Gesundheitsgespräch - Bayerischer Rundfunk

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Gesundheitsgespräch
Das Immunsystem – wie wehrt sich unser Körper?
Sendedatum: 26.11.2016
Experten:
Dr. med. Axel Eustachi Zentrum für naturheilkundliche Forschung des
Klinikums rechts der Isar, TU München
Dr. med. Dieter Hoffmann Leiter des diagnostischen Labors am Institut für
Virologie des Klinikums rechts der Isar, TU München
Autorin: Monika Dollinger
In jeder Sekunde kämpfen Milliarden von Immunzellen im menschlichen Körper
gegen Eindringlinge, zum Beispiel gegen Rhinoviren, die sich gerne in der Nase
breit machen und Schnupfen auslösen, gegen Pneumokokken, die sich in der
Lunge vermehren und so zu einer Lungenentzündung führen können, und
gegen Influenza-Viren, die sich jedes Jahr neu formieren und für Grippewellen
verantwortlich sind.
Der menschliche Körper setzt die verschiedenen Immunzellen, unter anderem
Fresszellen gegen Bakterien und T-Killerzellen gegen Viren, ein. Die
Wissenschaft hat schon viele Strategien der Immunabwehr offengelegt, aber
trotzdem sind noch viele Zusammenhänge unerforscht.
"Das Immunsystem muss vom ersten Lebenstag an kontinuierlich trainiert
werden." Dr. Dieter Hoffmann, Leiter des diagnostischen Labors am Institut für
Virologie, Klinikum rechts der Isar, TU München
„Andauernden Stress sollte man unbedingt meiden, denn er schwächt das
Immunsystem.“ Dr. Axel Eustachi vom Zentrum für naturheilkundliche
Forschung, ebenfalls am Klinikum rechts der Isar.
Monika Dollinger hat beide gefragt, wie man sein Immunsystem am besten
stärkt.
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Immunsystem – Wie funktioniert es?
Tag für Tag atmen wir Fremdkörper ein, nehmen sie beim Essen und Trinken
auf und kommen mit ihnen über Körperkontakt in Berührung. Trotzdem haben
uns noch kein Salat und kein Händeschütteln umgebracht. Das liegt daran,
dass sich die Immunzellen auf jeden Fremdkörper stürzen, der uns gefährlich
werden könnte. Das Immunsystem ist das Geheimnis unserer Gesundheit. Ein
Apparat, der tagtäglich erstaunliche Leistungen vollbringt und mitunter von uns
dabei nicht genug unterstützt wird.
Wogegen muss das Immunsystem kämpfen?
"Das sind vor allem Viren und Bakterien. Die meisten grippalen Infekte sind
durch Viren verursacht, schwerere Krankheitsbilder (Lungenentzündungen,
Durchfallerkrankungen) können sowohl durch Viren als auch durch Bakterien
bedingt sein. Während Viren in Zellen eindringen und diese zerstören,
vermehren sich Bakterien autonom." Dr. Hoffmann, Schulmediziner
Angeborenes und erworbenes Immunsystem
Das angeborene Immunsystem wirkt immer, wenn ein Fremdstoff (Giftstoffe,
Viren und Bakterien) in den Körper gelangt, unabhängig davon, ob der Körper
diesem Stoff schon einmal begegnet ist oder nicht.
Das angeborene Immunsystem besteht aus:
• Fresszellen (Makrophagen),
• Granulozyten,
• natürlichen Killerzellen, die verdächtige Körperzellen, zum Beispiel
Tumorzellen, abtöten und
• Botenstoffen.
Alle genannten Zellen gehören zu den weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die
sich im Falle einer Infektion stark vermehren. Am häufigsten sind die
sogenannten Granulozyten, die durch Botenstoffe zu einer Entzündung
angelockt werden und nicht nur in den Blutbahnen, sondern auch durch
Gewebe wandern können. Wenn sie in großer Zahl aktiv sind, werden sie
mitunter als Eiter an einer Wunde sichtbar.
Das erworbene Immunsystem funktioniert folgendermaßen: Wenn ein
Krankheitserreger im Körper eindringt, dann wird er - falls der Körper schon
einmal Kontakt mit ihm hatte - von den lymphatischen Gedächtniszellen
erkannt. Dadurch kann die Antwort des Immunsystems viel schneller erfolgen,
meist so schnell, dass keine oder nur sehr abgeschwächte Krankheitszeichen
auftreten. Diese sogenannte Immunität besteht also, wenn eine Krankheit kein
zweites Mal ausbricht, und betrifft vor allem Krankheiten, die durch Viren
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ausgelöst werden.
Woher weiß das Immunsystem, dass es an einer Körperstelle gebraucht
wird?
Wenn man sich beispielsweise in den Finger geschnitten hat und somit
Bakterien in den Körper gelangen können, tritt das lymphatische System auf
den Plan, um das ganze Immunsystem zu informieren. An verschiedenen
Stellen des Körpers befinden sich Lymphknoten, die die Kommunikation unter
den Immunzellen verbessern und sie an die Stellen im Körper verweisen, an
denen sie gebraucht werden.
Zu den Immunzellen des Lymphsystems, den Lymphozyten, gehören folgende
Zellen:
▪ B-Zellen entstehen in den Lymphknoten und wandern ständig durch den
Körper. Sie können sich weiterentwickeln zu Plasmazellen, die wiederum
Antikörper herstellen. Antikörper sind Eiweißmoleküle, die spezifisch für
einen bestimmten Krankheitserreger wie beispielsweise Masern oder
Hepatitis B sind. Dabei binden sie die Krankheitserreger, machen sie
unbeweglich oder kennzeichnen sie, sodass sie von Fresszellen (zum
Beispiel Makrophagen) leichter beseitigt werden können.
▪ T-Zellen können direkt gegen Erreger aktiv werden. Einige T-Lymphozyten
sind toxisch für Zellen mit verdächtigen Oberflächenmarkern, zum
Beispiel bei Virusinfektion oder maligner Entartung. Andere nennt man
die T-Helfer-Zellen, die dem ganzen Immunsystem unterstützend zur
Seite stehen. Wenn sie wie bei einer HIV-Infektion selbst angegriffen
werden, führt das zu einer Immunschwäche.
▪ Von beiden Formen produziert das Abwehrsystem Gedächtniszellen, die
lebenslang im Körper bleiben und Immunität vermitteln. Um
festzustellen, ob ein Patient immun gegen eine Krankheit ist, werden die
Antikörper bestimmt, da sie besser als die T-Zellen zu messen sind, zum
Beispiel im Falle von Röteln bei Frauen.
Nur gemeinsam stark
Beide, das angeborene und das erworbene Immunsystem, arbeiten durch ein
kompliziertes und wissenschaftlich noch nicht bis ins letzte Detail analysierte
System ständig eng zusammen.
Und wenn sich das Immunsystem irrt?
Wenn das Immunsystem irrtümlicherweise körpereigene statt fremde Zellen
angreift, kommt es zu Autoimmunerkrankungen oder Allergien. Dann wird mit
Cortison behandelt, das die Immunreaktion schwächt.
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Die Schranken des Körpers
Durch die Haut können so gut wie keine Fremdkörper in den Körper dringen.
Die Körperöffnungen sind durch Schleimhäute geschützt, auf denen sich eine
gemischte Gruppe von Antikörpern (IgA) befindet, die eine lokale Abwehr
leistet. Barrieren sind auch die inneren Körperoberflächen: Die Darmoberfläche
beispielsweise ist durchzogen von vielen Lymphbahnen, damit dort die
Erkennung von Eindringlingen gewährleistet ist.
Grippaler Infekt
Was passiert, wenn Viren einen grippalen Infekt im Körper auslösen?
"Wenn Viren den Körper infizieren, dringen sie in Körperzellen ein und
vermehren sich dort. Bestandteile des Virus, sogenannte Antigene werden an
der Zelloberfläche präsentiert und dadurch wird eine Immunreaktion ausgelöst.
Im Zuge dieser Immunreaktion werden Botenstoffe freigesetzt, die die grippale
Symptome, z.B. Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen bewirken." Dr. Hoffmann,
Schulmediziner
Zusammenhang von Stress und Immunsystem:
Naturheilkunde
"Wir wissen aus täglicher Praxis und Forschung, dass ein gewisses
Stressniveau für das Immunsystem förderlich sein kann. Aber eine
Stressbelastung, die zu hoch ist - und das unterscheidet sich individuell -, geht
eher mit einer Unterdrückung des Immunsystems einher, vor allem dann, wenn
die Stressbelastung zu lange andauert." Dr. Eustachi, Naturheilkundler
Schulmedizin
"Wenn wir Stress ausgesetzt sind, ist der Körper in Alarmbereitschaft, denn
evolutionsbedingt muss der Körper in solchen Situationen 'fluchtbereit' sein.
Das Hormon Cortisol wird unter anderem bei Stress vermehrt ausgeschüttet,
um den Körper fluchtbereit zu machen. Es unterdrückt zu diesem Zweck
Schmerzen und hemmt das Immunsystem, denn andere Körperfunktionen
(Durchblutung von Muskelzellen, Erhöhung der Reaktionsbereitschaft) sind in
so einer Situation wichtiger. Dadurch können aber Erreger leichter in den
Körper eindringen, sich vermehren und heftiger zuschlagen, als wenn sie von
vornherein abgefangen worden wären. Ein typisches Beispiel hierfür ist zum
Beispiel der Postbote, der vor Weihnachten wochenlang großen Stress erlebt
und dann in der Weihnachtszeit, wenn er zur Ruhe kommt, krank wird." Dr.
Hoffmann, Schulmediziner
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Muss das Immunsystem durch Infektionen in der Kindheit lernen?
"Heutzutage weiß man, dass eine zu keimarme Umgebung eher verhindert,
dass der Körper lernt, fremde und eigene Proteine auseinander zu halten.
Wenn er nicht genug fremde Proteine wie zum Beispiel Viren und Bakterien
kennen gelernt hat, kann er nicht die richtige Gegenreaktion entwickeln: Das
Immunsystem trainiert unter Umständen sogar anhand von eigenen Proteinen.
Es wird vermutet, dass das vermehrt zu Allergien führen oder eventuell die
Entwicklung von Autoimmunkrankheiten auslösen kann. Die notwendige
Konfrontation mit fremden Zellen sollte aber auch nicht zu früh passieren. Man
empfiehlt deshalb, Kleinkinder die ersten drei bis sechs Lebensmonate zu
stillen. Das Immunsystem ist erst im jugendlichen Alter voll entwickelt, also
quasi erwachsen geworden." Dr. Hoffmann, Schulmediziner
Warum gibt es so viele Infektionen im Winter?
Naturheilkunde
"Hauptinfektionen treten zu Zeiten auf, in denen sich Temperaturen verändern
und Wind oder Zugluft dazukommt. Durch die veränderte
Umgebungstemperatur wird die Temperaturregulation des Menschen gefordert.
Durch Zugluft oder die trockene Heizungsluft werden die Schleimhäute weniger
durchblutet und die Abwehrleistung gegen Erkältungserreger, die sich vor allem
auf den Schleimhäuten abspielt, kann geschwächt werden." Dr. Eustachi,
Naturheilkundler
Schulmedizin
"Da sich die Menschen im Winter in geschlossenen Räumen aufhalten, sind sie
einer höheren Konzentration an Erregern ausgesetzt. Es treten aber auch viele
Infektionen im Sommer auf, man denke nur an die 'Sommergrippe'. Im Winter
halten Menschen sich mehr in geschlossenen Räumen und öffentlichen
Verkehrsmitteln auf, wo Krankheitserreger leichter übertragen werden können.
Neben der negativen Wirkung von trockener Luft auf die Schleimhäute gibt es
auch Hinweise, dass sich die Tröpfchen, die Erkältungsviren übertragen, in
trockener Luft besser ausbreiten." Dr. Hoffmann, Schulmediziner
Training – Stärkung des Immunsystems
Es beginnt in den ersten Lebenssekunden und hört bis zum Lebensende nicht
auf: Immer wieder muss sich das Immunsystem auf neue Fremdkörper
einstellen, neue Antikörper und Immunzellen produzieren und neue
Kampfstrategien entwickeln. Dabei gilt die Regel: Wer rastet, der rostet. Das
Immunsystem braucht Bewegung, um fit zu sein. Aber es braucht auch
Entspannung, um wieder Kraft zu schöpfen. In der richtigen Abwechslung von
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Walking und Wellness oder Schwimmen und Saunen liegt der Schlüssel zum
gesunden Körper.
"Das ist zum Beispiel dadurch möglich, dass man sich körperlich bewegt
(Spazieren gehen, Freizeitsport) und Reizsituationen schafft, wie zum Beispiel
den Heiß-Kalt-Wechsel beim Saunabesuch. Das sind kurzzeitige
Stresssituationen für den Körper, in denen alle Körperfunktionen, unter
anderem das Herz-Kreislaufsystem, aber eben auch die Immunabläufe trainiert
werden. Den langhaltenden Alltagsstress sollte man möglichst meiden. Denn je
länger der Stress anhält, desto länger wird auch das Immunsystem gehemmt."
Dr. Hoffmann, Schulmediziner
Warum stärkt frische Luft das Immunsystem?
"Frische Luft ist für die Schleimhäute besser als Raumluft. Und die damit
verbundene Temperaturreizung, das heißt die Reizung von Wärme oder
Kälterezeptoren, wirkt regulativ auf die Durchblutung. Dies ist ein gutes Training
für den modernen Menschen, dessen Gefäße im Gegensatz zu unseren
Vorfahren viel zu wenig trainiert werden. Frischluft ist Teil eines Trainings, das
man auch mit Hydrotherapie kombinieren könnte, zum Beispiel mit
Wasseranwendungen nach Kneipp. Die Temperaturreizung liegt auch dem
kalten Duschen oder Saunen zugrunde. Die Erfahrungsheilkunde zeigt, dass
beides das Immunsystem stärkt." Dr. Eustachi, Naturheilkundler
Tipp: Ansteigendes Fußbad
"Vor allem bei Infekten im Nasen-Mund-Rachenraum ist das ansteigende
Fußbad - wenn es im Frühstadium durchgeführt wird - erstaunlich gut, denn es
regt die Durchblutung an. Und so funktioniert es: Nehmen Sie einen großen
Eimer oder eine Plastikwanne und füllen Sie warmes Wasser (33 Grad Celsius)
hinein. Lassen Sie in den nächsten 20 Minuten langsam heißes Wasser dazu
laufen, bis zu einer Temperatur, die Sie noch als erträglich empfinden oder bis
Sie anfangen zu schwitzen (39 bis 40 Grad Celsius). Bleiben Sie für ungefähr
fünf Minuten in dieser Temperatur. Anschließend ziehen Sie sich warme
Socken an und legen sich zum Nachschwitzen ins vorgewärmte Bett, am
besten 15 bis 20 Minuten." Dr. Eustachi, Naturheilkundler
Hilft Sport bei Erkältungen?
Naturheilkunde
"Präventiv ist moderater Sport wichtig: Pro Tag 30 Minuten die Herzfrequenz
auf 180 minus Lebensalter bringen. Praktischer gesagt sollte während des
Sports eine normale Unterhaltung möglich sein. Welche Sportarten man
ausübt, ist eine individuelle Entscheidung: Es kann zum Beispiel Schwimmen,
Langlaufen oder Walking sein." Dr. Eustachi
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Schulmedizin
"Im akuten Infekt sollte man Sport meiden, weil es zusätzlichen Stress bedeutet
und eher den Infekt verschlimmert. Von Hochleistungssportlern weiß man, dass
ihr Immunsystem durch das harte, lang andauernde Training eher geschwächt
ist." Dr. Hoffmann
Fördert Entspannung die Immunabwehr?
"Entspannung gehört zu einer sinnvollen, gesundheitsfördernden Lebensweise.
Denn der Körper ist nicht für Dauerbelastung gemacht. Auf eine Periode hoher
Beanspruchung muss immer eine Periode der Entspannung folgen. Aber
einfach länger schlafen alleine reicht nicht. Es kommt auf die Kombination von
Bewegung und Ruhe an." Dr. Eustachi, Naturheilkundler
Wichtig: ausreichend Schlaf
"Die Bedeutung des Schlafs wird viel beforscht, aber man weiß immer noch
nicht genau, wie er mit einem gesunden Immunsystem zusammenhängt. Schlaf
ist die natürliche Ruhepause im stressigen Alltag und unterbricht die
Ausschüttung von Cortisol. Außerdem wird im Schlaf - um es salopp zu sagen viel aufgeräumt, was im Laufe des Tages kaputt geht. Aber wie Schlaf und
Immunsystem genau zusammenhängen, weiß man bislang nicht." Dr.
Hoffmann, Schulmediziner
Prävention – Immunsystem stärken, Schaden abwenden
Wie stärkt man das Immunsystem und was schadet ihm? Dafür gibt es kein
einfaches Erfolgsrezept. Eine gesunde Immunabwehr, ein gesunder Mensch,
braucht vielseitige Unterstützung. Das beginnt beim Essen und endet beim
Schlafen. Die Organe sind genauso beteiligt wie die Psyche. Nur wer
ganzheitlich denkt, hat ein wirklich starkes Immunsystem. Trotzdem: Vor Grippe
sollten sich gefährdete Personen schützen, darin sind sich Schulmedizin und
Naturheilkunde einig.
Welche Immunstimulation ist grundsätzlich sinnvoll?
"Prinzipiell ist eine Optimierung der Lebensweise das Wichtigste: Vollwertkost,
regelmäßige Bewegung und Entspannung. Ich rate stabilen Menschen nicht zur
Einnahme immunstimulierender Präparate. Nur wenn man Zeichen einer
Erkältung spürt, kann man versuchsweise hochdosiert (= ein halbes bis drei
Gramm pro Tag) Vitamin C einnehmen. Eine Studie hat gezeigt: Ein gesunder
Mensch, der nicht mehr als zwei Infekte pro Jahr hat, profitiert nicht von einer
präventiven Einnahme von Vitaminen oder pflanzlichen Wirkstoffen. Bei
anfälligen Immunsystemen könnte man es probieren." Dr. Eustachi,
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Naturheilkundler
Welche Ernährung ist wichtig und richtig?
"Eine vollwertige Ernährung unterstützt das Immunsystem: Vorwiegend
pflanzlich - ergänzt durch zweimal pro Woche Fisch. Wenn man unbedingt will,
kann man zweimal pro Woche Fleisch essen. Nahrungsmittel, die bestimmte
pflanzliche Substanzen enthalten - wie Inulin und Oligofruktose - scheinen das
Wachstum gesunder Darmbakterien anzuregen und über diesen Weg ein
gesundes Immunsystem zu unterstützen. Beispiele für solche Nahrungsmittel
sind Artischocke, Schwarzwurzel, Topinambur, Zwiebel, Knoblauch, Spargel
und Banane." Dr. Eustachi, Naturheilkundler
Vitamin A, C und E und die Spurenelemente Zink und Selen sind für das
Immunsystem besonders wichtig. Aber sie wirken eher unspezifisch, denn das
Immunsystem ist so komplex, dass man eine direkte Wirkung nicht nachweisen
kann.
"Hemmend auf das Immunsystem wirkt unter anderem zuviel Alkohol. Alkohol
ist ein Zellgift und stört die immunologischen Abläufe. Rauchen schwächt die
Immunabwehr besonders in der Lunge; dadurch entsteht dort eine chronische
Abwehrschwäche." Dr. Hoffmann, Schulmediziner
Multivitaminpillen = natürliche Vitamine?
Schulmedizin:
"Multivitaminpräparate sind als Ergänzung ganz gut, können aber Obst und
Gemüse nicht ersetzen, da sich in diesen über die bekannten Vitamine hinaus
noch mehr gesundheitsfördernde Stoffe befinden. Vitamin C ist so wichtig, weil
es die bei der Infektion auftretenden Radikale auffängt, die sonst die
Körperzellen schädigen würden." Dr. Hoffmann
Naturheilkunde:
"In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass durch die Einnahme von
Vitamin C zu Beginn einer Erkältung die Infektdauer verkürzt werden kann.
Letztlich besteht allerdings keine Klarheit darüber, ob es wirklich sinnvoll ist, ein
Vitamin-C-Präparat einzunehmen. Es spricht einiges dafür, dass sich der
größte Effekt der Vitamine in ihrer natürlichen Verpackung, also im
Lebensmittel, entfaltet. Wahrscheinlich ist die Kombination mit den sekundären
Pflanzenstoffen wichtig. Inzwischen werden einige Präparate angeboten, bei
denen diese Stoffe ebenfalls enthalten sind." Dr. Eustachi
Hausmittel Heiße Zitrone
"Bei der heißen Zitrone kommt es nicht so sehr auf das Vitamin C an, denn
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durch die hohe Temperatur wird viel davon zerstört. Aber das heiße Getränk
verbessert die Durchblutung. Aus naturheilkundlicher Sicht ist bei einem Infekt
die Durchblutung der Schleimhaut zu schlecht, um Abwehr leisten zu können.
Die Wirkung der alten Hausmittel Grog oder heiße Zitrone mit Rum, könnte man
damit erklären, dass Alkohol die Durchblutung der Haut und Füße erhöht und
gut gegen Keime ist." Dr. Eustachi, Naturheilkundler
Für wen ist die Grippeimpfung sinnvoll?
Schulmedizin
"Menschen, die älter als 60 Jahre sind, und Patienten mit chronischen
Erkrankungen (von Diabetes bis Asthma), aber auch Patienten mit
Immunschwäche (zum Beispiel HIV) und Tumorleiden sollten sich gegen
Grippe impfen lassen. Außerdem ist eine Impfung für Personen, die viel Kontakt
zu den genannten Patienten haben, sinnvoll, damit sie die Grippe nicht
übertragen. Die Impfung trainiert den Körper speziell für den Fall, dass er
tatsächlich mit dem Grippevirus in Berührung kommt, deshalb ist die Impfung
nur auf die echte Grippe und nicht auf Erkältungen ausgerichtet." Dr. Hoffmann
Naturheilkunde
"Ich würde den Risikogruppen schon zu einer Impfung raten. Zwar haben
manche Naturheilkundler Bedenken, einen gesunden Menschen mit intaktem
Immunsystem aus prinzipiellen Gründen zu impfen. Aber es gibt leider immer
wieder Fälle, bei denen Menschen aus scheinbarer Gesundheit schwer
erkranken. Ganzheitlich gesehen sollte man jedoch für jeden Patienten
möglichst individuell entscheiden und die Stärkung des Immunsystems durch
eine Optimierung des Lebensstils zur Grundlage machen. Dann kann auch eine
Grippeimpfung gegebenenfalls problemloser vom Patienten verarbeitet
werden." Dr. Eustachi
Welche pflanzlichen Mittel sind sinnvoll?
"Extrakte des Sonnenhutkrautes (Echinacea purpurea) sind die wohl derzeit am
besten untersuchten Wirkstoffe zur Beeinflussung des Immunsystems bei
chronischen oder immer wieder auftretenden Infekten. Ob die Anwendung
prinzipiell sinnvoll ist, weiß man noch nicht. Mit einer unspezifischen
Immunstimulation können auch latente Autoimmunprozesse ausgelöst werden:
Krankheiten wie chronisch-entzündliche Prozesse, die ein intaktes
Immunsystem des Menschen eigentlich kontrolliert, könnten reaktiviert werden.
Das spricht gegen jede unkontrollierte, aber besonders die pflanzliche
Immunstimulation. Ansonsten sind Echinacea-Extrakte in der Anwendung als
unproblematisch zu bezeichnen. Man sollte sie aber nicht länger als sechs bis
acht Wochen einnehmen, weil dann eine Gewöhnung eintreten kann. Der frei
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verkäufliche Ginseng erhöht die Widerstandskraft des Körpers gegen ganz
unterschiedliche Belastungen, ist also auch Immunsystem-unterstützend. Doch
auch hier ist die Einnahme länger als drei Monate problematisch, denn Ginseng
kann beispielsweise den Blutdruck erhöhen oder hormonähnliche Wirkungen
haben. Aus naturheilkundlicher Sicht ist eine Dauerstimulation des
Immunsystems grundsätzlich nicht sinnvoll." Dr. Eustachi, Naturheilkundler
Verhindert eine Immunsystem-Stärkung eine Immunschwäche?
"Die meisten Immunschwächen sind durch schwere Erkrankungen (man denke
nur an das HI-Virus) oder durch Tumorerkrankungen bedingt. Dagegen kann
man sich nicht durch eine Stärkung des Immunsystems schützen. Trotzdem:
Jeden Tag entarten im Körper Zellen, die zu einem Tumor führen können.
Wenn das Immunsystem normal arbeitet, eliminiert es sie. Wenn es jedoch auf
Dauer - beispielsweise durch zu viel Stress - geschädigt ist, ist auch die Gefahr
größer, dass man an Krebs erkrankt. Das ist zwar nicht durch Studien, aber
durch Alltagserfahrung belegt." Dr. Hoffmann, Schulmediziner
Immunsystem – Medikamente der Schulmedizin
Wer Husten hat, kann genauso zwischen unzähligen Medikamenten wählen,
wie ein Patient mit Grippe, der einfach nur eine Nacht gut schlafen will. Doch
was ist wann wirklich sinnvoll?
"Gegen Influenzaviren gibt es spezifische wirkende Arzneimittel, gegen andere
Erkältungsviren bisher nicht. Wichtig ist es, aus dem Stress-Karussell
auszusteigen und sich einmal wirklich Ruhe zu gönnen."
Schulmediziner Dr. Dieter Hoffmann
Der Körper braucht oft keine Pillen, nur unser schneller Lebensrhythmus lässt
ihm keine Zeit mit den Fremdkörpern fertig zu werden.
Welche Medikamente helfen bei Erkältung und Grippe?
"Es gibt verschiedene Medikamente, die man einnehmen kann, um die
Symptome eines grippalen Infekts zu lindern: ASS (Acetylsalicylsäure) oder
Paracetamol stillen Schmerzen und senken Fieber. Unterschiedliche Präparate
sind für die Nacht gedacht; sie enthalten oft ein Schmerzmittel und Stoffe, die
Husten bremsen. Alle diese Medikamente haben letztlich den Zweck, dass der
Körper sich erholen kann. Denn jeder Schmerz bedeutet für den Körper wieder
einen Stressfaktor. Sie wirken aber nur symptomatisch.
Influenzaviren können durch spezifische antivirale Medikamente bekämpft
werden. Sie sind am wirksamsten, wenn sie früh im Krankheitsverlauf gegeben
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Tipp: Nase freihalten
"Wenn die Schleimhäute anschwellen, können Sekrete der Nasennebenhöhlen
schlechter abfließen, was zu Nebenhöhlenentzündungen führen kann.
Deswegen sind Nasensprays, die ein Abschwellen bewirken, sinnvoll." Dr.
Hoffmann
Aber Vorsicht vor zu langem Gebrauch!
Die Wirkung nimmt zunächst ab und man kann abhängig von den Sprays
werden und braucht sie dann ständig, um frei durchatmen zu können. Die
gefäßverengende Wirkung kann die Nasenschleimhäute dann chronisch
schädigen.
Wann helfen Antibiotika?
Schulmedizin
"Antibiotika helfen, wenn Bakterien die Verursacher der Erkrankung sind. Die
meisten grippalen Infekte werden jedoch von Viren ausgelöst. Zum Beispiel
Husten: Wenn es nur ein trockner Husten ist, liegt eine virale Entzündung
zugrunde. Wenn der Husten schlimmer wird und Eiter sowie hohes Fieber
auftreten, hat sich wahrscheinlich eine bakterielle Infektion auf die virale
"aufgesetzt": Die Bakterien nutzen dabei die Vorschädigung der Schleimhäute
durch die Viren. In einem solchen Fall sind Antibiotika sinnvoll." Dr. Hoffmann
Naturheilkunde
"Der Einsatz von Antibiotika muss selbstverständlich auch unter
naturheilkundlichen Aspekten erwogen werden. Die Stärke der Naturheilkunde
liegt in der Vorbeugung und der Behandlung von chronischen Erkrankungen.
Bei einem akuten bakteriellen Infekt, den der Körper nicht selbst beherrschen
kann, muss ein Antibiotikum gegeben werden. Sinnvoll kann die Kombination
einer Antibiotika-Behandlung mit Anwendungen aus der Naturheilkunde zur
symptomatischen Behandlung sein - wie beispielsweise die Anwendung von
Wärme." Dr. Eustachi
Aktuelles aus der Forschung
"Noch immer weiß die Forschung recht wenig über das komplexe
Immunsystem. In allen Bereichen wird geforscht: Beispielsweise wie eine
Abwehrzelle genau auf eine fremde Zelle reagiert. Erst in den letzten Jahren
hat die Wissenschaft herausgefunden, dass der Körper tatsächlich Fremdstoffe
braucht, um sein Immunsystem richtig einzustellen. Eine Studie hat Kinder aus
München und einer Industriestadt in der ehemaligen DDR verglichen. Man
dachte, die Kinder aus München seien gesünder als die aus der
Vergleichsstadt. Es war jedoch genau das Gegenteil der Fall: Die Kinder aus
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der ehemaligen DDR hatten weniger Allergien. Ihr Immunsystem war besser
trainiert." Dr. Hoffmann
Alternative Methoden – Naturheilkunde für das Immunsystem
Ein starkes Immunsystem ist nicht nur für gesunde Menschen wichtig, sondern
besonders für chronisch Kranke, zum Beispiel Krebs-Patienten. Deswegen
versuchen viele von ihnen ihre Abwehr zum Beispiel mit Mistelpräparaten zu
stärken. Im Blut von damit behandelten Versuchspersonen fanden
Wissenschaftler eine erhöhte Anzahl von Killerzellen und wichtigen
Botenstoffen. Viele naturheilkundliche Therapien sind in wissenschaftlichen
Studien noch nicht untersucht worden. Dann kann der Patient oft nur selber
beurteilen, was ihm hilft und was nicht.
Wie wirkt Traditionelle Chinesische Medizin auf das Immunsystem?
"Die Empfehlungen der TCM fußen auf der Pflege des Energiehaushaltes, also
dem Verhältnis und der Verteilung von Energiereserven im Körper. Wenn der
Mensch genug Energien zur Verfügung hat, um seinen Anforderungen und
Abwehrleistungen nachzukommen, erkrankt er nicht. TCM achtet auf eine
ausgewogene Ernährung. Außerdem empfehlen sowohl ein chinesischer
Mediziner als auch wir (beispielsweise unseren Tumorpatienten) Techniken wie
Qi Gong oder Tai Chi, mit denen man Energiepflege betreiben kann."
Dr. Eustachi
Stärkt Akupunktur die Immunabwehr?
"Es sind Effekte denkbar, aber die Akupunktur zielt vor allem auf die
Schmerzbehandlung. Die chinesische Theorie schreibt bestimmten
Akupunkturpunkten eine immunstimulierende Wirkung zu, aber Akupunktur
kommt im Einzelfall zu spät und es gibt bessere Mittel zur Immunstärkung.
Wenn ein Infekt Schmerzen bereitet, kann man diese aber natürlich mit
Akupunktur behandeln."
Dr. Eustachi
Stärkt die Darmsanierung das Immunsystem?
"Jeder Naturheilkundler, der sich ganzheitlich betätigt, setzt auch
Darmsanierung ein. Sie kann sinnvoll sein, weil die unspezifische Stimulation
der darm-assoziierten Lymph-Folikel nicht nur bei Verdauungsproblemen,
sondern auch bei Nebenhöhlenentzündungen und anderen Infekten einen
positiven Effekt hat. Warum das so ist, ist noch nicht entschlüsselt."
Dr. Eustachi
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Seite 12
Was ist besonders für chronisch Kranke wie Krebspatienten?
"Solange Tumorpatienten noch in der Akutbehandlung (Operation, Chemo- und
Strahlentherapie) sind, ist Vorsicht geboten. Falls der Patient nicht vollwertig
essen kann, kann man die Ernährung mit Vitaminen etc. ergänzen. Die Zufuhr
von hohen Dosen von Vitamin A, C und E, um unter anderem die Auswirkungen
der Chemotherapie abzumildern, könnte den Nachteil haben, dass auch die
Wirkung der Therapie beeinträchtigt wird. Der Arzt muss im Einzelfall mit dem
Patienten zusammen entscheiden."
Dr. Eustachi
Was erreicht Naturheilkunde gegen Autoimmunkrankheiten?
"Bei Autoimmunkrankheiten richtet der Körper seine Immunabwehr gegen
körpereigenes Gewebe. In diesen Fällen muss eine Anregung des
Immunsystems unbedingt unterbleiben. Ziel jeder naturheilkundlichen
Maßnahme kann bestenfalls die Unterstützung der Regulation des
Immunsystems sein - in dem Sinne, dass entzündungshemmende Wirkungen
im Körper unterstützt werden. Ein Punkt dabei ist die Ernährung: Bestimmte
Fettsäuren können in die Wege des Immunsystems eingreifen. Positiv im Sinne
der Verhinderung von Autoimmunerkrankungen können Omega-3-Fettsäuren
wirken, die zum Beispiel in Fisch, Rapsöl, Leinöl, Feigen und Walnüssen
enthalten sind. Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend und können
bei überschießenden Reaktionen des Immunsystems möglicherweise hilfreich
sein. Bei der üblichen modernen Fehlernährung herrscht ein Übergewicht der
ungesättigten Omega-6-Fettsäuren, die eher entzündungsanregend wirken. Die
Naturheilkunde verfügt über keine Mittel, die potent genug sind, um
schulmedizinische Mittel zur Unterdrückung des Immunsystems zu ersetzen."
Dr. Eustachi
Immunsystem und Psyche
"Ein Mensch, der im Einklang mit seinen Möglichkeiten leben kann, und dem es
gelingt, Stresssituationen zu minimieren oder schnell zu lösen, hat
möglicherweise auch ein besser funktionierendes Immunsystem. So gibt es
Hinweise, dass Menschen mit einer positiven Selbsteinschätzung oder dem
Gefühl, in ihrem Beruf Erfüllung zu finden, ein besser funktionierendes
Immunsystem haben. Doch noch ist unklar, was dabei Ursache und Wirkung
ist. Sicher ist nur, dass ein Zusammenhang besteht. Für den naturheilkundlich
tätigen Arzt ist es daher üblich, bei Menschen mit geschwächtem
Immunsystem, nach Belastungen der Psyche zu suchen und
Verarbeitungstechniken mit in den Behandlungsplan einzubauen."
Dr. Eustachi
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Seite 13
Impfen von Kindern
Expertin:
Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Kinder- und Jugendärztin
Autorin: Kathrin Hasselbeck
Die Idee ist simpel: Durch eine Spritze mit erregerähnlichen Stoffen wird der
Körper dazu angeregt, vorbeugend eine Armee an Antikörpern gegen
bestimmte Krankheitserreger zu bilden. Sobald dann eine tatsächliche Infektion
droht, ist man bestens gewappnet: Das Immunsystem kann verhindern, dass
eine Krankheit ausbricht – man bleibt gesund.
Pocken – eine Erfolgsgeschichte
Eine Krankheit konnte durch Impfungen bereits komplett ausgerottet werden:
die Pocken. Seit den 1970-er Jahren ist weltweit niemand mehr an Pocken
erkrankt - ein Erfolg für Medizin und Forschung.
Masern – noch keine Erfolgsgeschichte
Gleiches hofften die Mediziner auch für die Masern. Das Ziel war es, diese
Krankheit bis 2010 verschwinden zu lassen. Es ist jedoch nicht gelungen – im
Gegenteil: Die Infektionen nehmen wieder zu. Vor allem in Bayern sprach man
im Frühjahr 2013 von einer regelrechten Epidemie. Im Vergleich zum Vorjahr ist
die Anzahl um das Zehnfache gestiegen. Auch 2015 gab es eine
Masernepidemie, vor allem in Berlin. Das liegt vor allem an der Impfmüdigkeit in
der Bevölkerung und daran, dass die Gefährlichkeit der Masern – auch
aufgrund von unsachlicher „Aufklärung“ - nach wie vor unterschätzt wird.
Gesetzeslage
Impfen ist in Deutschland nicht Pflicht, wird aber von Ärzten und der Ständigen
Impfkommission der Bundesregierung empfohlen.
Dem Text liegt ein Interview mit Dr. Gunhild Kilian-Kornell, Kinder-und
Jugendärztin in Starnberg, zugrunde.
Babys impfen - Warum schon im Säuglingsalter geimpft wird
Etwa neun Wochen alt sind die Säuglinge bei ihrem ersten Pieks. Eine Spritze
mit Impfstoffen gegen wahlweise fünf oder sechs Krankheiten sowie eine
Schluckimpfung werden dem Kind verabreicht. Sinnvoll oder unnötige Qual?
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Seite 14
Nestschutz – natürliche Impfung auf Zeit
Grundsätzlich werden Neugeborene in ihren ersten Lebensmonaten vor einigen
Infektionskrankheiten durch den sogenannten Nestschutz bewahrt. Während
der Schwangerschaft überträgt die Mutter ihre Antikörper auf das Kind. Somit
bekommen die Säuglinge zunächst eine Leihimmunität gegen Erreger, während
sich das eigene Immunsystem erst ausbildet. Dieser Schutz lässt mit der Zeit
nach. Im Blut entstehen eigene spezifische Antikörper, die das Kind langfristig
vor Krankheiten bewahren.
Kein Schutz von Geburt an
Trotz der hilfreichen Einrichtung Nestschutz ist es früher oft passiert, dass
Neugeborene an einfachen Infektionskrankheiten gestorben sind. Der
Nestschutz ist eben nur so umfänglich wie ihn eine Mutter bieten kann. Denn
hatte eine Frau als Kind nie selbst Masern, wurden bei ihr auch keine
Antikörper gebildet, die sie an das Baby weitergeben könnte. Außerdem gibt es
einige Abwehrstoffe, die gar nicht erst übertragen werden, zum Beispiel
diejenigen gegen Keuchhusten.
„Keuchhusten ist deshalb so gefährlich, weil die Säuglinge keine Leihimmunität
von der Mutter bekommen. Die Antikörper der Mutter gehen nicht während der
Schwangerschaft auf die Mutter über. Dadurch haben sie keinen Nestschutz. Ist
ein Baby infiziert, hustet es nicht auf die typische Art und Weise, sondern hat
stattdessen einen Atemstillstand.“ Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Gutes Immunsystem
Beim ersten Impftermin sind Säuglinge zwischen neun und zwölf Wochen alt.
Eltern gefällt mitunter der Gedanke nicht, dass ihrem Baby eine Spritze mit
erregerähnlichen Stoffen verabreicht wird – ganz zu schweigen vom Kind
selbst. Dennoch können sich Eltern mit dem Gedanken trösten, dass Säuglinge
über ein sehr gutes Immunsystem verfügen, das noch sehr wenig verbraucht
ist. Deshalb kann es die Fremdeiweißstoffe gut verkraftet und angemessen auf
diese reagieren.
„Ein Grund, warum wir schon so früh impfen, ist, dass Säuglinge ein
unverbrauchtes Immunsystem haben, das mit den Impfstoffen sehr gut fertig
wird. Würden Erwachsene denselben Impfstoff bekommen, den ein Säugling
bekommt, würden sie sehr viel heftiger mit Fieber und Ähnlichem reagieren,
weil ihr Immunsystem schon sehr viel gearbeitet hat.“ Dr. Gunhild Kilian-Kornell
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Gefahr Kinderkrankheit - Impfen bewahrt vor riskanten Krankheiten
Diphtherie, Tetanus, Polio – Diese Krankheiten waren in der Vergangenheit
sehr ernst zu nehmen. Sie bereiteten Eltern und Kind nicht nur schlaf- und
sorgenvolle Nächte, sondern konnten zum Teil schwerwiegende, lebenslange
Folgen haben oder gar zum Tod führen. Und sie sind weltweit nicht ausgerottet.
Erste Kombinationsimpfung
Mit etwa neun Wochen werden Säuglinge erstmals geimpft. In der Spritze sind
Impfstoffe gegen folgende Krankheiten enthalten:
- Diphtherie
- Keuchhusten
- Tetanus
- Polio (Kinderlähmung)
- Hib-Infektion
- ggf. Hepatitis
Dazu kommen eine Impf-Spritze gegen Pneumokokken und eine
Schluckimpfung gegen Rotaviren (nur im ersten Lebenshalbjahr).
Diese Impfungen müssen bis zum ersten Geburtstag noch zwei Mal wiederholt
und im zweiten Lebensjahr aufgefrischt werden.
Reifgeborene Kinder erhalten mit der ersten und dritten Fünf- oder SechsfachImpfung eine Impfung gegen Pneumokokken. Babys, die vor der 36.
Schwangerschaftswoche geboren sind, bei jeder Fünf- oder SechsfachImpfung.
Sonderfall Hepatitis B
Hepatitis B ist eine Leberentzündung, die man in sich tragen kann, ohne krank
zu sein, die aber sehr hoch ansteckend und leicht über Körperflüssigkeiten
übertragbar ist. Während der Schwangerschaft kann von der Mutter auf das
Kind keine Ansteckung erfolgen, wohl aber während der Geburt. Trägt eine
Mutter das Hepatitis-B-Virus in sich, muss ihr Baby spätestens zwölf Stunden
nach der Geburt geimpft werden.
Ansonsten kann der Impfstoff gegen Hepatitis B in der Kombinationsimpfung
unter Umständen auch weggelassen bzw. auf ein späteres Lebensalter
verschoben werden, schließlich besteht die Hauptansteckungsgefahr für
Hepatitis B im Geschlechtsverkehr oder über Blut.
„Dennoch spricht Einiges für eine Impfung im Säuglingsalter: Zum einen erspart
man dem Kind eine extra Spritze – der Impfstoff kann problemlos mit den
anderen kombiniert werden. Zum anderen verläuft eine Hepatitis-Erkrankung
mit höherer Wahrscheinlichkeit chronisch, je früher sie eintritt. Und was wichtig
ist: Ein Kind, das Virusträger ist, kann auch durch eine blutende Wunde
anstecken.“ Dr. Gunhild Kilian-Kornell
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Seite 16
Impfen erfolgreich gegen Krebs
Auf Taiwan gab es eine große Anzahl an Leber-Karzinomen, Krebs bei Kindern.
Seit man dort gegen Hepatitis B impft, gibt es diese Krebsart dort nicht mehr.
Hier konnte tatsächlich ein Krebs durch Impfen verhindert werden.
Zwei Ergänzungen zur Kombinationsimpfung:
Rotavirus
Neben den aufgezählten fünf bzw. sechs Erkrankungen empfehlen die Ständige
Impfkommission und die WHO außerdem die Schluckimpfung gegen den
Rotavirus, der eine schwere Virusinfektion verursacht. Jährlich müssen weltweit
etwa zwei Millionen Kinder deswegen stationär behandelt werden. Im
Krankheitsverlauf ist vor allem der hohe Flüssigkeitsverlust durch
Brechdurchfall gefährlich für die Kinder.
Pneumokokken
Pneumokokken sind Bakterien, die Blutvergiftungen, Lungen-, Mittelohr- und
Hirnhautentzündungen verursachen. Gerade bei Säuglingen sind die Wege im
Körper noch sehr kurz (z.B. vom Ohr ins Gehirn), weshalb sich Infektionen
schnell verbreiten und verschlimmern können. Die Impf-Spritze schützt aber
nicht nur die Kleinen. Pneumokokken können im Körper versteckt jahrelang
überleben und dann im Erwachsenenalter für eine (immer wieder tödlich
verlaufende) Lungenentzündung sorgen, die sogenannte Pneumonie.
„Seit man Kinder gegen Pneumokokken impft, ist auch die Häufigkeit der
Pneumonie bei älteren Menschen zurückgegangen. Das heißt: Mit der Impfung
der Kinder schützen wir auch deren Großeltern.“ Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Herdenimmunität
Weitet sich der Impfschutz auch auf nicht-geimpfte Menschen aus, spricht man
von Herdenimmunität. Denn wenn ein Erreger bei einem (geimpften) Kind keine
Chance hat, kann es ihn auch nicht weitertragen. Daher bedeutet eine
zunehmende Impfmüdigkeit, dass insgesamt mehr Erreger unterwegs sein
werden.
„Ich fände es gut, dass bei Kindern, die in eine Kindertagesstätte kommen, ein
vollständiger Impfpass vorliegen muss – nach amerikanischem Vorbild.
Dadurch könnten gefährliche Komplikationen wie z.B. nach Masern endlich
verschwinden.“ Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Reifung durch Krankheit?
Impfgegner sprechen gern davon, dass Kinderkrankheiten (gerade Masern)
einen wichtigen Beitrag zur Reifung der Persönlichkeit leisten. Es stimmt, dass
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Seite 17
ein paar Tage Bettruhe auch heißen: Zeit für sich. Wer sich mit sich selbst
beschäftigt, reift. Erlebtes und Gelerntes kann in Ruhe verarbeitet werden,
während der Körper gleichzeitig mit den Erregern kämpft. Doch gilt es hier zwei
Dinge zu bedenken:
• Erstens kommen auch auf das geimpfte Kind Krankheitsperioden zu –
ein Schnupfen, eine Erkältung, ein verstimmter Magen fordern genauso
Erholungs- und Ruhezeiten wie schlimmere Krankheiten.
• Zweitens kann niemand behaupten, dass man seinem Kind etwas
wegnimmt, wenn man ihm schlimmes Leiden, Trennung von den Eltern
während eines Krankenhausaufenthalts oder Todesangst erspart.
„Das zweijährige Kind, was ich mit Hirnhautentzündung betreut habe, war nach
der – zum Glück überstandenen – Krankheit tatsächlich erstaunlich fit. Aber es
musste Todesangst erleiden, mehrere Rückenmarkspunktionen über sich
ergehen lassen, lag über sechs Wochen im Krankenhaus – es stand zeitweilig
Spitz auf Knopf. Ich finde es ganz und gar nicht sinnvoll oder notwendig, dass
ein Kind so etwas durchleiden muss, um zu reifen.“ Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Masern-Mumps-Röteln-Windpockenimpfung
Wenn Kinder ein Jahr alt sind, werden sie gegen die Viruserkrankungen
Masern, Mumps und Röteln, wahlweise auch gegen Windpocken geimpft. Zwei
Mal im Abstand von mindestens vier bis sechs Wochen werden die Impfstoffe
gespritzt.
Masern: Nicht auf die leichte Schulter nehmen!
Masern sind keine einfache Kinderkrankheit. Sie können zwar auch problemlos
verlaufen, aber pro tausend Kinder können bis zu zwei eine Hirnentzündung
erleiden, und die heilt in der Regel nicht folgenlos aus. Außerdem gibt es eine
tückische Folgeerkrankung, die SSPE (Sklerosierende Subakute
Panenzephalitis). Hierbei bleibt bei einem Kind, das beispielsweise mit neun
Monaten an Masern erkrankt war, das Virus im Gehirn. Es kann passieren,
dass es fünf oder sechs Jahre später langsam seine erlernten Fähigkeiten
verliert, und innerhalb von wenigen Jahren an SSPE verstirbt (diese Krankheit
ist in jedem Fall tödlich).
Modernes Impfen - Keine Erreger in den Spritzen
Impfen war auch immer schon mit Risiken verbunden. Auf die Spritzen können
allergische Reaktionen erfolgen oder Fieber. Aber das sind alles Kleinigkeiten
gegen schwerwiegendere Krankheiten. Helfen moderne Methoden?
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Seite 18
Der Körper wird mit Fremdstoffen konfrontiert und muss entsprechend
reagieren. Daher ist eine leicht erhöhte Temperatur nach dem Impfen etwas
ganz natürliches. Schließlich braucht er Energie, um Antikörper auszubilden.
Nur selten kommt es zu heftigeren Reaktionen.
Keine echten Erreger
In der ersten Kombinations-Impfspritze sind ausschließlich Totimpfstoffe
enthalten, keine vollständigen Krankheitserreger. Moderne Impfstoffe bestehen
nur aus winzigen Bausteinen von Erregern, die das Immunsystem anregen
sollen, Antikörper zu bilden. Die heutigen Impfstoffe sind mit jenen aus den
1960er- oder 1980er-Jahren nicht mehr zu vergleichen. Damals gab es
beispielsweise gegen Keuchhusten noch einen Ganzkeimimpfstoff, der aber
heute nicht mehr verwendet wird.
Kombinationsimpfung – zu viel auf einmal?
Die Dosis in der ersten Kombinationsimpfung gegen Diphtherie, Keuchhusten,
Polio, Tetanus, Hib und Hepatitis B klingt überfordernd, ist dem Immunsystem
eines Säuglings aber zumutbar. Jeder Schluck Muttermilch hat sogar noch
mehr Fremdstoffe in sich, zwar keine Krankmacher, aber dennoch Aufgaben für
das Immunsystem. Und dieses beginnt direkt in den ersten
Lebensaugenblicken, sowohl einen Schutz durch Abwehr als auch Toleranz
gegenüber Fremdstoffen auszubilden.
Außerdem bedeutet die Kombinationsimpfung: Nur ein Stich statt fünf oder
sechs. Und anteilig befinden sich im Kombi-Präparat sogar weniger Mengen
der einzelnen Antigene. Außerdem braucht man weniger Zusatzstoffe, wie
Stabilisatoren.
„Impfen ist sogar im Sinne der Homöopathie. Der Begründer der Homöopathie
selbst, Samuel Hahnemann, war dem Impfen gegenüber nicht abgeneigt – aus
dem Grund, dass man Gleiches mit Gleichem behandelt. Natürlich bleibt der
Impfstoff im Körper, das soll er auch! Denn er soll ja das immunologische
Gedächtnis aktivieren, das uns langfristig schützt. Das ist ein Mechanismus,
den unser Körper permanent durchführt.“ Dr. Gunhild Kilian-Kornell
Impfstress vermeiden - Ein kurzer Pieks
Wenn die Rahmenbedingungen passen, kommt auch ein Säugling mit der
Impfung gut zurecht – von einer Traumatisierung kann keine Rede sein. Wichtig
dabei ist ein entspanntes, gewohntes Umfeld.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen beim Impfen: Das Kind muss gesund
sein. Wenn das Immunsystem gerade mit einer Erkältung oder ähnlichem
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Seite 19
beschäftigt ist, dann kann die Injektion der Impfstoffe eine Überlastung
bedeuten und zur Erkrankung führen. Eine laufende Nase ist jedoch kein
Impfhindernis.
Keine Pflicht, aber eine Verantwortung
In Deutschland muss niemand seine Kinder impfen lassen. Aber egal wie die
Entscheidung ausfällt, müssen die Folgen bedacht werden. Eltern tragen die
Verantwortung für ihre Kinder. Entscheiden sie sich gegen eine Impfung,
bedeutet das eine erhöhte Ansteckungsgefahr, gerade im Kontakt mit
Gleichaltrigen.
Tipp: Ruhe
Lassen Eltern ihr Kind impfen, sollten sie am Tag des Impftermins auf einen
ruhigen, stressfreien Ablauf achten.
Keine Party
Wenn ein Säugling die Impfspritze bekommen hat, ist er zunächst irritiert. Der
Einstich schmerzt – und darüber hinaus beginnt der Körper zu arbeiten. Das
Baby fühlt sich in etwa so wie bei einer schweren Erkältung: matt, müde und
quengelig. Eine erhöhte Temperatur von etwa 38,5°C ist völlig normal. Daher ist
es wichtig, auf ein möglichst ruhiges und vor allem gewohntes Umfeld zu
achten. Sprich: an diesem Abend vielleicht lieber nicht zur Geburtstagsparty
des Nachbarn gehen, auch wenn das Baby sonst nebenbei ruhig schläft.
„Ich versuche eine Impfung so schnell und optimal wie möglich zu machen. Das
heißt: Ich impfe das Kind, und wenn wir fertig sind, kriegt die Mutter es in den
Arm und spricht mit ihm. Durch Ansprache, Augen- und Körperkontakt wird das
Bindungssystem aktiviert, damit das Kind weiß, jetzt bin ich bei der Mama, jetzt
kann nichts mehr passieren.“ Dr. Gunhild Kilian-Kornell
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