den Kreuzfahrern winkte neben Abenteuern und irdischem Reichtum vor allem Sündenerlaß für Mord von Ungläubigen, der schon in den eigenen Ländern begann, v.a. gegen Juden 1096 Judenpogrome in Ostfrankreich und im Rheinland 1099 13. Juli: Blutbad unter Muslimen und Juden in Jerusalem durch die Kreuzfahrer Æ Manche Päpste (Calixtus II.; Innozenz III.) mahnten aber Mäßigung bzw. Schutz der Juden an. II.c) Auf der Iberischen Halbinsel 3.Jh Juden in Iberien werden anfänglich diskriminiert 5.Jh Völkerwanderung: Westgoten (Arianer!) erobern Iberien 586 König Reccared tritt zum Katholizismus über, die Lage der Juden verschärft sich 711-13 Araber erobern Spanien, Juden müssen auch Kopfsteuer bezahlen, aber sie haben Religionsfreiheit ab 755 kurze Blüte des Judentums im Emirat von Cordoba, Juden werden in den höheren Staatsdienst genommen um 1000 Niedergang der islamischen Herrschaft zeichnet sich ab, die „Reconquistadores“ (christliche „Rückeroberer“ drangen von Norden her unaufhaltsam vor, während die islamische Herrschaft von innen zerbrach (WICHTIG: Rabbi Moses ben Maimun = Maimonides, flüchtet nach Marokko und Ägypten. Er 1262 1391 1412 1481 1487 1492 1493 gilt als bedeutendster Religionsphilosoph des mittelalterlichen Sepharad, Kommentare etc.) Reconquista hat fast ganz Iberien zurück gewonnen, nur Grenada verblieb in maurischem Besitz. In den christlichen Königreichen hatten Juden zunächst noch Privilegien. antijüdische Ausschreitungen in „befreiten“ Städten, Flucht in islamische Gegenden Abzeichenpflicht für Juden und Ghettoisierung Einführung der Heiligen Inquisation in Kastilien und auch in Aragon Eroberung Granadas und Angriffe auf Nordafrika, Mauren müssen das Land verlassen 300.000-800.000 Juden müssen emigrieren nach Portugal und Marokko und ins Osmanische Reich II.4) Frankreich und England Seit der Zeit Cäsars jüdische Gemeinden, Kreuzzug führte zu blutigen Ausschreitungen gegen Juden, 1181 werden alle Juden aus Paris vertrieben, Rückkehr unter Philipp II. gestattet, 1306 Ausweisung aller Juden aus Frankreich (Philipp IV.), 1315 werden sie zurückgeholt (Louis V.), 1320/1321/1349 landesweite Pogrome, 1394 endgültige Ausweisung durch Karl VI. 1041 1264 1290 1656 werden Juden und ihr Vermögen als Krongut deklariert (Eduard, der Bekenner) antijüdische Prozesse in London Ausweisung von der Britischen Insel „für immer“ (Eduard I.) Erlaubnis für Sephardim und Aschkenasim aus Holland und Deutschland zur Versammlung zum GoDi II.5) Deutschland 13. Jh Welle von Judenpogromen bis ins 16. Jh II.6) Welt des Islam Größtenteils Duldung. In Marokko und Persien gab es Ghettos & z.T. Kleiderordnungen. Organisierte und anhaltende Verfolgungen gab es nicht. Das Osmanische Reich bot Ende des 15. Jh. Juden aus Spanien & Portugal Zuflucht. III. Judentum und Neuzeit III.1) Zeitalter der Reformation Die Reformation ließ die Juden hoffen. Martin Luther bemängelte 1523 („Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei“) die Behandlung der Juden durch die katholische Kirche. Er wollte die Geschundenen für den Glauben gewinnen. Konvertiten blieben aber aus und so war sein Ton in „Von den Juden und ihren Lügen“ 1545 genauso scharf wie der der katholischen Kirche (Er forderte Verbrennung der Synagogen und Lehrverbot ...) III.2) Aufklärung und Emanzipation 1729-1786 1791 Moses Mendelssohn, Philosoph und Publizist in Preußen. Er verfaßte Schriften für die Belange der Juden und übersetzte Tora und andere biblische Bücher in die deutsche Sprache (mit hebräischer Schrift?) Für die meisten deutschen Juden war das der erste Kontakt mit der deutschen Sprachkultur. Von orthodoxen Kreisen wird er attackiert, bisweilen sogar mit Bann belegt. Bürgerrechtserlaß in Frankreich sicherte französischen Juden die Gleichberechtigung zu Auf Druck von Napoleon zogen andere Länder nach: 1808 Hessen und Baden, 1812 Preußen, 1813 Brandenburg Die Niederlage Napoleons und die Restaurationspolitik führten zur Aufhebung der Erlasse. Allerdings waren die Mauern der Ghettos gefallen.