II.B.4 - Institut für Kunstgeschichte

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Wann war Renaissance
in der Vorzeit sowohl durch den untertitel als auch durch die bildliche umsetzung mit den
Künstlern der Re-naissance als Wiedergeburt der Kunst in Bezug. Damit ist nicht nur eine stete Tradition der Vorväter der ‚Renaissancekünstler‘ konstruiert, sondern ‚die Renaissance‘ reicht gewissermaßen selbst zurück in die urzeit – und kann zugleich der Gegenwart als Ideal dienen.
Ilgin Eke
Literatur
BLANCKAERT, Claude: Les bases de la civilisation: Lectures de ‚L’homme primitif ‘ de Louis Figuier
(1870), in: Bulletin de la Société préhistorique française 90 (1993), Nr. 1, S. 31–49.
LAFONT-COuTuRIER, Hélène u.a. (Hg.): Vénus et Caïn. Figures de la préhistoire 1830–1930, Bordeaux /
Paris 2003 (Kat. Ausst.).
PFISTERER, ulrich: Altamira – oder: Die Anfänge von Kunst und Kunstwissenschaft, in: Vorträge aus
dem Warburg-Haus 10 (2007), S. 13–80.
II.B.4
Globalgeschichte der Renaissance circa 1935
Ivan I. Pouzyna [Ivan Puzino]: La Chine, l’Italie et les débuts de la Renaissance (XIIIe–XIVe siècles),
Paris: Édition d’Art et d’Histoire, 1935, Lex. 8°. ZI: CA 203 / 507(1 R
„Die Frage der Beziehungen zwischen China und Italien vom Ende des 13. und über das
gesamte 14. Jahrhundert hinweg und ihre Auswirkungen auf die italienische Malerei, insbesondere auf die toskanische Malerei, wird ohne Zweifel für lange Zeit das zentrale Problem der Kunstgeschichte Italiens bleiben“ (Journal des savants (1936), S. 224–231). So
begann der französische Kunsthistoriker Gustave Soulier, der 1924 sein Werk Les influences orientales dans la peinture toscane veröffentlicht hatte, die Würdigung des Buches seines russischen Kollegen. Das von 1900 bis in die 1930er Jahre debattierte Thema nach den
auch außereuropäischen Wurzeln und Bezügen der frühneuzeitlichen Kunst Italiens verlor
in der Frontstellung des kalten Krieges an ideologisch-politischer Bedeutung und Souliers
prophetische Worte verhallten ohne erkennbare Folgen.
Im Buch, das Soulier Anlass zu dieser Aussage gab, versuchte der Historiker Pouzyna
in sechs Kapiteln, den Einfluss der chinesischen Malerei auf das florentinische und sienesische Trecento zu beweisen: Er begann mit einer gerafften Darstellung der mongolischen
Eroberungen und der christlichen Mission in Ostasien nach den Schriftquellen, gab einen
kurzen Überblick über die Handelswege und -güter zwischen Italien und China, führte in
zwei Kapiteln in die „Grundzüge der chinesischen Kunst“ und in „die chinesische Kunst
der Tang-, Song- und Yuan-Dynastien“ ein sowie spiegelbildlich dazu in die „italienische
Kunst des 14. Jahrhunderts“, um dann abschließend in einem Vergleich die Gemeinsamkeiten zwischen italienischer und chinesischer Kunst herauszuarbeiten, die er auf eine „influence directe“ (S. 96) von China auf Italien zurückführte. In einem ersten Schritt arbeitete er Ähnlichkeiten in der Gestik, den preziösen, langgestreckten Händen, den mandelförmigen Augen und feinen Augenbrauen, den Rückenansichten, den Massenszenen, der
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Tafel 15: Bildvergleich Gentile da Fabriano ‚Madonna‘ und Buddha-Statue (Puzino 1935, Taf. XII)
naturalistisch begriffenen Tierdarstellung, der Teufelsdarstellung und der Auffassung der
Landschaft heraus (S. 78–87) (Taf. 15). Er sah eine grundsätzliche, spirituelle Wesensähnlichkeit zwischen Buddhismus und dem Franziskanerorden, die jeweils für die chinesische Malerei der Yuan-Dynastie und für die toskanische Kunst des Trecento wie auch für
ihre Vermittlung in der Missionstätigkeit eine zentrale Rolle gespielt habe. Die als Gemeinsamkeit der beiden Kunsttraditionen ausgemachte „religiosité mystique“ (S. 88) fand
er im Westen vor allem in der Sienesischen Malerei wieder. In den rahmenlosen Erzählungen
von Lorenzettis Buon Governo und Sassettas Zug der Heiligen Drei Könige sah er eine Parallele zu den kontinuierlich ohne feste Rahmen komponierten chinesischen Bildrollen. Auf
nur einer Seite (S. 92) versammelte er die „unbestreitbaren Beweise“ eines Einflusses: die
Darstellung von Tartaren und Chinesen bei Giotto, Lorenzetti und Andrea da Firenze sowie die Nachahmung und Wertschätzung ornamentaler Muster der chinesischen Textilkunst.
Das alles zeige, dass Giotto und Duccio „vis-à-vis du grand art de l’Extrême-Orient“
(S. 95) gearbeitet hätten.
Pouzyna überging den vermittelnden Einfluss der zwischen China und Italien liegenden geografischen Gebiete und Kunsttraditionen: Etwa die islamischen Dynastien der Ilkhaniden, Timuriden und Mameluken. Exemplarisch dafür steht der Vergleich einer Himmelfahrt Marias mit Engeln von Gentile da Fabriano mit einer buddhistischen Plastik, der
sich in ähnlicher Form bereits bei Gustave Soulier findet (Abb. 17). Im unterschied zu
Soulier, auf dem Pouzyna in weiten Teilen fußt, spielt der Renaissance-Gedanke beim russischen Emigranten eine herausragende Rolle. Aus unterschiedlichen (meist nationalistisch
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Abb. 17: Bildvergleich Pietro Lorenzetti ‚Mariä Himmelfahrt‘ und chinesische Schule ‚Die Geister des
Wassers, des Feuers, des Tages …‘ (Soulier 1924, Taf. XLVI)
gefärbten) Perspektiven hatte man bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Bedeutung der Antike für die italienischen Renaissance stark relativiert, nordeuropäische beziehungsweise
christliche Geburtshelfer der italienischen Erneuerung geltend gemacht sowie im Anschluss an die zahlreichen Publikationen von Josef Strzygowski das Italien der frühen Neuzeit in weite, geografische Horizonte einzubetten versucht. Der Strzygowski-Schüler Heinrich Glück gab seinem Artikel Das kunstgeographische Bild Europas am Ende des Mittelalters und die Grundlagen der Renaissance von 1921 eine Landkarte bei, in der er die sich
in Italien überlappenden geografischen ‚Einfluss-‘ oder wie man heute sagen würde ‚Kontaktzonen‘ grafisch darstellte (Abb. 18). Parallel dazu kam auch Ernst Diez (ebenfalls ein
Strzygowski-Schüler) zu einer Neubewertung der Kunst des osmanischen Reiches und wertete diese nunmehr als die internationalste Kunst der frühen Neuzeit mit Bezügen in den
entferntesten Osten und Westen (Pancaroğlu 2008).
In Frankreich behauptete Louis Courajod, auf den sich schon Soulier berief, die ausschließlich französischen Wurzeln der Renaissance in Frankreich und bettete die Entstehung
des gotischen Stils in ein weitausgreifendes Panorama ein, das von den armenischen Kirchen über den Orient bis zu den Holzkirchen Norwegens reichte. Gegen diese nationalistische und zugleich globalgeografische (oft letztlich rassistisch-völkisch geprägte) Renaissance-Deutung opponierte 1934 Louis Dimier (Vaisse 2008). Damit sind die Koordinaten angegeben, in die man den Versuch von Pouzyna einzuordnen hat. Pouzyna
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Abb. 18: Das kunstgeographische Bild Europas am Ende des Mittelalters und die Grundlagen der Renaissance (Glück 1921, S. 163)
beabsichtigte, das Prestige der Renaissance, das er offenbar durch nationalistische und völkische Interpretationen gefährdet sah, mit geografischen Siebenmeilenstiefeln als weltgeschichtliche Erneuerungsbewegung in seinen Beziehungen zum äußersten Orient zu retten.
Pouzyna wies der katholischen Kirche dabei eine entscheidende Bedeutung zu: Die christlichen Missionare erweckten die daniederliegenden Künstler Italiens mit der Infusion einer raffinierten, überlegenen, spirituellen Kulturlösung aus dem fernsten Osten. Henry Thode und Vladimiro Zabughin waren für Pouzyna die Taufpaten dieses religiös geprägten Renaissance-Bildes. In der bedrohlichen Situation der Dreißiger Jahre ließ Pouzyna die
italienische Renaissance im Glanz Chinas erstrahlen, stilisierte sie zu einem internationalen, weltgeschichtlichen Ereignis, das maßgeblich von kultivierten, toleranten, christlichen
Missionaren angestoßen wurde.
Pouzyna selbst emigrierte als ehemaliger Professor in Sankt Petersburg aus dem revolutionären Russland und lehrte nach Stationen in Finnland und Deutschland seit 1932 als
Professor für Geschichte am Institut Catholique de Paris. Pouzyna unterschied sich von
Strzygowski und seinen Epigonen durch die Ablehnung von Rassen- und Kulturursprungsfantasien. In Abwandlung des Diktums Aby Warburgs, wonach Athen stets aus Alexandrien zurückzuerobern sei, versuchte Pouzyna die italienische Renaissance unter umgehung der totalitär verseuchten Antike aus einem spirituell verstandenen China zurückzugewinnen (zur Antike siehe Sünderhauf 2004). Trotz des schematischen Verfahrens (vor
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Wann war Renaissance
allem im kunsthistorischen Teil) hat der Versuch von Pouzyna den Vorzug, die Frage nach
der Bedeutung der Kulturkontakte für die Renaissance in aller Schärfe gestellt zu haben.
Matteo Burioni
Literatur
PANCAROğLu, Oya: Formalism and the Academic Foundation of Turkish Art in the Early Twentieth
Century, in: Muqarnas 24 (2007), S. 67–78.
SÜNDERHAuF, Esther Sophia: Griechensehnsucht und Kulturkritik: Die deutsche Rezeption von
Winckelmanns Antikenideal 1840–1945, Berlin 2004.
VAISSE, Pierre: Courajod et le problème de la Renaissance, in: Recht, Roland u.a. (Hg.): Histoire de
l’histoire de l’art en France au XIXe siècle, Paris 2008, S. 95–112.
WOOD, Christopher S.: Strzygowski und Riegl in den Vereinigten Staaten, in: Wiener Jahrbuch für
Kunstgeschichte 53 (2004), S. 217–233.
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WAS WAR RENAISSANCE ?
Bilder einer Erzählform von Vasari bis Panofsky
Herausgegeben von
Hans Christian Hönes / Léa Kuhn / Elizabeth J. Petcu / Susanne Thürigen
Dietmar Klinger Verlag
2013
Gedruckt mit großzügiger Unterstützung des
SFB 573 „Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit“
Umschlagabbildungen
Vorderseite: Paul Ligeti: Der Weg aus dem Chaos. Eine Deutung des Weltgeschehens
aus dem Rhythmus der Kunstentwicklung, München 1931, S. 57.
Rückseite: Pierre Monier: Histoire des arts qui ont raport au dessein, divisée en trois livres où il
est traité de son origine, de son progrès, de sa chute, & de son rétablissement, Paris 1698, S. 145.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Prepress: Dionys Asenkerschbaumer
Druck: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg
Bindung: Buchbinderei Siegfried Loibl, Salzweg
© 2013 Dietmar Klinger Verlag, Passau
ISBN 978-3-86328-121-2
Printed in Germany
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