Erfahrungsbericht N° 6 - Name

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Erfahrungsbericht N° 6
April 2012
Jane Kober
„If you talk to a man in a langugage that he understands, it goes to his head.
If you talk to him in his langugage, it goes to his heart.“
- Nelson Mandela -
Liebe Leser,
SPRACHEN in Südafrika, das soll das Thema für diesen Erfahrungsbericht sein. Nach längerem
Hin-und Herüberlegen, habe ich mich dafür entschieden, dieses vielschichtige Thema mal von
ein paar Seiten zu beleuchten...
•
Zuerst ein paar (ungewöhnliche) Fakten...
Südafrika hat elf Amtssprachen!
Lange Zeit galten nur Englisch und Afrikaans als offiziell, nach Ende der Apartheid kamen
jedoch neun weitere hinzu. Die drei Sprachen, deren Anteil von Muttersprachlern in der
Bevölkerung am höchsten ist, sind Zulu (23,8%), in der Sprache selbst heißt es übrigens
isiZulu, isiXhosa (17,6%) und Afrikaans(13,3 %).
Obwohl Englisch als Muttersprache mit 8,2% nur an sechster Stelle steht, ist die Sprache
„universell“ und dient zur Verständigung zwischen allen Bevölkerungsgruppen. Offizielle
Schreiben oder Formulare sind in Südafrika zweisprachig; jeweils auf Englisch und Afrikaans.
•
Nicht selten sprechen Südafrikaner bis zu sechs Sprachen – fließend!
•
Afrikaans ist die jüngste Sprache der Welt.
Afrikaans, das mit den holländischen Siedlern nach Südafrika kam, hat sich vom
Hochniederländischen abgewandelt und ist erst seit 1925 als eigene Sprache anerkannt.
•
Auf südafrikanischem Englisch heißt es „robot“ und nicht „traffic lights“ (Ampel),
„bakkie“ statt „Pick-Up“ und wenn man auf die Begrüßungsformel „Howzit?“ ( etwa:
Hallo, wie geht’s?, welche jedoch nicht als wirkliche FRAGE gemeint ist) mit „Thanks,
fine“ antwortet, outet man sich unweigerlich als Nicht-Südafrikaner.
Konflikt „English vs. mother tongue“ und die Sache mit der Schulbildung...
Um diese Thematik zu verstehen, braucht es zuerst einen Blick in die Vergangenheit des
Landes. Während der Apartheid gab es drei getrennte „Bildungssysteme“ für Coloureds,
Schwarze und Weiße. Mit dem Bantu- Education- Act von 1953, dass sich auf alle NichtWeißen bezog, erzielte das Apartheidsregime die Errichtung staatlich betriebener Schulen, um
sich dem apartheidsunabhängigen Einfluss der liberalen, britischen Missionsschulen für die
schwarze Bevölkerungsgruppe zu entledigen. Die Folge war eine beabsichtigt geringwertige
Schulbildung durch unzureichende Mittel und Ressourcen.
Nach dem Ende der Apartheid 1994 hat sich selbstverständlich vieles verändert. 20% von
Südafrikas Bruttoinlandsprodukt sind Bildungsausgaben. ( Im Vergleich dazu: Deutschland ca.
10%).
Trotzdem: Südafrikas schlechter Bildungsstand,selbst im Vergleich mit weniger entwickelten
afrikanischen Ländern, hat seine Wurzeln in 40 Jahren ungerechter Apartheidspolitik:
„[...]Although today's government is working to rectify the imbalances in education, the
apartheid legacy remains. Illiteracy rates currently stand at around 18% of adults over 15 years
old (about 9-million adults are not functionally literate), teachers in township schools are poorly
trained.
[…] Equity has yet to be achieved: almost 57% of whites and around 45% of Indians enter
higher education. The rate for coloureds is 14.8%, while blacks are even lower at 13.3%. The
reason for this is generally understood as poor quality primary and secondary schooling, which
is a priority for the current government....“ (1)
Was hat das jetzt mit Sprache zu tun?
In der Diskussion kommt immer wieder die Frage auf, wie lange südafrikanische Kinder in
ihrer Muttersprache unterrichtet werden sollten und ab wann Englisch als „medium of
instruction“, d.h. Unterrichtssprache benutzt werden sollte.
Die Meinungen gehen auseinander.
Ich finde jedoch Folgendes wichtig zu beachten: Wenn Kinder weder in ihrer Muttersprache,
noch in der erlernten Fremdsprache fähig sind Konzepte zu begreifen, spricht man im
Englischen von „semi-lingualism“. Untersuchungen zufolge, passiert genau dies mit vielen
Schulkindern im südlichen Afrika: Ein Großteil der Schüler wird zum Nachteil beider
Sprachen unterrichtet. Im Gegensatz dazu steht der „additive Bilingualismus“, bei dem man zur
vollwertigen Sprachfähigkeit in der eigenen Muttersprache auch die Fremdsprache auf
akademischem Niveau hinzulernt.
Mindestens 6 Jahre in der Muttersprache sind nötig, damit Englisch als erste Fremdsprache auf
gleichem Sprachniveau erlernt werden kann. Momentan ist nur während der ersten 3 Jahre
Unterrichtssprache gleich Muttersprache. Gerade deshalb (und nicht trotzdem, wie manche
meinen könnten) ist das Englisch vieler afrikanischer Schulkinder so schlecht. Wer soll schon
volle Sprach- und Lesefähigkeit in einer Fremdsprache erlangen, wenn er noch nicht einmal
seine Muttersprache beherrscht?
(1)
http://www.southafrica.info/about/education/education.htm#ixzz1syLYdyyM
Speziell in Südafrika ist die Diskussion oft mit ideologischen Argumenten gespickt, auch wenn
nicht Englisch, sondern Afrikaans die „Sprache der Unterdrückung“ war:
„The promotion of African languages is […] vital in restoring the dignity of our people which
was degraded during the apartheid era“. (1)
Das ist ein wichtiger Punkt, entscheidend ist letztendlich aber, dass Kinder in Südafrika nach
nur 3 Jahren Englischunterricht einfach keine ausreichenden Englischkenntnisse haben, um
komplett auf Englisch als Unterrichtssprache umzusteigen.
Also ein Master-Plan? :
„A long-term plan for teaching in mother tongue, whilst aquiring appropriate levels of English
and gradually transferring to English must be put in place.“ (2)
Doch Englisch steht mit der allgemeinen Schulbildung im Zusammenhang. Ein Patent-Rezept
ist schwierig zu finden, wenn so viele unterschiedliche Faktoren das Bildungssystem
beeinflussen. Gerade in ärmeren Provinzen wie dem Eastern Cape oder Kwa-Zulu Natal, wo es
sehr viele „rural areas“ ( ländliche Gegenden) gibt, ist es schwierig aus dem Kreis „schlechte
Ausbildung für LehrerInnen – schlechte Bildungschancen für Kinder“ heraus zu kommen.
Natürlich gilt auch in Südafrika: Wer heutzutage „etwas werden will“, muss Englisch
beherrschen. Es gibt Kontexte in Südafrika, z.B auf Privatschulen, wo Englisch als
Unterrichtssprache ab Klasse 1 denkbar wäre. Für den Großteil der Schüler die auf staatliche
Schulen gehen ist dies aufgrund ihres familiären Bildungshintergrundes jedoch nicht denkbar.
Umso wichtiger ist es, Grundlagen zu schaffen, die den Erwerb von Englisch für die Kinder
erleichtern.
Hhayibo! Uyakwazi ukukhuluma isiZulu?....*
Ich habe erlebt, dass eine Sprache, neben vielen anderen Dingen, einer der stärksten Träger für
kulturelle Identität ist. Ich erlebe das jeden Tag. Zulus sind stolz auf ihr isiZulu und definieren
sich viel stärker als ich das aus Deutschland gewöhnt bin, über ihre Sprache, ihre ganz eigenen
speziellen Regeln und Umgangsformen.
Schon während der Vorbereitungszeit wurde mir immer wieder gesagt: Schon mit der richtigen
Begrüßungsformel kannst du den Menschen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern – und das
stimmt!
(1)
„New schools language plan“, Thandiwe Jumo, The Witness, Wednesday, January 25, 2012
(2)
s. oben
* Ach, nein! Du kannst Zulu?
Ich versuche mich an vielen Ecken und Enden der Alltagssprache in isiZulu und ärgere ich oft,
dass ich nur ein Jahr Zeit habe, um diese interessante und schöne Sprache ansatzweise zu
lernen. Besonders stolz bin ich auf den Zulu-Namen, der mir verliehen wurde: Sinehlanhla „We are lucky“. Ich finde die Art, jemanden auf diese Weise willkommen zu heißen,
wunderschön.
Letzten Monat hatte ich eine Begegnung mit dem ersten weißen Südafrikaner, den ich hier in
9 Monaten getroffen habe, der fließend isiZulu beherrscht. Das hat mich tief beeindruckt. Seine
Antwort darauf, warum er die Sprache – über das übliche Schulniveau, was meist nicht viel ist –
gelernt hat: „Warum nicht? Die Leute haben einen Tunnelblick und sind Sprachen gegenüber
ignorant. Sie wissen gar nicht, was sie in einem Land wie Südafrika verpassen!“
In diesem Sinne, wieder einmal, bis zum nächsten Mal,
Eure Jane.
P.s: Ich entschuldige mich hiermit offiziell für die „Sprachbarrieren“ in diesem
Erfahrungsbericht!
weitere Quellen:
http://www.my-cape-town-south-africa.com/south-african-schools-and-education-system.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Bantu_Education_Act
***
Jane Kober
Weltweite Initiative für Soziales Engagement e.V.
Postadresse:
Jane Kober
c/o Frikkie Adams
P.O. Box 1107
Hillcrest 3650
South Africa
E-Mail: [email protected]
Skype: janekober
Handy: 0027 848557364
Links: www.wortwechsel-weltweit.de
www.weltweite-initiative.de
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