Öffentliche Finanzen und Staatsverschuldung 1. Die staatliche Ausgaben- und Sozialleistungsquote 1.1. Staatsquote 1.2. Sozialleistungsquote 1.3. Einige Ausgabenkennziffern 2. Die Fiskalquote im internationalen Vergleich 3. Staatsdefizite und Staatsverschuldung 3.1. Die staatliche Defizitquote 3.2. Die staatliche Schuldenquote 3.3. Zur Defizit- und Verschuldungsdynamik 4. Grenzen einer staatlichen Finanzpolitik 5. Finanzpolitische Richtlinien © FEW - HSG 1. Die staatliche Ausgaben- und Sozialleistungsquote 1.1. Die Staatsquote 140000 34.00% 120000 32.00% 100000 30.00% 80000 28.00% 60000 26.00% 40000 24.00% 20000 22.00% 0 20.00% 1980 1990 1994 1995 © FEW - HSG Staatsausgaben Staatsquote 1996 1997 1998 Investitionen 12% Personalaufwand 29% zweckgeb. Transfers 36% Sachaufwand 14% allgem. Transfers 3% Staatsausgaben, Struktur1997 © FEW - HSG Passivzinsen 6% 1.2. Sozialleistungsquote im internationalen Vergleich 40 35 30 28.5 27.1 25 23.7 22.8 30.1 29.6 28 29.8 27.5 25.7 25.2 23.9 23.5 21.5 18.6 20 19.4 18.3 17.6 16.3 18.4 16.3 15.9 14.1 13.7 15 11.6 9.9 10 5 1980 © FEW - HSG 1995 Sc hw ed en Dä ne m ar k Fr an kr eic h De ut sc hla nd Ni ed er lan de Ö ste rre ich Sc hw eiz Ita lie n G ro ss br ita nn ien Sp an ien Irl an d Po rtu ga l US A 0 Ja pa n in % des BIP 33.4 32.6 Quelle: OECD, Bundesamt für Sozialversicherung 2. Die Fiskalquote (inkl. Sozialversicherungen) im internationalen Vergleich 50.00% 45.20% 45.00% 40.00% 37.10% 37.00% 37.60% 35.10% 35.00% 35.10% 32.90% 28.80% 30.00% 29.20% 29.70% 25.00% 23.80% 19.70% 20.00% 15.00% 10.00% 5.00% 0.00% Japan USA* Schweiz Deutschland 1970 © FEW - HSG 1998 GB * = 1997 Frankreich Quelle: EFD Fiskalquotenprojektion unter Status-quo-Bedingungen (jährliche Wachstumsrate 1990-1998: 5.238%) 2010: 64.77% 2018: 100% © FEW - HSG 3. Staatsdefizite und Staatsverschuldung 3.1. Die staatliche Defizitquote 4'000 2% 2'000 1% 0 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 -2'000 98 0% -4'000 Mio. Fr. -1% -6'000 Defizit total Defizit in % des BIP -8'000 -2% -10'000 -3% -12'000 -14'000 -4% -16'000 -18'000 -5% Die Entwicklung der Staatsdefizite und der Defizitquote in der Schweiz 1987-1999 © FEW - HSG _ Einkommen Umsätze Gewinne _ + + Steuereinnahmen _ Defizite der öffentlichen Hände + Automatische Stabilisatorwirkung konjunkturell bedingter Defizite © FEW - HSG 3.2. Die staatliche Schuldenquote 250'000 60% 50% 200'000 40% Mio. Fr. 150'000 30% 100'000 20% 50'000 10% 0 0% 87 88 89 90 91 92 93 94 Die Entwicklung der öffentlichen CH-Verschuldung 1987-1999 © FEW - HSG 95 96 97 98 Schulden total Schulden in % des BIP 3.3. Zur Defizit- und Verschuldensdynamik Primärdefizit Staatsschuld Zinsaufwand Sekundärdefizit Finanzierungsbedarf © FEW - HSG ªbt = pdef + sdef Schuldenquote BIP (1) ªbt = Veränderung der Schuldenquote (2) pdef = primäre Defizitquote = Staatsausgaben (ohne Zinsen) BIP = bt-1 (i - y) (3) sdef bt-1 = Schuldenquote Ende Vorperiode i = Zinsbelastung (Zinsaufwand in % der Staatsschuld) y = nominelle BIP-Wachstumsrate © FEW - HSG FALL 1 (Stabilität: Schuldenquote konstant oder abnehmend) ∆bt = pdef + sdef ≤0 PDEF ∆bt = + bt − 1 (i − y) ≤0 BIP Variante 1: y ≥ i (bzw. sdef ≤0) Variante 2: y ≥ i (bzw. sdef ≤0) Variante 3: y ≤i (bzw. sdef ≥ 0) und pdef ≤0 und pdef ≥ 0 und pdef ≤ 0 © FEW - HSG und | pdef|≤| sdef| und | pdef|≥ | sdef| FALL 2 (Instabilität: Schuldenquote zunehmend) ∆bt = pdef + sdef >0 PDEF ∆bt = + bt − 1 (i − y ) > 0 BIP Variante 1: y < i (bzw. sdef > 0) Variante 2: y < i (bzw. sdef > 0) Variante 3: y > i (bzw. sdef < 0) und pdef > 0 und pdef < 0 und pdef > 0 © FEW - HSG und | pdef|< | sdef| und | pdef|> | sdef| 4. Grenzen einer staatlichen Finanzpolitik These 1: Öffentliche Defizite und Staatsschulden, die strukturell bedingt sind, müssen früher oder später durch (schmerzhafte) Steuererhöhungen abgebaut werden. Das wissen die Wirtschafssubjekte und sparen vermutlich mehr bzw. konsumieren bzw. investieren weniger, als sie dies bei ausgeglichenem Haushalt tun würden. © FEW - HSG These 2: Öffentliche Defizite und Staatsschulden, die strukturell bedingt sind, können (wenn nicht via Steuererhöhungen) nur durch eine Senkung der Staatsausgaben abgebaut werden. Das engt die künftigen Handlungs- und Gestaltungsspielräume und damit die Funktionsfähigkeit und den künftigen Service public ein. © FEW - HSG These 3: Strukturelle öffentliche Defizite, die durch Kredite der Notenbank finanziert werden, zwingen diese aus zu einer über das Potentialwachstum hinaus schiessende, d.h. überexpansive Geldpolitik. Wahrscheinliche Folgen: Inflation, langfristige Zinssteigerungen und eine Abwertung der eigenen Währung generiert. © FEW - HSG These 4: Strukturelle öffentliche Defizite, die nicht durch die Notenbank, sondern über den Kapitalmarkt finanziert werden, lösen einen Zinsdruck nach oben aus (der möglicherweise durch Kapitalzuflüsse aus dem Ausland oder durch private Ersparnisüberschüsse neutralisiert würden). Das verteuert den staatlichen Schuldendienst und verdrängt private, zinssensitive Investitionsaktivitäten („crowding-out“). © FEW - HSG These 5: Strukturelle Defizite führen zu einer Erhöhung der Staatsschuld und damit des Schuldendienstes. Wachsende Zinszahlungen schränken den sozialbildungsund infrastrukturpolitischen Handlungsspielraum des Staates ein: Strukturelle Staatsdefizite und wachsende Staatsquoten sind somit also unsozial, fortschrittshemmend und wachstumsfeindlich. © FEW - HSG These 6: Ist die Defizitquote grösser als die (nominelle) BIP-Wachstumsrate, so wächst die Staatsverschuldung stärker als das BIP: Die öffentliche Verschuldungsquote steigt und die Bonität des Landes bzw. Qualität dessen Reputation Finanzplatzes schwindet. Das erhöht die Knappheitskosten auf dem Kapitalmarkt, die Risikoprämien auf den Zinsen und kann - sofern ein „bail-out“von aussen (Ausland, Notenbank) ausgeschlossen ist, zu einem Staatskonkurs führen. © FEW - HSG These 7: Liegt der Zinssatz über der BIP-Wachstumsrate, so wächst die Staatsverschuldung selbst bei ausgeglichenem Primärhaushalt des Staates (= Haushalt ohne Zinszahlungen) stärker als das BIP. Die Schuldenquote steigt: Der Staat befindet sich in der Schuldenfalle. © FEW - HSG 5. Finanzpolitische Richtlinien C Die Bundesdefizite sollten die um die Zinszahlungen korrigierten Ausgaben für Staatsinvestitionen nie übersteigen. (Goldene Finanzierungsregel). Die Defizitquote sollte zumindest über mehrere konjunkturelle Zyklen hinweg Null betragen. C Die Staatsquote sollte kurz- und mittelfristig reduziert und auf Dauer konstant gehalten werden. Das Staatsausgabenwachstum sollte kleiner oder maximal gleich dem BIP-Wachstum sein. C Dasselbe gilt für die Fiskal- und die Schuldenquote des Staates. © FEW - HSG C Ein Abbau der Staatsverschuldung ist heute praktisch unverzichtbar. Er setzt aber voraus, dass der Primärhaushalt (Haushalt ohne Zinszahlungen) einen Überschuss erzielt, der die Aufwendungen für den öffentlichen Kapitaldienst übertrifft. St. Gallen, 16. Juni 2000 © FEW - HSG