Zentrales Riesenzellgranulom unter der Bild einer dentogenen

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Osteolyse im Kieferwinkel
Zentrales Riesenzellgranulom unter
dem Bild einer dentogenen Infektion
Felix Koch, Martin Kunkel
Fotos: Kunkel
Abbildung 1:
Klinischer Aspekt
des Patienten mit
der erkennbaren
Schwellung der linken
Unterwange
Ein neunjähriger Patient wurde mit einer
seit acht Wochen bestehenden schmerzhaften Schwellung in der linken Kieferwinkelregion vorgestellt. Alio loco war zunächst eine
Unterkiefer-Osteomyelitis aber auch eine
Parodontitis erwogen worden. Ein Therapieversuch mit einem oralen Cephalosporin
hatte zwar zu einer gewissen Besserung,
nicht aber zu einer vollständigen Rückbildung des Beschwerdebildes geführt.
Zum Zeitpunkt der Vorstellung in unserer
Klinik bestand eine mäßige, druckdolente
Schwellung über dem linken Kieferwinkel
(Abbildung 1), die palpatorisch einen recht
derben Kernbezirk in der Masseterregion
aufwies. Bei einem gepflegten Zahnstatus
konnte keine dentogene Ursachen für das
Beschwerdebild gefunden werden, alle
Zähne reagierten auf Kältereiz sensibel und
waren nicht auf Perkussion schmerzhaft.
Die Sensibilität des N. alveolaris inferior war
ungestört.
In der Röntgenuntersuchung (Abbildung 2)
fiel eine Osteolyse im linken Kieferwinkel
caudal der Anlage des Weisheitszahnes auf.
Diese Osteolyse war unscharf begrenzt und
erstreckte sich bis in die basale Kompakta
des Kieferwinkels. Eine Lageveränderung
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der Zahnkeime im Sinne eines verdrängenden Wachstums war nicht erkennbar. Die
Beziehung zum N. alveolaris war anhand
des OPG nicht zu erkennen.
Die sonographische Untersuchung (Abbildungen 3 a und b) zeigte die tatsächliche
Ausdehnung der Raumforderung, die zum
einen deutlich über das Knochenniveau
herausragend den M. masseter vorwölbte,
zum anderen zu einer tiefen Exkavierung
des Unterkiefers im Kieferwinkel geführt
hatte. Bei einer offensichtlich expansiv
In dieser Rubrik stellen Kliniker Fälle vor,
die diagnostische Schwierigkeiten aufgeworfen haben. Die Falldarstellungen
sollen den differentialdiagnostischen
Blick unserer Leser schulen.
wachsenden Läsion unklarer Ursache bestand daher die Indikation zur chirurgischen Exploration und Biopsie.
In einer Intubationsnarkose wurde der Befund von enoral dargestellt (Abbildung 4).
In der Tiefe des Zugangs zeigte sich ein
gelbliches Gewebe, das klar abgegrenzt
vom M. masseter aus einer größeren Knochenläsion nach masseterico-manibulär
vorwuchs. Der weiche granulomatöse Charakter des Gewebes (Abbildung 5) ließ an
ein Riesenzellgranulom oder eine Langerhans-Zell-Histiozytose denken, so dass in
gleicher Sitzung eine schonende Kürettage
als Primärtherapie angeschlossen wurde.
Die histopathologische Aufarbeitung des
entnommenen Gewebes zeigte ein zellund gefäßreiches fibrovaskuläres Stroma
mit zahlreichen eosinophilen Granulozyten
und einzelnen multilokulären Riesenzellen
Abbildung 2: Radiologischer Befund: Das OPG zeigt caudal der Zahnanlage 38 eine inhomogene
und unscharf begrenzte Osteolyse, die sich teilweise bis in die basale Kompakta des Unterkiefers
erstreckt.
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vom osteoklastären Typ (Abbildung 6).
Abschließend wurde die Diagnose eines
zentralen Riesenzellgranuloms gestellt.
Diskussion
Im Gegensatz zum sehr seltenen echten
Riesenzelltumor wird das zentrale Riesenzellgranulom heute überwiegend als
eine nicht neoplastische Veränderung
des Knochens gewertet [Sciubba et al.,
Abbildung 3: Sonographischer Befund: Die Sonographie (A) zeigt den raumfordernden Charakter der
2001], die vor allem im Kindesalter und
Läsion mit Vorwölbung in die masseterico-mandibuläre Logen und Destruktion der äußeren Kortikalisjungen Erwachsenenalter auftritt. Oblamelle des Unterkiefers. In der Gefäßdarstellung (B) wird die vaskuläre Versorgung innerhalb der
wohl eine Unterscheidung nach histoRaumforderung erkennbar.
morphologischen Kriterien bislang nur
ansatzweise gelingt, lassen sich vom kliniOsteolysen, die zumeist anlässlich einer unund auch Resorptionen benachbarter
schen Verhalten her sehr „aggressive“ und
abhängigen radiologischen Diagnostik als
Zahnwurzeln. Die aggressive Verlaufsform
„nicht aggressive“ Verlaufsformen des
Zufallsbefund erkannt werden. Im Gegenwird klinisch durch Schmerzen und rasch
Riesenzellgranuloms unterscheiden [Krusesatz dazu manifestieren sich die „aggressiprogrediente Schwellungen, gelegentlich
Lösler et al., 2006]. Bei den „nicht aggresven“ Verlaufsformen durch ein rasches exauch durch Sensibilitätsstörungen auffällig
siven“ Läsionen handelt es sich typischerpansives Wachstum mit teilweise umfangund erzwingt für die diagnostische Abgrenweise um asymptomatische, umschriebene
reicher Arrosion des kortikalen Knochens
zung zu echten Neoplasien eine umge-
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11 Prozent bis 50 Prozent ausgegangen werden muss [Bataineh
et al., 2002]. Wegen dieser hohen
Rezidivrate ist in den ersten Jahren
eine sechsmonatige Röntgenkontrolle zur etwaigen FrüherkenAbbildung 5: OP-Resektat. Es handelt sich um ein
nung ratsam. Bei mehrmaligem
weiches, zerfließliches Gewebe mit umschriebenen
Rezidiv, aggressivem Wachstum,
Einblutungen ohne erkennbare Kapselstrukturen.
sehr großen Läsionen oder multipel an mehreren Lokalisationen
auftretenden Befunden wird seit einigen
Für die Praxis zeigt der vorliegende Fall,
Jahren die systemische Gabe von Calcitonin
ähnlich wie die in Ausgabe 16 dieses Jahres
vorgeschlagen [Harris, 1993]. Die Ergebnisbeschriebene Langerhans-Zell-Histiozytose,
se einer aktuellen randomisierten Therapiedass sich hinter dem klinischen Bild einer
studie lassen aber bislang keine entscheischeinbaren (dentogenen) infektiösen
denden Unterschiede zur Placebo-KontrollSchwellung mitunter seltene Krankheitsbilgruppe erkennen [de Lange et al., 2006]
der verbergen können. Immer dann, wenn
Abbildung 6: Histologie.
In der HE Färbung
(Originalvergrößerung
400x) zeigen sich richtungsweisend Riesenzellen vor dem Hintergrund
eines zellreiches Gewebes mit einem dichten
eosinophilen granulozytären Infiltrat.
Das histologische Präparat wurde freundlicherweise von Dr. Coerdt,
Institut für Kinderpathologie der Johannes
Gutenberg-Universität
Mainz, zur Verfügung
gestellt.
Abbildung 4: Intraoperativer Aspekt des
Befundes: Es zeigt sich ein gegenüber dem M.
masseter abgegrenztes Gewebe, dass offensichtlich expansiv aus dem Knochen wächst.
hende histologische Sicherung. Eine morphologische histologische Differenzierung
zum „braunen Tumor“ bei Hyperparathyreoidismus ist nicht sicher möglich. Daher
muss diese systemische Erkrankung grundsätzlich durch die laborchemische Bestimmung von Phosphat, Calcium und PTH ausgeschlossen werden [Thorwarth et al.,
2004].
In der frühen Phase der Erkrankung kann
die lokalisierte schmerzhafte Schwellung als
odontogene Infektion fehlgedeutet werden, insbesondere, wenn im Gegensatz
zum vorliegenden Fall potentielle odontogene Infektionsursachen ausgemacht werden können.
Therapeutisch stellt die schonende Kürettage die Therapie der ersten Wahl dar, obwohl
insgesamt von einer hohen Rezidivrate von
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zm 96, Nr. 21, 1. 11. 2006, (2872)
Fazit für die Praxis
■ Das zentrale Riesenzellgranulom ist
eine von der Entstehung bislang ungeklärte Knochenläsion, die gerade bei jungen Patienten eine wichtige Differentialdiagnose von Osteolysen darstellt.
■ Das klinische Verhalten ist sehr unterschiedlich, es werden „aggressive“ und
„nicht aggressive“ Verlaufsformen beobachtet, die bisher morphologisch aber
nicht klar voneinander abgegrenzt werden können.
■ Die Therapie der Wahl ist die schonende Kürettage, ein therapeutischer
Effekt der Calcitoningabe ist bisher nicht
gesichert.
keine eindeutigen dentogenen Infektionsursachen erkennbar werden oder aber die
Rückbildung der Symptomatik nach Therapie nicht in einem angemessenen Zeitraum
erreicht ist, müssen weitergehende diagnostische Überlegungen angestellt werden.
Dr. Felix Koch
Prof. Dr. Dr. Martin Kunkel
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität
Augustusplatz 2
55131 Mainz
[email protected]
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