www.dasinvestment.com Dezember 2016 WISSEN In Kooperation mit: Amundi, BCA, Fidelity, Invesco, Jupiter Asset Management Risikomanagement Long-short Risikokennzahlen DIE Korrelation ZEHN Rentenfonds Liquid Alternatives ??? Fondsratings MIFID II Fonds & Steuern Schluss mit gefährlichem Halbwissen: 10 Fonds-Themen, die Sie immer schon zu 100 Prozent verstehen wollten Volatilität DIE ZEHN ??? I IMPRESSUM IMPRESSUM Verlag: Fonds & Friends Verlagsgesellschaft mbH Goldbekplatz 3 22303 Hamburg www.dasinvestment.com Telefon: +49 (40) 40 19 99-50 Telefax: +49 (40) 40 19 99-60 E-Mail: [email protected] Herausgeber: Peter Ehlers, Gerd Bennewirtz Verlagsgeschäftsführung: Peter Ehlers, Gerd Bennewirtz Chefredakteur: Markus Deselaers Chefin vom Dienst: Imke Lessentin Autoren: Gerd Hübner, Carsten Krüger, Oliver Lepold, Claudia Lindenberg, Christopher Nachtweh, Heino Reents Bildredaktion: Nadine Rehmann, Nicole Jüttner Lektorat: Arnd M. Schuppius Gestaltung: Andrea Lühr, Hamburg Druck: Griebsch & Rochol Druck GmbH, Hamm Editorialfoto: Kirsten Nijhof Haftung: Den Beiträgen, Empfehlungen und Tabellen liegen Informationen zugrunde, die die Redak­tion für verlässlich hält. Die Garantie für die Richtigkeit kann die Redaktion nicht übernehmen. Diese Broschüre dient der Information und ist keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Geldanlagen. © 2016 für alle Beiträge und Statistiken bei der Fonds & Friends Verlagsgesellschaft mbH. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste und Internet sowie Vervielfäl­tigungen auf ­Datenträger wie CD, DVD etc. nur nach vorheriger schrift­licher Zustimmung des Verlags. 02 DAS INVESTMENT WISSEN DIE ZEHN ??? I EDITORIAL EDITORIAL Markus Deselaers, Chefredakteur Sonderpublikationen DAS INVESTMENT ??? ... !!! „Stehen die drei Fragezeichen für Zweifel an euren eigenen Fähigkeiten?“ „Nein, sie sind unser Markenzeichen und symbolisieren offene Fragen und ungelöste Rätsel.“ Ein Dialog aus dem Buch „Die drei ??? und das Gespensterschloss“, das ich als 12-Jähriger mit angehaltenem Atem gelesen habe. Das ging nicht nur mir so: Kein Wunder, dass die drei ??? heute einen so großen Bekanntheitsgrad haben. Als wir bei DAS INVESTMENT nach dem Namen für eine Sonderpublikation suchten, die in komprimierter Form zu Fonds- und Asset-Management-Themen informiert, kam deshalb schnell der Fragezeichen-Vorschlag. Den fanden wir alle gut. Denn wer kennt das nicht: Man denkt, dass man ganz passabel Bescheid weiß über Multi Asset, Longshort, Markowitz & Co. – aber beim Nachhaken zeigen sich hier und da doch offene Fragen und ungelöste Rätsel. Das betrifft nicht nur uns, sondern gelegentlich auch so manchen Finanzprofi. Da wollten wir Abhilfe schaffen – wobei sich zeigt, dass es auch hier manchmal die eine Wahrheit nicht gibt. Während etwa die Volatilität vom Gesetzgeber nur als Risikoindikator angesehen wird, ist sie für manche Portfoliomanager eine probate Performance-Quelle, auf die sie nicht verzichten wollen. Das vorliegende Kompendium ist das erste einer Reihe, bei der wir uns neben Kapitalanlage- auch Versicherungsfragen und andere Branchenthemen vornehmen werden. Da drei Fragezeichen hier jeweils etwas knapp bemessen wären, haben wir uns für die Variante mit zehn entschieden. Mit dem Ziel, dass nach der Lektüre nur noch Ausrufezeichen übrig bleiben. n 03 DIE ZEHN ??? I INHALT INHALT 1 06 Risikomanagement: Wie lassen sich Schwankungen kontrollieren? Wie das Management von Multi-Asset-Strategien die Schwankungsrisiken im Griff behält 2 10 Risiko-Kennzahlen: Welche Stärken und Schwächen haben Risikomaße? Standardabweichung, Sharpe und Sortino Ratio: Das Konzept hinter den Kennzahlen 3 14 Volatilität: Wie nutzt man die Volatilität – vor allem, wenn Märkte stark schwanken? Vom Angstgegner zum strategischen Partner: Volatilität als eigene Assetklasse 4 5 6 18 Korrelation: Portfolio-Allokation: Wie viel klassische Theorie gilt heute noch? Warum einfache Modelle zur Diversifikation über mehrere Assetklassen an ihre Grenzen stoßen 26 Long-short: Wie profitiert man auch von fallenden Märkten? Um marktunabhängig Erträge zu erwirtschaften, können Anleger auch Abwärtsphasen nutzen 30 Liquid Alternatives: Was können alternative Anlagekonzepte? Liquid Alternatives & Co. sind gerade in launischen Märkten gute Diversifikationsinstrumente 04 DAS INVESTMENT WISSEN 34 Rentenfonds: Welche Anleihestrategien sind noch sinnvoll? 7 Die alte Sicherheit ist passé: Warum Anleger neue Anleihesegmente in Betracht ziehen sollten 38 Fonds-Ratings: Wie aussagekräftig sind Rankings und Ratings? 8 Was man über die Prognosefähigkeit von Sternen, Schulnoten und Buchstaben wissen muss 42 Fonds & Steuern: Was müssen Berater und Anleger bei der Fondsauswahl beachten? 9 Angesichts der anstehenden Reform sollten Anleger und Berater bei steuerlichen Fragen fit sein 46 MIFID II: Wie müssen sich Finanzberater auf die neuen Regelungen vorbereiten? Die ab Januar 2018 auch in Deutschland umgesetzte EU-Finanzmarktrichtlinie regelt vieles neu 10 22 Gespräch: »In verständlicher Sprache sprechen« Statements von Thomas Richter, BVI 24 Markt und Meinung: Gut zu wissen Fakten und Einschätzungen im Überblick 50 Quiz: Testen Sie Ihr Wissen Der Check nach der Lektüre Foto: BVI; Illustration: seamartini/iStock 05 DIE ZEHN ??? I RISIKOMANAGEMENT 1 Risikomanagement Lassen sich Schwankungen kontrollieren? Multi-Asset-Strategien kombinieren eine Vielzahl an Anlageklassen. So weit, so gut. Doch die Kunst beim Management dieser Strategien besteht darin, die Schwankungsrisiken im Griff zu halten Text: Gerd Hübner | Illustration: supansa9/iStock RISIKOMANAGEMENT: Messung, Analyse und Steuerung aller relevanten Portfoliorisiken – mit dem Ziel, ein optimales ChanceRisiko-Verhältnis zu erreichen 06 DAS INVESTMENT WISSEN IN FRÜHEREN ZEITEN konnte ein aus Aktien und Anleihen bestehendes Portfolio eine gewisse Stabilität und zugleich eine ausreichende Rendite liefern. Das ist heute anders: „Der Grund dafür ist auf der Anleiheseite zu suchen“, weiß Carsten Roemheld. „Bis zur Finanzkrise brachten zehnjährige Bundesanleihen eine Rendite von 2 bis 3 Prozent, weiter zurück in der Vergangenheit sogar noch mehr“, so der Kapitalmarktstratege der Fondsgesellschaft Fidelity. Kam es zu Turbulenzen am Aktienmarkt, stabilisierten seinerzeit die sicheren und schwankungsarmen Bundesanleihen das gemischte Portfolio. Aktuell bringen zehnjährige Bundesanleihen jedoch eine negative Rendite. Hinzu kommt, dass Aktien und Anleihen in bestimmten Marktphasen immer wieder in die gleiche Richtung tendieren. Roemheld: „Die Korrelation nahm in den vergangenen Jahren gerade in Perioden, in denen es an den Kapitalmärkten turbulent wurde, immer wieder zu. Deshalb funktioniert die traditionelle Vermögensverwaltung nicht mehr.“ Der Hintergrund: ein herausfordernderes Marktumfeld Das Umfeld niedriger Zinsen und hoher Volatilität stellt das Asset-Management vor neue Herausforderungen. Renditepotenzial bei Anleihen herausfordernder Moderateres Wachstum an den globalen Aktienmärkten Risiken steigen im Verhältnis zur angestrebten Rendite Mehr Volatilität prägt die Märkte Nach mehr als 20 Jahren mit fallenden Zinsen und steigenden Kursen ist das Renditepotenzial bei Anleihen guter Bonität in Zukunft in weiten Teilen ausgeschöpft. Anleihen werden etwaige Wertverluste von Aktien nicht voll kompensieren. In den vergangenen Jahren sind die Aktienmärkte sehr dynamisch gewachsen. In Zukunft könnte das Wachstum an den globalen Wertpapiermärkten wesentlich ungleichmäßiger verlaufen. Die Auswahl attraktiver Aktien wird damit anspruchsvoller. Mit Bundesanleihen ließ sich lange fast risikolos eine gewisse Rendite erzielen. Nun liegt der risikolose Zins nahe null. Attraktive Renditen dürften in Zukunft mit dem Eingehen höherer Risiken bei Anleihen mit schwächerer Bonität verbunden sein. Mehr Unsicherheit bedeutet in der Regel auch mehr Volatilität. Die Marktteilnehmer sollten in Zukunft auf höhere Wertschwankungen vorbereitet sein. Diese können gute Kaufchancen bedeuten – aber auch zwischenzeitliche Verluste. Quelle: Fidelity Schon heute werden Anlageprodukte in Risikoklassen von 1 (sehr geringes Risiko) bis 7 (sehr hohes Risiko) eingestuft. Diese Einteilung ist gesetzlich vorgeschrieben, soll Investmentlösungen für Berater und Anleger leichter vergleichbar machen und findet sich in den „Wesentlichen Anlegerinformationen“. Steigt die Volatilität stark an, kann sich die Risikoklassifizierung von Finanzprodukten ändern. ImZweifel passt das Produkt dann nicht mehr zum Risikoprofil des Anlegers. Mit Inkrafttreten der MiFiD-II-Richtlinie kann dies für den Berater Nachberatungspflichten auslösen. „Dann wird der Berater seinen Kunden informieren müssen und unter Umständen sogar für entstehende Verluste haften“, sagt Claude Hellers, Leiter Vertrieb und Wholesale von Fidelity International Deutschland. Genau das ist das Risiko traditioneller Mischfonds-Portfolios. Denn steigt zum Beispiel die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen, kann auch die Schwankungsbreite des gesamten Portfolios ansteigen – und zwar über die vom Kunden gewählte Risikoklasse hinaus. „Tatsächlich ist festzustellen, dass sich die Risikoklasse etlicher Fonds seit Ende 2015 erhöht hat“, sagt Hellers. Es braucht also neue Lösungswege, die das Risiko besser kontrollieren. Die Universität St. Gallen hat im Auftrag von Fidelity und dem Versicherungskonzern AXA in einer Studie die Ansätze einer risikokontrollierten Vermögensverwaltung untersucht. Grundlage dafür war der Synthetische Risiko Rendite Indikator (SRRI), dessen Berechnung nach einheitlichen EU-Standards und auf der historischen Volatilität basiert. „Auf diese Weise lässt sich jede Anlageklasse einer bestimmten Risikostufe zuordnen“, so Hellers. In der Stufe 1, bei der die Volatilitätsspanne zwischen null und 0,5 Prozent liegt und wo das Risiko folglich am niedrigsten sein muss, finden sich zum Beispiel sichere Anlagen wie Tages- oder Festgeld. In Kategorie 2 liegt die zulässige Schwankungsbreite bei 0,5 bis 2 Prozent, was etwa si- ► 07 DIE ZEHN ??? I RISIKOMANAGEMENT Evolution von Multi-Asset-Konzepten Zeitgemäße Multi-Asset-Konzepte können eine Vielzahl von Assets und Strategien nutzen. Anlageklassen Flexibilität Erfolgsmessung starr Vergleich mit Benchmark flexibel Vergleich mit Benchmark sehr flexibel Total-Return-Ansatz: positives Ergebnis über Cash über einen Zyklus betrachtet Klassischer Ansatz: Mischfonds Aktien Anleihen Rohstoffe Erweiterter Ansatz: Multi-Asset-Fonds Aktien Anleihen Rohstoffe Immobilien Zeitgemäßer Ansatz: Multi-Asset/Multi-Strategie-Fonds Aktien Anleihen Rohstoffe Immobilien Alternative Anlagen Marktneutrale Strategien Quelle: Fidelity chere Staatsanleihen erfüllen. Die Risikoklassifizierung setzt sich bis zur Stufe 7 fort, in der sich Assetklassen befinden, deren Volatilität bei mehr als 25 Prozent liegt. Hierzu werden zum Beispiel Private-Equity-Investments gezählt. Der Portfoliomanager muss deshalb In der volatilitätsgesteuerten Vermögensverwaltung zunächst die Allokation der Assetklassen und der Einzeltitel in einem Portfolio so umsetzen, dass die vorgegebene SRRI-Klassifizierung eingehalten wird. „Damit steht am Ausgangspunkt jeder Anlageentscheidung das anhand der Schwankungen gemessene Risiko, erst dann geht es um Renditechancen“, unterstreicht Hellers. Damit die Schwankungsbreite in bestimmten Marktphasen nicht zu hoch wird, muss die Volatili08 DAS INVESTMENT WISSEN tät des Portfolios in regelmäßigen Abständen neu berechnet werden. „Der Fondsmanager muss die Gewichtung der Assetklassen so steuern, dass die Volatilität des Gesamtportfolios innerhalb der definierten Grenzen bleibt“, erklärt Hellers. Das heißt: Steigt die Volatilität der Aktienkurse an, muss das Gewicht von Aktien im Portfolio zurückgefahren werden. ANTIZYKLISCHE STEUERUNG Dies verhindert dann nicht nur den Anstieg der Volatilität, sondern hat noch einen Nebeneffekt: bei einer steigenden Volatilität die Aktienkurse in der Regel fallen, kann dies Anleger zugleich vor größeren Verlusten schützen. Umgekehrt kann der Fondsmanager, wenn die Kursschwankungen zurückgehen, die Aktienquote wieder erhöhen und so eine höhere Rendite erzielen. „Im Ergebnis ergibt sich damit eine sehr dynamische, flexible und antizyklische Steuerung des Portfolios“, erklärt Experte Hellers. Ein Ansatz, der durch weitere Stellschrauben noch optimiert werden kann. Etwa durch breitere Diversifikation: „Im Gegensatz zu traditionellen Mischfonds können in modernen Multi-Asset-Portfolios über die klassischen Anlageklassen hinaus auch Immobilien, marktneutrale Strategien oder alternative Anlagen zum Einsatz kommen“, so Hellers. Zu Letzteren zählt beispielsweise die Beteiligung an Infrastrukturprojekten wie Mautstraßen, Schienen- oder Versorgungsnetzen oder Schulen. „Die Vorteile dieser Assets sind zum einen deren Risikoklassen als Richtmaß Die Risikoklasse (SRRI*) bezieht sich auf die historischen Schwankungen (Volatilität) einer Geldanlage. Der Wert kann sich im Zeitverlauf verändern, wenn sich die Schwankungen verändern. Die Einhaltung einer SRRI-Klasse bietet Anlegern also ein verlässliches Schwankungsprofil und somit ein eher „kalkulierbares“ Risiko. Risikoklasse Rendite Höheres Risiko Normalerweise höhere Rendite 7 Volatilitätsintervall 25% 20% 6 15% 5 Lösung im Schwankungsbereich des SRRI 4 10% 4 3 Geringes 2 Risiko 1 Normalerweise geringere Rendite Lösung im Schwankungsbereich des SRRI 3 5% 2% 0% *SRRI steht für „Synthetic Risk and Reward Indicator“ und wird als Risikoklasse/Kennzahl in den „Wesentlichen Anlegerinformationen“ zu einer Fondsanlage angegeben. Die Berechnung des SRRI ist nach einheitlichen Standards der Europäischen Union festgelegt. Quelle: Fidelity attraktive und nachhaltige Renditechancen, da solche Investments regelmäßige Erträge liefern können“, berichtet Hellers. „Zum anderen ist aber auch wichtig, dass sich beispielsweise Infrastrukturprojekte relativ unabhängig von Konjunkturschwankungen entwickeln können und damit eine geringere Korrelation zu anderen Anlageklassen aufweisen.“ Das Gleiche gilt für den Einsatz sogenannter marktneutraler Strategien. „Diese gehen, wie der Name sagt, kein Marktrisiko ein“, erklärt Hellers. Hierbei nutzt der Fondsmanager zum Beispiel Bewertungsunterschiede zwischen Regionen, Branchen oder Währungen aus. Last but not least kann auch der Aufbau eines Puffers in turbulenten Marktphasen in Form von Cash sinnvoll sein – um dann, wenn sich die Märkte wieder beruhigt haben, wieder einsteigen zu können. Der Experte: Claude Hellers Leiter Vertrieb und Wholesale bei Fidelity International Deutschland. Fakten zu Fidelity Fidelity International ist eine unabhängige Fondsgesellschaft in Privatbesitz, die Investmentfonds, Anlage- und Altersvorsorgelösungen sowie damit verbundene Services anbietet. Das Unternehmen managt 258 Milliarden Euro (Assets under Management) für Anleger in Europa, Asien, Australien und Südamerika. Zu den Kunden von Fidelity gehören Privatanleger, Finanzberater, Vermögensverwalter, Family Offices, Banken, Versicherungen, Altersvorsorgeeinrichtungen, Unternehmen und Staatsfonds. Neben hauseigenen Fonds können Anleger in einigen Ländern auf Fondsplattformen von Fidelity auch Anlageprodukte anderer Anbieter erwerben und verwahren. Diese Assets under Administration betragen 75,5 Milliarden Euro. MIT SCHWANKUNGEN LEBEN Zu bedenken gilt es aus Anlegersicht allerdings, dass sich die Renditeerwartung nach der Risikobereitschaft richtet, wie auch die Universität St. Gallen in ihrer Studie festgestellt hat. Fidelity hat deshalb mit den SMART-Fondslösungen Strategien entwickelt, die sich in ihrer defensiven Variante an der Risikoklassifizierung SRRI 3 und in der moderaten Variante an der Risikoklassifizierung SRRI 4 orientieren – und deren Ziel es ist, sich dauerhaft innerhalb der vorgegebenen Schwankungsbreiten zu bewegen. n 09 DIE ZEHN ??? I RISIKO-KENNZAHLEN 2 RisikoKennzahlen Welche Stärken und Schwächen haben Risikomaße? Standardabweichung, Sharpe und Sortino Ratio: Nur wer das Konzept hinter den unterschiedlichen Risikomaßen versteht, ist gegen größere Enttäuschungen gefeit und kann die Qualität eines Fondsmanagers beurteilen Text: Christopher Nachtweh | Illustration: Ae11615/iStock RISIKO-KENNZAHLEN: Bei Kapitalanlagen gilt, dass es keine Rendite ohne Risiko gibt. Spezielle Kennzahlen geben Aufschluss darüber, unter welchen Risikobedingungen in der Vergangenheit die Renditen erzielt wurden 10 DAS INVESTMENT WISSEN „RISIKO“: Was den Mitspielern der ZDF-Ratesendung „Der große Preis“ in den 70er und 80er Jahren vielfach eine willkommene Chance bot – die Generation 40 plus erinnert sich –, gilt den meisten Kapitalanlegern als notwendiges Übel, das so weit wie möglich zu beschränken ist. Doch worin besteht das Risiko bei einer Geldanlage überhaupt? Die Antwort fällt je nach Anleger ganz unterschiedlich aus: Während es für den einen ein untragbares Risiko bedeutet, zwischenzeitlich einen kleineren oder größeren Anteil seines Vermögens durch Kursschwankungen zu verlieren, sieht der andere das größte Risiko darin, sich durch weitestgehend risikolose Anlageformen jeglicher Ertragschancen zu berauben. DAS ZINSLOSE RISIKO Klar ist allerdings heute, was Anlegern zu Quizmaster Wim Thoel­ kes Zeiten noch kaum denkbar erschien: Ganz ohne Risiko lassen sich mittlerweile keine auskömmlichen Erträge mehr erwirtschaften. Denn auch die einst weitge- Maximalverlust und Wiederaufholungsperiode (Recovery Period) Die Recovery Period beschreibt den Zeitraum, den ein Anleger in der Vergangenheit hätte warten müssen, um den Maximalverlust im Betrachtungszeitraum wieder aufzuholen Fondspreis in Euro 120 Hoch 115 Wiederaufholungsperiode (Recovery Period) 110 105 Maximalverlust (Maximum Drawdown) 100 95 Vollständige Erholung 90 85 80 Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Quelle: Invesco hend sicheren Sparformen wie etwa deutsche Staatsanleihen bergen mehr denn je ein solches: das Risiko des schleichenden Kaufkraftverlusts. Doch wie viel Risiko kann, darf und muss es sein, um erträgliche Erträge zu erwirtschaften, und wie lässt es sich einschätzen? Eine ganze Reihe von Kennzahlen hilft Anlegern, das rechte Risikomaß festzulegen. Aber nur wer versteht, welche Risiken wie erfasst werden, kann diese Zahlen für überlegte Investment-Entscheidungen nutzen und gerechtfertigte Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse seiner Kapitalanlagen entwickeln. STÄRKE DER SCHWANKUNG „Eine der am weitesten verbreiteten Risikokennzahlen ist die Volatilität oder Schwankungsintensität einer Anlage“, erklärt Max Widmer, Portfoliomanager im Invesco Global Asset Allocation Investmentteam. Das ist kein Wunder, gehen doch mit höheren Schwankungen auch regelmäßig höhere Verlustrisiken einher – dies gilt zumindest über begrenzte Zeiträume hinweg. Konkret misst die Volatilität die Abweichungen der Wertentwicklung von einem Erwartungs- oder Durchschnittswert, die innerhalb festgelegter Zeitintervalle bezogen auf einen Gesamtzeitraum stattfinden – also beispielsweise die zu erwartenden börsentäglichen oder monatlichen Schwankungen innerhalb eines Jahres. Mathematisch als sogenannte Standardabweichung errechnet, erlaubt die Darstellung der Volatilität dabei auch den direkten Vergleich der historischen Schwankungen unterschiedlicher Wertpapiere oder Fonds. Sie veranschaulicht nicht nur, wie die jeweiligen Anlagenwerte in der Vergangenheit geschwankt haben, sondern auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in der Zukunft schwanken werden. BLICK IN DIE VERGANGENHEIT „Die Bedeutung der Volatilitätskennzahl ist allerdings wegen ihrer aufwendigen Berechnung für viele Anleger nicht leicht zu erschließen“, unterstreicht Widmer. Der Experte ergänzt: „So gibt die Volatilität beispielsweise nicht an, dass ein Anleger im betrachteten Zeitraum nicht auch einmal größere zeitweilige Verluste hätte hinnehmen müssen, als anhand der Kennzahl anzunehmen gewesen wären.“ Der Hintergrund dafür ist, dass die Berechnungsgrundlage der Volatilität stets Werte der Vergangenheit auch vor dem entsprechenden Verlust einbezieht. ► 11 DIE ZEHN ??? I RISIKO-KENNZAHLEN Sharpe Ratio und Sortino Ratio im Vergleich Investment A erzielt nach Sharpe Ratio weniger Rendite je Risikoeinheit, weil die Volatilität höher ist als bei B. Die Sortino Ratio konzentriert sich allein auf die Negativ-Abweichung – daher hier ein gleicher Wert für beide Investments. Investment A Investment B Rendite 10,0% 10,0% Risikoloser Zinssatz 0,0% 0,0% Volatilität 20,0% 15,0% Negativ-Abweichung 10,0% 10,0% Sharpe Ratio 0,5 0,67 Sortino Ratio 1,0 1,0 Quelle: Invesco, Schematische Darstellung zur Illustration Weit intuitiver und ganz im Sinn der eingangs genannten Spielshow funktioniert da bereits der Maximalverlust oder Maximum Drawdown. So wie sich Thoelkes Rategäste auf dem Risikofeld entscheiden mussten, wie viel ihres bereits erspielten Gewinns sie für den Fall riskierten, die Frage nicht beantworten zu können, können Anleger Fonds und andere Wertpapiere anhand dieser Kennzahl darauf überprüfen, was ihnen bei einem Investment im schlimmsten Fall widerfahren wäre. Anders ausgedrückt lautet die Frage: Wie hoch war der maximale Verlust von einem einmal erreichten Top bis zum darauffolgenden Kurstief innerhalb eines bestimmten Zeitraums? Eine gute Ergänzung stellt somit die sogenannte Recovery Rate 12 DAS INVESTMENT WISSEN (zu Deutsch: Wiederaufholungsperiode) dar: Sie gibt Auskunft darüber, wie lange es maximal gedauert hat, die aufgelaufenen Verluste wieder aufzuholen (siehe dazu auch die Grafik auf Seite 11). Schließlich mag ein geringerer maximaler Verlust mehr schmerzen, wenn es Jahre dauert, bis er wieder aufgeholt ist, als ein größerer Einbruch, der bereits nach wenigen Monaten wettgemacht ist. VERLUST UND ERHOLUNG Damit eignen sich die Maximalverlust und Wiederaufholungsperiode einigermaßen gut, um die konkreten Geldanlagen auf die jeweilige eigene Verlusttoleranz abzustimmen. Allerdings sind auch diese Analysen naturgemäß eine Vergangenheitsbetrachtung ohne Garantie, dass sich die entspre- chenden Papiere in der Zukunft ähnlich verhalten werden wie in der Vergangenheit. Einen ersten Aufschluss geben diese Kennzahlen dabei nicht nur für die Risikobewertung einzelner Wertpapiere oder individueller Portfolios, sondern gerade auch, wenn die Risikobudgetierung einem Fondsmanager übertragen wird, wie es etwa im Fall von Multi-Asset-Produkten ist. VERGLEICHE MÖGLICH Hier ermöglicht ein Vergleich der relevanten Kennzahlen von Fonds mit vergleichbaren Anlagezielen und ähnlichen Investmentuniversen eine Einschätzung der Qualität des Fondsmanagements. Neben den bereits genannten Indikatoren ist dabei die sogenannte Sharpe Ratio eine bedeutende Kennzahl: Sie beschreibt die sogenannte risikoadjustierte (also am jeweiligen Risiko ausgerichtete) Rendite. Invesco-Experte Widmer erklärt: „Für die Sharpe Ratio wird die über den risikolosen Satz hinaus erwirtschaftete Rendite ins Verhältnis zur eingegangenen Volatilität gesetzt. Damit lässt sich zeigen, ob und wie weit sich das vom Anleger eingegangene Risiko in Form der Schwankungsintensität gelohnt hat.“ Prinzipiell gilt dabei: Je höher diese einheitslose Maßzahl ist, desto besser. Eine Einschränkung ist jedoch unbedingt zu beachten: Die Sharpe Ratio trifft keine Aussage über die absolute Höhe von erzielter Rendite und eingegangenem Risiko – denn wachsen beide proportional, ändert sich an dieser Kennzahl nichts. Als ein wirkliches Alarmsignal ist jedoch eine negative Sharpe Ratio zu werten. Denn sie zeigt an, dass die Rendite der jeweiligen Anlage noch unterhalb der risikolosen Rendite lag. Bis heute genießt die im Jahr 1966 vom US-Wirtschaftswissenschaftler William F. Sharpe eingeführte Kennzahl Benchmark-Status bei der Bewertung und Optimierung von Investmentfonds, anderen Anlageformen und Handelsstrategien. Doch weist sie auch eine gewisse Schwäche auf. So misst sie Auf- und Abwärtsbewegungen das gleiche Gewicht bei. „Das allerdings ist nur schwer in Einklang zu bringen mit der Wahrnehmung der Anleger, die Aufwärtsbewegungen auch über das erwartete Maß hinaus durchaus schätzen“, kommentiert Widmer. SHARPE UND SORTINO Eine Modifikation der Sharpe Ratio kann hier Abhilfe schaffen: Entwickelt hat sie Frank Sortino, Direktor des Pension Research Institute in San Francisco. Die nach ihm benannte Kennzahl Sortino Ratio berücksichtigt ausschließlich die Volatilität, die sich aus Kursverlusten ergibt. Damit bedient sie sich eines Risikokonzepts, das den meisten Anlegern intuitiv passender erscheinen wird (siehe zur Sortino Ratio auch die Grafik auf der nebenstehenden Seite). Allerdings ist festzuhalten: die Differenzen der beiden Kennziffern Sharpe Ratio und Sortino Ratio bei Fonds sind bei einigermaßen normal verteilten Ergebnissen nicht besonders groß. WIE TEUER IST DAS RISIKO? Beide Ratios können jedoch einen wichtigen Hinweis darauf liefern, ob es einem Fondsmanager gelungen ist, mit begrenztem Risikobudget angemessene Zusatzerträge zu erwirtschaften, oder ob er seine Erträge eher mit viel Risiko zu teuer erkauft hat. Gerade der Vergleich mit der Peer Group kann hier gewissen Aufschluss geben. „Beachten müssen Anleger indes, dass es sich wie bei den übrigen Kennzahlen um Vergangenheitsbetrachtungen handelt, die sich nicht ohne Weiteres in die Zukunft fortschreiben lassen“, warnt Widmer. Eine alternative Betrachtungsweise bietet schließlich die Information Ratio, die eng mit dem Tracking Error verknüpft ist. Letzterer misst, inwieweit ein Portfolio seine Benchmark abbildet, und ist vor allem für institutionelle Investoren von Bedeutung, die sich vielfach stark an Referenzindizes orientieren. Hintergrund: Aktive Manager weichen mit ihrer Allokation vielfach bewusst sehr deutlich von der zugrunde liegenden Benchmark ab, um Zusatzerträge zu erzielen. Das kann naturgemäß zu einer besseren oder schlechteren Performance als derjenigen des Index führen und stellt insofern ebenfalls ein Risiko dar. ABWEICHUNG VOM INDEX Genau das misst die Information Ratio: Sie stellt die erzielte Performance-Differenz ins Verhältnis zum Tracking Error. Je höher die Outperformance und je geringer die Abweichung vom Index, desto höher der Wert der Kennzahl. In jedem Fall gilt: Anleger und Berater sollten mehrere der dargestellten Risikokennziffern betrachten. Dies sollte möglichst unter Einbeziehung unterschiedliche Zeiträume und Marktphasen geschehen. Dann können insbesondere die Kennzahlen Volatilität, Maximum Drawdown sowie Sharpe und Sortino Ratio maßgeblich helfen, realistische Erwartungen bei Geldanlagen zu entwickeln, passende Produkte auszuwählen und darüber hinaus auch die Qualität eines Fondsmanagers zu beurteilen. n Der Experte: Max Widmer Max Widmer ist Portfoliomanager im Invesco Global Asset Allocation (IGAA) Investmentteam. Fakten zu Invesco Invesco ist eine der weltweit führenden unabhängigen Investmentgesellschaften. Mit einem verwalteten Vermögen von knapp 800 Milliarden Dollar zählt Invesco zu den globalen Top 20 der international tätigen Vermögensverwalter, der alle wichtigen Aktien- und Rentenklassen abdeckt. Ein besonderer Fokus liegt auf quantitativen Strategien und MultiAsset-Produkten. Die langjährige Präsenz auf dem deutschen Markt im Bereich von Publikums- und Spezialfonds stellt dabei sicher, dass den speziellen Bedürfnissen deutscher Anleger Rechnung getragen wird. 13 DIE ZEHN ??? I VOLATILITÄT 3 Volatilität Wie nutzt man die Volatilität – vor allem, wenn Märkte stark schwanken? Volatilität ist für viele Investoren ein Angstgegner. Dabei lässt sie sich sehr gut nutzen, um die Schwankungen eines Portfolios zu begrenzen Text: Christopher Nachtweh | Illustration: seamartini/iStock VOLATILITÄT: In der Finanzmathematik ist Volatilität ein Maß für die Schwankung von Finanzmarktparametern wie Aktienkursen und Zinsen. Die Volatilität ist hier definiert als die Standardabweichung und dient häufig als Risikomaß 14 DAS INVESTMENT WISSEN DIE MEISTEN ANLEGER haben es nicht gern, wenn ihre Investments allzu sehr schwanken. Denn eine hohe Schwankungsintensität bedeutet vor allem Unsicherheit: Je höher die Kursausschläge ausfallen, desto schwieriger ist es, den Wert des Portfolios für einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu bestimmen. Und je höher die Volatilität der Papiere im Portfolio ist, desto wahrscheinlicher sind zwischenzeitliche Kursverluste. So begreifen zwar mutige Sparplan-Anleger, dass erhöhte Marktschwankungen auch eine Chance bieten, weil dies zwischenzeitlich immer wieder einmal für günstige Einstiegskurse sorgt und so den langfristigen Durchschnitt der Kaufkurse drückt. Doch sehen Investoren in der Regel in einer erhöhten Volatilität vor allem ein Risiko, welches das Erreichen ihrer Ertragsziele gefährdet. Um die unerwünschten Effekte der Volatilität zu begrenzen, ist ein Blick auf deren zugrunde liegende Merkmale sinnvoll. „Wesentlich ist zudem, zwischen zwei Formen der Volati- Volatilität als „Angstbarometer“ Gegenläufige Bewegung: Fällt der Euro Stoxx 50 stark, steigt die realisierte Volatilität – hier dargestellt an der 20-Tages-Volatilität (20 Börsentage = 1 Monat). In Phasen eines stark steigenden Aktienmarkts sinkt die Volatilität – sie ist somit ein „Angstbarometer“, das Investoren strategisch nutzen können. Indexpunkte 90 4.700 Euro Stoxx 50 20-Tage-Volatilität 4.200 75 3.700 60 3.200 45 2.700 30 2.200 15 1.700 2007 0% 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: Amundi, Bloomberg. Stand: 20. Oktober 2016 lität zu unterscheiden: nämlich zwischen der historischen oder realisierten Volatilität auf der einen und der erwarteten oder impliziten Volatilität auf der anderen Seite“, erklärt Gilbert Keskin, Co-Head Volatility & Converti­ ble Bonds bei der französischen Fondsgesellschaft Amundi. ABWEICHUNGEN BERECHNEN Die Variante der realisierten Volatilität gibt Auskunft über die tatsächliche Schwankungsbreite in der Vergangenheit: Sie misst, wie weit die tägliche Kursentwicklung innerhalb eines bestimmten Zeitraums von der durchschnittlichen täglichen Performance in diesem Zeitraum abgewichen ist. In der Regel wird die realisierte Volatilität meist auf Jahressicht dargestellt, damit man verschiedene Zeiträume, Indizes oder ein- zelne Wertpapiere miteinander vergleichen kann. Mehr als der Blick in die Vergangenheit interessiert professionelle wie private Investoren jedoch der Blick nach vorn: Mit welchen Schwankungen müssen sie künftig rechnen? Da die Wertentwicklung bekanntermaßen kein Indikator für künftige Trends ist, kann die historische Volatilität in diesem Fall nicht genutzt werden. Der geeignetere Indikator für künftige Marktschwankungen ist hingegen die erwartete oder implizite Volatilität. Sie gibt an, mit welchen Schwankungen die Marktteilnehmer für die Zukunft rechnen. Für alle wichtigen Indizes wird die implizite Volatilität mittels der Marktpreise für tatsächlich gehandelte Optionen berechnet. Schließlich hat die Schwankungs- intensität neben des Kurses des jeweiligen Basiswerts, der Restlaufzeit und dem Zinsniveau entscheidenden Einfluss auf den Preis einer Option. „Da die implizite Volatilität die einzige Unbekannte unter den preisbestimmenden Faktoren einer Option ist, lässt sie sich vergleichsweise leicht isolieren“, erkärt Experte Keskin den Hintergrund. IMPLIZITE VOLATILITÄT Für alle wichtigen Börsenbarometer wird die implizite Volatilität in entsprechenden Indizes dargestellt. Hierbei sind der US-amerikanische VIX, der europäische VStoxx und der deutsche VDAX-New die geläufigsten Indizes, an denen sich die Entwicklung der erwarteten Schwankungsbreite unmittel- ► 15 DIE ZEHN ??? I VOLATILITÄT Mit Optionen strategisch in Volatilität investieren Durch den Kauf oder Verkauf von börsengelisteten Optionen bei gleichzeitiger Absicherung von Aktienoder Zinsrisiken durch Termingeschäfte (Futures) kann die implizite Volatilität eines Optionskontrakts isoliert und genutzt werden. Die implizite Volatilität drückt die Markterwartung aus. Optionskomponenten Risiken absichern Aktienrisiko Kauf/Verkauf von Futures auf Aktienindizes Zinsänderungsrisiko Kauf/Verkauf von Zinssatz-Futures Optionskomponenten nach Absicherung Aktienrisiko Absicherung Zinsänderungsrisiko Implizite Volatilität Implizite Volatilität Extraktion der impliziten Volatilität Quelle: Amundi bar ablesen lässt. Analog lässt sich die implizite Volatilität auch für Einzeltitel berechnen Prinzipiell gilt dabei sowohl für die realisierte als auch für die implizite Volatilität, dass sie keine Aussage über die Richtung der Kursentwicklung des jeweils betrachteten Index oder Wertpapiers machen. NEGATIVE KORRELATION In der Praxis zeigt sich allerdings häufig eine negative Korrelation: Korrigieren die Märkte, steigt fast immer die Volatilität an. Amundi-Experte Keskin dazu: „In Abwärtsphasen sorgen Nervosität, Angst und steigende Risikoaversion vielfach für abruptere Kursausschläge, als dies eine verbreitete Zuversicht in Phasen steigender Notierungen tut.“ VDax-New und die entspre16 DAS INVESTMENT WISSEN chenden internationalen Volatilitäts-Indizes gelten denn auch als „Angstbarometer“. Steigen sie, bedeutet das, dass die Anleger nervös werden und dass die Nachfrage nach Absicherungsstrategien, wie zum Beispiel Put-Optionen, steigt. Insofern sind VIX, VStoxx und VDax-New tatsächlich immer auch Gradmesser des Risikos, das zumindest kurzfristig mit einer Positionierung im entsprechenden Markt oder Wertpapier einhergeht. Auf Ausschläge dieser Angstbarometer können Anleger auf unterschiedliche Weise reagieren. Der klassische Weg ist eine breite Streuung der Investments über Anlageklassen, Märkte und Regionen, die sich möglichst unabhängig voneinander entwickeln. Eine geringe oder gar negative Korrelation führt im Idealfall dazu, dass mit hohen Schwankungen verbundene Verluste in einer Anlageklasse durch Kursgewinne in einer anderen wenigstens teilweise kompensiert und so die Schwankungen des Gesamtportfolios eingedämmt werden. ANDERS DIVERSIFIZIEREN Klassische Diversifikationsstrategien funktionieren jedoch heute aus zwei Gründen nicht mehr wie gewünscht. Einerseits bewirken die geringen und teils sogar negativen Renditen von Staatspapieren erstklassiger Qualität, dass die Gesamtperformance eines diversifizierten Portfolios zu stark beschnitten wird. Das heißt: Ein akzeptables Schwankungsniveau führt auf diese Weise schnell zu inakzeptabel niedrigen Ertragsaussichten. Andererseits macht der zuneh- mende Gleichlauf verschiedener Anlageklassen klassische Diversifikationsstrategien zunehmend wirkungslos. Denn anders als auf dem Papier, laufen viele Anlageklassen gerade in Krisenphasen in dieselbe Richtung. Abhilfe kann ein neuer Blickwinkel liefern: Wer Volatilität nicht mit möglichst weit einzudämmendem Risiko gleichsetzt, sondern als effektive Diversifikations- und Performance-Quelle betrachtet, kann das Risiko-Ertrags-Profil seines Portfolios maßgeblich verbessern. „Volatilität bringt alle wesentlichen Charakteristika einer eigenen Assetklasse mit sich“, lautet konsequenterweise Keskins Erkenntnis. Er argumentiert: „Über zahlreiche Instrumente lässt sich direkt in Volatilität investieren, sie ist negativ oder unkorreliert zu anderen risikobehafteten Anlagen wie beispielsweise Aktien und Unternehmensanleihen und lässt sich zudem über unterschiedliche Strategien als Performancequelle nutzen.“ KRISENMODUS NUTZEN Neben der negativen Korrelation zu den Aktienmärkten und der einfachen Abbildung über Optionen oder Futures spricht auch deren gewährleistete und in Krisenzeiten sogar regelmäßig erhöhte Liquidität für ein Engagement in der Anlageklasse. Schließlich steigt im Krisenmodus regelmäßig das Verlangen der Investoren, sich über derartige In­ strumente abzusichern – und damit deren Handelsvolumen. Für mittelfristige implizite Volatilitäten kommen Futures nicht infrage. „Am elegantesten ist es hier, auf Optionen zurückzugreifen und die Volatilitätskomponente analog zur Berechnung der impliziten Volatilität über eine Absicherungsstrategie zu isolie- ren“, unterstreicht Amundi-Experte Keskin (siehe Grafik auf der linken Seite). Dabei weist die Assetklasse Volatilität eine Besonderheit auf, die sich völlig unabhängig von der Marktentwicklung nutzen lässt. Anders als etwa bei Aktien oder Anleihen gibt es bei der Schwankungsintensität keinen langfristigen Trend in eine Richtung: Steigt die Volatilität extrem, so wird sie doch nie ins Unermessliche anwachsen, sondern früher oder später zu ihrem Mittelwert zurückkehren. CHANCEN DURCH DIVERGENZ Gleiches gilt für Phasen ex­trem ruhiger Märkte: „Selbst wenn die Kurse wie an der Schnur gezogen steigen und sich die Volatilität dem Nullpunkt nähert, wird früher oder später wieder Unruhe aufkommen“, erklärt Keskin. Diese „gesetzmäßige“ Rückkehr zum Mittelwert (Fachbegriff dafür: Mean Reversion) lässt sich mittels einer aktiven Strategie nutzen, indem je nach Ausgangslage auf eine Erhöhung oder eine Verringerung der Volatilität gesetzt wird. Eine taktische Komponente erlaubt dabei, auch kurzfristige Veränderungen der Volatilität ertragsbringend zu nutzen. Und nicht zuletzt können sich Gelegenheiten aus unterschiedlichen Entwicklungen der Schwankungsintensität der wichtigsten Indizes S&P500, Euro Stoxx 50 und Nikkei 225 für taktische Allokationen bieten. Dabei gilt – zumindest bei einem disziplinierten Investitionsansatz –, was dem Gros der Investoren gegenwärtig immer noch eher suspekt vorkommen dürfte: Die besten Ergebnisse liefert diese Strategie, wenn die Volatilität selbst stark schwankt – oder anders ausgedrückt: wenn die Volatilität der Volatilität selbst hoch ist. n Der Experte Gilbert Keskin Gilbert Keskin ist Co-Head Volatility & Convertible Bonds bei Amundi. Fakten zu Amundi: Amundi Asset Management zählt mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 1 Billion Euro zu den zehn größten Asset-Managern der Welt. Die Gesellschaft ist ein Pionier bei der Entwicklung von Volatilitätsstrategien und bietet eine breite Palette von Publikumsfonds und individuell zugeschnittene Investmentlösungen in diesem Bereich an. 17 DIE ZEHN ??? I ASSET-ALLOKATION/KORRELATION 4 AssetAllokation/ Korrelation Portfolio-Allokation: Wie viel klassische Theorie gilt heute noch? Risiken über die Streuung auf unterschiedliche Wertpapiere und Anlageklassen zu begrenzen ist wesentliches Ziel jeder Asset-Allokation. Einfach-Modelle zur Diversifikation haben jedoch vielfach ausgedient Text: Christopher Nachtweh | Illustration: seamartini/iStock ASSET-ALLOKATION: Aufteilung von Anlagekapital auf verschiedene Vermögenswerte/ Anlageklassen und deren Gewichtung in einem Portfolio 18 DAS INVESTMENT WISSEN DER GRUNDGEDANKE ist noch immer der gleiche: Nicht alle Eier in einen Korb legen – wie die immerhin fast 65 Jahre alte Moderne Portfoliotheorie von Nobelpreisträger Harry Markowitz bis heute in die Alltagssprache übersetzt wird. Demnach sollten Anleger ihr Kapital breit über unterschiedliche Einzelwerte und Anlageklassen streuen, um die Risiken zu begrenzen. Gerät eine Anlageklasse in Turbulenzen – so die Idee – kann eine andere für eine gewisse Stabilität im Portfolio sorgen. Idealerweise entwickelt sie sich sogar positiv, sodass die Verluste in der einen Anlageklasse je nach Vermögensaufteilung teilweise oder sogar vollständig durch Gewinne in einer anderen kompensiert werden. Über etliche Jahre ließ sich dieser Zusammenhang beim Vergleich von Aktien- und Rentenmarkt beobachten: Stieg der eine, fiel der andere. Das Verhältnis der Entwicklungen wird dabei von der Korrelation gemessen, vom völligen Gleichlauf (Wert: +1) über Korrelation: Basis der Diversifikation Schematische Darstellung: Verhielten sich zwei Anlagen A und B gegenläufig (Korrelation -1), könnten sich deren Wertschwankungen ausgleichen – das wäre optimal. Wertentwicklung Portfolio Wertentwicklung Anlage A Wertentwicklung Anlage B Quelle: Invesco eine vollständig unabhängige Entwicklung (Wert: 0) bis zum exakten Gegenlauf (Wert: -1). Wünschenswert für Diversifikationseffekte sind dabei naturgemäß Werte zwischen 0 und -1: Entwickeln sich einzelne Wertpapiere oder Anlageklassen unabhängig oder gegenläufig, senkt dies das Gesamtrisiko eines entsprechenden Portfolios. Unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Eigenschaften – Aktien als chancen- aber auch risikobehafteter Renditemotor, Staatsanleihen als Antagonist und Stabilitätsanker mit deutlich geringeren Wertschwankungen –, ließ sich aufgrund der negativen Korrelation lange Zeit relativ zuverlässig ein an den jeweiligen Anlegerbedürfnissen orientiertes gemischtes Portfolio aus Aktien, Anleihen und Geldmarktinstrumenten zusammenstellen. Das ist das Konzept klassischer Mischfonds, das vielfach zudem eine Diversifikation innerhalb der Assetklassen über Regionen und Segmente umfasst. In zunehmendem Maß werden unter dem vergleichsweise neuen Namen Multi Asset zudem weitere Anlageklassen wie etwa Rohstoffe und Immobilien berücksichtigt. Je nach Ansatz sehen die Fonds dabei fixe Gewichtungen der einzelnen Anlageklassen mit regelmäßigem Rebalancing oder aber eine flexible Vermögensaufteilung je nach Marktlage vor. INVESTIEREN AUF NEUER BASIS Unabhängig von der konkreten Strategie für die Vermögensaufteilung stößt ein solch traditioneller Ansatz indessen zusehends an seine Grenzen. „Anlageklassen sind heute weniger denn je eine einfache und verlässliche Basis für die Diversifi- kation von Anlagerisiken“, erklärt David Millar, Leiter des Multi-Asset-Teams bei Invesco: „Die traditionelle Welt relativ eindeutiger Korrelationen zwischen den Anlageklassen existiert so nicht mehr.“ Daher bedarf auch zumindest die geläufige Interpretation der Modernen Portfoliotheorie selbst einer Modernisierung. Schließlich zeigen etliche Anlageklassen seit einem Jahrzehnt vermehrt positive und immer seltener zuverlässig vorhersagbare Korrelationen. Eine immer engere Verflechtung der globalen Finanzmärkte, die weltweit spürbaren wirtschaftlichen Folgen der Finanzkrise und die entsprechenden Reaktionen aller wichtigen Notenbanken sowie die zunehmende Digitalisierung und verfeinerte Risikomanagementsysteme institutioneller Investoren sind die wesentlichen Ursachen für einen zunehmenden ► 19 DIE ZEHN ??? I ASSET-ALLOKATION/KORRELATION Portfoliomanagement jenseits der klassischen Moderne Die meisten Multi-Asset-Fonds versuchen, das Risiko über die Hinzunahme von weiteren Assetklassen zu begrenzen. Bei zunehmender positiver Korrelation ist der Diversifikationseffekt jedoch begrenzt. Zudem ergeben sich aus der klassischen Kapitalgewichtung vielfach unausgewogene Risikobeiträge. Bei der Allokation nach Anlageideen sind die Risikobeiträge dagegen weitgehend gleichgewichtet und sorgen so für echte Diversifikation Klassischer Ansatz Aktien, Anleihen und Alternative Investments Neue Anlageklassen Moderne Lösung Beispielhafte Risikogleichgewichtung von Strategien Unterteilung von Anlageklassen Immobilien Rohstoffe Private Equity Unternehmensanleihen Small Caps Large Caps Strategie 1 Strategie 2 Strategie 3 Strategie 4 Strategie 5 Strategie 6 ... Schwellenländer Staatsanleihen Aktien Anleihen Alternative Investments Um Klumpenrisiken zu vermeiden, sollten die Risiken eines Gesamtportfolios möglichst gleichmäßig auf viele Strategien verteilt werden Quelle: Invesco Gleichlauf etlicher Anlageklassen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich mit klassischen Staatsanleihen dank der Notenbankpolitik heute in der Regel keine Erträge mehr erwirtschaften lassen, sodass ihr einstiger Status als sicherer Hafen zumindest teilweise infrage gestellt ist. Die vergleichsweise hohen Preise für beinahe alle Anlageklassen haben darüber hinaus eine erhöhte Volatilität zur Folge. GESAMTRISIKEN IM BLICK Wie kann man also ein Portfolio so diversifizieren, dass sich die Schwankungen der darin befindlichen Anlagen wenigstens zum 20 DAS INVESTMENT WISSEN Teil ausgleichen und damit das Gesamt­risiko begrenzt wird? Antwort: Man braucht eine Alternative zur traditionellen Diversifikation nach Anlageklassen. Ein sinnvoller neuer Ansatz besteht darin, Portfolios unabhängig von Anlageklassen auf übergeordneten Anlageideen aufzubauen. „Echte Diversifikation erreicht man nur noch, indem man sich von der Beschränkung durch Anlageklassen völlig befreit“, erläutert Millar. Das Ziel ist, attraktive Renditetreiber völlig losgelöst von ihrer Anlageklasse oder -region zu identifizieren. Erst in einem zweiten Schritt geht es darum, ge- eignete Vehikel zu identifizieren, mit denen sich von diesen Ideen profitieren lässt. IDEEN STATT ASSETKLASSEN Themenfelder, aus denen derartige Ideen stammen, können beispielsweise die Entwicklung von Währungspaaren, spezielle Sektortrends, divergierende Zinserwartungen oder Volatilitätstrends sein. Eine Multi-Asset-Strategie, die auf diesem Ansatz basiert, sollte zunächst jede Idee zulassen. Denn erst der unvoreingenommene Blick auf unterschiedlichste Ideen ermöglicht die angestrebte breite Diversifikation, die mit klassischen Allokationskonzepten nicht mehr zu erreichen ist. Auf die Erarbeitung von Ideen folgt die detaillierte Analyse der Vorzüge und Risiken sowie die Prüfung, mittels welcher Anlageinstrumente sie sich umsetzen lassen. Entscheidend ist dabei, den identifizierten Renditebringer möglichst pur ins Portfolio zu nehmen, ihn also von anderen Effekten abzulösen, die ein Investment mit sich bringen kann. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zur klassischen Herangehensweise. DIFFERENZEN NUTZEN So lässt sich beispielsweise die Idee abbilden, dass sich Aktienmarkt A künftig besser entwickeln wird als Aktienmarkt B, ohne sich dabei dem Marktrisiko von Markt A auszusetzen: Statt eines Investments in Markt A, wie es der klassische Ansatz vorsieht, isoliert der Anlageideen-Ansatz nur die Differenz der Wertentwicklungen der beiden genutzten Märkte. Solange die Idee funktioniert, Markt B also besser läuft als Markt A, erwirtschaftet ein solcher Ansatz so unabhängig von der Gesamtrichtung beider Märkte immer einen Ertrag. Ist eine ausreichende Zahl aussichtsreicher und umsetzbarer Ideen zusammengekommen, geht es darum, die attraktivsten von ihnen so miteinander zu kombinieren, dass das Gesamtrisiko des Portfolios gegenüber den Einzelrisiken deutlich sinkt. Dafür müssen sowohl Risikound Ertragspotenzial einer jeden Idee, als auch mögliche Wechselwirkungen der entsprechenden Investments untereinander genau unter die Lupe genommen werden. Gezielt lassen sich dabei positiv mit dem Aktienmarkt korrelierte „Risk-on“-Ideen mit negativ korrelierten „Risk-off“- und unkorrelierten marktneutralen Ideen kombinieren, aus denen dann ein systematisch stark diversifiziertes und ausgewogenes Portfolio von negativ oder schwach korrelierten Anlagen zusammengestellt wird. Dessen Gesamtrisiko soll maßgeblich unter der Summe der Einzelrisiken der jeweiligen Ideen-Investments liegen. Dafür sollten die Einzelrisiken möglichst gleich verteilt sein. Das gelingt anders als bei einer klassischen Allokation nicht über den Anteil des investierten Volumens, sondern über die Betrachtung des Risikobeitrags: Wenn jede Idee beispielsweise denselben erwarteten Renditebeitrag liefert, lässt sich bei der erwähnten Aufteilung auf schwach korrelierte Strategien das Renditeziel auch dann noch erreichen, wenn einige Ideen nicht aufgehen (siehe Grafik auf der nebenstehenden Seite). Dennoch sollten alle Ideen natürlich regelmäßig auf den Prüfstand kommen. Millar dazu: „Mindestens einmal pro Quartal sollte überprüft werden, ob die Idee noch funktioniert oder ob sich etwas in einem solchen Maß verändert hat, dass diese Idee möglicherweise nicht mehr im Portfolio abgebildet werden sollte.“ Der Experte: David Millar David Millar ist Leiter der Multi-AssetStrategien bei Invesco Fakten zu Invesco Invesco ist eine der weltweit führenden unabhängigen Investmentgesellschaften. Mit einem verwalteten Vermögen von knapp 800 Milliarden Dollar zählt Invesco zu den globalen Top 20 der international tätigen Vermögensverwalter, der alle wichtigen Aktien- und Rentenklassen abdeckt. Ein besonderer Fokus liegt auf quantitativen Strategien und MultiAsset-Produkten. Die langjährige Präsenz auf dem deutschen Markt im Bereich von Publikums- und Spezialfonds stellt dabei sicher, dass den speziellen Bedürfnissen deutscher Anleger Rechnung getragen wird. ANALYSE UND NEUORDNUNG „Neben veränderten Marktbedingungen können dabei auch Veränderungen der Korrelationen eine teilweise Neuordnung des Portfolios erfordern“, sagt Millar. Schließlich zählt eine ausgewogene Risikostruktur zum Kern des Investment-Ansatzes. Konsequent umgesetzt, verspricht eine solche Multi-Asset-Strategie den Anlegern bei überschaubarem Risiko Erträge, die weitestgehend unabhängig von der Entwicklung einzelner Assetklassen sind – und damit ein Portfoliomanagement, das im besten Sinn modern ist. n 21 DIE ZEHN ??? I GESPRÄCH »In verständlicher Sprache sprechen« Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Fondsverbands BVI, über ökonomisches Grundverständnis, Altersvorsorge und Beratungsgespräche Interview: Markus Deselaers | Foto: BVI DAS INVESTMENT: Wie wichtig ist es dem BVI, die Bildung in Sachen Finanzen und Fonds mit voranzutreiben? Thomas Richter: Sehr wichtig. Wir setzen uns intensiv für die Vermittlung wirtschaftlicher Grundkenntnisse an Jugendliche ein, etwa über unsere Initiative „Hoch im Kurs“. Viel wichtiger wäre jedoch ein Schulfach Ökonomie in den Lehrplänen aller Bundesländer. Ein ökonomisches Grundverständnis ist inzwischen so wichtig 22 DAS INVESTMENT WISSEN für das Leben und Wirtschaften in Deutschland, dass der staatliche Bildungsauftrag sich dem nicht länger entziehen kann. Nur wer grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge versteht, kann sich als Verbraucher ein Urteil bilden. enfonds bei der Anlage vermögenswirksamer Leistungen. Auch die umsichtige Regulierung von Spezialfonds zeigt, dass die Politik diese als wichtiges Instrument für die Kapitalanlage von Altersvorsorgegeldern anerkennt. Steht die Politik Ihres Erachtens hinter Investmentfonds? Richter: Ja, das sieht man beispielsweise an der staatlichen Förderung von Investmentfonds im Rahmen der Riester-Rente und von Akti- Mit dem Thema Altersvorsorge identifizieren die Deutschen traditionell vor allem Versicherungsprodukte. Haben Sie manchmal das Gefühl, gegen Windmühlenflügel zu kämpfen? Richter: Es ist ein harter Kampf, aber es gibt Erfolge. So wird in der tariflichen betrieblichen Altersversorgung künftig keine Garantie auf die eingezahlten Beiträge mehr zu erfüllen sein. Das gibt uns recht. Garantien sind das Geschäft der Lebensversicherer gewesen. Mit dem Wegfall der Garantie wird der Weg für reine Beitragszusagen und eine ausgewogenere Kapitalanlage frei, was angesichts der fehlenden Zinsen dringend erforderlich ist. Fonds können das besser als andere Anlagen. Im Übrigen führt schon heute in der bAV an Fonds kein Weg vorbei. Inwiefern? Richter: Fonds bilden das Rückgrat für die Kapitalanlage der externen Durchführungswege und spielen die entscheidende Rolle für die Ausfinanzierung von Direktzusagen, dem mit Abstand bedeutendsten Durchführungsweg der bAV. Insgesamt sparen 50 Millionen Deutsche mit Fonds für das Alter, entweder direkt mit Publikumsfonds oder indirekt etwa über Lebensversicherungen und Versorgungswerke, die in Spezialfonds investieren. Viele wissen es nur nicht. Wenn Sie die Regulierung Ihrer Branche betrachten: Wo gibt es aktuell noch Handlungsbedarf? Richter: Überall dort, wo es Überregulierung gibt. Die Liste wäre hier zu lang. Zum Beispiel sehen wir dringenden Bedarf bei der Überarbeitung des Beratungsprotokolls. Politisch ist zwar entschieden, es im Rahmen der MiFID-II-Umsetzung durch eine Geeignetheitserklärung zu ersetzen. Damit allerdings nicht alter Wein in neue Schläuche fließt, sollte die BaFin die Anforderungen an die in der Praxis überfrachteten Protokolle durch aussagekräftige Informationen für den Anleger ersetzen. Entscheidend ist, dass der Berater in der Erklärung erläutert, wie seine Empfehlung zum Anlageziel, den Kenntnissen, der Risikobereitschaft und Verlusttragfähigkeit des Anlegers passt. Keinen Mehrwert hingegen liefern detaillierte Aufzeichnungen dazu, wie der Anleger im Gesprächsverlauf seine Anliegen und deren Gewichtung geändert hat. Solche Wortprotokolle sind für alle Beteiligten abschreckend. Liquid Alternatives, Absolute Return, Long-short: Investmentstrategien werden immer komplizierter. Wie schafft man es, diese Zusammenhänge trotzdem verständlich im Beratungsgespräch zu vermitteln? Richter: Viele Leute sagen, dass Fonds einfacher sein müssten. Das sehe ich anders. Wenn wir auf schwierige Kapitalmarktsituationen reagieren müssen oder Lösungen für das Alter anbieten wollen, dann können die Antworten darauf nicht einfach sein. Auch der Lebensversicherung hat ihre Komplexität nicht geschadet. Es kommt darauf an, im Beratungsgespräch die Funktionsweise der Produkte zu erläutern. Außerdem müssen wir in verständlicher Sprache sprechen. Begriffe wie Liquid Alternatives oder Long-short versteht der Kunde nicht. Wir müssen weg von diesem grauenhaften „Denglisch“. Es ist unverständlich, wirkt arrogant und ist meistens leicht ersetzbar. Der Experte: Thomas Richter Der studierte Jurist und Investment Analyst DVFA/CEFA ist seit 2010 beim BVI. Thomas Richter ist Mitglied im Verwaltungsrat der BaFin und stellvertretendes Mitglied in deren Übernahmebeirat. Er wurde in den Beirat des Finanzmarktwächters berufen. Zudem ist er Vizepräsident des Weltfondsverbands IIFA und Mitglied des Vorstands des europäischen Fondsverbands EFAMA. Fakten zum BVI: Der BVI vertritt die Interessen der deutschen Investmentbranche. Die 98 Mitglieder verwalten rund 2,8 Billionen Euro in Publikumsfonds, Spezialfonds und freien Mandaten. Sie betreuen direkt oder indirekt das Vermögen von 50 Millionen Menschen in rund 21 Millionen Haushalten. Der BVI ist die Interessenvertretung der Fondsgesellschaften gegenüber Politik und Regulatoren auf nationaler und internationaler Ebene, zentraler Ansprechpartner für Politik, Verwaltung und Medien bei allen Fragen der Kapitalanlageregulierung und Forum für den Austausch innerhalb der Branche. Multi-Asset-Fonds werden gern als Nonplusultra dargestellt, wenn es um die Kombination aus Risikomanagement und Renditechancen geht. Warum hat der BVI hierfür keine eigene Kategorie in seiner Fondsstatistik eingerichtet? Richter: Haben wir doch. Bei uns laufen sie unter Mischfonds. n 23 DIE ZEHN ??? I MARKT UND MEINUNG Sparen in Deutschland: Wunsch und Wirklichkeit Renditeerwartung, Sicherheitsdenken und Fondsabsatz – Fakten zum Markt Zinspolitik zeigt allmählich Wirkung Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGov belegt: Ein Drittel der Deutschen gibt sich offener gegenüber neuen Geldanlagen. Anzahl der Befragten: 100 Die Niedrigzinspolitik der EZB ruiniert das Sparguthaben der kleinen Leute 38 Aufgrund der niedrigen Sparzinsen bin ich risikobereiter bei Geldanlagen geworden 4 18 Aufgrund der niedrigen Sparzinsen bin ich offener gegenüber für mich neuen Geldanlagen 9 Ich plane, mehr in Aktien oder Aktienfonds zu investieren, um höhere Renditen zu erzielen 6 28 5 19 26 38 14 28 23 23 17 17 19 42 16 stimme voll und ganz zu stimme eher zu 10 stimme eher nicht zu stimme überhaupt nicht zu weiß nicht, k.A. Quelle: YouGov, Stand: April 2016 Illustration: Ae11615, seamartini/iStock 24 DAS INVESTMENT WISSEN Wertentwicklung Aktienfonds Deutschland Fonds-Absatz: Netto-Mittelaufkommen 2012 bis 2016 (Jan. bis Aug.) Multi-Asset-Konzepte konnten in den letzten Jahren (Betrachtungszeitraum jeweils Januar bis August) bei privaten Anlegern das meiste Geld einsammeln. % 3 Jahre 20,8 Angaben in Mrd. Euro Aktienfonds 2012 2013 Rentenfonds Mischfonds % 10 Jahre 2014 2015 2016 62,2 Offene Immobilienfonds % 30 Jahre Publikumsfonds ges. 599,6 Spezialfonds (instit. Anleger) Quelle: BVI, Stand: 30. September 2016 -10 0 10 20 30 40 50 60 70 80 Quelle: BVI, Stand: 10. Oktober 2016 Sicherh ! Traditionelle Sparprodukte: Wunsch und Wirklichkeit Wie beurteilen Sie Ihre Risikobereitschaft und Renditeorientierung? FMH-Umfrage: Die Deutschen sind bei der Renditeeinschätzung traditioneller Sparformen immer noch meilenweit von der Realität entfernt. Männer und Jüngere (bis 24 Jahre) sind laut einer YouGov-Umfrage etwas risikobereiter als der Durchschnitt. 12 Monate, 5.000 Euro 2016 geschätzt Männer in Prozent bis 24-Jährige Ich möchte nur Sicherheit (0% Verlust) bei minimalen Renditechancen (bis zu 1% p.a.) Festgeld 1,65% gesamt eit 0,37% 2016 real* … hohe Sicherheit (max. 1% Verlust p.a.) bei geringen Renditechancen (bis zu 3% p.a.) … mittlere Sicherheit (max. 4% Verlust p.a.) bei mittleren Renditechancen (bis zu 9% p.a.) … wenig Sicherheit (max. 10% Verlust p.a.)bei höheren Renditechancen (bis zu 18% p.a.) Sparbuch 0,42% 2016 geschätzt 0,07% 2016 real* … kaum Sicherheit (max. 15% Verlust p.a.) bei hohen Renditechancen (bis zu 25% p.a.) 0 5 10 15 20 25 30 *Durchschnittswert Quelle: FMH Finanzberatung, Stand: Januar 2016 Quelle: YouGov, Stand: April 2016 25 DIE ZEHN ??? I LONG-SHORT 5 Longshort Wie funktionieren Long-short-Investments? Long-short-Ansätze haben sich fest im Universum der alternativen Investments etabliert. Um möglichst marktunabhängig positive Erträge zu erwirtschaften, können Anleger dabei auch von Abwärtsphasen profitieren Text: Carsten Krüger | Illustration: seamartini/iStock LONG-SHORT: Investmentstrategie, die Anlegern nicht nur positive, sondern auch negative Marktentwicklungen, wie zum Beispiel sinkende Aktienkurse, zunutze macht. So lassen sich zusätzliche Chancen eröffnen, um über der Marktrendite liegende Ergebnisse zu erzielen 26 DAS INVESTMENT WISSEN DREIMAL LANG, dreimal kurz. Mehrfach hintereinander gesendet, bezeichnet dies den internationalen Morse-Notruf SOS. So wie ein Morsecode über zwei verschiedene Zustände definiert wird, nämlich kurz und lang, stehen im Finanzjargon die englischen Begriffe „long“ und „short“ für eine Invest­mentstrategie, die mittlerweile in verschiedenen Anlagekonzepten zum Einsatz kommt. Ziel ist es dabei, nicht nur die Chancen auf Wertzuwächse beziehungsweise Erträge an den Kapitalmärkten zu erhöhen, sondern auch die Rückschlagrisiken eines Portfolios zu mindern. In einem Umfeld steigender Schwankungen an den Märkten und aufgrund der durch die Notenbankpolitik des extrem billigen Geldes wegbrechenden Zinsen suchen viele Anleger Orientierung und quasi ein rettendes Ufer, an dem sie mit ihrer Kapitalanlage wieder Geld verdienen können. Anders als im Morsealphabet stehen die Begriffe „lang“ und „kurz“ beziehungsweise „long“ und „short“ in der Anlegersprache vielmehr für die Richtung, Shortselling und Leerverkäufe: Wesentliche Regulierungsansätze auf europäischer und nationaler Ebene 1985 Ursprung der Regelungen zum Leerverkauf. Konkretes Leerverkaufsverbot, zunächst allerdings nur für Wertpapiere. Im weiteren Zuge des Investmentmodernisierungsgesetzes dann auch als Leerverkaufsverbot auf alle übrigen Vermögenswerte und damit auch auf Investmentanteile oder Geldmarktinstrumente. 2008 Während der Finanzkrise wurden Leerverkäufe für bestimmte Aktien von Banken und Versicherungen in Deutschland und weiteren Staaten der EU zeitweilig verboten, da sie im Verdacht standen, prozyklische Krisenerscheinungen zu verstärken. 2010 Verbot ungedeckter Leerverkäufe gemäß dem damaligen Wertpapier-Handelsgesetz (WpHG). Diese Regelung war eine unmittelbare Folge der Finanzmarktkrise. 2011 Gestattung sogenannter synthetischer Leerverkäufe über durch Derivate dargestellte Geschäfte. Zu solchen derivativen Instrumenten zählen zum Beispiel Short-Futures, Put-Optionen und Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps). 2012 EU-Leerverkaufsverordnung mit einem europaweiten Verbot für ungedeckte Leerverkäufe. 2013 Der Wortlaut der bisherigen Regelungen des Investmentgesetzes wird in das neu geschaffene Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) überführt. Quelle: Bundesverband Alternative Investments in die sich die Kurse von Wertpapieren entwickeln. Im klassischen Verständnis des aktiven Managements von Anlageportfolios sollen Anleger an steigenden Notierungen von Anlageinstrumenten wie zum Beispiel Aktien, Renten, Rohstoffe oder Währungen verdienen. Mit anderen Worten: Man kauft zum Beispiel eine Aktie zu möglichst niedrigen Preisen und verkauft diese dann zu einem höheren Preis, um dementsprechend einen Veräußerungsgewinn zu realisieren. Der Anlageprofi spricht bei diesem Ansatz von einer „Long-Strategie“, wobei „long“ den Prozess steigender Kurse bezeichnet. Anlagestrategien, die sich gezielt der Erwirtschaftung von Wertzuwächsen durch steigende Kurse widmen, werden häufig „Long-only“ genannt. NICHT NUR BUY AND HOLD Lange Zeit waren Investmentkonzepte ausschließlich auf dieses Urverständnis der Kapitalanlage ausgerichtet. Mit „Buy and hold“, also „Kaufen und Liegenlassen“, ließ sich über Jahrzehnte fast nichts falsch machen, denn langfristig entwickelten sich Börsenkurse im Saldo stets nach oben. „Seit Anfang des neuen Jahrtausends zeigen sich die Finanzmärkte aber weitaus unberechenbarer, nicht zuletzt durch die zunehmende Einflussnahme von Politik und Notenbanken. Viele klassische Managementansätze stoßen an ihre Grenzen“, erklärt James Clunie, Honorarprofessor im Bereich Finanzwissenschaft an der University of Edinburgh, der seit 1989 seine Erkenntnisse auch praktisch in die Investmentbranche einbringt. ► 27 DIE ZEHN ??? I LONG-SHORT Beispiel: Hebelwirkung bei einem Short-Trade mit CFDs Mit CFDs kann ein Fondsmanager von fallenden Märkten profitieren, indem er „short” geht. Das unten stehende schematische Beispiel mit CFDs auf die Bayer-Aktie verdeutlicht die Funktionsweise eines solchen Short-Trades: Die Bayer-Aktie notiert auf Xetra bei 50 Euro (Geldseite) zu 50,12 Euro (Briefseite). Der Kurs des Bayer-CFDs ist identisch. Der Fondsmanager setzt auf fallende Kurse und verkauft 300 CFDs auf die Bayer-Aktie zum nachgefragten Preis von 50 Euro (Verkaufswert = 15.000 Euro). Die Margin für dieses Geschäft beträgt 10 Prozent (Kapitaleinsatz = 1.500 Euro). Verkauf 300 Bayer-CFDs Verkaufswert (Stück x Verkaufspreis) = 15.000 Euro Kapitaleinsatz (Margin) = 1.500 Euro Nachfolgende Tabelle zeigt die Renditebetrachtung dieser Transaktion in Abhängigkeit vom Kursverlauf des Bayer-CFDs nach 3 Handelstagen: Kursverlauf Bayer Gewinn/Verlust* Rendite - 4,00 Euro + 1200 Euro + 80 % - 2,00 Euro + 600 Euro + 40 % + 2,00 Euro - 600 Euro - 40 % + 4,00 Euro - 1.200 Euro - 80 % *ohne Berücksichtigung von Transaktions- und Finanzierungskosten Alternative Herangehensweisen ziehen daher in Betracht, auch von negativen Unternehmensentwicklungen zu profitieren, die in der Regel zu sinkenden Kursen führen. Und genau hier setzen Short-Strategien an. Dabei lassen sich im Rahmen einer aktiven Portfoliosteuerung negative Erwartungen der Fondsmanager an die Entwicklung eines Unternehmens gezielt über die Eröffnung von Short-Positionen abbilden. Möglich wird dies bei UCITS-Fonds etwa über einen 28 DAS INVESTMENT WISSEN CFD-Trade (siehe Grafik oben). Die Abkürzung CFD leitet sich von Contracts for Difference (Differenzkontrakte) ab und bezeichnet Derivate, die mit und ohne Hebel auf Aktien, Zinsen, Devisen, Indizes und Rohstoffe setzen können. Der Kurs des CFDs leitet sich von einem zugrundeliegenden Basiswert (Underlying) ab. Zum Einsatz kommt nicht die sonst übliche Investitionssumme, sondern lediglich eine sogenannte Margin (Sicherheitsleistung). Über CFDs besteht auf diese Weise die Quelle: CFX Broker Möglichkeit, mit vergleichsweise geringem Kapitaleinsatz das gleiche Kapital zu bewegen wie bei einem Direktinvestment. Wichtig: Da bei einem solchen Geschäft insbesondere beim Einsatz eines Hebels nicht nur Gewinne, sondern auch stärkere Verluste möglich sind, sollte das Fondsmanagement über entsprechende Erfahrung mit der Materie verfügen. Klar ist aber: Dem Long-shortAnsatz, also der geschickten Kombination von Strategien, die sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse setzen, kommt insbesondere in alternativen Investmentansätzen eine hohe Bedeutung zu, da diese darauf abzielen, in nahezu jeder Marktsituation für den Anleger positive Ergebnisse zu erzielen. So sind Short-Positionen häufig integraler Bestandteil von Absolute-Return-Strategien, die sich eben eine solche Allwettertauglichkeit auf die Fahnen schreiben. Dazu gehört auch das britische Investmenthaus Jupiter Asset Management, dessen Absolute-Return-Bereich seit 2013 von James Clunie verantwortet wird. SUCHE NACH KATALYSATOREN Seine Short-Strategie bringt Clunie vereinfachend so auf den Punkt: „Man muss sehr genau beobachten, wie sich andere Marktteilnehmer verhalten. Wenn sie ihre Aktivitäten steigern, ist das ein gutes Signal für den Aufbau einer eigenen Short-Position in einem bestimmten Titel.“ Und der Experte ergänzt: „Wenn man ein überbewertetes Asset gefunden hat, lohnt es sich, noch ein bisschen abzuwarten, bis ein klarer Katalysator auftaucht, der den Kurs nach unten drückt.“ Zu solchen Katalysatoren zählen für den Jupiter-Mann zum Beispiel eine Gewinnwarnung eines Konkurrenten, Verkaufstransaktionen der Vorstände oder auch Probleme mit der Produktpalette. Vor allem Geduld ist für Clunie der Schlüssel, um beim „Short-Selling“ erfolgreich zu sein. Außerdem sei auch nichts dabei, mal Fehler einzugestehen und Verluste zu realisieren. Allem voran steht immer ein anfängliches Screening anhand quantitativer Faktoren, gefolgt von Fundamentalanalysen, mit denen er herausfindet, ob ein Titel unter- oder überbewertet ist. Eine Aktie, die nach Ansicht des Experten aktuell überbewertet ist und sich für den Aufbau einer Short-Position lohnen sollte, ist die des US-amerikanischen Video-Streaming-Anbieters Netflix. Die Bewertung des Unternehmens, das seinen Kundenstamm in den vergangenen Jahren mit einem günstigen und werbefreien Angebot an Filmen und Serien schnell ausgebaut hat, ist mit der wachsenden Popularität rasant gestiegen. Parallel hat aber die Profitabilität nicht im gleichen Maße zugenommen. Außerdem sitzen dem Unternehmen große Konkurrenten im Nacken, wie zum Beispiel Amazon, die ihr Video-on-Demand-Angebot ebenfalls stark ausbauen. Insofern könnten immer mehr Anleger ihre Annahmen hinsichtlich der weiteren Zukunftsfähigkeit des Unternehmens hinterfragen und mit einer Verkaufswelle deutliche Kursverluste auslösen. Wer in diesem Fall eine Short-Position auf die Netflix-Aktie aufgebaut hat, würde also von dem Kursrückgang profitieren und auf der Gewinner- anstatt auf der Verliererseite stehen. Der Experte: James Clunie Der Honorarprofessor an der University of Edinburgh leitet den Bereich Absolute Return bei Jupiter Asset Management und verwaltet den Jupiter Global Absolute Return SICAV. Fakten zu Jupiter Asset Management Jupiter wurde 1985 als Investmentboutique gegründet und gehört heute zu den renommiertesten Fondsgesellschaften Großbritanniens mit wachsender Präsenz in Europa und Asien. Jupiters Kernkompetenz reicht von Aktien (global, Europa, Schwellenländer) über Anleihen weltweit bis hin zu Multi-Asset- und Absolute-Return-Strategien. Im Mittelpunkt des aktiven Fondsmanagements steht das Ziel, solide Erträge auf mittel- bis langfristiger Basis bei Vermeidung unnötiger Risiken zu erwirtschaften. AUFWÄRTSPOTENZIAL NUTZEN „Long“ geht Clunie aktuell zum Beispiel bei der Aktie des dänischen Reedereikonzerns AP Moeller-Maersk. Das heißt, hier sieht er eine Unterbewertung mit einem entsprechenden Aufwärtspotenzial des Aktienkurses. Hintergrund: Zuletzt war das Papier durch den Rückgang der Frachtraten und den stark gefallenen Ölpreis unter die Räder gekommen. „Alles nicht so schlimm“, betont der Head of Strategy Absolute Return bei Jupiter Asset Management – und verweist darauf, dass AP Moeller-Maersk langfristig gut im Markt positioniert und nicht von einer Pleite bedroht sei. n 29 DIE ZEHN ??? I LIQUID ALTERNATIVES 6 Liquid Alternatives Was können alternative Anlagekonzepte? Neue Möglichkeiten zur Diversifikation traditioneller Portfolien sind derzeit sehr gefragt. Als effektiv zeigt sich – gerade bei launischen Märkten – der Einsatz von alternativen Anlagestrategien Text: Heino Reents | Illustration: seamartini/iStock LIQUID-ALTERNATIVESSTRATEGIEN: Diese Strategien streben durch den Einsatz von Kaufund Verkaufspositionen ein risikoreduziertes Renditeprofil an – bis zur vollständigen Marktunabhängigkeit der Erträge 30 DAS INVESTMENT WISSEN SIE GEHÖREN zu den neuen Lieblingen der Investmentbranche: Liquid Alternatives – also alternative Strategien im Fondsmantel, die nach der europäischen Wertpapierrichtlinie UCITS reguliert sind. Kein Wunder: Aktien verzeichnen teils hohe Wertschwankungen, und auch für Anleihe-Investoren sind die Zeiten durch historisch niedrige Leitzinsen schwierig. So stellen Liquid Alternatives derzeit eines der dynamischsten Marktsegmente im Bereich europäischer Publikumsfonds dar. Ende September 2016 umfasste ihr Volumen nach Angaben des Hamburger Analyseunternehmens Absolut Research mehr als 330 Milliarden Euro. Innerhalb weniger Jahre haben sich die verwalteten Gelder damit fast verdreifacht. Mehr als 1.000 Fonds stehen bereits zur Auswahl – im Gegensatz zu Hedgefonds dürfen die UCITS-konformen Produkte an Privatanleger verkauft werden. Ganz wichtig aber: Liquid Alternatives sind keine eigene Anlageklasse. Im Grunde sind es Investmentfonds, die sich alternativer Anlagestrategien bedie- Stabilitätsvorteil: Steigende und fallende Kurse nutzen Gegenüber dem europäischen Aktienindex Euro Stoxx 50 konnten Long-short-Aktienfonds in den zurückliegenden Jahren eine klare Outperformance bei reduzierter Volatilität erreichen 40 Euro Stoxx 50 Europäische Long-short-Equity-Fonds (OGAW) 24,3% 20 0% -7,0% -20 -40 China-Krise -60 -80 Lehman-/Finanzkrise Börsen-Krise 2011 31.12.2007 27.10.2016 Quelle: Absolut|alternative, Absolut Research GmbH, Stand: 27. Oktober 2016 nen: Diese sind in der Lage, die Risiken zu senken und geringer zu anderen Asset-Klassen zu korrelieren – ohne dabei an Liquidität einzubüßen. Die Fondsmanager konzentrieren sich auf spezifische alternative Strategien, wie Event Driven, Global Macro, Long-short Equity oder Relative Value (siehe Grafik Seite 32) und können eine Vielzahl von Handelstechniken und Anlageklassen nutzen. So stehen etwa auch Immobilien oder Rohstoffe als Assetklassen zur Verfügung. Obwohl die Produkte noch relativ neu sind, haben sich viele ihrer Anlagestrategien bereits seit vielen Jahren in der Praxis bewährt. „Alternative Strategien konnten in der Vergangenheit nachweisen, dass sie in der Lage sind, gerade in kritischen Marktphasen für Investoren einen Mehrwert zu erzielen“, sagt Michael Busack von Absolut research in Hamburg. „Der größte Unterschied zu klassischen Hedgefonds besteht bei den Liquid-Alternatives-Fonds aber in der Liquidität“, so der Experte weiter. Denn es ist vorgeschrieben, dass Anleger mindestens zweimal im Monat ihre Anteile kaufen oder verkaufen können. Bei den meisten der Produkte ist das sogar täglich möglich. ILLIQUIDES BLEIBT DRAUSSEN Somit sind bestimmte illiquide Strategien von vornherein ausgeschlossen, etwa Distressed-Securities, bei denen die Fondsmanager auf Not leidende Firmen setzen. Auch Private-Equity-Investments zählen somit nicht zu den Themen, mit denen sich die Manager von Liquid-Alternatives-Fonds beschäftigen. Und anders als bisweilen suggeriert, sind die Produkte kein Allheilmittel gegen den allgemeinen Anlagenotstand oder die CrashAngst. So konnten sich auch die Liquid-Alternatives-Fonds den Turbulenzen im ersten Halbjahr 2016 nicht ganz entziehen. „Sie sind aber auf jeden Fall geeignet, ein Portfolio auch in unruhigen Märkten zu stabilisieren“, unterstreicht Busack. So lieferten etwa in europäische Aktien investierende Long-shortFonds in Krisenzeiten gegenüber dem Euro Stoxx 50 einen deutlichen Beitrag zur Stabilisierung eines Portfolios (siehe Chart oben). Das erkennen auch immer mehr institutionelle Investoren. Laut einer aktuellen Umfrage von Allianz Global Investors sind weltweit mittlerweile rund drei Viertel in Alternatives inves- ► 31 DIE ZEHN ??? I LIQUID ALTERNATIVES Strategie-Portfolio: Liquid-Alternatives-Fonds setzen auf Vielfalt Liquiditätsvorteil: UCITS-konforme Fonds dürfen alternative Investmentstrategien nutzen, müssen aber anders als klassische Hedgefonds mindestens zweimal monatlich gehandelt werden können Market Neutral Europa Global USA Event Driven Long-short Multi-Strategy Global Macro Emerging M. Equity Long-short UK Regionen Asien (Europa, Global, Emerging M.) Segmente Fixed Income Funds of Funds (Credit, Diversified, etc.) UCITS Alternative Strategies CTA Multi Asset Währungen Global Macro Rohstoffe Volatilität Multi-Strategy Quelle: Absolut|alternative, Absolut Research GmbH tiert. Wichtigster Grund dafür ist laut der Umfrage die Vorteile der Diversifikation (30 Prozent der Befragten waren dieser Ansicht), gefolgt von geringer Korrelation zu anderen Anlageklassen (25 Prozent) und der Chance, höhere Renditen als bei herkömmlichen Aktien- oder Rentenanlagen zu erzielen (14 Prozent). Im Hinblick auf Liquid Alternatives gab mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer an, dass diese Strategien im jetzigen Umfeld eine wichtige Rolle bei der Portfoliokonstruktion spielen. 32 DAS INVESTMENT WISSEN Klar ist aber auch: Anders als bei klassischen Anlageklassen hängen Wohl und Wehe – oder genauer Risiko und Rendite – bei Liquid Alternatives weniger von den Marktbewegungen ab, sondern vielmehr von der verfolgten Strategie und natürlich vom Manager selbst. Er ist schließlich mit vielen Freiheiten ausgestattet und kann flexibel ungeachtet einer Benchmark investieren. Busack schätzt allerdings genau diese große Flexibilität: „Mittels derivativer Instrumente können die Manager auf steigende und fal- lende Kurse setzen. Dadurch sind sie in der Regel schwankungsärmer als reine Long-only-Produkte.“ GRÖSSERES SPEKTRUM Wichtiger Nebeneffekt: Die höhere Flexibilität dieser Strategien führt dazu, dass weitere, nicht traditionelle Ertragsquellen erschlossen werden können, sodass sich das Anlagespektrum insgesamt verbreitert. Bereits seit dem Jahr 2004 dürfen UCITS-konforme Fonds für ihre Anlagezwecke Derivate einsetzen. Diesen Umstand machten Gefragte Alternative Derzeit gibt es mehr als 1.000 Liquid-Alternatives-Fonds mit einem verwalteten Gesamtvermögen von knapp 350 Milliarden Euro Mrd. Euro Anzahl Fonds Verwaltetes Vermögen Anzahl Fonds 400 350 300 1.400 1.200 1.000 250 800 200 Der Experte: Michael Busack Geschäftsführender Gesellschafter Absolut Research GmbH, Hamburg. 600 150 400 100 200 50 0 0 2016 2004 Quelle: Absolut|alternative, Absolut Research GmbH, Stand: November 2016 sich aber zunächst nur die wenigsten Fondsmanage zunutze. Erst als nach der Finanzkrise die Anleger mehr Regulierung, Transparenz und Liquidität forderten, boten die Gesellschaften Strategien, die vormals nur in Offshore-Regionen aufgelegt wurden, in einem stark regulierten Fondsvehikel an. KEIN ERSATZ FÜR ANLEIHEN Angesichts des Marktumfelds werden Liquid-Alternatives-Konzepte gelegentlich als Rentenersatz positioniert. Busack entgegnet hier: „Es gibt keine alternative Strategie, die das Profil einer Anleihe oder eines Anleiheportfolios vollständig ersetzen könnte. Liquid Alternatives stellen aber einen Strategien-Baukasten zur Verfügung, der es ermöglicht, zumindest ähnliche Eigenschaften zu erzeugen, wie sie ein Anleihen-Investor benötigt.“ Dies hat nicht zuletzt auch seinen Preis. Bei Liquid Alternatives im UCITS-Mantel ist laut Busack zum Teil mit deutlich höheren Gebühren zu rechnen – insbesondere bei den kleinen Anlagebeträgen im Privatkundenbereich. Hinzu kommt, dass eine kompetente Beratung ohne Alternative ist: Viele Anleger dürften damit überfordert sein, den für ihre individuellen Bedürfnisse geeigneten Fonds auszusuchen. Schließlich will der eine mehr Ertrag, der andere achtet vor allem auf ein geringes Risiko und ein Dritter auf eine besonders geringe Korrelation zu den traditionellen Anlageklassen Aktien und Anleihen. „Fundierte Kenntnisse über Liquid-Alternatives-Strategien sind somit unabdingbar“, so Busack. Und zu hohen Renditeerwartungen sei ebenfalls entgegenzuwirken: „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Fonds steigende Marktphasen nie vollständig mitvollziehen.“ n Fakten zu Absolut Research Die 2001 gegründete Absolut Research GmbH ist ein Research-Unternehmen und Fachverlag für institutionelle Investoren. Seit 1990 beschäftigt sich Gründer Michael Busack ausschließlich mit dem Bereich des institutionellen Asset Managements, mit Alternativen Investments sowie AbsoluteReturn- und Multi-Asset-Ansätzen. Er ist Herausgeber des Absolut|alternative, der einzigen Analysepublikation für Liquid Alternatives in Europa, sowie Herausgeber des Absolut|report und des Absolut|impact, die sich an institutionelle Investoren in Deutschland, Österreich und der Schweiz wenden. 33 DIE ZEHN ??? I RENTENFONDS 7 Rentenfonds Welche Anleihestrategien sind noch sinnvoll? Seit sichere Staatsanleihen keine nennenswerte Rendite mehr bieten, suchen Investoren nach Alternativen. Dafür müssen Anleger allerdings über die gewohnten Anleihesegmente hinaus in neue Bereiche vorstoßen Text: Gerd Hübner | Illustration: seamartini/iStock BONITÄT: Je höher die Kreditwürdigkeit, auch Bonität genannt, desto niedriger ist der Zins, den Anleiheemittenten Anlegern bieten müssen 34 DAS INVESTMENT WISSEN DANK DER EXPANSIVEN Geldpolitik der Europäischen Zentralbank konnte der Konzern Henkel vor Kurzem am Anleihemarkt Kapital aufnehmen und musste dafür nicht einmal etwas bezahlen. Im Gegenteil: Da die Rendite negativ ist, bekommt Henkel sogar noch Geld dafür. „Es sind heftige Blüten, die die EZB -Politik mit sich bringt“, sagt Christian Jasperneite, CIO der Privatbank M.M. Warburg. Tatsächlich ist inzwischen nichts mehr, wie es war. Bis zur Finanzkrise konnten Anleger mit siche- ren Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen bester Bonität rund 3 Prozent und mehr pro Jahr erwirtschaften. Heute ist das nicht mehr möglich. Zehnjährige Bundesanleihen liegen mittlerweile bei 0,13 Prozent. Und seit die EZB begonnen hat, ihr Kaufprogramm auf Corporate Bonds auszuweiten, bringen Unternehmensanleihen guter Qualität im Schnitt auch nur noch rund 1 Prozent. „Dabei sollten Investoren das Risiko nicht vergessen“, warnt der Experte. Denn steigen die Zinsen, dann wird es Macht der Masse: Wenn der Staat die eigenen Papiere kauft Niedrige Zinsen, hohe Bond-Positionen: Die Zentralbanken horten Staats- und Unternehmenstitel Anteil am Bond-Markt Fed (USA) Bank of Japan Riksbank (Schweden) Bank of England EZB (Deutschland) EZB (gesamt) 14 77 5 21 8 9 Vergleich zum BIP* Angaben in Prozent 18 42 20 24 15 13 *BIP = Bruttoinlandsprodukt Quelle: Citibank, IWF, M&G, Stand: Oktober 2016 vor allem bei Staatsanleihen zu Verlusten kommen: „Als Faustregel gilt, dass bei einem Renditeanstieg um 1 Prozentpunkt der Kurs einer zehnjährigen Bundesanleihe um 7 Prozent zurückgeht.“ RENDITELOSES RISIKO Staatsanleihen bieten also längst keine risikofreie Rendite mehr, sondern nur noch renditefreies Risiko. Zwar können Anleger ihre Aktienquote als Ausgleich nach oben fahren. Doch warnt Jasperneite: „Zum einen ist das angesichts der hohen Kursschwankungen nicht jedermanns Sache, zum anderen braucht es einfach einen Rentenanteil im Portfolio, um dieses zu stabilisieren.“ Ganz ohne Anleihen geht es also nicht. Wie aber können Anleger festverzinsliche Wertpapiere ihrem Portfolio beimischen, sodass dieser Teil trotzdem nennenswerte Erträge abwirft und zugleich einen Ausgleich für den stärker schwankenden Aktienanteil bietet? „Wer dies über Rentenfonds tut, muss bedenken, dass nicht alle Strategien im aktuellen Umfeld erfolgversprechend sind“, so Jasperneite. Um mehr Rendite zu erwirtschaften, ist eine erste Stellschraube die sogenannte Duration, die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer in einem Anleiheportfolio. „Um zum Beispiel mit sicheren Staatsanleihen höhere Renditen erzielen zu können, muss ein Fondsmanager in der Lage sein, in längere Laufzeiten zu gehen“, erklärt Jasperneite. So bietet eine 30-jährige Bundesanleihe derzeit zumindest noch 0,7 Prozent Rendite, während Anleger für fünfjährige Titel Geld an den Staat zahlen müssen. Allerdings gilt auch die Faustregel: je länger die Laufzeit einer Anleihe, um so höher der Verlust, wenn die Zinsen steigen. „Aus diesem Grund ist es wichtig, dass ein Rentenfondsmanager die Duration flexibel steuern und im Extremfall über das Portfolio hinweg sogar negativ gestalten kann.“ Der zweite wichtige Punkt sei, dass ein Fonds die Freiheit hat, unabhängig von einer Benchmark weltweit in unterschiedlichste Anleihesegmente zu investieren, so der Experte: „Papiere von Emittenten schlechterer Kreditwürdigkeit beimischen zu können ist die zweite Stellschraube, um im aktuellen Umfeld höhere laufende Erträge zu erzielen.“ Das gilt etwa für Staatsanleihen aus der Peripherie des Euroraums, wo etwa zehnjährige portugiesische Staatsanleihen noch eine Rendite von über 3 Prozent abwerfen. Jasperneite: „Allerdings müssen Anleger hier bedenken, dass sie diese höhere Rendite mit einem höheren Risiko bezahlen.“ So ► 35 DIE ZEHN ??? I RENTENFONDS Bonitätsskala der internationalen Rating-Gesellschaften Buchstaben und Zahlen: Rating-Gesellschaften bewerten die Zahlungsfähigkeit von Anleiheemittenten Moody's S&P Fitch Intern. Bezeichnung Beschreibung Aaa AAA AAA Prime (Triple A) Schuldner höchster Bonität, Ausfallrisiko auch längerfristig fast vernachlässigbar Aa1 bis Aa3 AA+ bis AA- AA+ bis AA- High grade Sichere Anlage, Ausfallrisiko mittelfristig so gut wie vernachlässigbar A1 bis A3 A+ bis A- A+ bis A- Upper medium grade Sichere Anlage, wenn Gesamtwirtschaft oder Branche nicht beeinträchtigt werden Baa1 bis Baa3 BBB+ bis BBB- BBB+ bis BBB- Lower medium grade Durchschnittlich gute Anlage. Bei schlechterer Gesamtwirtschaft Probleme möglich Ba1 bis Ba3 BB+ bis BB- BB+ bis BB- Non investment­ grade speculative Spekulative Anlage. Bei schlechterer Lage könnten Ausfälle drohen. B1 bisB3 B+ bis B- B+ bis B- Highly speculative Hoch spekulative Anlage. Bei schlechterer Lage sind Ausfälle wahrscheinlich. Caa1 bis Ca CCC+ bis C CCC bis C Substantial risks/ Extremely speculat. Nur bei günstiger Entwicklung sind keine Ausfälle zu erwarten C SD bis D RD bis D In default Zahlungsausfall Quelle: Moody‘s, Standard & Poor‘s, Fitch Ratings hat Portugal bei Standard & Poor’s nur ein Rating im Bereich BB, was eine erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeit impliziert. Ebenso verhält es sich bei Unternehmensanleihen aus dem Hochzinsbereich, wo es derzeit noch eine Rendite von etwa 4 Prozent gibt, oder bei USHigh-Yield-Bonds, die sogar über 5 Prozent bringen. Ein Beispiel, das die Risiken in diesem Segment verdeutlicht, ist der US-Energiesektor. Dort haben sich viele Fracking-Firmen in den vergangenen Jahren über den Rentenmarkt verschuldet. Deren Titel brachten zwar attraktive Renditen. Doch mit dem dramatischen Einbruch des Ölpreises kamen viele dieser Unternehmen unter Druck. In der Folge kletterten die Renditen, die Kurse brachen ein. Und etliche Konzerne wurden sogar zahlungsunfähig. „Wichtig ist 36 DAS INVESTMENT WISSEN deshalb, dass ein Fonds ein gut diversifiziertes Portfolio aufweist und keine zu großen Risiken in solchen hoch riskanten Bereichen eingeht“, erklärt Jasperneite. Das Gleiche gilt für Anleihen aus den Emerging Markets, die in Hartwährungen wie dem Euro oder Dollar denominiert sind: Deren Rendite beträgt rund 5 Prozent. MIT WACHSTUMSCHANCEN „Vor allem aber eliminieren Anleger mit diesen Papieren das Währungsrisiko“, so Jasperneite. Schwellenländerbonds seien derzeit auch deshalb interessant, weil sie eine der wenigen Anlageklassen sind, wo die Chance auf eine wirtschaftliche Belebung besteht. Die dritte Stellschraube, über die ein Fonds im Rentenbereich zusätzliche Erträge erwirtschaften kann, ist die Währungsseite. „Anleihen, die in einer anderen Währung als dem Euro notieren, können grundsätzlich einen Zinsvorteil bieten“, sagt Jasperneite, „dazu können, wenn die Währung gegenüber dem Euro aufwertet, Wechselkursgewinne kommen.“ Allerdings ist diese Chance auch ein Risiko: „Wertet die entsprechende Währung gegenüber dem Euro ab, kann der Zinsvorteil schnell aufgezehrt sein.“ Das gilt insbesondere für Anleihen aus den Schwellenländern. Diese bieten in lokaler Währung zwar 5 Prozentpunkte mehr als Bundesanleihen. „Doch gerade bei Emerging-Market-Währungen müssen Anleger mit sehr hohen Kursschwankungen auch im zweistelligen Prozentbereich auf Jahresbasis rechnen“, erklärt Jasperneite. Auch hier gilt deshalb: Das Management eines Fonds Der Berg wächst: Staatsanleihen mit Verlustgarantie Marktvolumen von negativ rentierenden Staatspapieren Billionen US-Dollar 12 Euro Yen Andere Währungen 10 8 Christian Jasperneite 6 Chief Investment Officer der Privatbank M. M. Warburg & CO. 4 2 0 Oktober 2016 Januar 2014 Quelle: Bank of International Settlements/M&G, Stand: Oktober 2016 muss sich in dieser Anlageklasse sehr gut auskennen und darf dieses Segment nur als Beimischung betrachten. Ein anderer Weg, um über Fremdwährungspositionen eine Zusatzrendite zu erwirtschaften, besteht in der Beimischung von Staatsanleihen aus Ländern hoher Bonität. OHNE BENCHMARK ZUM ZIEL „Die Strategie eines Rentenfonds kann heute eigentlich nur dann erfolgreich sein, wenn der Fondsmanager außerhalb einer Benchmark weltweit in die verschiedensten Anleihesegmente investieren kann“, sagt Jasperneite. Das gilt etwa auch dahingehend, dass er zusätzlich, bei Bedarf inflationsindexierte Anleihen beimischen kann. Deren Idee: Sie bieten eine variable Verzinsung, die an die Entwicklung des Verbraucherpreisindex gekoppelt ist. Klettert die Teuerungsrate, steigen auch der Kupon und der Rückzahlungsbetrag der Anleihe: „Das heißt, damit kann sich der Fondsmanager auch für den Fall einer anziehenden Inflationsrate wappnen“, so Jasperneite. Und ein weiterer Aspekt ist im aktuellen Umfeld wichtig: „Die Berücksichtigung der Liquidität der einzelnen Titel muss ein elementarer Bestandteil des Investmentprozesses sein“, sagt Jasperneite. Wenn heute am Kapitalmarkt etwas schiefgeht, wollen schließlich alle Investoren durch die gleiche Tür aus dem Markt. Anleihen mit geringer Liquidität könnten dann unter Umständen nur schwer oder mit hohen Verlusten verkauft werden. Das ist aktuell von Bedeutung, wo die Wertpapierkäufe der Notenbanken Liquidität absorbieren, die zugleich durch regulatorische Vorschriften verringert wird. Fazit: Nur ein breit diversifizierter Ansatz, der fundamentale Faktoren berücksichtigt, kann heute im Anleihebereich noch einen Beitrag zur Stabilisierung des Portfolios leisten und attraktive laufende Erträge bieten. n Fakten zu M.M. Warburg & CO Die 1798 gegründete unabhängige Privatbank M.M.Warburg & CO mit Hauptsitz in Hamburg zählt zu den traditionsreichsten Bankhäusern in Deutschland. Zur Warburg Gruppe ingesamt gehören renommierte Banken, Kapitalanlagegesellschaften und Tochterunternehmen. Die Gruppe ist in Deutschland in 13 Städten sowie im Ausland in der Schweiz (Zürich) und in Lu­xemburg vertreten und beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter. 37 DIE ZEHN ??? I FONDS-RATINGS 8 FondsRatings Wie aussagekräftig sind Fonds-Ratings? Fonds-Ratings versprechen, gute von schlechten Investmentfonds zu unterscheiden. Was man über die Prognosefähigkeit von Sternen, Schulnoten und Buchstaben wissen muss Text: Heino Reents | Illustration: seamartini/iStock FONDS-RATINGS: Fonds-Ratings sind Instrumente für Anleger, um den für ihre Anlageziele passenden Fonds auszuwählen. RatingAgenturen benoten dabei bestimmte Merkmale, Eigenschaften oder Leistungen des Produkts 38 DAS INVESTMENT WISSEN WER DIE WAHL HAT, hat die Qual. Das gilt auch für Anleger, die in Fonds investieren wollen. Tausen­ de von völlig unterschiedlichen Produkten sind hierzulande zuge­ lassen. Und ständig kommen neue hinzu. Die enorme Vielfalt des Fondsangebots macht es Beratern und Anlegern schwer, das passen­ de Finanzprodukt auszuwählen. Orientierung im Produkt­ dschungel versprechen Fonds-Ra­ tings. Die Analysen verschiedener Anbieter sollen Anleger bei der Produktauswahl unterstützen. Da­ bei werden einzelne Fonds anhand von bestimmten Kriterien über­ prüft und in ein Bewertungssche­ ma eingeordnet. So sollen Anleger ohne Schwie­ rigkeiten erkennen können, wel­ cher Qualitätsstufe der untersuch­ te Fonds nach Auffassung der jeweiligen Agentur zuzuordnen ist. Zu den führenden Anbietern hierzulande zählen Lipper, Mor­ ningstar und FERI EuroRating. Zunächst ist es wichtig, zwi­ schen den Begriffen Rating und Ranking zu unterscheiden. Zwar versuchen sowohl Ratings als auch Rankings, Fonds anhand von Mehr Transparenz für den Fondsmarkt Derzeit werden insgesamt 5.234diFonds von rundofficium 280 Kapitalanlagegesellschaften bewertet, Fici blatess iminctate nis magnis iderferumqui quia debitae pores derit estia num die in Deutschland zum öffentlichen Vertrieb zugelassen sind.ime Seitsusa 1998 hat sich Anzahl stark gesteigert. reptae volorpos rectem doluptas ab ipsa nonsed qui die di cus sumqu Fondsanzahl 6.000 Bewertete Fonds 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Sep.16 Quelle: FERI EuroRating, Stand: März 2016 vorher festgelegten Kriterien zu beurteilen. Doch ist ein Ranking nicht das Ergebnis, sondern nur das Verfahren zur Erstellung einer Rangliste. Es basiert auf quanti­ tativen historischen Daten. Eine Prognoseabsicht besteht nicht. RANKING VS. RATING Es soll dabei aufgezeigt werden, wie gut oder schlecht die Leistung des Fonds innerhalb einer Gruppe vergleichbarer Fonds in der Ver­ gangenheit war. Ist die Beurteilung für einen Fonds dagegen mit einer Wahrscheinlichkeitsaussage ver­ bunden, etwa über die künftige Wertentwicklung, handelt es sich um ein Rating. Allerdings werden die Begriffe im Markt nicht trenn­ scharf voneinander verwendet. „Ich bin ein Anhänger der Fonds-Rating-Idee. Sie sind im Grunde so simpel, dass sie jeder gut verstehen kann“, sagt Oliver Everling, Geschäftsführer der Ra­ ting Evidence GmbH und ausge­ wiesener Rating-Fachmann. „Mit Ratings können sich Anleger im riesigen Fondsuniversum einen ersten Überblick verschaffen.“ Die Analysen stoßen aber auch an ihre Grenzen, oder wie es der Experte mit Augenzwinkern formuliert: „Ratings sind objektiv subjektiv.“ Everling zieht den Vergleich der Schule heran: „Die Beurtei­ lungen der Fonds haben genau die Stärken und Schwächen, wie auch Schulnoten sie haben.“ Denn zum einen beziehen die Untersuchungen sich nur auf Leis­ tungen, die in der Vergangenheit erbracht worden sind. Das birgt die Gefahr, dass es nicht klar ist, ob die Fonds auch in der Zukunft ähnliche Leistungen zeigen. Zum anderen hängen die No­ ten natürlich zu einem gewissen Grad auch von der subjektiven Einschätzung des Beurteilenden ab. „Auch das weckt Erinnerungen an die Schulzeit: Andere Lehrer, andere Noten, das haben wir beim Rating auch“, sagt Everling. Denn einen einheitlichen Bewertungs­ maßstab, den alle Rating-Agen­ turen verwenden, gibt es nicht. Wie ein Fonds abschneidet, hängt von den speziellen Beur­ teilungskriterien einer bestimm­ ten Agentur und auch oft von der subjektiven Einschätzung und den Fähigkeiten des Analysten ab. Des­ halb kommen unterschiedliche Agenturen nicht selten zu recht verschiedenen Ergebnissen. REGELMÄSSIGE PRÜFUNG Um überhaupt in ein Rating-Ver­ fahren einbezogen zu werden, muss ein Fonds gewisse Voraus­ setzungen erfüllen. Dazu gehö­ ren meistens ein Mindestvolumen und ein Mindestalter, welches in der Regel drei Jahre beträgt. Zwar ist das Ergebnis des Ra­ tings immer nur eine Moment­ aufnahme, aber die meisten Ra­ ting-Anbieter überprüfen ihre Urteile regelmäßig. ► 39 DIE ZEHN ??? I FONDS-RATINGS Performance-Bilanz: Rating mit Prognose-Qualität Von FERI EuroRating mit Top-Qualität bewertete Fonds (A- und B-Kategorie) schnitten in der Folgezeit (Dreijahres-Betrachtung, jährliche Rendite) besser ab als ihre Peergroup. Umgekehrtes galt für schlechter geratete Fonds. Top A- und B-Ratings C-, D- und E-Ratings 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0% -0,2 -0,4 -0,6 -0,8 -1,0 Aktien Europa Aktien Deutschland Aktien Welt Aktien Emerging Markets Aktien Asien ex Japan Aktien Lateinamerika Renten europ. Währungen Betrachtungszeitraum 3 Jahre, Quelle: FERI EuroRating, Stand: März 2016 In der Regel werden von den­ Agenturen Vergleichsgruppen gebildet, denen sie die einzelnen Fonds zuordnen. Beispiele von diesen sogenannten Peer-Groups sind etwa Aktien Deutschland, internationale Aktien, Anlei­ hen Europa oder asiatische High-Yield-Anleihen. VERGLEICHBARES VERGLEICHEN Die Kategorisierung ist wichtig, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, also etwa Fonds für asiatische Aktien mit Fonds für russische Anleihen. Das Rating macht aber keine Aussage über die Entwicklung eines gesamten Marktsegments, sondern ermög­ licht nur eine Bewertung der re­ lativen Güte der Fonds innerhalb dieses Segments. Zwei Kriterien sind für die Pro­ gnosefähigkeit einer Fondsbewer­ tung aussagekräftig: zum einen die Stabilität der Bewertung und zum anderen die Performance des 40 DAS INVESTMENT WISSEN Investmentfonds im Vergleich zur Peer-Group. Das bedeutet, dass ein Fonds mit konstant guten Bewertungen auch künftig Top-Noten bekom­ men sollte. Und Produkte mit sehr guten Bewertungen sollten eine höhere Performance aufweisen als schlechter bewertete Fonds „Wer sich in seinen Anlageent­ scheidungen an rein quantitativen Ratings offener Investmentfonds orientiert, wird jedoch oft ent­ täuscht“, warnt Everling. Denn die historische Performance eines Fonds, aus der sich ein rein quan­ titativ ermitteltes Fonds-Rating ableitet, gibt nur sehr begrenzt einen Hinweis auf die zukünftige Performance. Deshalb ist es wichtig, zwischen quantitativen und qualitativen Ratings zu unterschieden. Quan­ titative Beurteilungen bündeln in der Regel ausschließlich compu­ tergetriebene Auswertungen der historischen Wertentwicklung und der Preisschwankungen über drei oder fünf Jahre in einer Note, einem Buchstaben oder mehreren Sternen, die das Abschneiden ge­ genüber vergleichbaren Produkten und Indizes berücksichtigt. Dagegen macht beim quali­ tativen Rating der quantitative Aspekt nur einen kleinen Teil der Note aus. Stattdessen untersucht die Agentur weitere Faktoren, wie die Qualität und Erfahrung des Fondsmanagements, die Ent­ scheidungsprozesse, die Gebühren oder die Portfoliostruktur. Dieses Rating soll genauere Rückschlüsse auf das zukünftige Abschneiden eines Fonds ermöglichen. NEUE ANSÄTZE Einen neuen Weg will eine israeli­ sche Firma namens Sharing-Alpha gehen: Hier werden die Einschät­ zungen vieler Teams gesammelt, die Fonds-Ratings erteilen, also nicht nur von Rating-Agenturen, sondern auch von Banken und Bewertung gefällig? Die drei wichtigsten Rating-Anbieter in Deutschland. Anbieter Ratingskala Website FERI EuroRating 5 Stufen, A bis E fer.feri.de Lipper 5 Stufen, 1 bis 5 www.lipperleaders.com Morningstar 5 Stufen, 1 Stern bis 5 Sterne www.morningstarfonds.de Quelle: FERI EuroRating, Lipper, Morningstar Finanzdienstleistern, die Empfeh­ lungen für Fonds geben. „Die gesammelten Ratings werden der tatsächlich zu beob­ achtenden Performance gegen­ übergestellt“, so Everling, der das Portal für einen interessanten An­ satz hält. Sharing-Alpha errechnet dann jeden Monat, welche Ratings sich als zutreffend erwiesen haben und welche Analysten beziehungs­ weise Analystenteams die beste Trefferquote erreichte. „Die Empfehlungen von Sha­ ring-Alpha stützen sich inzwi­ schen auf mehr als 70 Quellen, die in ein Ranking gebracht werden“, sagt Everling. Wer dauerhaft rich­ tig liegt und dabei auch noch die breiteste Marktabdeckung schafft, wird Anlegern empfohlen. ERGEBNISSE VERGLEICHEN Eines ist jedoch klar: „Ein Invest­ mentfonds erhält selten bei jedem Anbieter die beste Bewertung“, erläutert Everling. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, immer die Ergebnisse mehrerer Agenturen zu berücksichtigen. „Anleger und Berater sollten sich wie in einem Cockpit fühlen, wo es verschiedene Signale gibt“, rät der Experte. „Wenn alle Sig­ nale, in diesem Falle Ratings, auf Grün stehen, kann man davon ausgehen, ein gutes Produkt vor sich zu haben.“ Doch Vorsicht ist geboten: „Ein gutes Rating kann auch eine Art Todesurteil für einen Fonds sein“, weiß Everling. Denn dank guter Noten und vieler Sterne werden viele Anleger überhaupt erst auf den Fonds aufmerksam und in­ vestieren in ihn. Die nicht selten erlebte Folge ist dann: Das Fondsvolumen wächst stark, und der Fondsmanager be­ kommt Schwierigkeiten, die neu­ en Gelder vernünftig anzulegen. Darunter kann die Performance leiden, und die Gefahr ist groß, dass die Performance absackt. Doch festzuhalten ist: Ziel eines Fonds-Ratings ist es, für Anleger und Berater eine gewisse Transpa­ renz zu schaffen. Die standardi­ sierten Verfahren der Rating-Agen­ turen ermöglichen ihnen einen Vergleich der Fondsalternativen, ohne alle Details kennen zu müs­ sen – im Sinne einer Vorselektion. Investoren sollten ihre Anlage­ entscheidung demnach niemals ausschließlich auf Grundlage von Ratings treffen. „Eine inten­ sive Auseinandersetzung mit dem Anlageprodukt können sie nicht ersetzen“, sagt Everling. n Der Experte: Oliver Everling Oliver Everling ist Geschäftsführer der Rating Evidence GmbH und Gründer und Geschäftsinhaber der Everling Advisory Services in Frankfurt. Fakten zu Rating Evidence und Everling Advisory Services Mit seinen Unternehmen bietet Everling Beratungsleistungen, Publikationen und Veranstaltungen zu Rating-Fragen an. Er ist zudem Herausgeber und Autor von zahlreichen Büchern und Fachbeiträgen zum Thema Rating. Everling schreibt regelmäßig auf seinem Blog www.everling.de, der bereits mehrfach als „Finance Blog of the Year“ nominiert wurde. 41 DIE ZEHN ??? I FONDS & STEUERN 9 Fonds & Steuern Was müssen Berater und Anleger bei der Fondsauswahl beachten? Ungeliebt, aber wichtig bei der Auswahl geeigneter Investmentfonds: das Thema Steuern. Dies gilt umso mehr angesichts der anstehenden Reform Text: Claudia Lindenberg | Illustration: seamartini/iStock INVESTMENTBESTEUERUNG: Bislang werden steuerpflichtige Erträge von Publikumsfonds auf Anlegerebene besteuert. Ab 2018 werden inländische Dividenden sowie Einnahmen aus der Vermietung und dem Verkauf deutscher Immobilien auf Fondsebene besteuert 42 DAS INVESTMENT WISSEN ANLEGER, DIE IHR DEPOT um Investmentfonds erweitern wollen, stehen vor vielen Fragen: Welche Anlageklasse passt? Wie hoch soll die Summe sein, die in den Fonds fließt – und welches Fondskonzept ist stimmig? Und damit nicht genug: Auch das Thema Steuern muss beachtet werden – insbesondere angesichts der 2018 anstehenden Reform der Besteuerung von Investmentfonds. Bislang gilt: „Investmentfonds sind auf Fondsebene steuerbefreit, die Besteuerung findet auf Anlegerebene statt, Erträge sind dabei auch dann zu versteuern, wenn diese nicht ausgeschüttet, sondern einbehalten werden“, erläutert Sebastian Meinhardt, Partner Tax bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Anleger müssen allerdings einiges beachten: So kommt es bei thesaurierenden Fonds darauf an, wo sie ihren Sitz haben. Liegt das Fondsdomizil in Deutschland, führt die Fondsgesellschaft die Abgeltungssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer auf die Erträge wie Zinsen, Dividenden und Kursgewinne an das Ab 2018: Teilfreistellung Im Zuge der Investmentsteuerreform wird 2018 die Teilfreistellung eingeführt, um die Vorbelastung deutscher Dividenden und Immobilieneinkünfte zu kompensieren. Sie fällt je nach Anlageklasse unterschiedlich hoch aus. Der Aktienanteil muss bei Aktienfonds mindestens 51Prozent betragen, bei Mischfonds 25 Prozent. Bei Immobilienfonds hängt die Teilfreistellung vom Anteil ausländischer Immobilien ab. Beträgt er mehr als 51 Prozent, ist die Teilfreistellung aufgrund der Auslandsquellensteuer höher. Aktienfonds Mischfonds Immobilienfonds Fokus Inland Immobilienfonds Fokus Ausland Privat 30% 15% 60% 80% Personengesellschaften (nicht vermögensverwaltend) 60% 30% 60% 80% Kapitalgesellschaften 80% 40% 60% 80% Anleger Quelle: KPMG Finanzamt ab. Die depotführende Bank bestätigt die Steuerzahlung wiederum mit der jährlichen Steuerbescheinigung, der Anleger selbst muss sich also um nichts kümmern. Aktiv werden sollte er allerdings, wenn der persönliche Steuersatz unter 25 Prozent liegt. MEHR AUFWAND Anders sieht es bei ausländischen Fonds aus, deren ISIN nicht mit DE beginnt: Hier müssen Anleger sich um die Deklaration der erzielten Erträge kümmern – auch wenn der Fonds im Depot einer deutschen Bank gehalten wird. Dies kann sich je nach Fondsgesellschaft und den Angaben, die sie macht, sehr umständlich gestalten. Eine weitere Tücke droht beim Verkauf ausländischer thesaurierender Fonds: Die deutsche Depotbank behält die Abgeltungssteuer auf den gesamten Wertzuwachs ein – und zwar auch dann, wenn die Erträge jährlich in der Steu- ererklärung aufgeführt wurden. Um diese Doppelbesteuerung auszuschließen, müssen Anleger das Finanzamt im Jahr des Verkaufs zur Erstattung der zu viel gezahlten Steuer auf die Erträge auffordern. Mit der bislang aufwendigen Handhabe der thesaurierenden Auslandsfonds ist ab 2018 jedoch Schluss: Im Zuge der Reform des Investmentsteuergesetzes werden dann die Depotbanken für die Versteuerung der laufenden Erträge zuständig sein. Damit entfällt künftig der Aufwand für Anleger, alljährlich diese Angaben für die Steuererklärung zusammenzutragen. Auch beim Verkauf der Fondsanteile übernimmt die Depotbank die Arbeit, der Aufwand für das Vermeiden der Doppelbesteuerung entfällt damit künftig ebenfalls auf Anlegerseite. Neben der Gleichstellung der steuerlichen Behandlung dieser Fonds bringt die Steuerreform weitere diverse Neuerungen mit sich. So werden auf Fondsebene in Zukunft 15 Prozent Steuern auf in Deutschland anfallende Dividenden, Mieterträge sowie Gewinne aus dem Verkauf inländischer Immobilien fällig. Damit es beim Fondsanleger bei Ausschüttungen und Verkaufsgewinnen nicht zu einer Doppelbesteuerung kommt, werden die Ausschüttungen teilweise freigestellt. Die Höhe der sogenannten Teilfreistellung von der Abgeltungssteuer hängt von der Fondsgattung ab (siehe Grafik oben). Mit 30 Prozent am niedrigsten ist sie bei Aktienfonds, am höchsten ist sie mit 80 Prozent bei Immobilienfonds mit Schwerpunkt auf Auslandsimmobilien. Künftig kommt es damit stärker auf die Anlagerichtlinien der Fonds an. So ist beispielsweise dann von einem Aktienfonds die Rede, wenn er zu mindestens 51 Prozent ► 43 DIE ZEHN ??? I FONDS & STEUERN So wird die Vorabpauschale ab 2018 berechnet Ab 2018 gelten neue Regeln für die Besteuerung sogenannter ausschüttungsgleicher Erträge. Diese sehen vor, dass eine Vorabpauschale ermittelt wird, die als Basis für die Besteuerung dient. Für 2016 beträgt der zur Berechnung erforderliche Basiszinssatz 1,1 Prozent. Angenommen, der Rücknahmepreis einer Aktie beträgt zu Beginn des Kalenderjahrs 100 Euro, dann ergibt sich folgende Berechnung: 100 Euro x 70% = 70 Euro = – = 70 Euro x 1,1% Basiszins = 0,77 Euro Basisertrag abzüglich Ausschüttung im Kalenderjahr, hier = 0 Vorabpauschale: 0,77 Euro Teilfreistellung: 0,23 Euro (hier Aktien, also 30% von 0,77 Euro) steuerpflichtige Vorabpauschale: 0,54 Euro Für 2015 mit einem Basiszins von 0,99 Prozent hätte die steuerpflichtige Vorabpauschale für das genannte Beispiel 0,49 Euro betragen, für 2014 mit einem Basiszins von 2,59 Prozent ergibt sich ein Wert von 1,27 Euro. Quelle: KPMG, eigene Berechnungen in Aktien investiert – auch dann, wenn der Rest des Portfolios in Anleihen gehalten wird. Ein solcher Fonds ist künftig beispielsweise steuerlich günstiger als ein Fonds ohne feste Anlagerestriktionen. Nachteilig wirkt sich die Teil­ freistellung auf Anleger aus, deren Erträge unterhalb des Freibetrags von 801 Euro (Ledige) beziehungsweise 1.602 Euro (Verheiratete) liegen: Ihre Erträge werden auf Fondsebene künftig besteuert, aber sie profitieren nicht von der Teilfreistellung. DIE VORABPAUSCHALE Neu ist auch die Vorabpauschale, die ab 2018 die Abgeltungssteuer auf sogenannte ausschüttungsgleiche Erträge bei thesaurierenden Investmentfonds ablöst. Die depotführende Bank ermittelt künftig den Wert, die Höhe soll einer 44 DAS INVESTMENT WISSEN risikolosen Anlage entsprechen. „Diese wird durch die Multiplikation von 70 Prozent des Basiszinssatzes der Bundesbank mit dem Fondsanteilswert ermittelt“, so Meinhardt. 2015 beispielsweise betrug der Basiszins 0,99 Prozent, bei einem Aktienfonds hätte sich eine Vorabpauschale in Höhe von 0,49 Prozent des Anteilswerts zu Beginn des Kalenderjahrs ergeben (siehe Beispielrechnung oben). „Die Höhe der Vorabpauschale ist auf den Wertzuwachs des Fonds im Kalenderjahr begrenzt“, ergänzt der KPMG-Partner. Beim Verkauf der Fondsanteile werden die bereits versteuerten Vorabpauschalen mit dem Veräußerungsgewinn automatisch verrechnet, um eine Doppelbesteuerung auszuschließen. Führt die Vorabpauschale künftig zu einer höheren Steuerlast als die bisherige Be- steuerung der Thesaurierungen? „Dies lässt sich pauschal nicht beantworten, da hier verschiedene individuelle Faktoren eine Rolle spielen“, sagt Meinhardt. Fest steht: Je höher das Zinsniveau ist, desto höher fällt die Besteuerung aus. NEUES FÜR SPEZIALFONDS Anders als bei den Publikumsfonds wird es bei Spezialfonds ab 2018 ein Wahlrecht geben. Damit können die Fonds weiterhin nach dem Transparenzprinzip behandelt werden und bleiben selbst steuerfrei, während die Besteuerung auf Anlegerebene anfällt. Wahlweise kann auch die Besteuerung auf Fondsebene erfolgen. „Neu ist auch, dass Privatanleger ab 2018 nicht mehr in Spezialfonds investieren dürfen, und zwar auch nicht indirekt – etwa über zwischengeschaltete vermögensverwaltende Personengesellschaften“, so Meinhardt. Für bestehende Investments von Privatanlegern gibt es allerdings eine Übergangsfrist bis 2020, wenn die Fondsanteile vor dem 24. Februar 2016 erworben wurden. „Erfolgt der Erwerb nach diesem Stichtag, gilt die Übergangsregelung bis 2030. Da im Übergangszeitraum ab 2018 aber nicht mehr der Abgeltungssteuersatz, sondern der persönliche Steuersatz zur Anwendung kommt, dürfte das Halten von Spezialfonds für Privatanleger über den 1. Januar 2018 hinaus im Regelfall nicht mehr sinnvoll sein“, sagt Steuer­ experte Meinhardt. BESTANDSSCHUTZ ENTFÄLLT Eine weitere wichtige Neuerung: Bislang können vor 2009 erworbene Fondsanteile komplett steuerfrei veräußert werden. Ab 2018 gelten alle vor dem 31. Dezember 2017 erworbenen Fondsanteile als „fiktiv veräußert“ und am 1. Januar 2018 als „fiktiv wieder angeschafft“. Somit fällt der Bestandsschutz für die vor Einführung der Abgeltungssteuer gekauften Fondsanteile. Zum Ausgleich räumt der Fiskus allerdings einen Freibetrag von 100.000 Euro ein: Erst wenn der Verkaufsgewinn diesen Wert – gemessen ab dem Stichtag 1. Januar 2018 – überschreitet, fällt Abgeltungssteuer an. Buchgewinne bis Ende 2017 bleiben ebenfalls außen vor. Für Kleinanleger ist diese Neuerung insgesamt eher nicht von Belang. Anders sieht es für Investoren mit größeren Anlagebeträgen aus, bei denen diese Grenze überschritten wird. Wichtig zu wissen: Werden Investmentfondsanteile vererbt oder verschenkt, gelten sie nicht als veräußert und unterliegen damit je nach individueller Situation des Begünstigten der Erbschafts- oder Schenkungssteuer. Abgeltungssteuer fällt erst beim Verkauf der Anteile an, die steuerliche Behandlung unterscheidet sich dann nicht mehr von der Besteuerung selbst angeschaffter Fondsanteile. Neuerungen in puncto Steuern hat der Gesetzgeber zudem für sogenannte Cum-Cum-Geschäfte, bei denen Steuerausländer Aktien kurz vor der Ausschüttung der Dividenden an Steuerinländer – etwa deutsche Banken – übertragen. Über ein Termingeschäft kaufen sie diese sofort zurück. Mittels der Transaktionen konnten Steuerausländer die steuerpflichtigen Dividenden bislang in steuerfreie Veräußerungsgewinne umwandeln. Steuerinländer wiederum erhielten den Großteil der Kapitalertragssteuer erstattet oder angerechnet. Rückwirkend zum 1. Januar 2016 schließt der Gesetzgeber dieses Steuerschlupfloch jedoch: Ab diesem Stichtag können nur noch 10 Prozent der Kapitalertragssteuer angerechnet werden, allerdings werden auch nur 85 Prozent der Bruttodividende steuerpflichtig. Sebastian Meinhardt Steuerberater, Partner, Financial Services, KPMG Frankfurt. Fakten zu KPMG Die Ursprünge des Firmennetzwerks KPMG reichen bis 1890 zurück. Weltweit sind rund 174.000 Mitarbeiter in 155 Ländern tätig, in Deutschland gehört KPMG zu den führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen mit rund 9.800 Mitarbeitern an bundesweit 20 Standorten. WELCHE AUSNAHMEN GELTEN? Es gibt indes Ausnahmen: Etwa wenn die Aktie mindestens 45 von 91 Tagen rund um den Dividendenstichtag gehalten wird und zu weniger als 30 Prozent durch Derivate oder Ähnliches abgesichert war. „Auch bei Dividendenerträgen von weniger als 20.000 Euro oder wenn die Aktie am Tag der Ausschüttung mehr als ein Jahr im Bestand war und der Anleger durchgehend wirtschaftlicher Eigentümer war, greift diese Neuregelung nicht“, so Meinhardt. Sein Fazit: „Private und Institutionelle Investoren sollten ihre Portfolios aufgrund der Änderungen frühzeitig überprüfen und gegebenenfalls ändern.“ n 45 DIE ZEHN ??? I MIFID II 10 MIFID II Wie müssen sich Finanzberater auf die neuen Regelungen vorbereiten? Die ab Januar 2018 auch in Deutschland umgesetzte EU-Finanzmarktrichtlinie MIFID II regelt vieles für Finanzberater neu. Unter anderem gelten hohe Transparenzanforderungen – ein Blick auf die Rahmenbedingungen Text: Oliver Lepold | Illustration: seamartini/iStock MIFID II: Abkürzung für „Markets in Financial Directives“: EU-Richtlinie zur Harmonisierung der Finanzmärkte im europäischen Binnenmarkt; regelt unter anderem auch die Pflichten für Finanzberater 46 DAS INVESTMENT WISSEN AUFGESCHOBEN IST nicht aufgehoben – nach langem Anlauf und später als ursprünglich geplant, wird die EU-Finanzmarktrichtlinie MIFID II im Sommer 2017 in deutsches Recht überführt. Das Wertpapierhandelsgesetz und andere Gesetze müssen dazu geändert werden. Ab Januar 2018 werden zahlreiche neue Regularien neben dem Wertpapier- und Börsenhandel auch die Anlageberatung und Vermögensverwaltung betreffen. Noch fehlen manche Details, doch die Eckdaten sind nach Veröffentlichung diverser delegierter Rechtsakte und Verordnungen der EU-Kommission im April und Mai 2016 im Wesentlichen klar. Details zur Umsetzung in deutsches Recht werden für das Frühjahr 2017 erwartet. Der deutsche Gesetzgeber hat Spielraum; neben der Minimalumsetzung können auch strengere Bestimmungen erlassen werden. „Die Auswirkungen auf die Anlageberatung werden jedenfalls gravierend ausfallen“, sagt Frank Ulbricht, Vorstand des Maklerpools BCA und der Bank für Vermögen. Die MIFID II verlangt etwa eine Erläuterung, wie Die fünf Phasen des Beratungsprozesses Waren zuvor lediglich Teile des Vertriebsprozesses in der Anlagevermittlung über MIFID I reguliert, wird nun umfas­ send auch der Prozess der Produkterstellung erfasst. Bereits regulierte Abschnitte werden nachjustiert, die bisherigen zusätzlichen deutschen Regulierungen müssen MIFID II angepasst werden Typischer Vertriebszyklus: Künftige Anforderungen gemäß MIFID II/MIFIR Produkterstellung Vertrieb Phase 1 Produktkon­zeption, Vertriebsstrategie Phase 2 Produkteinführung in den Vertrieb uwendungen, Z Vergütungen uwendungen, Z Vergütungen uwendungen, Z Vergütungen uwendungen, Z Vergütungen overnance, G Strategie uswahl Produkt­ A partner und Produkte Interessen­konflikte eeignetheit, G Angemessenheit, Execution-only Produktkonzep­ tionsprozess Produktdoku­ mentation ehördliche Ein­ B griffsbefugnisse Produkteinfüh­ rungsprozess ehördliche Ein­ B griffsbefugnisse Phase 3 Organisation des Vertriebs Werbung P ersonal, insbesondere Berater Vertriebsvorgaben, Incentivierung ehördliche B Eingriffsbefugnisse Phase 4 Beratung, Produkt­ verkauf, Dokumen­ tation Informationen, Transparenz okumentation, D Aufzeichnungen ehördliche Ein­ B griffsbefugnisse bereits von MIFID I über WpHG/WpDVerOV reguliert, nun auch in MIFID II enthalten bereits über Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (AnsFuG) reguliert, nun auch von MIFID II erfasst erstmals reguliert durch MIFID II Phase 5 Auftragsaus­führung, After Sales Best Execution unden­ K reporting Beschwerden After Sales Services ehördliche B Eingriffsbefugnisse Fälligkeit/Ablauf des Produkts beziehungsweise Veräußerung durch Kunde Quelle: KPMG die Beratung konkret auf die individuellen Präferenzen, Ziele und sonstigen Merkmale des Privatkunden abgestimmt wurde. Damit verbunden ist die Product Governance. Produktgeber auf der Investmentseite ebenso wie der Vertrieb müssen klar definieren, für welche Zielgruppe die jeweiligen Produkte geeignet sind. Und zwar nicht nur im Moment des Verkaufs, sondern auch in regelmäßigen Abständen danach. Wie wird eine solche Definition aussehen? Ulbricht: „Vermutlich bleibt es bei der allgemeinen Un- terscheidung zwischen Privatkunden und professionellem Kunden, wobei Letzterer auch ein Endkunde sein kann.“ Dieser müsse dann den Nachweis profunder Kenntnisse erbringen. Die zur Beratung notwendigen Unterlagen werden sich unterscheiden, denn ein professioneller Kunde benötige eine weniger ausführliche Aufklärung. Der BCA-Vorstand nennt weitere Punkte, die in jeder Anlageberatung künftig abgefragt werden müssen: das Anlageziel (etwa Vorsorge oder Sparen für Kinder), der Anlagehorizont und die Verlust- tragfähigkeit müssen konkretisiert werden: Der Berater muss wissen, wie viel Verlust sein Kunde maximal ertragen kann und will, und dies dann im Verhältnis zur Renditechance betrachten. All dies hat unmittelbare Auswirkung auf die Produktauswahl in der Beratung. „Offen ist, wie genau die Gesellschaften die Risikobewertung für Fonds gestalten werden. Der Summary Risk Indicator (SRI) reicht nicht aus, es werden andere Kategorien hinzukommen“, so Ulbricht. „Wir hoffen, dass die ESMA hierbei eine einheitliche ► 47 DIE ZEHN ??? I MIFID II Der Zeitplan für die Umsetzung von MIFID II In mehreren Stufen wird die komplexe und umfassende Regulierung der Finanzmärkte und ihrer Akteure durchgeführt. Anfang 2017 sollen die MIFID­Regularien EU­weit gelten – ein Termin, der nach jüngsten Meldungen allerdings noch verschoben werden könnte 14. Januar 2014: Politische Einigung im Rahmen des Trilog 23. April 2014: Kommission bittet ESMA um Rat hinsichtlich delegierter Rechtsakte (Level 2) 2014 2013 12. Juni 2014: Veröffent­ lichung von MIFID II und MIFIR im Amtsblatt der EU 15. April 2014: Annahme der finalen Texte durch Plenum EP Mai 2013: Verkündung Hoch­ frequenzhandelsgesetz Juli 2013: Verkündung Honoraranlage­ beratungsgesetz seit Q1 2013: Erarbeitung der konkretisierenden Level­2­Texte Was MIFID II in der Anlageberatung regelt (Auswahl) • Product Governance: Zielmarktbestimmung für Produkte • Vergütungsgrundsätze • Annahme von Anreizen (Zuwendungen) • Compliance • Interessenkonflikte • Kundeninformationen • Kostentransparenz • „unabhängige“ Anlageberatung • Geeignetheit und Angemessenheit • Reportingpflichten gegenüber Kunden • Best Execution • Aufzeichnungspflichten • Product Intervention: Eingriffe der Aufsicht 48 DAS INVESTMENT WISSEN 22. Mai 2014: Veröffentlichung Konsultations­ papier und Diskussionspapier europäische Vorgehensweise vorschlägt.“ Tragfähige technische MIFID-konforme Lösungen, die den Berater entlasten und gleichzeitig rechtssicher sind, liegen BCA als Servicedienstleister und Haftungsdach am Herzen. Für BCA besonders wichtig ist die durch MIFID II geforderte Vertriebseinheit. Der Pool muss den Input der Produktgesellschaften in seinem eigenen System umsetzen und dann dem Vermittler in geeigneter Form zur Verfügung stellen, zum Beispiel auf der Kostenseite. Klar ist: Die Transparenz wird durch MIFID II branchenweit zunehmen: So müssen dem Endkunden alle Fondskosten offengelegt werden, etwa Performance Fees oder Transaktionskosten. Die Gesamtkostenquote des Fonds muss inklusive der künftig zu erwartenden Transaktionskos- ten bereits in der Beratung dargelegt werden. Nach Ablauf des Geschäftsjahrs des Fonds müssen die tatsächlichen Kosten und die Kostenquote dem Endkunden mitgeteilt werden. Falls sich der Berater als „unabhängig“ bezeichnen will, darf er keine Zuwendungen von Dritten mehr annehmen und ist faktisch in der Honorarberatung. Dieses Provisionsverbot hinsichtlich der Zuwendungen gilt auch in der Vermögensverwaltung. „Falls doch Zuwendungen fließen, müssen sie an den Kunden rückvergütet werden. Der Berater benötigt Zugriff auf ein unabhängiges Research und muss die Produktauswahl aus einem großen Universum treffen“, so Ulbricht. Auch hier steckt der Teufel im Detail, und der deutsche Gesetzgeber wird noch den Rahmen zu definieren haben. Gesetzgebung auf EU­Ebene Gesetzgebung in Deutschland ESMA Aktivitäten voraussichtlich Ende 2015 (mehrfach verschoben): Veröffentlichung delegierter Rechtsakte im Amtsblatt der EU 2015 Juni 2015: Verabschiedung Klein­ anlegerschutzgesetz 2016 Oktober 2015: Referentenentwurf Finanzmarkt­ modernisierungsgesetz 2017 bis 3. Juli 2017: Umsetzung der neuen Regelungen ab 3. Januar 2018: Anwendung der neuen Regelungen 19. Dezember 2014: Veröffentlichung technische Stellungnah­ me und Konsultationspapier Quelle: KPMG Wer weiterhin über Abschlussund Bestandsprovisionen vergütet wird, gilt als abhängiger Berater und muss dies entsprechend offenlegen. Auch hier muss der Kunde neutral auf breiter Basis von Research und Fondsauswahl beraten werden. Zudem muss der Berater den Nachweis erbringen, dass die Annahme der Zuwendungen die Qualität der Beratung steigert. Alles dies muss protokolliert werden, auch hier wird die Ausgestaltung durch den deutschen Gesetzgeber spannend. Pools und Haftungsdächer wie BCA stellen hier bereits seit Längerem Vergleichs- und begründete Empfehlungslisten zur Verfügung und garantieren dem Berater eine neutrale und hochwertige Analyse. „Insgesamt wird MiFID II den Konsolidierungsprozess am Markt beschleunigen, unter MiFID II werden die administrativen Aufgaben für Berater erhöht. Bei der Bewältigung dieser Aufgaben werden wir als Pool und Haftungsdach den Berater entsprechend unterstützen und ihm entsprechende Tools zur Verfügung stellen“, sagt Ulbricht. Angesichts der neuen Anforderungen kann ein unabhängiger Investmentberater nur mit ausreichend technischer Unterstützung am Markt seinen Beratungsprozess optimieren. „Über unsere hauseigene Bank steht entsprechendes institutionelles Know-how zur Verfügung“, so Ulbricht. „Auch das unabhängige Research, das die MIFID II vom Berater fordert, befindet sich im Haus. Und über unsere Private-Investing-Schiene haben BCA-Partner darüber hinaus Zugang zu einer vermögensverwaltenden Fondslösung, die bereits heute den Anforderungen von MIFID II genügt.“ ■ Der Experte: Frank Ulbricht Vorstand des Maklerpools BCA und der Bank für Vermögen Fakten zu BCA: BCA wurde 1985 gegründet und gehört heute mit knapp 10.000 BCA-Partnern zu den führenden Maklerpools in Deutschland. Zur Unternehmensgruppe gehört auch die BfV Bank für Vermögen (bis 2012: BCA Bank). 49 DIE ZEHN ??? I QUIZ Illustration: seamartini/iStock Der Wissens-Test: Kennen Sie die Lösungen? Risikomaße, alternative Investmentstrategien, Fonds und Steuern: Zehn Fragen zu den zehn Themen dieses kleinen Kompendiums, die Sie nach der Lektüre leicht beantworten können 1 Welches Risikomaß liegt dem Synthetischen Risiko Rendite Indikator (SRRI) zugrunde? a. Maximum Drawdown b.Value at Risk c.Volatilität d.Expected Shortfall 50 DAS INVESTMENT WISSEN 2 Welche beiden Größen setzt die Sharpe-Ratio ins Verhältnis? a.Den Anteil positiver Tages-Performances und die Volatilität eines Fonds b.Die Volatilität eines Fonds und die Volatilität der Benchmark c. Den Maximalverlust und die Wiederaufholungs periode eines Fonds d.Die über den risikolosen Zins erwirtschaftete Rendite und die Volatilität eines Fonds Mittels welcher Finanzinstrumente lässt sich die implizite Volatilität, also die erwartete Schwankungsintensität von Aktien, bestimmen? a.Futures b.Forwards c.Optionen d.Swaps 4 5 Welchen Vorteil bietet ein CFD für Manager von UCITS-Fonds, die auch auf alternative Strategien setzen? a.CFD heißt „Concentrated Fund Development“: Mithilfe dieses Tools wird die Auswahl der geeigneten Investmentstrategie erleichtert b.CFD heißt „Contracts for Difference“: Über dieses Instrument kann der Fondsmanager fallende Kurse nutzen c. CFD heißt „Checks for Datamining“: Diese Methode hilft bei der Analyse von Unternehmen, zu denen sehr viele Daten vorliegen d.CFD heißt „Chambered Finding of Disorder“: Finanzprodukt, das kontrolliert in Titel mit geringerer Bonität und höherer Rendite investiert a.Nein, die strengen UCITS-Regularien verhindern dies b.Nein, es gibt nicht die eine Strategie, die das Profil eines Anleiheportfolios erzielt c. Ja, Liquid Alternatives verfügen über dieselben positiven Eigenschaften wie Anleihen d.Ja, aber bestimmte Strategien sind nicht für Privatanleger zugänglich Was gehört in der Regel zu den wichtigsten Kriterien bei einem Fonds-Rating? a.Die Höhe des Fondsvolumens b.Die Wertentwicklung im Verhältnis zum eingegangenen Risiko c. Die Anzahl der Investoren d.Die Umschlagshäufigkeit im Portfolio 9 Ab dem 1. Januar 2018 ändert sich die steuerliche Behandlung von Kursgewinnen bei der Veräußerung von Investmentfondsanteilen. Welche Aussage trifft zu? a.Ab dem 1. Januar 2018 anfallende Kursgewinne werden unbegrenzt steuerpflichtig b.Ab dem 1. Januar 2018 anfallende Kursgewinne oberhalb eines Freibetrags von 100.000 Euro werden steuerpflichtig c. Für ab dem 1. Januar 2018 anfallende Kursgewinne von Fonds, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, gilt ein Freibetrag von 100.000 Euro d.Veräußerungsgewinne aus Fonds, die vor dem 1. Januar 2009 gekauft wurden, bleiben unbegrenzt steuerfrei 10 Was kennzeichnet laut den Regularien nach MIFID II Eignen sich Liquid Alternatives als kompletter Ersatz für die Anlageklasse Anleihen? Warum sollten Anleger festverzinsliche Wertpapiere in ihrem Portfolio berücksichtigen? a.Weil sie eine positive Rendite liefern b.Weil sie Sicherheit bei steigenden Zinsen bieten c. Weil sie ein Portfolio in turbulenten Phasen stabilisieren können d.Weil sie vor steigender Inflation schützen 8 Eine hohe positive Korrelation unterschiedlicher Anlageklassen hat zur Folge, dass ein gemischtes Portfolio mit diesen Anlageklassen … a.… höhere Erträge verspricht b.… nicht den angestrebten Diversifikationseffekt aufweist c. … weniger schwankungsanfällig ist d.… bereits eine hohe Bewertung aufweist 6 7 einen unabhängigen Vermittler? a.Vergütung über Abschluss- und Bestandsprovisionen b.Prüfung der Geeignetheit der vermittelten Produkte nur im Moment des Verkaufs c. Keine Annahme von Zuwendungen Dritter – falls doch Provisionen fließen, deren Weiterreichung an Kunden d.Verzicht auf breite Produktauswahl und Risikoprüfung bei professionellen Kunden Lösung: 1c, 2d, 3c, 4b, 5b, 6b, 7c, 8b, 9c, 10c 3 51 www.dasinvestment.com