2 Die Grundprobleme des Subsaharen Afrika

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1.3 Vorgehensweise
2 Die Grundprobleme des Subsaharen Afrika
Das zweite Kapitel beleuchtet die vorhandenen politischen, sozialen und damit
auch zwangsläufig wirtschaftlichen Konstellationen, wie sie zum Teil historisch
bedingt in den Ländern SSAs anzutreffen sind. Nach einer Einführung in die
Grundthematik werden in den nachfolgenden Kapiteln die einzelnen Ursachen
für die Rückständigkeit Afrikas dargelegt. Insbesondere soll dabei auf die Einflüsse sowohl interner Faktoren als auch externer Faktoren abgehoben werden.
Im Kapitel 2.5 soll explizit die Rolle der Weltbank als maßgebende und richtungsweisende Institution hinsichtlich wirtschaftlicher Entwicklung in den Ländern Afrikas dargestellt werden. Dabei wird besonderer Wert auf die Darstellung
der bisherigen, z.T. untereinander stark divergierenden Entwicklungshilfekonzepte der vergangenen Jahre und der damit erzielten Erfolge gelegt.
Die folgende Abbildung 5 stellt grafisch den Aufbau des Kapitels dar und
dient der besseren Übersicht.
Abbildung 5:
Kapitelübersicht Grundprobleme des Subsaharen Afrika
2.1 Kapitel
Einführung
2.2 Kapitel
Kritik am
westlichen
Weltbild des
subsaharen
Afrika
2.3 Kapitel
Interne Ursachen
der
Rückständigkeit
2.4 Kapitel
Externe
Ursachen der
Rückständigkeit
2.5 Kapitel
Die Rolle der int.
Organisationen in
den bisherigen
Entwicklungshilfekonzepten
2.6 Kapitel
Zusammenfassung
M. Haberl, PPP-Projekte in den Volkswirtschaften in Subsahara-Afrika, Baubetriebswirtschaftslehre und
Infrastrukturmanagement, DOI 10.1007/978-3-658-09335-8_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015
62
2 Die Grundprobleme des Subsaharen Afrika
2.1 Einführung
Subsahara Afrika ist bis heute die einzige Region, in der es nur minimale Fortschritte in der Armutsbekämpfung gibt. Anders als die Ökonomien in China,
Indien und Vietnam sowie den asiatischen Schwellenländern Taiwan, Südkorea,
Singapur und Hongkong konnte noch in keinem afrikanischen Staat das ökonomische Niveau eines Schwellenlandes erreicht werden. Lediglich Mauritius,
Botswana und mit einigen Einschränkungen auch Südafrika können als Länder
mit einer einigermaßen erfolgreichen Wirtschaftspolitik bezeichnet werden.80
Die Frage nach dem Warum wurde bereits einleitend gestellt und kann
nachfolgend sicherlich im Rahmen dieser Arbeit nicht erschöpfend beantwortet
werden, zumal es sich dabei auch nicht um das Kerngebiet der Untersuchungen
handelt. Es sollen daher nur die wichtigsten Probleme angesprochen werden.
Während in großen Teilen Asiens und Lateinamerikas, allen voran China
und Indien,81 inzwischen hohe Wachstumsraten, zunehmende Produktivität und
sich verfeinernde Industrialisierungsprozesse sich einstellen, die zumindest teilweise einige soziale Fortschritte mit sich bringen, scheint sich der vorhandene
Entwicklungsrückstand in Afrika zu verfestigen.82 Doch ist es gerecht, einen
direkten Vergleich zwischen Afrika und etwa Lateinamerika anzustellen? Stimmt
die vielfach aufgestellte Behauptung, Afrika hätte nach der Unabhängigkeit Anfang der 1960er gleiche oder z.T. auch bessere Startbedingungen gehabt als viele
asiatische Länder, habe in hohem Maße Entwicklungshilfe erhalten und sei
trotzdem auf einem niedrigen Level stagniert oder z.T. sogar zurückgefallen?
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass der inzwischen vollständig
globalisierte Weltmarkt, eine ganz bestimmte Wirkung auf die spezifische wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Staaten Afrikas hatte und eben auch noch
immer hat. Beeinflusst wurden diese zudem durch die aus der Historie entstandenen inneren Entwicklungsbedingungen und den besonderen ökonomischen
und gesellschaftlichen Gegebenheiten des Kontinents. Dies soll wiederum als
Erklärungsansatz dienen, weshalb es den unterschiedlichen Entwicklungshilfeorganisationen bis heute nicht gelungen ist, den internationalen Kapitalismus in
Afrika einzuführen. Auch die aus den bisherigen Versuchen resultierenden Wirkungen bei der Integration der afrikanischen Wirtschaften in den kapitalistischen
Weltmarkt sind völlig konträr zu den Erfahrungen, wie man sie bisher von westlichen Staaten gewohnt war. Dies liegt sicherlich auch in der Einmaligkeit und
Vielfalt des afrikanischen Kontinents begründet. Mit mehr als 50 Staaten und
über 1 Mrd. Einwohner, die wiederum über 200 unterschiedliche Sprachen spre80
81
82
Vgl.: (Tetzlaff, 2008) S. 55
Vgl.: (Peterskovsky, et al., 2010) S. 4-8
Vgl.: (Speranza, 2011) S. 1
2.2 Kritik am westlichen Weltbild des Subsaharen Afrika
63
chen, sind die ökologischen und kulturellen Unterschiede der einzelnen Länder
und Regionen enorm. Es ist daher beinahe unmöglich von „dem Afrika“ zu sprechen. Dennoch gibt es einige gravierende Hemmnisse und Ursachen in der wirtschaftlichen Entwicklung, die in dieser Konzentration nur in Afrika auftreten und
somit den Kontinent, wenn auch auf äußerst negative Weise, wieder vereinen.
Bei der Frage nach den Gründen für die wirtschaftliche Unterentwicklung
ist grundsätzlich von einem Mix aus internen und externen Ursachen auszugehen,83 wobei der Übergang der einzelnen Einflussfaktoren fließend sein kann.
Dies wiederum berechtigt zu der Frage, ob eine Trennung zwischen internen und
externen Faktoren überhaupt sinnvoll ist. Bei genauerer Betrachtung wird denn
auch bewusst, dass es der Widerspruch zwischen innen und außen, also die
Wechselwirkung der jeweiligen Faktorenbündel ist, welche die grundsätzlichen
Probleme verursachen.84 So stehen interne und externe Ursachen in Interaktion
zueinander, da innenpolitische Ereignisse und Gesellschaftsentwicklungen zumeist auch durch Einwirkungen von außen beeinflusst werden.
Bevor nun auf die einzelnen Problemstellungen eingegangen wird, soll kurz
das allgemeine Bild Afrikas und der Bewohner Afrikas diskutiert werden, wie es
sich in der westlichen Welt darstellt.
2.2 Kritik am westlichen Weltbild des Subsaharen Afrika
Die Assoziationen der Menschen in den entwickelten Ländern mit Afrika sind
naturgemäß sehr unterschiedlich. Dabei hat sich die Wahrnehmung von Afrika
mit seinen Einwohnern in der Vergangenheit immer wieder verändert und an die
historischen Gegebenheiten in Europa angepasst. Diese differenzierte Wahrnehmung wurde maßgeblich geprägt durch die jeweilige Zeitepoche. Erstaunlich ist
dabei, dass sich aber bestimmte Projektionen über die verschiedenen Beziehungsstadien in der euro-afrikanischen Beziehungsgeschichte sehr beständig
gehalten haben.85 Diese Projektionen, vor allem bezüglich des Menschenbildes
der Schwarzen, war häufig das Spiegelbild der jeweiligen gesellschaftlichen
Umbrüche und nationaler, aber auch internationaler Konflikte. Dabei bediente
man sich des „Afrikaners“ als Metapher, um unterschiedliche gesellschaftliche
Eigenschaften sowohl im positiven, zumeist aber im negativen, Sinn darzustellen. Dies erklärt dann auch, warum in einem Großteil der, vor allem historischen
Veröffentlichung, die Schwarzen zumeist als Objekte und nicht als Subjekte
dargestellt werden. In „Schwarze Teufel, edle Mohren“ schildert der Historiker
83
84
85
Vgl.: (Collier, 2007) S. 11
Vgl.: (Goldberg, 2008) S. 75
Vgl.: (Arndt, 2001) S. 51
64
2 Die Grundprobleme des Subsaharen Afrika
und Anthropologe Peter Martin die Gegensätzlichkeit der Ansichten, die sich die
Industrieländer von Afrikanern machen: Sie wechseln zum einen zwischen Angst
und Ablehnung sowie verdrängte Wünsche und Exotik andererseits.86 Weiter ist
zu erkennen, dass die aus den unterschiedlichen Quellen entstammenden Motive
über das afrikanische Wesen, den jeweiligen historischen Gegebenheiten und
zweckdienlichen Notwendigkeiten entspringen. Hier wird zur Primitivisierung,
Dämonisierung, Infantilisierung, Domestizierung oder auch Ironisierung des
afrikanischen Menschen gegriffen, so wie es zur jeweiligen Zielerreichung opportun ist.87 Wie in der Vergangenheit, so trägt dies auch heute noch dazu bei,
das vorherrschende Bild Afrikas in der westlichen Hemisphäre nachhaltig zu
prägen. Dabei orientieren sich diese Interpretationen an ganz bestimmten historisch-politischen, wie auch geistes- und kulturgeschichtlichen Gegebenheiten,
die in die Perzeption und Darstellung Afrikas einfließen. Folgt man Johannsen,
so stand in der Vergangenheit zumindest nicht Unwissenheit im Vordergrund.
Vielmehr waren es wirtschaftliche Interessen und das Streben nach politischem
Einfluss. Dies diente zuweilen auch auf geisteswissenschaftlicher Ebene als
Legitimation, um diese abwertenden Verallgemeinerungen zu publizieren. Hier
wird denn auch von Arndt ausgeführt:
“Die Realitätsferne der Menschen und das Festhalten an rassistischen Stereotypen ist
kein irrationaler Prozess, sondern ein funktionaler. Zum einen kommt ihnen eine
Legitimations-, Entlastungs- und Verschleierungsfunktion zu, ohne die weder Sklaverei und Kolonialismus noch die aktuelle globale Situation denkbar (gewesen) wäre. Zusätzlich zu dieser legitimierenden Funktion diente und dient Afrika den Europäer/innen als Projektionsfläche und Ventil. Seiten, die man an sich selbst verachtet,
Ängste und Wünsche werden auf den afrikanischen Kontinent übertragen – ein Prozess, der sich oft unbewusst realisiert. […] Deutsche Afrikabilder sagen also weniger über Afrika, als vielmehr über die Mentalität von Weißen Deutschen aus.“ 88
Erstaunlich ist bei der Analyse der unterschiedlichen Meinungsbilder über das
heutige Afrika, dass es in allen Bevölkerungsschichten überwiegend negative
Erscheinungen sind, die mit Afrika assoziiert werden. Dies hängt auch häufig mit
den überzogenen Darstellungen der Medien von Katastrophen und Konflikten
auf dem schwarzen Kontinent zusammen. Geradezu selbstverständlich werden
raffgierige Militärjuntas, von Bürgerkriegen ausgeblutete Landstriche oder ausgetrocknete und von Erosion zerstörte Weideflächen mit Afrika in Verbindung
86
87
88
Vgl.: (Tetzlaff, 2008) S. 59
Vgl.: (Huber, 2010) S. 83-84
Quelle: (Arndt, 2001) S. 36 ff und http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/
Derivate-860/07 (letzter Zugriff am 02.11.2011)
2.3 Interne Ursachen der Rückständigkeit
65
gebracht.89 Es ist jedoch zu hinterfragen, wie repräsentativ diese Darstellungen
über Afrika denn tatsächlich sind. Prinz Alexandre Kum´a Ndumbe III90 aus
Kamerun beschrieb diese Ansichten aus seiner Wahrnehmung heraus wie folgt:
“Afrika wird immer nur verknüpft mit Krieg, Hunger, Aids. Nur Tragödien, ständig
irgendwelche Katastrophen. Und die Wirtschaft schrumpft. In Deutschland erfahr
ich, dass ich aus einem blutrünstigen Kontinent komme, der nur die Sprache der
Gewalt kennt, wo schon barfüßige, rotznäsige Kinder martialische Krieger sind. Das
weinende Afrika schreit mir von Plakaten in der U-Bahn entgegen. Und vom ZDF
werde ich belehrt: „Alle Kondomkampagnen sind ein Kampf gegen Windmühlenflügel.“91
Es sollen daher nachfolgend zunächst die internen und externen Ursachen der
Rückständigkeit SSAs untersucht werden. Während für die internen Erklärungsfaktoren vor allem die ethnischen, sozialen und politischen Verhältnisse beleuchtet werden, wird bei den externen Ursachen vor allem auf die Integration SSAs
in die Weltwirtschaft abgehoben.
2.3 Interne Ursachen der Rückständigkeit
Trotz der bereits beschriebenen kulturellen und ökonomischen Unterschiede
innerhalb des Kontinents gibt es doch einige Gemeinsamkeiten, die auf das gesamte Gebiet von SSA zutreffen. Nach Goldberg92 handelt es sich dabei um drei
ökonomisch–historische Faktoren, die er wie folgt beschreibt:93
ƒ
ƒ
89
90
91
92
93
94
Durch die dünne Besiedelung Afrikas lebten zu Beginn des 20sten Jahrhunderts nur etwa 8 % der Weltbevölkerung auf diesem Kontinent. Und das
obgleich Afrika rund 18 % der Landfläche der Erde ausmacht.94
Bedingt durch den fehlenden Bevölkerungsdruck und die äußerst fragile
Ökologie blieben die Produktionskräfte bis ins 19te Jahrhundert auf niedriVgl.: (Matthes, 2009) S. 11
Prinz Alexandre Kum´a Ndumbe III wird am 01. November 1946 in Douala, Kamerun, als
Sohn einer Königsfamilie geboren. Im Alter von 15 Jahren kommt er 1961 nach Deutschland
und besucht in München das Maria-Theresia Gymnasium. Danach studiert er in Lyon, Frankreich, Literatur- und Humanwissenschaften. Fortan versteht sich der Prinz als Vermittler zwischen den Kulturen Afrikas und Europas.
Quelle: Die schwarze Renaissance. Interview mit Prof. Prinz Kum´a Ndumbe III. Neues
Deutschland. Berlin. vom 22./23. 12.2007. S. 24
Vgl.: (Goldberg, 2008) S. 13
Vgl.: (Reichertz, 2000) S. 3-8
Vgl.: (Herbst, 2000) S. 10
66
ƒ
2 Die Grundprobleme des Subsaharen Afrika
gem Niveau. Neben den primitiven Anbautechniken in der Landwirtschaft
war eine Arbeitsteilung und damit einhergehende Spezialisierung in den
Produktionsprozessen nahezu unbekannt. Ebenso war Privatbesitz an Grund
und Boden nicht eingeführt.
Die oben dargestellten Faktoren waren somit ursächlich für das Ausbleiben
von staatlichen Herrschaftsformen, da die kleinen Bevölkerungsgruppen
schlichtweg nicht in der Lage waren, durch einen Produktionsüberschuss
eine herrschende Klasse zu versorgen. Dagegen bot sich für zahlenmäßig
größere Gruppen die Notwendigkeit ebenso wenig, da ihnen das vorhandene
weite Land die Möglichkeit bot, sich einer etwaigen politischen Autorität zu
entziehen.95 Dadurch waren die gesellschaftlichen Strukturen bis in die Kolonialzeit durch eine vertikale Teilung entlang von Verwandtschaftsgruppen
und nicht durch horizontale Klassenteilung geprägt.96
Neben diesen Eigenheiten, die den Kontinent einen, ist auf eine weitere Besonderheit hinzuweisen, die Afrika von allen anderen Regionen der Welt unterscheidet. Es handelt sich dabei um das einmalige Faktum, dass die Region, die
als die Wiege der Menschheit gilt, bis heute keine eigene Schriftkultur entwickelt hat. Die Schrift wiederum ist jedoch ein Grundbaustein bei der Bildung und
Verfestigung von Klassenstrukturen, die wiederum die Voraussetzung bilden für
ein Herrschaftswesen.97
2.3.1 Bevölkerungszusammensetzung
Multiethnische Gebilde prägten im vorkolonialen Afrika die politischen Einheiten. Viele der großen afrikanischen Völker wie z.B. die Haussa98 hatten zwar
eine gemeinsame sprachliche Grundlage. Eine Art von staatlicher Einheit konnte
daraus aber nicht abgeleitet werden. Andere als ethnische Gruppe geltende Völker, hier seien als Beispiel die Zulu genannt, wurden schlichtweg durch deren
imperialen Eroberungsdrang heraus gebildet.
95
96
97
98
Vgl.: (Illife, 1997) S. 96
Vgl.: (Goldberg, 2008) S. 14
Vgl.: (Goldberg, 2008) S. 15
Die Volksgruppe der Haussa lebt in weiten Teilen Nord-, West- und Zentralafrikas. Hauptsiedlungsgebiet ist der Norden Nigerias und der Südosten Nigers. Unter dem Namen Haussa wird
nicht nur das vor über tausend Jahren in das heutige Nigeria eingewanderte Volk bezeichnet.
Vielmehr subsumiert man darunter alle Volksgruppen, die im sogenannten Haussa-Land leben.
In Nigeria zählt diese Volksgruppe etwa 21 Mio. angehörige was einem Anteil von ca. 10 %
der Bevölkerung Nigerias ausmacht. Vgl.: http://www.transafrika.org/pages/informationenafrika/voelker-in-afrika/hausa.php (letzter Zugriff am 15.11.2012)
2.3 Interne Ursachen der Rückständigkeit
67
Die ethnisch reine Zusammensetzung eines Staates ist eine Erfindung der Europäer des 19. Jahrhunderts.99 Sie hat es in Afrika noch zu keiner Zeit gegeben und
wird es auch in Zukunft sicherlich nicht geben. Charakteristisch für Afrika ist
vielmehr die Vielzahl an unterschiedlichen Stämmen und Völkern. Differenziert in
15 Hauptgruppen unterteilen sich diese Völker wiederum in über 3000 unterschiedliche Bevölkerungsgruppen.100 Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei der Betrachtung der verschiedenen Sprachen ab. Neben den Kolonialsprachen, dies sind
vor allem Englisch und Französisch, aber auch Deutsch, Italienisch, Portugiesisch
und Spanisch, gibt es in Afrika vier große historisch gewachsene Sprachstämme:
Afroasiatisch, Khoisan, Niger-kordofanisch und Nilosuharanisch. Allein der afroasiatische Sprachstamm wird in 6 weitere Sprachfamilien unterteilt, die sich wiederum in über 200 Sprachen weiter verzweigen.101 Dabei ist die Anzahl der Sprecher
stark unterschiedlich und schwankt von einigen hundert bis zu einigen Millionen.
In Anbetracht der Situation ist es daher quasi selbsterklärend, dass es sich bei den
einzelnen Staaten Afrikas zumeist um Vielvölkerstaaten handelt, in deren Hoheitsgebiet viele unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. Der Bildung eines
einheitlichen Staatsgefühls ist dieser Zustand jedoch absolut nicht zuträglich. Ganz
im Gegenteil werden dadurch eher Konfliktpotentiale und interne Spannungen
zwischen den einzelnen Gruppen aufgebaut.
Doch wie kam es zu dieser willkürlichen Grenzziehung zwischen den einzelnen Staaten? Eine entscheidende Ursache hierfür ist zumindest die Kolonialisierung und vor allem auch die Entkolonialisierung im letzten Jahrhundert.102
Erster Vorläufer der Kolonialisierung, wie sie in den nachfolgenden Kapiteln
beschrieben wird, war der Sklavenhandel mit all seinen zerstörerischen Folgen
für den Kontinent.
2.3.2 Sklavenhandel
Wie unter Kapitel 2.3 bereits behandelt, ist nach Meinung Goldbergs die relativ
dünne Besiedelung des Kontinents ein maßgebender Faktor für die mangelnde
Entwicklung des Kontinents. Verschärft wurde dieses Problem noch durch den
bereits Mitte des 15. Jahrhunderts einsetzenden Sklavenhandel. Die Portugiesen
waren die ersten, die auf ihren Fahrten entlang der afrikanischen Küste nordafrikanische Berber und Schwarzafrikaner nach Portugal verschleppten. Aus diesen
ersten Anfängen heraus entwickelte sich letztendlich ein äußerst professionelles
99
100
101
102
Vgl.: (Goldberg, 2008) S. 98
Vgl.: http://www.bpb.de/themen/2MDWSY,0,Afrika.html (letzter Zugriff am 15.11.2012)
Vgl.: http://afrika.heimat.eu/Sprachen.htm (letzter Zugriff am 15.11.2012)
Vgl.: (Rank, 2009) S. 11
68
2 Die Grundprobleme des Subsaharen Afrika
System, um den Betrieb der durch die Kolonialherren neu angelegten Plantagen
und die Ausbeutung der vorhandenen Rohstoffe sicherstellen zu können. An
dieser Stelle ist anzumerken, dass das gesamte Ausmaß der Deportationen und
die daraus entstandenen Folgen für den Kontinent nicht ohne das Zutun einiger
afrikanischer Herrscher103 bzw. der Artikulation mit afrikanischen Institutionen
möglich gewesen wäre.104 So entstanden während der Zeit des Sklavenhandels
z.B. das Königreich von Dahomey105 und das Ashantireich in Westafrika, deren
ökonomische Basis die Jagd nach Sklaven und der Handel mit eben jenen war.
Nach Schätzungen wurden in den 400 Jahren des überseeischen als auch des
transsaharischen Sklavenhandels106 ca. 60 Mio. Menschen aus Afrika107 deportiert,
kamen bei der Sklavenjagd um oder überlebten die Überfahrt, vornehmlich nach
Amerika, nicht. Waren es zu Beginn nur einzelne Schiffe, die sich auf den Transport von Sklaven spezialisierten, entwickelte sich daraus bald ein regelrechter
Wirtschaftszweig, der einen „Dreieckshandel“108 zwischen Europa, Afrika und
Amerika darstellte. Die aus diesem ungeheuren Menschenschwund resultierende
103 „Die Versklavung geschah aber auch im Namen Allahs durch eingefallene Araber und die
nordafrikanischen Muslime. Tidiane N’Diaye schreibt dazu in seinem Buch ‚Der verschleierte
Völkermord – Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels‘ wie folgt: ‚Der muslimische
Sklavenhandel war der längste in der Geschichte der Menschheit. Er währte 1.300 Jahre und
hatte viel mehr Opfer als der Sklavenhandel (der Europäer) nach Amerika, der 400 Jahre dauerte. Der Koran hat die Sklaverei niemals unterbunden. Im Gegenteil, es gibt viele Stellen im
Koran, die die Versklavung von Nichtmuslimen empfehlen. (Sure 23:1-6 – Sure 4:36 – Sure
16:71 und Sure 70:30) Und im Gegensatz zur Ächtung der Sklaverei im Europa der Aufklärung, gab es nie auch nur einen arabischen Intellektuellen, der sich je für die Sache der
Schwarzen eingesetzt hat.‘“ Quelle: http://koptisch.wordpress.com/2011/05/25/1300-jahreislamische-sklaverei-in-afrika-2/ (letzter Zugriff am 15.11.2012)
104 Vgl.: (Goldberg, 2008) S. 75
105 „Das Königreich Dahomey erreichte um 1850 bis zur Kolonialisierung durch die Franzosen
1892 seine größte räumliche Ausdehnung. Auch die politische und wirtschaftliche Macht
Dahomeys hatte 1850, als in Brasilien ein neues Anti-Sklaverei-Gesetz erlassen und damit der
endgültige Niedergang des transatlantischen Sklavenhandels eingeläutet wurde, ihren Höhepunkt erreicht. Dahomey hatte zu der Zeit ca. 200.000 Einwohner, davon nur ca. 12.000 freie
Bürger. Alle anderen waren Sklaven.“ Quelle: http://www.lwg.uni.hannover.de/wiki/ (letzter
Zugriff am 15.11.2012)
106 Vgl.: (Kaese) S. 1-19
107 Vgl.: http://www.planet-wissen.de/politik_geschichte/menschenrechte/sklaverei/portraet_sklaven
handel_amerika.jsp (letzter Zugriff am 15.11.2012)
108 Der Dreieckshandel war ein Handelskreislauf bei dem vornehmlich billige Waren aus Europa
wie z.B. Branntwein, Gewehre oder auch Stoffe nach Afrika transportiert wurden. Diese Waren
wurden dort bei den einheimischen Sklavenjägern gegen Menschen eingetauscht wurden. Die
Sklaven wurden wiederum auf die westindischen Zuckerrohrinseln und nach Amerika, über die
berühmte Mittelstrecke auf der nach Davidson 1996 S. 98 über 13 % der eingeschifften Sklaven starben, auf die dortigen Baumwollplantagen verkauft. Von dort aus fuhren die Schiffe
wieder, beladen mit den Produkten der Sklavenarbeit wie Zucker, Baumwolle und Rum, zurück nach Europa. Vgl.: http://www.lwg.uni.hannover.de/wiki/ (letzter Zugriff am 15.11.2012)
2.3 Interne Ursachen der Rückständigkeit
69
Deformation der soziologischen und kulturellen Entwicklung war enorm; die demographischen Auswirkungen sind daher bis heute zu spüren. Führt man sich vor
Augen, dass zum Ende des 16. Jahrhunderts sowohl in Afrika als auch in Europa
ca. 100 Mio. Menschen lebten, verschob sich die Relation bis zum Anfang des 20.
Jahrhunderts dahingehend, dass sich in Europa die Bevölkerungszahlen vervierfachten, während die Bevölkerung Afrikas gerade um ein Fünftel, also gerade um
ca. 20 Mio. Einwohner, zunahm.109 Erschwerend kam hinzu, dass sich ganze
Volksstämme auf der Flucht befanden und ihre angestammten Siedlungsgebiete
verließen, um an anderer Stelle wieder sesshaft zu werden. Das damit einhergehende Konfliktpotential zwischen den einzelnen Völkern bei der Urbarmachung
von Ackerland und Viehweiden ist vorstellbar. Hinzu kommt ein weiteres demographisches Problem, das nicht zu unterschätzen ist: Es wurden deutlich mehr
Männer als Frauen versklavt. Auch dies führt zwangsläufig zu internen Konflikten.
In vielen Publikationen wird dargestellt, dass der heutige Entwicklungsrückstand Afrikas gegenüber den westlichen Industriestaaten maßgeblich auf das
in vielen Bereichen erkennbare Staatsversagen zurückgeführt werden kann, welches überwiegend in den schwachen und fragilen vorkolonialen politischen
Strukturen begründet ist. Völlig unberücksichtigt in den Diskussionen bleiben
dagegen die Folgen die sich aus dem Sklavenhandel ergeben. Es ist daher davon
auszugehen, dass der demographische Verlust durch den Menschenhandel in den
vergangenen Jahrhunderten bis heute einen zentralen Faktor für die labilen afrikanischen Staaten darstellt.
2.3.3 Kolonialisierung
Kolonialismus (lat. Colonia: Niederlassung, Ansiedlung) bezeichnet die wirtschaftliche und politische Inbesitznahme eines Staates. Nach Davis stellt Kolonialismus die gewaltsame Transformation sich autonom reproduzierender Agrarund Handelsgesellschaften in weltmarktabhängige und stets durch Hunger und
Dürren gefährdete Gebiete dar.110
Die Kolonialisierung der Länder Afrikas durch einige europäische Staaten
verlief dabei durchaus unterschiedlich. Neben der Landnahme durch Besetzung
oder militärische Okkupation wurden teilweise auch vertragliche Vereinbarungen mit den entsprechenden Stammesfürsten geschlossen.111
109 Vgl.: http://www.wirtschaft.bos-muenchen.by.schule.de/~hsweyhof/kapitel4.htm (letzter Zugriff am 15.11.2012)
110 Vgl.: (Davis, 2004) S. 283
111 Vgl.: http://www.hschumacher.de/html/kolonialismus.html (letzter Zugriff am 15.11.2012)
70
2 Die Grundprobleme des Subsaharen Afrika
Grundlage für die koloniale Aufteilung Afrikas bildete das Schlussdokument der sogenannten Kongokonferenz. Diese wurde durch den deutschen
Reichskanzler Otto von Bismarck für den 15. November 1884 in Berlin einberufen. Neben Vertretern der USA und der Türkei nahmen vor allem die europäischen Mächte Großbritannien, Österreich-Ungarn, Italien, Dänemark, Belgien,
Frankreich, Niederlande, Russland, Spanien, Portugal und Schweden-Norwegen
(bis 1905 in Personalunion) an der Konferenz teil. Am 26. Februar 1885 wurde
mit der Unterzeichnung der „Kongoakte“112 durch die 14 Unterzeichnerstaaten
die Aufteilung Afrikas beschlossen. Der Artikel in der Akte, dass jeder der Unterzeichner das Recht auf den Besitz einer Kolonie haben sollte, welche er als
erste in Besitz nahm, startete ein unvorstellbares Rennen um die Reichtümer
Afrikas. Innerhalb weniger Jahre wurde nahezu die vollständige Landfläche
Afrikas südlich der Sahara zumindest nominell aufgeteilt.113 Die daraus resultierenden Grenzziehungen zwischen den besetzten Gebieten erfolgten nach administrativen Erwägungen der jeweiligen Kolonialmächte und wurden, oftmals
auch im Tausch mit anderen Gebieten, immer wieder verändert.114
112 Artikel 6 der „Kongo-Akte“:
„Alle Mächte, welche in den gedachten Gebieten Souveränitätsrechte oder einen Einfluß ausüben, verpflichten sich, die Erhaltung der eingeborenen Bevölkerung und die Verbesserung ihrer
sittlichen und materiellen Lebenslage zu überwachen und an der Unterdrückung der Sklaverei
und insbesondere des Negerhandels mitzuwirken; sie werden ohne Unterschied der Nationalität
oder des Kultus alle religiösen, wissenschaftlichen und wohlthätigen Einrichtungen und Unternehmungen schützen und begünstigen, welche zu jenem Zweck geschaffen und organisiert
sind, oder dahin zielen, die Eingeborenen zu unterrichten und ihnen die Vortheile der Civilisation verständlich und werth zu machen.“ Quelle: http://www.ard.de/kultur/archiv/afrika/afrikaspezial-kolonialzeit/-/id=1416066/nid=1416066/did=1416252/e9te8x/index.html (letzter Zugriff am 15.11.2012)
113 Vgl.: http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Kongokonferenz.html (letzter Zugriff am 15.11.
2012)
114 „Ein Beispiel ist Mali, das nicht nur mehrmals den Namen, sondern bis 1944 auch die Grenzen
änderte (Boilley 2005, S. 411). Im Übrigen wurden die kolonialen Gebiete von den Kolonialmächten aus Kostengründen zentral verwaltet – so z.B. die 12 französischen Kolonien als
Französisches Westafrika (Afrique Occidentale Française – AOF) und Zentralafrika (Afrique
Équatoriale Française – AEF); Großbritannien verwaltete Kenia , Uganda und das UN – Treuhandgebiet Tanganjika über die 1948 eingerichtete East African High Commission. Südrhodesien (Zimbabwe), Nordrhodesien (Sambia) und Nyasaland (Malawi) bildeten ab 1953 zeitweilig eine Föderation. So wären theoretisch die Voraussetzungen für enge regionale Kooperationen nach der Unabhängigkeit nicht schlecht gewesen. Auf der anderen Seite hatte aber jede
Kolonie/jedes Protektorat seinen eigenen Gouverneur und eigene Selbstverwaltungsorgane,
d.h. es bildeten sich schon in der Kolonialzeit jeweils getrennte politische Strukturen heraus.
Außerdem – das gilt vor allem für besagte britische Föderation – war die Präsenz weißer Siedler und damit der Entwicklungsstand der Institutionen sehr unterschiedlich, sodass im britischen Ostafrika und Zentralafrika eine Dominanz der kenianischen und vor allem der südrhodesischen Siedler über die übrigen Länder befürchtet wurde. (Chazan 1992, S. 277)“ Quelle:
(Goldberg, 2008) S. 82
http://www.springer.com/978-3-658-09334-1
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