Kap. 09 Sektorale Betrachtung: Beispiel Textil

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V Blotevogel „Weltwirtschaftsgeographie“ SS 2002 Kap. 09
Kap. 09
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Sektorale Betrachtung:
Beispiel Textil- und Bekleidungsindustrie
Besondere Bedeutung der Textil- und Bekleidungsindustrie (im Folgenden: „TBI“):
• Historische Sicht: Führende Industrie des „1. Kondratieff“, speziell
Baumwollindustrie in England („Manchester-Kapitalismus“), basierend auf
mechanischen Spinn- und Webmaschinen und Importen von Baumwolle aus den
britischen Kolonien.
• Globale Verbreitung, gerade auch in EL und NICs; basierend auf Beschäftigungsmöglichkeiten für wenig qualifizierte Arbeitskräfte und
Anknüpfungsmöglichkeiten an vorindustrielle handwerkliche Produktionsformen
(Spinnen, Weben, Nähen).
• Weder Rohstoffe und Vorprodukte noch Endprodukte sind sehr
transportkostenintensiv, sondern können prinzipiell einfach global gehandelt
werden (Unterschied zur Montanindustrie!). Deshalb spielen jedoch gerade
nichttarifäre Handelshemmnisse und politische Regulationen auf den Welt-Textilund Bekleidungs-Märkten eine große Rolle.
Produktionssystem bzw. Wertschöpfungskette („textile Pipeline“) der TBI:
• Teil einer umfassenderen Produktkette mit zwei hier näher zu betrachtenden
Stufen:
a) Textilindustrie und
b) Bekleidungsindustrie
Die Naturfaserverarbeitung ist Teil der Textilindustrie, die Kunstfaserproduktion
gehört hingegen zur Chemieindustrie.
• Drei Verwendungen in der Kette: ca. 1/2 Weiterverarbeitung in der
Bekleidungsindustrie, je ca. 1/4 in Haushaltstextilien (Teppiche, Möbelstoffe)
und in Industrietextilien (z.B. Innenausstattung von Autos).
• Die Bekleidungsindustrie produziert eine außerordentlich breite Produktpalette,
die häufig kurzfristigen Schwankungen unterworfen ist. Der
Produktdifferenzierung entspricht eine hohe Differenzierung der
Unternehmensstruktur, d.h. große und kleine Unternehmen, viele Produktionen im
Lohnauftrag, teilweise in Heimarbeit. Einerseits gibt es standardisierte
Massenproduktion, andererseits aber auch modeorientierte Kleinserien- bzw.
Einzelfertigung.
Globales Muster und Verlagerungen im Standortsystem der Textilindustrie:
Die größten Produzenten sind China, Indien, Russland, USA und Indonesien, d.h. vor
allem Länder mit großen Binnenmärkten.
Betrachtung der zeitlichen Entwicklung: In den Entwicklungs- und Schwellenländern
wächst die Textilindustrie, in den Industrieländern Stagnation bzw. Rückgang.
Die Handelsbeziehungen zeigen ein ganz anderes Bild: Die größten Exportnationen
sind Deutschland, China, Italien, Korea, Taiwan, Belgien und Frankreich. Allerdings
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zeigen die Anteile am Welthandel mit Textilien hohe zeitliche Fluktuationen. Klar
unterscheiden lassen sich zwei Ländergruppen: a) alte Industrieländer Europas, b)
Ostasien.
Table 9.3 zeigt die Handelsbilanzen der wichtigsten Handelsnationen mit Textilien
(d.h. ohne Bekleidung). Die größten Exportüberschüsse erzielen Taiwan, Korea,
Italien, Pakistan und Belgien. D.h.: Große Länder wie China, Indien und Russland
produzieren fast nur für den großen Binnenmarkt. Dagegen stehen den bedeutenden
Exporten der Industrieländer häufig bedeutende Importe gegenüber, so dass die
Bilanzen ausgeglichener sind.
Fig. 9.5: Handelsverflechtungen der Triade:
USA: bedeutender Textilimporteur, insbes. aus Asien;
EU: ebenfalls bedeutender Textilimporteur, insbes. aus Asien. Im Unterschied zu
den
USA ist die EU aber auch ein bedeutender Textilexporteur, insb. ins östliche
Europa und nach Afrika (zur Weiterverarbeitung);
Japan: relativ ausgeglichene Bilanz mit Im- und Exportverflechtungen mit Asien.
Fazit: In der Textilindustrie beherrschen zwei Gruppen den Welthandel: a)
Industrieländer und b) Schwellen- und Entwicklungsländer Ostasiens.
Bekleidungsindustrie
Die Bekleidungsindustrie ist – gemessen an der Zahl der Beschäftigten - am
bedeutendsten in den folgenden Ländern (Fig. 9.6): VR China mit Abstand, dann
USA, Russland, Japan, Indonesien, Brasilien. Hongkong und Südkorea. Diese Länder
haben mehr Beschäftigte als Deutschland, Italien oder Frankreich.
In den letzten Jahrzehnten haben tiefgreifende Verschiebungen stattgefunden: In den
Industrieländern stagniert die Beschäftigung/Produktion bzw. sie geht zurück (z.B.
in D in den letzten 20 Jahren um ca. 50%). Dagegen wächst die Bekleidungsindustrie
in einigen Entwicklungsländern Asiens und Lateinamerikas sowie auch in den
Transformationsländern Ostmitteleuropas und Osteuropas.
Bekleidungsindustrie-Exportländer?
Vgl. Table 9.5: Die 15 größten Exportländer vereinigen 66 % der Weltexporte auf
sich (zum Vergleich: 76 % bei den Textilexporten).
Erkennbar sind gewisse Zusammenhänge mit den Textil-Exportnationen, aber auch
einige interessante Verschiebungen: China führt (zusammen mit Hongkong) mit
weitem Abstand, gefolgt von Italien, Deutschland, USA, Türkei, Frankreich und
Korea. Hochindustrieländer wie I, D, F und UK (Ausnahme: USA!) verlieren Anteile
oder sind inzwischen unbedeutend (wie Japan!). Hingegen rücken Schwellenländer in
den Vordergrund: Hinter China/Hongkong insb. Türkei, Thailand, Indien, Portugal
und Indonesien! Ausnahmen: In den Tigerländer Korea und Taiwan nehmen die
Bekleidungsexporten deutlich ab.
Handelsbilanzen (vgl. Table 9.6):
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Alle europäischen Länder (außer Italien!) haben hohe Defizite. Das größte Defizit
haben die USA. Hingegen haben die Entwicklungs- und Schwellenländer in der Regel
Exportüberschüsse.
Damit besteht bei vielen Ländern ein Kontrast zum globalen Standortmuster der
Textilindustrie: Beispielsweise zeigt Deutschland einen Exportüberschuss von
Textilien, aber einen Importüberschuss von Bekleidung. Ein umgekehrtes Muster
zeigt Hongkong: Importüberschuss von Textilien, aber Exportüberschuss von
Bekleidung.
Es gibt aber auch gleichgerichtete Muster:
Exportüberschüsse bei Textilien und Bekleidung: Italien, Korea, Taiwan;
Importüberschüsse bei Textilien und Bekleidung: USA, Kanada, Großbritannien,
Japan.
Handelsmuster der Triade bei Bekleidung (Fig. 9.8):
Alle Triadenländer haben hohe Importüberschüsse, insb. aus „Asien“; darüber
hinaus: USA aus Lateinamerika, EU aus Osteuropa und Afrika; Japan aus China.
D.h.: Neben der globalen Verflechtung spielen „regionale“ Beziehungen eine
wichtige Rolle. Der Grund liegt aber weniger in den distanzabhängigen
Transportkosten, sondern vor allem in Unternehmensstrategien und politischen
Einflüssen.
Table 9.2: Zusammenfassende Sequenz von Entwicklungsstufen der TBI. Deutlich
werden Zusammenhänge zwischen Produktionstyp, Handelsmerkmalen und Ländern.
Anmerkung: Dies ist eine nützliche Typologie, deren Basis die historischen
Erfahrungen der Industrieländer sind. Insofern besitzt die Typologie aber auch kaum
einen prognostischen Wert! Beispielsweise ist die Situation in Deutschland viel
komplizierter (Textilexporte, Lohnfertigung in ehem. RGW-Ländern).
Nachfrage als Faktor der Restrukturierung
Die Bedeutung der Nachfrage gerade in diesem Sektor leuchtet wohl jedem ein, da
Bekleidung für den Endverbrauch produziert wird.
Wovon ist die Nachfrage abhängig? Primär von den Einkommen. D.h.:
Industrieländer mit hohen Einkommen sind die entscheidenden Absatzmärkte in
globaler Sicht. Allerdings steigt mit steigenden Einkommen die Nachfrage nach
Bekleidung leicht unterdurchschnittlich, d.h. die Einkommenselastizität der
Bekleidungsnachfrage liegt unter 1.
Besonders wichtig für die Stimulierung und Differenzierung der Nachfrage: Mode.
Mode ist natürlich kein „natürliches“, „urwüchsiges“ Phänomen, sondern ein
Produkt des Marketings.
Grundproblem des Bekleidungsmarktes: Bekleidung ist ein lebensnotwendiges Gut.
Zur elementaren Bedarfsdeckung genügt es i.d.R., sich ca. jährlich 1 Hose und 1
Hemd zu kaufen, nämlich dann, wenn die alte Bekleidung durchgescheuert ist.
Ökonomisch formuliert: Wenn sich die Nachfrage an diesem Faktum orientieren
würde, läge die Preis- und Einkommenselastizität bei nahe 0 und wäre damit ein
Alptraum für Hersteller und Anbieter.
Die Lösung dieses Grundproblems liegt in Marketingstrategien:
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a) rascher Modewechsel, möglichst jährlich im Produktionsrhythmus,
b) Globalisierung der Modetrends, d.h. Verschwinden nationaler bzw. kontinentaler
Moden, z.B. durch Film und Fernsehen;
c) Qualitäts- und Preissegmentierung: Etablierung von „Designermarken“, die
zumindest den Eindruck von Luxusgut erzeugen.
Folgen:
• Globale Homogenisierung der Nachfrage.
• zunehmende Differenzierung der Märkte zwischen Designer- und Modewaren
einerseits sowie Massenware andererseits.
• dem entspricht eine Differenzierung zwischen Einkommensgruppen und Ländern.
Die Rolle des Handels ist wichtig wegen der Marktmacht, da ein großer Teil des
Bekleidungsumsatzes in den Industrieländern auf die großen Warenhaus- und
Textilkaufhausunternehmen entfällt:
z.B. USA: Sears, K-Mart, Penney, Wal-Mart,
Japan: Daiei, Mitsukoshi, Daimaru, Ito Yokado;
D: Karstadt/Quelle/Sinn, Metro/Kaufhof, P & C;
international: C & A (NL), H & M (Schweden)
Dieser Oligopolisierung der Bekleidungsanbieter steht jedoch seit den 1980er Jahren
eine zunehmende Differenzierung der Märkte und Modeströmungen gegenüber.
Damit einher gehen zwei Einzelhandeltrends:
• Diffusion von Filialisten für bestimmte Teilmärkte wie z.B. Benetton (I), The
Gap (USA), Jigsaw (USA) usw.;
• kleine spezialisierte Modehäuser für fluktuierende Teilmärkte.
Die Anbieter sind erfolgreich, wenn sie a) Marktnischen finden und b) sehr flexibel
auf modebedingte Nachfrageschwankungen reagieren können. Die
Wertschöpfungskette erweist sich damit – wenigstens im Abschnitt „Bekleidung“ –
als eine typisch „buyer driven chain“.
Produktionskosten als Faktor der Restrukturierung
Wie aus Fig.9.9 hervorgeht, besitzen die Produktionsfaktoren auf den einzelnen
Stufen der textilen Wertschöpfungskette eine ganz unterschiedliche Bedeutung.
Solange die Textil- und Bekleidungsindustrie im Wesentlichen in geschlossenen
Nationalökonomien organisiert war, führten diese Unterschiede nur zu
intranationalen regionalen Standortdifferenzierungen: Im Verlauf der industriellen
Entwicklung verlagerte sich die Bekleidungsindustrie vom Zentrum (z.B. Berlin) in
die in peripheren Regionen (z.B. Vogtland, Schuhindustrie in Pirmasens). Heute
resultieren daraus globale Standortdifferenerungen entsprechend den spezifischen
Faktorausstattungen der Länder.
Der wichtigste Einzelfaktor besteht in den Unterschieden der Arbeitskosten
(Fig.9.10):
• Riesige Unterschiede zwischen 25 (Dänemark, Deutschland) und 0,5 bis 1
(China, Mittelamerika), d.h. die Spannweite liegt bei dem Faktor 30-40!
• Zeitliche Verschiebungen: Japan gehört heute zur Spitzengruppe, verstärkt durch
die hohe Bewertung des Yen.
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• Neu hinzugekommen sind die ehemaligen RGW-Länder mit Lohnkosten bei 2-5 ;
d.h. sie konkurrieren mit den Entwicklungsländern.
• Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nicht die „rohen“ Stundenlöhne für die
Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind, sondern die sog. Lohnstückkosten (unit
labour costs), die den Output pro eingesetzten Arbeitskosten messen (also unter
Berücksichtigung der Arbeitsproduktivität einschl. Fehlzeiten,
Maschinenlaufzeiten usw.). Hierbei verringern sich die nationalen Unterschiede
etwas.
Der Arbeitskostenvorteil ist entscheidend bei der Produktion von Massen- und
Vorratsware (staple goods), sowohl in der Textil- als auch in der
Bekleidungsindustrie. Diese sind in der Regel in den peripher gelegenen
Entwicklungsländern lokalisiert.
Ein ganz anderes Standortmuster zeigen hingegen kurzlebige Marken- und
Modewaren: Deren Produktion ist in den Industrieländern und in den nahen
Niedriglohnländern (wie Portugal, Türkei, ehem. RGW-Länder) lokalisiert. Dabei
spielen reine Transportkosten eine gewisse Rolle (wegen der hohen
Flugfrachtkosten!), mindestens ebenso wichtig sind jedoch die ebenfalls von der
Distanz abhängigen Faktoren der Marktanpassungsgeschwindigkeit und der
Zuverlässigkeit der Lieferung, um z.B. während einer laufenden Saison auf plötzliche
Trends reagieren zu können.
Technologischer Wandel als Faktor der Restrukturierung
Vor allem in den Hochlohnländern stehen die Unternehmen unter dem Druck,
Lohnkosten einzusparen. Dabei sind zwei Formen des technischen Wandels
relevant: a) Ersatz der Handarbeit durch Mechanisierung und Automatisierung, b)
Prozessinnovationen zur Beschleunigung der Produktion.
Beide Innovationstypen sind in der Textilindustrie wichtiger als in der
Bekleidungsindustrie. Sowohl in der Spinnerei als auch in der Weberei wurden in den
letzten 2 Jahrzehnten weitreichende Prozessinnovationen eingeführt, insbes. die
Open-End-Spinnmaschine und die sog. schützenlose Webmaschine. Diese
Prozessinnovationen führten zwar nicht zu einer grundsätzlichen Restrukturierung
der Produktionsstandorte, aber zu einem starken Anstieg der Arbeitsproduktivität
(und zu Beschäftigungsabbau).
Hingegen waren die Prozessinnovationen in der Bekleidungsindustrie viel geringer.
Hier entfallen ca. 80% der Arbeitskosten auf Nähen und Zusammensetzen, d.h. hier
hat die Automatisierung bisher nur zu geringem Produktivitätsfortschritt geführt (im
Gegensatz zu den vor- und nachgelagerten Stufen wie Zuschneiden, Lagerverwaltung
etc.).
Die wichtigsten Innovationen in der Bekleidungsindustrie sind bisher vor allem zur
Flexibilisierung der Produktion und zur Beschleunigung des Waren- (und Kapital)Umlaufs entwickelt und eingesetzt worden.
Beispiel Benetton: Die norditalienische Zentrale ist per Computer direkt mit allen
Benetton-Filialen in der ganzen Welt verknüpft. Dort ist das EPOS (electronic pointof-sale)-System installiert, so dass die Zentrale unmittelbar über Nachfragetrends
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informiert ist und ihrerseits die im Lohnauftrag gefertigte Produktion (sog.
Lohnveredlung) ohne Time lag steuern kann.
Die Flexibilisierung ist auch eine wesentliche Strategie zur Erhaltung der
Wettbewerbsfähigkeit der Textilindustrie in den Hochlohnländern. Z.B. hat sich die
Strategie der Betriebskonzentration zur Erzielung von Skalenerträgen als Fehlschlag
erwiesen, wie z.B. der Zusammenbruch der van-Delden-Gruppe in Gronau gezeigt
hat. Hingegen haben viele KMUs ihre Marktposition halten können, indem sie
hochspezialisierte Garne, Stoffe und andere Textilien sowie spezielle
Oberbekleidung anbieten, wobei die KMUs i.d.R. hochflexibel auf
Nachfrageschwankungen ausgerichtet sind.
Politik als Faktor der Restrukturierung
Die TBI hat nicht nur in der historischen Industrialisierung der IL eine wichtige
Rolle gespielt, sondern ist auch heute für die Industriepolitik vieler EL von
schlüsselhafter Bedeutung.
EL: - importsubstituierende Strategie des Aufbaus;
- exportorientierte Strategie zur Nutzung des komparativen
Arbeitskostenvorteils.
IL: - verschärfter internationaler Wettbewerbsdruck mit der Folge:
- Rationalisierung der bestehenden TBI;
- Handelsbeschränkungen zum Schutz vor „ruinöser Konkurrenz“.
Die übliche Politik in den IL (im Wesentlichen außer USA und D): Gezahlt werden
staatliche Beihilfen zur Restrukturierung, Modernisierung und zum „geordneten“
Kapazitätsabbau, z.B. I, UK, F, NL („freiwillige Euthanasie“); seit den 1970er
Jahren auch J, wo ein geordneter Rückzug und eine Umorientierung auf gehobene
Marktsegmente seit den 1970er Jahren vom MITI begleitet bzw. gesteuert wird.
Ähnliche Entwicklungen lassen sich inzwischen in Südkorea und Taiwan beobachten.
Alternative IL-Politik (insb. USA und D): Förderung der sog. OffshoreLohnveredlung, begleitet durch bilaterale Handelsabkommen (Besteuerung
beschränkt auf Mehrwert).
Der internationale Handel war traditionell stark reguliert durch internationale
Handelsabkommen. Der Ursprung lag in den 1950er Jahren, als Niedrigpreisimporte
insb. aus Japan (!) und Hongkong insb. auf die Märkte in den USA und GB drückten.
• 1962: LTA = Long Term Arrangement Regarding International Trade in Cotton
Textiles („Weltbaumwollabkommen“), mehrfach verlängert.
• 1974: MFA = Multi-Fibre Arrangement („Welttextilabkommen“). Dieses
Abkommen schloss die EG-Länder sowie andere Fasern ein. Ziel in Article 1 (2):
„to achieve the expansion of trade, the reduction of barriers to such a trade and
the progressive liberalization of world trade in textile products, while at the same
time ensuring the orderly and equitable development of this trade and avoidance
of disruptive effects in individual markets and on individual lines of production in
both importing and exporting countries.“
Interesse der EL: Öffnung der IL-Märkte; diese wollten jedoch nur jährliche
Steigerungen von 6% (1974) bzw. 3% (1978ff.) der Importe zulassen, um der
einheimischen Industrie die Chance zur Anpassung zu geben. Instrument: genaue
Importquoten für verschiedene Textilien und Bekleidungsgütergruppen. Das MFA
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wurde mehrfach verlängert und schließlich sukzessive in das WTO-Vertragswerk
einbezogen.
• Wirkungen: Freihandelsziel wurde stark überlagert vom Marktordnungsziel zum
Schutz der IL-Märkte; Abschwächung der Textil- und Bekleidungsexporte aus EL
in IL; stärkere wechselseitige Marktdurchdringung zwischen den Ländern der
Triade.
• Ergebnis der sog. Uruguay-Runde des GATT 1993: Ab 1995 erfolgt eine sukzessive
Integration des MFA in das GATT/WTO-Vertragswerk. Dabei zeichnet sich eine
klare politische Kontroverse zwischen den IL mit einem gemäßigten
Protektionismus aus innenpolitischen Rücksichten und den EL ab. Der
Kompromiss von 1993 sieht eine schrittweise Ausweitung des Marktzugangs bis
Ende 2004 vor.
Die Beurteilungen des WFA schwanken zwischen „intelligentem Liberalismus“ und
„Hydra des Protektionismus“. Schätzung: Das WFA blockiert ein Exportpotenzial
von ca. 11 Mrd $ bei den EL. Tatsache ist: Der Weltmarkt für Textilien und
Bekleidung ist weitgehend reguliert und weit entfernt von den idealisierten
Annahmen der klassischen Außenhandelstheorie. Im Übrigen gibt es zahlreiche
bilaterale Abkommen neben dem MFA, z.B. mit der VR China vor deren WTOMitgliedschaft.
Zusammenspiel der Faktoren und Unternehmensstrategien
Das komplexe Zusammenwirken der genannten Faktoren führt zu einer
fragmentierten Struktur und zu einigen Besonderheiten im Vergleich zu anderen
Industriezweigen (Deshalb ist Skepsis gegenüber generellen Theorien wie z.B. der
„Theorie der neuen internationalen Arbeitsteilung“ von FRÖBEL u.a. angebracht):
(1) Die Unternehmenskonzentration ist weniger weit vorangeschritten. Global
operierende TNCs spielen eine geringere Rolle (in der Textilindustrie mehr als in
der Bekleidungsindustrie). Teilweise überwiegen Prozesse, die zu einem relativ
größeren Erfolg von KMUs führen (flexible Netzwerke von KMUs nach dem
Vorbild des Dritten Italien; z.B. Seidenindustrie von Como, Wollindustrie von
Prato).
(2) In der TBI ist der klassische Prozess der TNC-Expansion durch FDIs eher
untypisch. Am ehesten ist er in der hochrationalisierten Faserproduktion zu
beobachten. Typisch sind vielmehr differenzierte Formen von Subcontracting,
Lohnfertigung und anderen Kooperationsformen unterschiedlicher Festigkeit
zwischen Unternehmen in anderen Ländern mit niedrigeren Arbeitskosten
(„offshore processing“).
Beginn insb. in den 1960er Jahren:
(a) Japanische sogo shosha bauen ein Netz von fest verbundenen, d.h. durch
Verträge oder auch Kapitalverflechtungen, Subunternehmen in Ost- und
Südostasien auf (als Reaktion auf das LTA 1962 und auf gestiegene Arbeitskosten
in Japan). Z.B. waren die 9 führenden sogo shosha 1980 in 150 Textilunternehmen
in Ost- und Südostasien engagiert.
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(b) Seit den 1960er Jahren setzt sich das Subcontracting insbesondere in der
Bekleidungsindustrie durch. Führend sind wieder die japanischen sogo shosha,
aber auch die US-amerikanischen und die deutschen Unternehmen.
(3) In der TBI entstanden neue, hochdifferenzierte Formen der räumlichen
Arbeitsteilung: Dispositive Funktionen einschl. Design und Vermarktung sind
zunehmend in den IL konzentriert. Während die textilen Vorprodukte aus EL
bezogen werden, sind Nähen und Zusammensetzen von Bekleidung
möglicherweise in anderen EL lokalisiert.
Dabei bilden sich klare regionale Muster aus:
J mit SE-Asien (Philippinen, Malaysia, Thailand),
USA mit Karibik,
D mit der süd- und osteuropäischen Peripherie und Nordafrika. Eine gewisse
Ausnahme ist Italien. Dort hielt sich lange fast ausschließlich die inländische
Produktion, inzwischen wird sie aber zunehmend auch nach Slowenien, Kroatien,
Malta etc. verlagert.
(4) Daneben bildet sich in der Bekleidungsindustrie ein globales sourcing pattern
heraus, das entlang einer Preis/Mode-Dimension strukturiert ist (vgl. Table 9.7):
Da die Wertschöpfungskette buyer driven ist, spielen im Hochpreissegment
globale Markenfilialisten wie Armani und Boss eine große Rolle. Nur sie lassen
noch (teilweise) in den IL produzieren. Dahinter kommen mehrere
Zwischenstufen bis zur anonymen Massenware, die aus den EL mit den
niedrigsten Löhnen kommt.
(5) In fast allen IL ist die Beschäftigung stark zurückgegangen, z.B.:
1963-1987: GB –780.000, D –564.000, F –520.000, USA –500.000.
Ursachen: zunehmende Konkurrenz durch Länder mit niedrigen Arbeitskosten,
aber auch hohe Produktivitätssteigerungen durch Prozessinnovationen (typisch
für „reife“ Industrien). Die Beschäftigung sank in der westdeutschen
Bekleidungsindustrie von 400.000 (1966) auf 95.000 (1995).
Die TBI ist häufig regional konzentriert; in Deutschland z.B. im Westmünsterland,
im Rheinland, im südlichen Württemberg, in Oberfranken sowie in Sachsen.
Beschäftigungsverluste sind dort konzentriert und regionalpolitisch besonders akut.
Im Vergleich zu anderen Industriezweigen lagen die Löhne in der TBI traditionell am
unteren Ende der Lohnskala, d.h. Faktor Arbeit war traditionell der maßgebliche
Standortfaktor. Durch die Erhöhung und Angleichung der Arbeitslöhne kam die TBI
speziell in Europa unter Druck. Die USA erlauben demgegenüber eine breitere
Spreizung der Löhne. Dadurch können teilweise niedrig entlohnte Arbeitsplätzen
(insb. in großen Städten insb. für Immigranten) erhalten werden. Dies sind die sog.
„sweatshops“. Kehrseite: große Disparitäten innerhalb der Metropolen.
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