Wirtschaft Der argentinische Ausweg Von Silvio Borner _ Ein Staatsbankrott hilft Argentinien, durch ­Inflation und Abwertung des Peso die Krise zu überwinden. Mit dem Euro bleibt den Griechen diese Möglichkeit verwehrt. A ls kurz nach 2000 Argentinien seinen spektakulären und fünften Default produ­ zierte, wurden die Kosten von der argentinischen Bevölkerung und den ausländischen Gläubigern geschultert. Erstere war als Wählerschaft mitverantwortlich für das Schlamassel, Letztere ­waren entweder zu naiv und zu risikofreudig, oder sie hatten sich bereits bei der Kreditver­gabe mit hohen Risikoprämien abgesichert. Ein Staatsbankrott war auf Schuldnerwie auf Gläubigerseite von Anfang an ein voraussehbares Risiko, weil es für Argentinien mit Sicherheit keinen Bail-out-Rettungsanker gab. Das war und ist im Falle von Griechenland völlig anders. Hier stützt die EU Griechenland mit rein politischen (und rechtswidrigen) Krediten, um das Land vor dem Bankrott zu bewahren, in Tat und Wahrheit aber vor allem, um französische und andere Banken vor dem Konkurs zu schützen. Im Gegenzug wird Griechenland ein Sparkurs aufgezwungen. Neuerdings garantiert die Europäische Zen­ tralbank (EZB) sogar griechische Schuldverschreibungen. Weil ­diese vorerst einmal in den Büchern privater Kreditgeber – vor allem Banken – stehen, hätte der Aufkauf durch die EZB eine doppelte Risikotransformation zur Folge: Das Risiko wird von privaten auf staatliche Gläubiger verschoben und von Ländern mit hohen griechischen Guthaben auf solche mit niedrigen. Bislang geschieht das alles nur auf dem Papier. Aber dabei wird es nicht bleiben. Die Griechen brauchen immer neue Kredite, wobei sie mit Sparen und Reformen Frau Merkel und Co. nur gerade so weit entgegenkommen, dass der Geldhahn nicht zugedreht wird. Vorbild für Griechenland Dies wiederum erhöht den Unmut in den seriösen Euro-Ländern, die immer mehr für das griechische Schuldendebakel mithaften. Die griechische Verschuldung lautet auf Euro, so dass die Griechen nicht mehr wie früher oder wie eben gerade jetzt wieder die Argentinier durch einen Staatsbankrott mit anschliessender Inflation und Abwertung die Schuldenlast verringern und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbessern können. Und eine interne Abwertung durch Preis- und Kostensenkung wird von Tag zu Tag wirtschaftlich, aber vor allem politisch unrealistischer. Damit verliert Griechenland laufend an preislicher Wettbewerbsfähig12 keit. Parallel dazu sinkt die Wahrscheinlichkeit, die ausländischen Schulden je zurückzahlen zu können. Dies führt früher oder später in eine offene Finanzkrise mit freiwilligem oder erzwungenem Austritt aus dem Euro-Raum. Dies war der argentinische Ausweg aus dem Dollar-Raum vor einem guten Jahrzehnt. Ein solcher steht Griechenland allerdings nur dann offen, wenn es aus der Währungsunion austritt, die Drachme wieder einführt und sich auch den Euro-Ländern gegenüber als zahlungsunfähig erklärt. Auch Argentinien geriet beim letzten Default in Schwierigkeiten, nachdem es in den 1990er Jahren den Peso einseitig an den Dollar gebunden hatte und so eigentlich in den DollarRaum eingetreten war. Aber ohne Vertrag mit oder Garantien seitens der USA. Es war daher eine einseitige Fixierung des Peso an den Dollar. Um glaubwürdig zu sein, musste die volle Konvertibilität von Pesos in Dollars auch im Inland garantiert werden. Dies zwang die argentinische Nationalbank, ausreichende Dollarreserven zu halten. Gleichzeitig betrieb Argentinien – wie später Griechenland – eine unverantwortliche Ausgabenund Schuldenpolitik. Diese wurde so lange durch Geldschöpfung in Pesos finanziert, bis eines Tages die Konvertibilität schlagartig aufgehoben werden musste. Die darauffolgende Aufhebung der fixen Parität zum Dollar war jedoch eine ganz einseitige argentinische Aktion. Griechenland hingegen hat keine eigene Währung mehr und benötigte daher immer mehr Euro-Kredite. Im Fall von Argentinien hatten die Amerikaner weder eine Pflicht noch ein Interesse an der Verteidigung des Peso. Argentinien musste (und durfte) seine Probleme also eigenständig ausbaden. Für Griechenland haften inzwischen über den Umweg der EZB die Steuerzahler der übrigen EU. Doch Griechenland war und bleibt für den Euro zu schwach und wird früher oder später den Euro aufgeben müssen oder wollen. Argentinien scheint einmal mehr inflationieren und abwerten zu müssen, Griechenland scheint es nicht zu dürfen. Schlimm ist beides für die betroffene Bevölkerung. Die Moral von der Geschichte ist einfach: Zu hohe Staatsschulden enden im Staatsbankrott. Verantwortlich dafür sind die Politiker in Athen und Buenos Aires und nicht die «Aasgeierfonds» in New York. Weltwoche Nr. 32.14 Illustrationen: Bianca Litscher (www.sukibamboo.com)