IL RITORNO D'ULISSE IN PATRIA (Die Rückkehr des Odysseus in sein Vaterland) (Claudio Monteverdi) 1567 - 1643 Dramma in musica (Musikdrama) in einem Prolog und 3 Akten. Text unter Verwendung der "Ilias" des Homer von Giacomo Badoaro. Originalsprache: Italienisch Personen: Die menschliche Gebrechlichkeit oder Schwäche (Tenor), Tempo, die Zeit oder Vergänglichkeit (Bass), Fortuna, das Schicksal oder Glück (Sopran), Amore, die Liebe (Sopran), Giove, Zeus (Bass), Nettuno, Neptun (Bass), Minerva (Mezzosopran), Giunone, Juno (Sopran), Ulisse, Odysseus (Tenor), Penelope, seine Gattin (Mezzosopran oder Sopran), Telemaco, Telemach, beider Sohn (Tenor), vier Freier der Penelope, die Amme und ein Hirte des Ulisse, Stimmen aus dem Meer und vom Himmel. Quelle: Homers Epen, ungefähr im 8. vorchristlichen Jahrhundert verfasst: Die "Ilias" erzählt den Kampf um Troja, die "Odyssee" die ereignisreiche, abenteuerliche, ergreifende Heimfahrt des Odysseus von Troja nach Ithaka, seiner griechischen Insel. Textbuch: Aus der "Odyssee" übernimmt Giacomo Badoaro die letzten Gesänge und stellt sie zu einer reichgestalteten Chronik zusammen. Handlung: Der Prolog schildert den Menschen als Spielball übermächtiger Gewalten, der Zeit, des Schicksals, der Liebe. Im ersten Akt beschwört Penelope in Gedanken, wie sie es wohl tausendmal schon getan hat, den ferne umherirrenden Gatten Odysseus, endlich heimzukehren. Eurimaco, einer ihrer Freier, wendet sich ihrer Dienerin Melanto zu. Neptun klagt vor Zeus die Feaci an, gegen seinen ausdrücklichen Befehl Odysseus nach Ithaka gebracht zu haben. Odysseus aber hat die heimatliche Insel nicht erkannt; die Wahrheit erfährt er durch Minerva, die ihn vorübergehend in einen Greis verwandelt, um ihn unerkannt in seinen Palast zu Penelope bringen zu können. Dort versucht Melanto vergeblich, Penelope, ihre Herrin, von den Gedanken an den wahrscheinlich verlorenen Gatten abzubringen und zu einer neuen Liebe zu veranlassen. Der alte Hirte des Odysseus, Eumete, besingt, von vielen verspottet, die Schönheit der Natur und ersehnt die Heimkehr seines Herrn. Da erscheint dieser, als Greis verkleidet und bittet um Gastfreundschaft, die Eumete ihm gern gewährt. - kehrt der abwesende Telemach nach Ithaka zurück; der fremde Greis sagt ihm die baldige Rückkehr seines Vaters voraus. Eumete wird zu Penelope entsandt, um auch ihr diese Botschaft zu bringen. Odysseus gibt sich seinem Sohn zu erkennen. Am Hof bedrängen die Freier Penelope, doch endlich sich für eine neue Liebe zu entscheiden. Sie geben ihr zu Ehren ein Fest mit Tänzen, einen sogenannten "Ballo" (wie ihn viele Renaissance-Opern enthalten). Eumete ist im Palast erschienen und kündet die Heimkehr des Telemach und des Odysseus an. Grosse Aufregung bemächtigt sich der Freier. Sie beschliessen, Telemach zu töten. Eumete bringt den "Greis" in den Palast und wird dafür von den Freiern beschimpft. Penelope bittet die drängenden Freier um einen letzten Aufschub: wer den Bogen des Odysseus spannen könne, solle ihr Erwählter sein. Keinem gelingt es. Da versucht es auch der "Greis", und er vollbringt den Kraftakt ohne Mühe. Er spannt den Bogen und erschiesst die Freier. Im zweiten Akt Im dritten Akt glaubt Penelope noch lange nicht daran, dass der fremde Greis ihr Gatte sein könne, obwohl Eumete und auch Telemach ihr dies versichern. Erst als der Fremde ihr Einzelheiten aus ihrem früheren gemeinsamen Leben zu schildern weiss und nun sogar die Decke des Ehebettes beschreibt, erkennt Penelope ihn und schliesst ihn hochbeglückt in ihre Arme. Geschichte: Waren "L'Orfeo" und "Arianna" noch Werke aus der "Feudalzeit" der Oper, zur auschliesslichen Vorführung in einem herzoglichen Palast und vor sehr gebildetem Publikum bestimmt, so gehören die beiden letzten Monteverdi-Opern, "11 ritorno d'Ulisse in patria" und "L'incoronazione di Poppea" bereits in eine neuere Formrichtung, die weitgehend auf das "Publikum" abgestimmt ist; denn seit 1637 ist die Oper aus den Palästen heraus- und in die neu gegründeten Theater getreten, deren erste eben in jener Stadt standen, in der Monteverdi (seit 1613) tätig war: Venedig. Zwischen "Orfeo" und "Ritorno" liegen ausserdem mehr als 30 Jahre: eine lange Frist, in der auch der Komponist sich gewandelt, neue Erkenntnisse angesammelt haben muss. Dass seine Musikdramatik trotzdem im Grunde die gleiche geblieben ist - die Darstellung der menschlichen "affetti" (der Affekte, Leidenschaften, Gefühle) - spricht für seine grosse Entwicklungslinie, für seine geschichtliche Grösse. Die Partitur des "Ri torno d' Ulisse" galt 240 Jahre lang als verschollen, bis sie 1880 in der Staatsbibliothek Wien durch den Musikwissenschaftler Wilhelm Amros gefunden und als "vermutliches Werk Monteverdis" erkannt wurde. Es gab noch Identifikationsprobleme, da einzelne Musikstücke mit solchen oder ähnlichen aus anderen Werken übereinstimmten. Nun hat Monteverdi in seinen späten venezianischen Jahren (er war weit über siebzig Jahre alt) mindestens fünf Opern komponiert, wahrscheinlich durch die grosse Nachfrage in den eben entstehenden Theatern angeregt. So ist es denn sehr wahrscheinlich, dass er, dem Brauch der Zeit gemäss, einige Stücke mit geändertem Text in die eine oder andere dieser Opern einfügte. Heute besteht über die Echtheit des "Ritorno" kein Zweifel mehr. Als Uraufführungsdatum können wir mit ziemlicher Sicherheit den Karneval 1641 annehmen, als Ort des ersten Erklingens das Teatro San Cassiano, das erste Opernhaus der westlichen Welt, wenn nicht der Welt überhaupt. Auszug aus dem Buch "OPER DER WELT" von Prof. Dr. Kurt Pahlen Bern, 6. August 1985/uf