2 Theoretische Grundlagen zur Internationalisierung und zum Management professioneller Fußballclubs Der Begriff der Internationalisierung wird sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in Bezug zum Sport häufig verwendet. Da er dabei jedoch sehr weit gefasst und größtenteils uneinheitlich verwendet wird, sind zunächst ein grundlegendes und zugleich präzises Begriffsverständnis und Kenntnisse der grundlegenden Rahmenbedingungen erforderlich. Dies beinhaltet auch eine Einordnung im Kontext eines allgemeinen und sportbezogenen Managements, die beide hinsichtlich ihres Verständnisses sowie ihrer Rahmenbedingungen und Funktionen zu erläutern sind. Ziel des Kapitels 2 ist es daher, die begrifflichen Grundlagen der Internationalisierung zu legen, um diese in einen ersten Managementbezug zu setzen und anschließend in den Kontext des Profifußballs einzuordnen. Kapitel 2: Theoretische Grundlagen zur Internationalisierung und zum Management professioneller Fußballclubs Theorie (b1) Sportbezogenes Internationales Management (a1) Klärung der begrifflichen Grundlagen, Darstellung der Besonderheiten des Sportmanagements und des Profifußballs. Aufbau 2.1 Begriffliche Grundlagen und Einordnung der Internationalisierung 2.2 Sportmanagement: Besonderheiten des Untersuchungsobjekts Profisport Kapitel 2 Allgemeines Internationales Management (a2) Praxis (b2) Ziel 2.3 Zum Untersuchungsobjekt professioneller Fußballclubs 2.4 Zusammenfassung der Rahmenbedingungen und Besonderheiten für die weiteren Analysen Abbildung 9: Ziel und Aufbau von Kapitel 2 Die begrifflichen Grundlagen der Internationalisierung werden in Abschnitt 2.1 geklärt und zunächst in einen Bezug zum allgemeinen Management gestellt. In Abschnitt 2.2 werden anschließend die Besonderheiten des Sportmanagements mit Fokus auf dem Profisport erläutert. In Abschnitt 2.3 wird dies für den Profifußball konkretisiert und dabei insbesondere das Management professioneller Fußballclubs berücksichtigt. Diese Rahmenbedingungen werden in Abschnitt 2.4 zusammengeführt, um daraus Implikationen für das weitere Vorgehen der Untersuchung abzuleiten. Abbildung 9 greift die im vorherigen Kapitel gewählte P. C. van Overloop, Internationalisierung professioneller Fußballclubs, DOI 10.1007/978-3-658-09120-0_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015 22 2 Grundlagen: Internationalisierung und Management professioneller Fußballclubs graphische Darstellung auf, um die Zielsetzung und Vorgehensweise für Kapitel 2 zusammenzufassen. 2.1 Begriffliche Grundlagen und Einordnung der Internationalisierung Angesichts der zentralen Bedeutung des Begriffs der Internationalisierung ist dieser im Folgenden näher darzustellen und einzuordnen. Dies geschieht, indem zunächst das Begriffsverständnis der Internationalisierung geklärt (Abschnitt 2.1.1) und anschließend in einen wirtschaftswissenschaftlichen Bezug gesetzt wird (Abschnitt 2.1.2). 2.1.1 Begriffsverständnis der Internationalisierung Begriffe stellen sprachliche Ausdrücke oder allgemein Zeichen und Instrumente des Denkens dar (Brekle 1972, S. 55), mit deren Bedeutungen und gegenseitigen Beziehungen sich die Semantik beschäftigt. Gemäß der traditionellen Semantik mit den sog. ‚realistischen Bedeutungstheorien’ ergibt sich das Verständnis eines Begriffs aus dessen Bedeutung (Intension) und Bezeichnung (Extension). Die Bedeutung – oder der Inhalt – eines Begriffs stellt einen Komplex begrifflicher Merkmale dar, der mit der bestimmten Zeichenform in einer festen, sozial gesicherten Verbindung steht (Brekle 1972, S. 56; vgl. auch Bagusat 2004, S. 51 ff.). Sie ist so z. B. in Wörterbüchern zu finden (Hayakawa 1976, S. 85). Dagegen umfasst die Bezeichnung das extensionale Verständnis, also die Klasse oder Menge der bezeichneten Referenzobjekte, an deren Stelle der jeweilige Begriff in der Sprache steht (Brekle 1972, S. 56 f.; Hayakawa 1976, S. 85). Zum Beispiel wäre dies für den Begriff ‚Haus’ die Menge aller Häuser, die es jemals gibt, gegeben hat oder geben wird (Kromrey 2009, S. 143). Da diese Menge jedoch nicht in Worte gefasst werden kann (Hayakawa 1976, S. 85) und Sprache immer kontextabhängig ist, lässt sich gemäß neueren Theorien wie den sog. ‚pragmatischen Bedeutungstheorien’ und insbesondere der Gebrauchstheorie (Wittgenstein 1953) die Bedeutung eines Begriffs auch aus dessen Verwendungsart oder den sozialen Konventionen, wie er zu verwenden ist, erklären (Brekle 1972, S. 59; Bagusat 2004, S. 51). Um ein ganzheitliches Begriffsverständnis der Internationalisierung für die vorliegende Arbeit zu bilden, wird analog zu den realistischen Bedeutungstheorien der Begriff ‚Internationalisierung’ zunächst aus intensional-lexikalischer Sicht und anschließend im Kontext seines Gebrauchs – insbesondere in der Betriebswirtschafts- und Managementlehre – betrachtet. 2.1 Begriffliche Grundlagen und Einordnung der Internationalisierung 23 2.1.1.1 Intensional-lexikalisches Verständnis der Internationalisierung Wird das intensionale Verständnis des Begriffs ‚Internationalisierung’ betrachtet, kann zunächst auf die Etymologie als klassisches Teilgebiet der Semantik zurückgegriffen werden. Die dabei erfolgende sprachwissenschaftliche Analyse der Herkunft, Grundbedeutungen und historischen Entwicklung von Wörtern ermöglicht erste Erkenntnisse als Basis für weitere Untersuchungen. Aus etymologischer Sicht setzt sich der Begriff ‚Internationalisierung’ aus drei Komponenten, den lateinischen Wörtern ‚inter’, ‚natio’ sowie ‚ire’ zusammen, die im folgenden einzeln näher betrachtet werden. Das Wort ‚inter’ stammt vom indogermanischen ‚enter’ oder ‚nter’ ab, das wiederum auf die Komparativform zu ‚en’ zurückgeht, die ‚drinnen zwischen zweien’ bedeutet (Walde 1965, S. 708). Hieraus entwickelten sich im Lateinischen mehrere Bedeutungen – als Adverb im Sinn von ‚zwischen’, ‚dazwischen’ oder als Präposition zur Bezeichnung des Vorhandenseins eines Objekts ‚in der Mitte/inmitten/innerhalb’, ‚im Umkreis’, ‚zwischen’, ‚unter’ oder ‚umgeben von’ einem oder mehreren anderen Objekte. Damit lassen sich räumliche (Aufenthaltsort, Bewegungsrichtung), zeitliche (Zeitraum zwischen zwei Ereignissen oder während dessen etwas geschieht) oder sachliche (Bezeichnung von Umständen, Klasseneinordnungen, Verteilungen, Alternativen/Pole/Beschaffenheiten/Zuständen, Beziehungen/Verhältnisse/Verbindungen) Merkmale beschreiben (Georges 1976, Sp. 353 ff.). Im Zeitverlauf vermischte sich der Begriff mit dem Ausdruck ‚intra’ für ‚innerhalb’, ‚innen’, ‚binnen’. Das Wort ‚inter’ ist Ausgangspunkt für verschiedene Ableitungen und Weiterbildungen wie z. B. ‚interior’ für ‚der Innere’, ‚enger’, ‚vertieft’ oder ‚internus’ für ‚inwendig’, ‚einheimisch’. Als verbale Komponente und Vorsilbe ist es wie bei ‚Internationalisierung’ oftmals Wortbestandteil mit den genannten örtlichen, zeitlichen oder sachlichen Bedeutungen (Grebe 1963, S. 289; Walde 1965, S. 708 f.; Menge 1996, S. 397; Auberle/Klosa 2001, S. 366). Das Wort ‚natio’ stammt von der indogermanischen Wurzel ‚genh‘, aus der sich das altlateinische ‚gignere’ für ‚zeugen’, ‚erzeugen’, ‚gebären’, aber auch ‚hervorbringen’, ‚entstehen’, ‚schaffen’ bildete (Walde/Hofmann 1972, S. 146; Gschnitzer 1992, S. 170; Menge 1996, S. 325). Über die Weiterentwicklung zu ‚nasci’ (oder ‚gnasci’) für ‚geboren werden’, ‚entstehen’ und ‚natus’ (oder ‚gnatus’) für ‚geboren’ ergab sich die Bedeutung für ‚Geburt’, ‚Erzeugung’, aber auch ‚Menschenschlag’, ‚Volksstamm’, ‚Sippschaft’ oder ‚Gattung’ (Walde 1965, S. 597 f.; Menge 1996, S. 493; Auberle/Klosa 2001, S. 551). ‚Natio’ bezeichnete den natürlichen Verband der durch Geburt im gleichen Lebensraum 24 2 Grundlagen: Internationalisierung und Management professioneller Fußballclubs zusammengewachsenen und zusammengehörenden Menschen, ein Volk in seiner Gesamtheit und geschichtlichen Eigentümlichkeit, insbesondere dort, wo vom Zusammenleben von Volksteilen verschiedener Herkunft die Rede war (Grebe 1963, S. 462; Gschnitzer 1992, S. 170; Kosellek 1992, S. 143; Auberle/Klosa 2001, S. 551). Seit dem Mittelalter wurde diese Bedeutung durch den Aspekt der Zugehörigkeit zu einer Sprache oder einer Sprachfamilie erweitert und wird so seit dem 14. Jahrhundert in Deutschland als Fremdwort bezeugt (Kluge 1975, S. 504; Werner 1992, S. 233; Auberle/Klosa 2001, S. 551). Während der Begriff der ‚Nation’ in Deutschland bis ins 18. Jahrhundert überwiegend geographisch beschränkt bleibt, wird er in den entstandenen Großstaaten wie Spanien, Frankreich und England/Großbritannien auch politisch genutzt. Demzufolge entstehen in Europa Nationen entweder über die Ausbildung eines politischen Bewusstseins auf Basis der gleichen Herkunft oder über einen langwierigen Prozess, der die Menschen verschiedener Herkunft zusammenwachsen lässt (Werner 1992, S. 243 f.). Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts verliert der Begriff ‚Nation’ zunehmend seine kulturelle Fixierung und wird im Zusammenhang mit den revolutionären Vorgängen in Frankreich und deren Vorbild enger definiert, etwa als „Lebensgemeinschaft von Menschen mit dem Bewusstsein gleicher politischkultureller Vergangenheit und dem Willen zum Staat“ (Grebe 1963, S. 462; Auberle/Klosa 2001, S. 551; vgl. vertiefend Schönemann 1992, S. 281 ff. u. S. 309 ff.). In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass das zu ‚Nation’ gebildete Adjektiv ‚national’ in der Zusammensetzung der ‚Nationalversammlung’ in Frankreich seit dem 16. Jahrhundert bezeugt ist, in Deutschland allerdings erst im 18. Jahrhundert unter französischem Einfluss allgemeine Verbreitung findet. Das Adjektiv ‚international’ wird dagegen erst im 19. Jahrhundert im Englischen bezeugt und durch den englischen Sozialphilosophen und Juristen Jeremy Bentham (1748-1832) im Sinne von ‚zwischen den Nationen (bestehend)’ geprägt (Grebe 1963, S. 462 f.; Scholze-Stubenrecht/Alsleben 1999, S. 1965). Die heutige Bedeutung von ‚international’ reicht von ‚zwischen mehreren Staaten bestehend’, ‚über den Rahmen eines Staates hinausgehend’ oder ‚mehrere Staaten betreffend’ über ‚nicht national begrenzt’ und ‚überstaatlich’ bis hin zu ‚weltweit’ (Köster/Müller 1980, S. 1355). Letztlich stammt das lateinische Wort ‚ire’ und dessen erste Person Präsens ‚eo’ vom indogermanischen ‚éimi’ bzw. dem altindischen ‚émi’ ab – ähnlich wie das althochdeutsche ‚gan’ oder ‚gen’ für ‚gehen’ von ‚gaeimi’ (Walde 1965, S. 407). Im Latein steht es für ‚gehen’, ‚sich fortbewegen’, aber auch ‚in etwas übergehen’ oder ‚vonstattengehen’, im Mittellatein zusätzlich für ‚werden’ (Menge 1996, S. 256; Niermeyer/Kieft 1976, S. 558). 2.1 Begriffliche Grundlagen und Einordnung der Internationalisierung 25 Demzufolge bedeutet ‚Internationalisierung’ im allgemeinen Zusammenhang, etwas international zu machen oder international zu werden (Scholze-Stubenrecht/Alsleben 1999, S. 1966), also eine Prozessbeschreibung im Gegensatz zum Adjektiv ‚international’, das vielmehr eine Zustandsbeschreibung umfasst (Simon 2007, S. 14). Bereits in der Herleitung dieser Bedeutung lassen sich Aspekte einer Dynamik erkennen, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit näher einzugehen ist (vgl. insbesondere Abschnitt 4.4.3). Semantisch betrachtet erscheint die Internationalisierung objektneutral, sodass darunter alle Übergänge eines Objekts oder einer Tätigkeit von einem nicht-zwischenstaatlichen oder auch nationalen hin zu einem zwischenstaatlichen oder internationalen Zustand verstanden werden können. Es handelt sich somit um ein Grundlagenphänomen, das Individuen, Gruppen, Unternehmungen, Organisationen und Staaten betreffen kann und dessen Aspekte in einer Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen wie der Volks- und Betriebswirtschaftslehre, der Geographie, Soziologie, Politologie, Psychologie sowie Anthropologie betrachtet werden (Kutschker/Schmid 2011, S. 3 f.). Da Internationalisierung in allen Bereichen menschlicher Tätigkeit vorkommen kann, muss diese für die vorliegende Arbeit näher in einen wirtschaftswissenschaftlichen Bezug gesetzt werden, im Sinn des Ausspruchs: „Don’t look for the meaning of a word, look for its use“ (Wittgenstein zitiert nach Brekle 1972, S. 59) oder auf Deutsch: “Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache” (Wittgenstein 1953, S. 20). 2.1.1.2 Wirtschaftswissenschaftliches Verständnis der Internationalisierung Die Wirtschaft ist neben der Politik und dem Militärwesen einer der Bereiche menschlichen Handelns, in dem die längsten Erfahrungen mit der Internationalisierung vorliegen. Als Ursprung wirtschaftlicher Internationalisierung lassen sich bereits vor über 5000 Jahren Aktivitäten zwischen sumerischen und babylonischen Stadtstaaten nachweisen (Dülfer/Jöstingmeier 2008, S. 17; Moore/Lewis 2000, S. 11 ff.; Ekholm/Friedman 1993, S. 60 f.; Wilkinson 1993, S. 234 ff.; vgl. ferner auch Albach 1981, S. 128). Fernhandelsverbindungen stellten eine Form der großräumigen Integration dar, wobei bereits die damals agierenden Unternehmen dem heutigen Verständnis internationalisierter Unternehmen entsprachen (Moore/Lewis 1998, S. 104 f.; 1999, S. 269 f.; Osterhammel/Petersson 2003, S. 29 u. 31). Wird Internationalisierung nur unter räumlichen Aspekten betrachtet, so kann sie als geographische Dezentralisierung der Unternehmenstätigkeit auf internationalen Märkten verstanden werden. Dies erfolgt im Rahmen der Festlegung der 26 2 Grundlagen: Internationalisierung und Management professioneller Fußballclubs räumlichen Struktur als einer der konstitutiven unternehmerischen Führungsentscheidungen (Schierenbeck 2003, S. 42; ähnlich auch Thommen/Achleitner 2003, S. 91 f. und Zentes/Swoboda/Morschett 2004, S. 3). Wird diese Betrachtungsweise um Aspekte der Ausdehnung bzw. Streuung der Unternehmenstätigkeiten erweitert, beschreibt Internationalisierung gemäß der Theorie von Ansoff (1957; 1965) eine Erweiterung des bestehenden Marktes über die Landesgrenzen hinweg, um hierdurch im Unternehmen Wachstum zu erreichen und Risiken zu streuen (Wißmeier 1992, S. 115). Dieses Verständnis stellt allerdings absatzmarktbezogene Leistungsprozesse in den Vordergrund und scheint damit nicht zu genügen, wenn wie in der vorliegenden Arbeit eine ganzheitliche Betrachtung der Internationalisierung aus strategischer Perspektive des Gesamtunternehmens beabsichtigt wird (vgl. auch Perlitz/Schrank 2013, S. 10). Daher kann eine andere Annäherung an das Begriffsverständnis der Internationalisierung über die Definition der internationalen Unternehmens- oder Geschäftstätigkeit aus prozessualer Sicht unternommen werden. Bei konventioneller, rein politisch-geographischer Betrachtung entsteht eine internationale Unternehmens- oder Geschäftstätigkeit, sobald ein Engagement in zwei oder mehr Nationen vorliegt und mindestens ein Unternehmensprozess auf irgendeine Weise nationale Grenzen kreuzt – z. B. vom Transfer von Eigentumsrechten über Finanz- oder Informationsflüsse bis hin zur mehrfach verflochtenen Wertschöpfungskette. Im weiten Sinn können solche Grenzen aber auch Begrenzungen oder Kontaktlinien zwischen Personen, Unternehmen und Aktivitäten darstellen, die sich aufgrund der Existenz konventioneller nationaler Grenzen unterscheiden (Fayerweather 1975, S. 26). Der Definition von Perlitz/Schrank (2013, S. 11), nach der auch der Eintritt ausländischer Konkurrenten in den Heimatmarkt eines Unternehmens als Internationalisierung zu bezeichnen ist, ist zu widersprechen: Da sich das eintretende Unternehmen zunächst an die Makroumwelt und die Wettbewerbs- und Marktgegebenheiten des neuen Landes anpassen muss, wohingegen das ursprüngliche Unternehmen keine direkten Verbindungen zum Heimatland des neuen Konkurrenten hat, steigt die Internationalisierungs-Betroffenheit rein passiv. Sie entzieht sich damit dem Entscheidungsspielraum eines Internationalen Managements. Aufgrund der Themenstellung der vorliegenden Arbeit soll bewusst der breit gefassten Definition von Dülfer (1982, S. 50) gefolgt werden, wonach Internationalisierung jede Art der Aufnahme erstmaliger oder zusätzlicher grenzüberschreitender Aktivitäten von Unternehmen umfasst (vgl. ähnlich auch Welch/ Luostarinen 1988, S. 36, die den Prozessgedanken der Internationalisierung beto- 2.1 Begriffliche Grundlagen und Einordnung der Internationalisierung 27 nen, sowie Germann/Rürup/Setzer 1996, S. 20 und Swoboda 2001, S. 6 f.). Zur Präzisierung dieser Definition empfiehlt sich, gelegentliche, nicht-systematisch betriebene Absatz- und Beschaffungstätigkeiten oder einfache querschnittliche Tätigkeiten wie die Informationsbeschaffung im Rahmen der Marktforschung im Ausland auszuschließen (Swoboda 2001, S. 6), was auch Dülfer/Jöstingmeier (2008, S. 109) mit dem ergänzenden Attribut „dauerhaft“ berücksichtigen. Wird die Internationalisierung darüber hinaus aus einer managementorientierten Perspektive betrachtet, stellt sie eine der wesentlichen strategischen Optionen auf Ebene des Gesamtunternehmens dar (Steinmann/Schreyögg 2005, S. 251; Grant/Nippa 2006, S. 516 ff.; Welge/Al-Laham 2008, S. 457). Im Umkehrschluss bezeichnet De-Internationalisierung die Verringerung der oder den Verzicht auf grenzüberschreitende Aktivitäten, was sich sowohl auf gesamte Ländermärkte als auch auf einzelne Betätigungsformen beziehen kann (Oesterle 1999, S. 225 f.). Ein Unternehmen ist dagegen als national (seltener auch ‚uninational‘) zu bezeichnen, wenn es aufgrund seiner bisherigen Entwicklung, bewussten Entscheidungen oder äußeren Zwängen nicht länderüberschreitend tätig ist. Der Definition der Internationalisierung schließt sich regelmäßig die institutionelle Frage an, wie die Internationalität oder der Internationalisierungsgrad eines Unternehmens erfasst werden kann. Erwartungsgemäß lässt sich schwierig operationalisieren, bis wann ein Unternehmen als national bzw. ab wann es als international zu bezeichnen ist. In der Literatur finden sich dementsprechend zahlreiche quantitative, qualitative und integrative Ansätze (für einen Überblick vgl. Kutschker/Schmid 2011, S. 257 ff.; konkrete Bsp. bei Müller/Kornmeier 2002, S. 102 ff.). Quantitative Ansätze betrachten absolute Bestands- und Bewegungsgrößen (z. B. die Anzahl der bearbeiteten Länder, der Umfang des im Ausland eingesetzten Kapitals oder der ausländischen Umsatzanteil) sowie daraus gebildete Kennzahlen (z. B. die Auslandsquote oder der Internationalisierungsindex). Qualitative Ansätze beurteilen den Internationalisierungsgrad eines Unternehmens anhand Kriterien wie der mentalen Einstellung des Managements, der strategischen Ausrichtung oder organisatorischen Merkmalen. Besonders verbreitet sind hierzu insbesondere die mehrstufigen Konzepte von Perlmutter und Bartlett/Ghoshal (vgl. die Erläuterungen in den Abschnitten 4.4.1.1 und 4.4.1.4). Aufgrund ihrer Bemühung, ein tiefer gehendes Verständnis der internationalen Unternehmung zu entwickeln und zentrale Fragestellungen der Strategie, Struktur und Kultur zu thematisieren, können diese Konzepte nach Kutschker/Schmid (2011, S. 287) auch als Managementkonzepte aufgefasst werden. Integrative Ansätze kombinieren schließlich quantitative und qualitative Vorgehensweisen. Ansätze wie das von Kutschker (1995) entworfene sog. 28 2 Grundlagen: Internationalisierung und Management professioneller Fußballclubs „Internationalisierungsgebirge“ bestimmen die Internationalität anhand der drei Dimensionen „Anzahl und geographisch-kulturelle Distanz der bearbeiteten Länder“, „Art und Umfang der Wertschöpfung“ sowie „Ausmaß der Integration innerhalb des Unternehmens“. Dieser Ansatz überzeugt zwar mit seiner konzeptionellen Klarheit und Visualisierung, lässt jedoch das Problem der Operationalisierung und Gewichtung der Einzelkonstrukte wie bei den quantitativen Ansätzen offen. Von daher bleibt festzuhalten, dass die Internationalität eines Unternehmens einzelfallabhängig operationalisiert und erfasst werden muss. Ein Unternehmen ist dann als international zu bezeichnen, wenn es einen festzulegenden Schwellenwert überschreitet. Ungeachtet der Messbarkeit ist dies gemäß Perlitz/Schrank (2013, S. 12) gegeben, „(…) wenn die Auslandsaktivitäten zur Erreichung und Sicherstellung der Unternehmensziele von wesentlicher Bedeutung sind“. Welche Ursachen und Motive die Internationalisierung von Unternehmen auslösen, ist angesichts der bereits erkennbaren Vielfältigkeit des Untersuchungsobjekts und der Vielzahl an theoretischen Erklärungsversuchen umstritten. Dem schließen sich auch die Fragen nach den Dimensionen und Erscheinungsformen der internationalen Geschäftstätigkeit an. Aufgrund der Fülle an theoretischen Erklärungen müssen diese daher in eigenen Kapiteln erfasst, systematisiert, beschrieben und bewertet werden. Aus Sicht des Sportmanagements erfolgt dies in Kapitel 3, aus Sicht des allgemeinen Internationalen Managements in Kapitel 4. 2.1.1.3 Erläuterung und Abgrenzung verwandter Begriffe In Anbetracht der begrifflichen und inhaltlichen Vielfalt des Themenkomplexes der Internationalisierung sollen im Folgenden auch verwandte und oftmals missverständlich genutzte Termini wie die Globalisierung sowie das multi- und transnationale Unternehmen erläutert und abgegrenzt werden. Der im Kontext der Internationalisierung am häufigsten und zugleich mehrdeutig genutzte Begriff stellt die Globalisierung dar. Obwohl dieser Begriff oftmals synonym zur Internationalisierung verwendet wird (vgl. z. B. Hopfenbeck 2002, S. 79 ff. oder die weiteren Ausführungen im Kapitel 3) und sein Ursprung4 nicht 4 Trotz Quellenverweise, die in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückreichen (z. B. der Begriff „planetarisch“ bei Jaspers 1931), und der Prägung des Begriffs durch die Politik- und Sozialwissenschaften in den 1960er Jahren, gilt Naisbitt (1982) als einer der wesentlichen Vordenker im Wirtschaftskontext, da er am Beispiel Automobilproduktion die Funktionsweise der Globalisierung beschreibt. Besondere Verbreitung findet der Begriff aber durch die Veröffentlichung von Levitt (1983). 2.1 Begriffliche Grundlagen und Einordnung der Internationalisierung 29 genau bestimmt ist, hat sich inzwischen eine nahezu einheitliche Definition durchgesetzt. Demnach bezeichnet Globalisierung ein weltweites Phänomen, das durch den stetigen Anstieg der internationalen Verflechtungen der Volkswirtschaften und der grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Unternehmen gekennzeichnet ist (Macharzina/Wolf 2005, S. 923). Unterstützt durch technologische Fortschritte (vor allem bei den Informations-, Kommunikations- sowie Transporttechnologien) und gleichzeitiger Kostendegression entsteht eine länderübergreifende Konvergenz. Diese reicht von politisch-rechtlichen und sozio-kulturellen Aspekten bis hin zur Homogenisierung bzw. Standardisierung der Angebots- und Nachfragestrukturen (vgl. zur Konvergenzhypothese insbesondere Levitt 1983). Obwohl die Globalisierung folglich einen Makroprozess oder Megatrend beschreibt, der von einem einzelnen Unternehmen oder einer anderen Organisation nur in geringem Maß beeinflussbar ist, können Unternehmen die daraus resultierenden Chancen strategisch ausnutzen. Sie werden in diesem Fall als ‚global‘ bezeichnet, wobei eine solche Ausrichtung oftmals nur dem Namen oder Grundsatz nach besteht, nicht aber auf tatsächlich weltweite Aktivitäten in allen Ländern oder Kontinenten hinauslaufen muss (vgl. die weiteren Ausführungen zum sog. EPRG-Konzept und den Globalisierungskonzepten in den Abschnitten 4.4.1.1 ff.). Für die Operationalisierung der Globalisierung bzw. Globalität gelten die vorherigen Ausführungen zur Erfassung der Internationalität sinngemäß. Klassisches Beispiel eines globalen Unternehmens ist die Coca-Cola Company. Der Begriff ‚Multinationales Unternehmen‘ (MNU, englisch: multinational enterprise, MNE) lässt sich zum einen anhand von Legaldefinitionen (z. B. in der Investitionsgesetzgebung vieler Länder oder den Verhaltenskodizes internationaler Organisationen) abgrenzen. So gilt z. B. in den USA ein Unternehmen als multinational, sobald an diesem zehn Prozent der Aktien von ausländischen Unternehmen gehalten werden (Krugman/Obstfeld 2006, S. 219). Zum anderen existieren diverse Nominaldefinitionen, die MNU anhand von besonderen Kriterien sowohl von nationalen als auch von internationalen Unternehmen abgrenzen. Als allgemein anerkannt gilt gemäß Dunning (1992, S. 3) und Swoboda (2001, S. 7) die Mindestvoraussetzung, dass eine Direktinvestition in Form einer Tochtergesellschaft in mehr als einem Land besteht. Darüber hinaus können weitere quantitative und qualitative Merkmale wie der Umfang oder Anteil der internationalen Geschäftstätigkeit, das Verhältnis von Mutter- und Tochtergesellschaften oder die Zusammensetzung und Denkweisen des Managements (vgl. Welge/Holtbrügge 2006, S. 41 f.) zur Abgrenzung herangezogen werden. MNU werden in diesem Zusammenhang regelmäßig implizit mit internationalen Groß- 30 2 Grundlagen: Internationalisierung und Management professioneller Fußballclubs unternehmen oder Konzernen gleichgesetzt (Swoboda 2001, S. 7). Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber globalen Unternehmen ist die größere Autonomie der Tochtergesellschaften und die geringere Standardisierung (vgl. auch die Erläuterungen zur polyzentrischen Ausrichtung im EPRG-Modell in Abschnitt 4.4.1.1 sowie zu transnationalen Unternehmen in Abschnitt 4.4.1.4). Besondere Relevanz entfalten im Zusammenhang mit MNU die Theorien der Direktinvestition (vgl. Abschnitt 4.3), und dort vor allem der Transaktionskostenansatz und die Theorie der Internalisierung (vgl. Abschnitt 4.3.6). Als Beispiele für MNU können Procter & Gamble, Continental oder ThyssenKrupp angeführt werden, bei denen entweder Produktsortiment bzw. Markenportfolio, Strukturen oder Management stärker auf die bearbeiteten Ländermärkte als bei globalen Unternehmen ausgerichtet sind. Der Begriff ‚transnational‘ bezeichnet eine weitere Unterform grenzüberschreitender Phänomene. Regelmäßig wird er auch für ‚überstaatliche‘ oder ‚supranationale‘ Objekte genutzt, welche Beziehungen zu mehreren Ländern besitzen, ohne von einem dieser Länder überwiegend abhängig oder beeinflusst zu sein. Geprägt wurde der Begriff von Bourne (1916) anlässlich der Diskussion über die Kultur der Immigranten in den USA nach dem Eintritt des Landes in den Ersten Weltkrieg. Bourne argumentierte dabei für eine neu entstehende, gemischte Kultur und gegen eine Assimilation der Einwanderer an die vorherrschenden angelsächsischen Kultureinflüsse. Beispiele für transnationale Organisationen sind politische Institutionen wie die Vereinten Nationen oder die Europäische Union oder Nichtregierungsorganisationen wie die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung oder Greenpeace. Während bei politischen Institutionen die Unabhängigkeit von Beeinflussungen durch Staaten und deren Organe als definitorisches Kriterium herangezogen werden kann, müssen für privatwirtschaftliche Unternehmen andere Kriterien angelegt werden. Da z. B. die Definition der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD), dass ein transnationales Unternehmen (TNU oder TNC für transnational corporation) aus einem Mutterunternehmen und den dazugehörenden Tochterunternehmen im Ausland besteht (UNCTAD 2011), zu unpräzise erscheint (vgl. auch Kutschker/Schmid 2011, S. 305 f.), beschreibt Drucker (1997) zumindest charakteristische Merkmale als Abgrenzung zum multinationalen oder globalen Unternehmen: “In a transnational company there is only one economic unit, the world. Selling, servicing, public relations, and legal affairs are local. But parts, machines, planning, research, finance, marketing, pricing, and management are conducted in contemplation of the world market. (…) Successful transnational companies see themselves as sepa- http://www.springer.com/978-3-658-09119-4