4Nahrungspflanzen

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Nahrungspflanzen
4.1
Kohlenhydratliefernde Pflanzen . . . 69
4.1.1
4.1.2
4.1.3
4.1.4
4.1.5
Stärkeliefernde Pflanzen . . . 70
Saccharoseliefernde Pflanzen . . . 105
Oligosaccharidliefernde Pflanzen . . . 112
Fructanliefernde Pflanzen . . . 112
Kohlenhydratpolymerliefernde Pflanzen . . . 114
4.2
Eiweißliefernde Pflanzen . . . 118
4.2.1
4.2.2
Eiweißreiche Mikroalgen . . . 119
Eiweißreiche Samen . . . 120
4.3
Fett- und ölliefernde Pflanzen . . . 131
4.4
Obstliefernde Pflanzen . . . 157
4.4.1
4.4.2
Beerenobst von weltwirtschaftlicher Bedeutung . . . 158
Tropisches Beerenobst von überregionaler
Bedeutung . . . 179
Beerenobst der gemäßigten Breiten . . . 183
Steinfrüchte der Gattung Prunus . . . 187
Tropische Steinfrüchte . . . 191
Wildsteinobst . . . 194
Sammelfrüchte . . . 196
Fruchtverbände . . . 207
Hülsen . . . 213
Fruchtstielobst . . . 214
Samenobst: Samenmäntel und Samenschalen . . . 215
Samenobst: „Nüsse“ und „Kerne“ . . . 222
4.4.3
4.4.4
4.4.5
4.4.6
4.4.7
4.4.8
4.4.9
4.4.10
4.4.11
4.4.12
4.5
Gemüse- und salatliefernde Pflanzen . . . 231
4.5.1
4.5.2
4.5.3
4.5.4
4.5.5
4.5.6
4.5.7
4.5.8
4.5.9
4.5.10
4.5.11
Gemüse- und Salatfrüchte . . . 231
Blattgemüse und Blattsalate . . . 244
Blattstielgemüse . . . 262
Zwiebelgemüse . . . 264
Wurzelgemüse . . . 267
Knollengemüse . . . 272
Blütenstände als Gemüse . . . 277
Stängelgemüse . . . 279
Samengemüse . . . 282
Pilze . . . 284
Algengemüse und -salate . . . 287
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4
Genussmittelpflanzen . . . 288
4.6.1
4.6.2
4.6.3
4.6.4
Coffein und Theobromin enthaltende Pflanzen . . . 288
Nicotinhaltige Pflanzen . . . 299
Pflanzen für den Betelbissen . . . 301
Alkoholerzeugende Pilze . . . 303
4.7
Pflanzliche psychoaktive Drogen . . . 304
4.7.1
4.7.2
Ephedrinartige Alkaloide . . . 304
Halluzinogene . . . 305
4.8
Süßstoffliefernde Pflanzen . . . 309
4.9
Gewürzpflanzen . . . 312
4.9.1
Gewürzpflanzen, die vorwiegend etherische Öle
enthalten . . . 312
Gewürzpflanzen, die vorwiegend scharf schmeckende
Alkaloide enthalten . . . 336
Gewürzpflanzen, die vorwiegend Senfölglykoside
enthalten . . . 338
Schwefelhaltige Gewürzstoffe in Allium-Arten . . . 341
Pflanzen mit sauer schmeckenden Gewürzstoffen . . . 343
Gewürzpflanzen, die vorwiegend Bitterstoffe
enthalten . . . 344
Cumarinhaltige Gewürzpflanzen . . . 346
Gewürzpflanzen mit anderen Inhaltsstoffen . . . 347
4.9.2
4.9.3
4.9.4
4.9.5
4.9.6
4.9.7
4.9.8
4.10
Futterpflanzen . . . 349
4.10.1
4.10.2
4.10.3
Futtergräser . . . 349
Futterleguminosen . . . 349
Sonstige Futterpflanzen . . . 355
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4.6
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
Kohlenhydratliefernde Pflanzen
Kohlenhydrate wie Stärke und Zucker sind wichtige Nahrungsstoffe für
Mensch, Tier und Pflanze. Sie werden als energieliefernde Betriebsstoffe
für den Energiehaushalt und als Baustoffe für den wachsenden Körper benötigt. Als Primärproduzenten sind die Pflanzen in der Lage, durch Photosynthese Kohlenhydrate in den grünen Pflanzenteilen, insbesondere in den
Blättern selbst zu erzeugen. Pflanzen stellen somit die globale Versorgung
mit Kohlenhydraten durch die Photosynthese bei Zufuhr von Kohlendioxid,
Wasser und Lichtenergie sicher. Sie sind autotroph. Menschen und Tiere
hingegen sind heterotrophe Organismen. Sie sind darauf angewiesen, energiereiche organische Stoffe mit der Nahrung aufzunehmen. Neben tierischem Eiweiß nimmt der Mensch vor allem pflanzliche Nahrung und damit
Kohlenhydrate zu sich, die in Pflanzen in allen Zellen, besonders aber in
Speicherorganen wie Rüben, Knollen, Rhizomen, Samen und Früchten enthalten sind.
Letztlich gehen alle Kohlenhydrate aus dem Photosyntheseprodukt Glucose (Traubenzucker) hervor. Diese wird während des Tages in Form transitorischer Stärke vorübergehend in den Chloroplasten gespeichert und nach
Umwandlung in die Transportform Saccharose (Rohrzucker) insbesondere
nachts aus den photosynthetisch aktiven source-Geweben (engl. source =
Quelle) über die Phloembahnen der Leitbündel zu den Verbrauchsstellen
des Pflanzenkörpers abtransportiert. Verbrauchsstellen (engl. sinks) sind
alle wachsenden Gewebe und Organe der Pflanzen wie junge Sprosse, Blätter, Wurzeln, Früchte und Samen, vor allem aber die Speichergewebe der
Knollen, Rüben und Samen. In den Speicherorganen kann die Saccharose als
solche gespeichert werden, z. B. bei der Zuckerrübe; meist jedoch wird sie
in Glucose zurück verwandelt und zu der polymeren Kohlenhydratspeicherform Stärke polymerisiert. Stärke wird in Stärkekörnern gespeichert.
Asteraceae und einige Monokotyledonen speichern keine Stärke, sondern
reichern Fructane in den Vakuolen ihrer Speichergewebe an. Ein Teil der
assimilierten Kohlenhydrate wird in wachsenden pflanzlichen Organen
zu Cellulose polymerisiert und zum Aufbau der Zellwand verwendet. Cellulose ist für pflanzenfressende Tiere von hoher ernährungsphysiologischer
Bedeutung, da diese durch Symbiose mit den in ihrem Pansen (bei Wiederkäuern) oder anderen Teilen des Darmtraktes vorkommenden Bakterien
und Einzellern in der Lage sind, die Cellulose wieder zu Glucose abzubauen.
Termiten weisen ebenfalls solche Symbiosen auf, Menschen und fleischfressende Tiere dagegen vermögen Cellulose nicht direkt als Kohlenhydratquelle zu nutzen. Manche Pflanzen reichern andere Kohlenhydrate an, die
vom Menschen gern genutzt werden, so z. B. die in Meeresalgen vorkommenden Polysaccharide Agar, Carrageenan und Alginsäure.
Im Rahmen der Domestikation hat der Mensch kohlenhydratspeichernde
Pflanzen oder Teile von ihnen zunächst nur gesammelt, später, beim Übergang zur Sesshaftigkeit, hat er jedoch damit begonnen, sie anzubauen. So
wurden diese Pflanzen zu Kulturpflanzen, deren Erträge durch Auslese und
durch Züchtung erheblich verbessert werden konnten. Einige wurden zu
Weltwirtschaftspflanzen, während andere nur eine regionale Bedeutung
erlangten. Weitergehende Informationen zu den Kohlenhydraten und deren heutigen Bedeutung für Ernährung, Biotechnologie und Pflanzenzucht
sind auf Seite 49 dargestellt. Die Produktion pflanzlicher Kohlenhydrate,
die Anbaufläche und der Ertrag sind in Tabelle 4.1 aufgeführt.
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4.1
69
4 Nahrungspflanzen
Tab. 4.1
Produktion pflanzlicher Kohlenhydrate im Jahr 2005 (nach FAO 2006)
Pflanzenart
Produktion
in (1000 t)
Anbaufläche
in (1000 ha)
Ertrag
in t/ha
Mais (Zea mays)
Weizen (Triticum aestivum)
Reis (Oryza sativa)
Gerste (Hordeum vulgare)
Hirse (Sorghum bicolor)
Kleinhirsen (Millet-Hirsen)
Hafer (Avena sativa)
Roggen (Secale cereale)
Triticale (Triticum 6 Secale)
Buchweizen (Fagopyrum esculentum)
701 666
629 566
618 441
139 043
58 668
28 560
23 954
15 515
13 500
2 650
147 577
217 000
153 953
56 981
44 689
35 714
11 795
6 524
3 589
2 526
4,75
2,90
4,02
2,44
1,31
0,80
2,03
2,38
3,76
1,05
Kartoffel (Solanum tuberosum)
Maniok (Manihot esculentum)
Batate (Ipomoea batatas)
Kochbanane (Musa 6 paradisiaca)
Yams (Dioscorea spp.)
Taro (Colocasia esculenta)
Tannia (Xanthosoma saggitifolia)
323 103
203 062
129 392
33 350
39 857
10 587
422
18 622
18 674
8 750
5 290
4 443
1 841
49
17,35
10,87
14,79
6,30
8,97
5,75
8,56
1 291 686
240 984
857
19 688
5 418
120
65,61
44,48
7,13
Zuckerrohr (Saccharum officinarum)
Zuckerrübe (Beta vulgaris)
Weitere Zuckerlieferanten (Summe)
4.1.1
Stärkeliefernde Pflanzen
Zunächst werden die stärkeliefernden Pflanzen behandelt, die in aller Welt
größte Bedeutung haben, da sie die wesentliche Nahrungsenergieversorgung, im wahrsten Sinne des Wortes das „tägliche Brot“ bzw. im übertragenen Sinne die Grundlage der täglichen Nahrung darstellen. Kohlenhydratspeicher findet man bei Getreiden in den Samen, bei vielen anderen
Pflanzen in den vegetativen Überdauerungsorganen wie Knollen und Rüben. Samen sind oft aus biologischen Gründen (Verbreitung der Art und
Überdauerung ungünstiger Witterungsbedingungen) durch einen geringen
Wassergehalt bei Reife, verbunden mit langer, verlustarmer Lagerfähigkeit
charakterisiert. Der Stoffwechsel ist gemindert, die Verbrauchsrate an Speicherstoffen ist gering. Solche Eigenschaften haben Getreidesamen zu einer
Nahrungsreserve von globaler Bedeutung werden lassen, bei der eine hohe
Transportfähigkeit mit geringer Schadanfälligkeit kombiniert ist.
Ganz anders verhält sich die Situation bei Knollen und Wurzeln. Die Gewebe dieser Organe weisen durchweg einen hohen Wassergehalt und eine
recht hohe, temperaturabhängige Atmungsintensität auf. Diese Gewebe
werden leicht verletzt und auch durch Pathogenbefall während der Lagerung können hohe Verlustraten verursacht werden. Da aber der Ertrag der
Kohlenhydratproduktion dieser Nutzpflanzen grundsätzlich sehr hoch ist,
dienen diese Stärkespeicher vor allem der regionalen und unmittelbaren
Grundversorgung.
Stärke in Samen
Stärke findet sich neben Fett und Eiweiß im Speichergewebe vieler Samen.
Je nach Samen wird sie im Endosperm, Perisperm oder in den Keimblättern
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70
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
71
gespeichert. Bei den verschiedenen Getreidearten können die Früchte bei
der Reife nackt oder bespelzt sein.
Weizen, Triticum aestivum L.
Herkunft. Weizen wurde schon frühzeitig in Kultur genommen. Er liegt in
zahlreichen Formen vor. Wildformen wurden schon vor 8000 Jahren gesammelt, durch zufälligen Verlust, um die Behausung der Sammler herum,
ungewollt ausgesät und mehr zufällig als beabsichtigt eventuell etwas gepflegt. Schließlich wurde er bewusst angebaut und auf bestimmte Eigenschaften wie Größe, Festigkeit der Ährenspindel, Spelzfreiheit usw. ausgelesen.
Am Genom der heutigen Kulturarten des Weizens sind mehrere Wildarten
beteiligt. Die Heimat der Vorfahren des Weizens ist im eurasischen Gebiet
zu suchen. Durch Untersuchung der Chromosomenverhältnisse und durch
experimentelle Kreuzungen sowie molekularbiologische Studien, speziell
bezüglich der Speicherproteine, ergaben sich Hinweise auf die Zusammenhänge zwischen den heute bekannten Wild- und den Kulturarten (Tab. 4.2).
Biologie. Die Weizenpflanze ist ein einjähriges, meist unbegranntes Ährengras (Kolben- oder Zahnweizen im Gegensatz zum begrannten Bartweizen). Die aufrechte Ährenspindel des Weizens ist zweizeilig alternierend
mit Ährchen besetzt, die 3–6 Blüten umfassen (Abb. 4.1), wobei von diesen
meist nur drei Blüten Körner liefern. In der Regel bestäubt die Pflanze sich
selbst noch vor der Blütenöffnung.
Bei der Keimung, die an dem Auftreten der Koleoptile zu erkennen ist, verlängert sich, während das Primärblatt die Koleoptilenspitze duchbohrt, das
erste Internodium bis an die Erdoberfläche, wo nun bei gestauchter Achse
mehrere Blätter rosettig erscheinen. Während des Rosettenstadiums bestockt die Pflanze, d. h. die Seitentriebe entstehen. Danach beginnen die
Pflanzen Halme zu schieben und zu schossen, d. h. die Blütenstände (Ähren)
zu bilden. Unter Mitwirkung der assimilierenden oberen Blätter und SpelTab. 4.2
Abb. 4.1 Weizen (Triticum aestivum). a Blütenstand (Ähre) nach der Befruchtung. b Teilblütenstand:
Ährchen aus drei Blüten bzw. jungen Früchten. c Freigelegte Einzelblüte mit einem sich bereits zur Frucht
entwickelnden Fruchtknoten.
Weizen-(Triticum-)Arten (nach Schiemann)
diploide
Weizenarten
(Einkornreihe)
tetraploide
Weizenarten
(Emmerreihe)
hexaploide
Weizenarten
(Dinkelreihe)
Chromosomen (n)
n=7 =
ˆx
n = 14 =
ˆ 2x
n = 21 =
ˆ 3x
Chromosomen (2n)
2n = 14 (= 2x)
2n = 28 (= 4x)
2n = 42 (= 6x)
Wildform
bespelzt, brüchige Spindel
T. boeoticum
T. dicoccoides
(Wilder Emmer)
–
Kulturform
bespelzt, auf Druck
zerbrechliche Spindel
T. monococcum
(Einkorn)
T. dicoccon
(Emmer)
T. spelta
(Dinkel oder
Spelt)
Kulturform
unbespelzt zähspindelig
–
T. durum
(Hartweizen)
T. turgidum
(Rauhweizen)
T. aestivum
(Weichweizen,
Saatweizen)
n = haploider Chromosomensatz; x = Chromosomensatz der Ursprungsarten
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engl. wheat, franz. blé, ital. frumento, span. trigo
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
verwendete Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
4 Nahrungspflanzen
Abb. 4.2 Karyopsen von Triticum-Arten im Vergleich. a Saatweizen (T. aestivum). b Dinkel
(T. spelta). c Hartweizen (T. durum).
zen wachsen die Körner heran und treten über die Milchreife, wenn die
Blätter vergilben und die Körner noch milchig-weich sind (50 % Wassergehalt), in die Gelbreife (Wachsreife) ein. In diesem Stadium werden die Körner gelb und enthalten ca. 30 % Wasser. Bei der Vollreife sind sie bereits hart
und weisen 20–25 % Wasser auf. Früher wurde in diesem Stadium mit Bindemähern geerntet, wobei man die Garben zum Nachtrocknen bis zur Totreife (14–16 % Wassergehalt) stehen ließ. Heute bedient man sich zur Ernte
des Mähdreschers, mit dem man totreifen Weizen einbringt.
Die spelzenfreien Körner sind eiförmig-länglich, im Querschnitt rundlich,
gelblich gefärbt, auf der Rückenseite von einer Längsfurche durchzogen
und tragen am oberen abgerundeten Ende einen feinen Haarschopf
(Abb. 4.2 und Abb. 2.6, S.15).
Anbau, Standortansprüche. Als anspruchsvolle Pflanze verlangt Weizen
schwere, nährstoffreiche Böden, z. B. Lehmböden oder Schwarzerde mit hoher Wasserkapazität. Winterweizen kann bis –22 8 C vertragen und wird bei
uns im Oktober ausgesät. In Gebieten mit tieferen Wintertemperaturen
können nur Sommerweizen oder vernalisierter Winterweizen im Frühjahr
ausgebracht werden.
Während unter den bespelzten Formen Einkorn und Emmer heute eine sehr
untergeordnete Bedeutung haben, wird der vor 1900 in Deutschland weit
verbreitete Dinkel (Spelz oder Schwabenkorn; T. spelta L.) neuerdings, besonders in Südwestdeutschland, wieder stärker angebaut. Gegenüber
T. aestivum ist er weniger anspruchsvoll und kann auch auf flachgründigen
Gesteinsböden kultiviert werden. Infolge seiner langen Halme neigt er allerdings zum Lagern, und eine Ertragssteigerung durch Stickstoffdüngung
ist nicht möglich. Er ist zwar robust, winterhart, resistent gegen manche
Krankheiten und selbstverträglich, zeichnet sich jedoch durch Spindelbrüchigkeit aus, die schon auf dem Feld hohe Kornverluste bedingt. Der Hartweizen (T. durum DESF.) spielt als begrannter, wärmeliebender Sommerweizen, der mit weniger als 500 mm Niederschlag auskommt, vor allem im
Mittelmeergebiet und Vorderasien eine Rolle (er macht dort 10 % des Weltweizenanbaus aus). Dagegen steht der Saatweizen (T. aestivum L.; Abb. 4.1)
mit zahlreichen, meist unbegrannten Formen (Abb. 4.3a) weiterhin im Vordergrund (90 % des Weltweizenanbaus). Die Kultur findet sich bevorzugt in
den gemäßigten Zonen und geringer in den Subtropen aller Erdteile, während sie in den Tropen außer in großen Höhen fehlt. Die weltweite Produktion an Weizen ist im Anhang Tabelle 6.1 aufgeführt.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Wegen der Bespelzung der Körner ist beim
Dinkel vor der weiteren Verarbeitung ein zusätzlicher Arbeitsschritt, der
sogenannte Gerbgang, erforderlich, um die Körner von den Spelzen zu befreien. Dies war wohl auch die Ursache dafür, dass der Dinkel in Deutschland um 1900 durch den Saatweizen, T. aestivum, verdrängt wurde. Dinkel
liefert, im milchreifen Zustand geerntet, vorsichtig gedörrt und entspelzt
den sogenannten Grünkern, der in Form von Graupen, Grieß oder Mehl
als Suppeneinlage genutzt wird. Aus reif geernteten und voll vermahlenen
Körnern wird ein beliebtes Dinkelbrot gebacken. Dem Dinkel werden besondere Heilkräfte nachgesagt, was ihm im Rahmen der vollwertigen Ernährung in den vergangenen Jahren zu einer Renaissance verhalf. Aus
dem Mehl des Hartweizens und den daraus gewonnenen, wenig elastischen Teigen stellt man Teigwaren wie Nudeln, Makkaroni und Spaghetti
her.
Neben ca. 58 % Stärke enthält der Saatweizen 10–13 % Eiweiß (Tab. 4.3). Er
dient hauptsächlich als Brotgetreide, denn aufgrund seines hohen Klebergehaltes (spezifische Eiweißstoffe wie Gliadin und Glutenin, die „Fäden ziehen“ und kleben) ist Weizenmehl besonders zum Backen geeignet. Man
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72
73
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
Inhaltsstoffe von Getreidearten in 100 g essbarem Anteil (Mittelwerte) (nach Souci et al 1994)
Bestandteile
Weizen
(ganzes
Korn)
Wasser (g)
Eiweiß (g)
Fett (g)
Kohlenhydrate (g)
davon Stärke (g)
Ballaststoffe (g)
Mineralstoffe (g)
Vitamin B1 (mg)
Vitamin B2 (mg)
Nicotinamid (mg)
Pantothensäure (mg)
Vitamin B6 (mg)
Biotin (mg)
Folsäure (mg)
13,2
11,73
2,0
60,97
58,16
10,3
1,8
0,46
0,11
5,1
1,18
0,27
6,0
87,0
Roggen
(ganzes
Korn)
13,7
8,82
1,7
60,73
52,42
13,15
1,9
0,35
0,17
1,81
1,5
0,23
5,0
143,0
Triticale
(ganzes
Korn
entspelzt)
Gerste
(ganzes
Korn
entspelzt)
Hafer
(ganzes
Korn
entspelzt)
Reis
Mais
(unpoliert, (ganzes
entspelzt) Korn)
Rispenhirse
(geschältes Korn)
SorghumHirse
(ganzes
Korn)
12,31
12,92
2,48
63,69
–
6,74
1,87
0,36
0,32
2,10
0,67
–
–
17,0
11,7
9,84
2,1
64,31
64,30
9,80
2,25
0,43
0,18
4,80
0,68
0,56
–
65,0
13,0
11,69
7,09
59,8
56,58
5,57
2,85
0,52
0,17
2,37
0,71
0,96
13,0
33,0
13,1
7,22
2,20
74,06
72,7
2,22
1,20
0,41
0,091
5,20
1,70
0,275
12,0
16,0
12,1
9,84
3,90
68,76
60,00
3,80
1,60
0,433
0,109
1,80
–
0,519
–
–
11,4
10,3
3,20
69,65
–
3,70
1,75
0,433
0,15
3,30
–
–
–
–
unterscheidet nach den Klebereigenschaften drei Stufen, A–C, mit hoher,
mittlerer und geringer Kleberqualität, von denen die mittlere die besten
Backeigenschaften aufweist. Diese Eigenschaften kann auch durch Mischung der beiden anderen Stufen erreicht werden. Westeuropäische Weizensorten haben hauptsächlich eine geringe Kleberqualität, die Sorten mit
hoher Qualität stammen vor allem aus Nordamerika. Auf die speziellen
Eigenschaften der Speicherproteine wird auf Seite 53 eingegangen.
Mit steigendem Ausmahlungsgrad (Ausbeute; Verhältnis des gewonnenen
Mehls zum gemahlenen Getreide in %) erhöht sich der Asche- und Vitamingehalt des Mehls. Der Aschegehalt wird als Typenzahl in mg Asche pro
100 g wasserfreien Mehls angegeben (z. B. Type 405, 812, 1200, 1600). Je
höher die Typenzahl ist, umso dunkler erscheint das Mehl und umso wertvoller ist es in ernährungsphysiologischer Sicht. Weizen kann ferner zu
Graupen, Grieß und Grütze (zerkleinerte Graupen) vermahlen und das
Mehl zu Teigwaren verarbeitet werden. Auch dient er zur Herstellung
von reiner Stärke, Weizenbier und Kornbranntwein.
Die Erträge sind durch neue Züchtungen, intensive Düngung und mechanische bzw. chemische Unkrautbekämpfung seit 1950 im Weltmittel von
0,99 auf (2005) 2,9 t/ha gestiegen. Bei uns belaufen sich die Erträge
(2003) für Sommerweizen im Mittel auf 5,2 t/ha, für Winterweizen auf
ca. 5,8 t/ha. Für 2005 gibt die FAO für die Bundesrepublik einen Weizendurchschnittsertrag von 7,4 t/ha an. Die Weltproduktion und die wichtigsten Anbauländer sind in Tabelle 6.2 im Anhang aufgeführt.
12,5
8,54
3,80
64,06
61,45
9,2
1,30
0,36
0,20
1,50
0,65
0,40
6,0
26,0
Abb. 4.3 Getreideähren im Vergleich. a Weizen
(Triticum aestivum). b Roggen (Secale cereale). c Zweizeilige Gerste (Hordeum vulgare).
Roggen, Secale cereale L.
engl. rye, franz. seigle, ital. segale, span. centeno
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
verwendete Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
Herkunft. Roggen steht in der Reihenfolge der Weltanbauflächen und der
Produktion an untergeordneter Stelle der Weltgetreidearten (Tab. 6.1 im
Anhang). Dennoch ist er eine wichtige Nahrungspflanze, besonders im
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Tab. 4.3
4 Nahrungspflanzen
Abb. 4.4 Roggen (Secale cereale). a Ähren im Bestand. b Früchte (Karyopsen).
nördlichen Europa. Aus seiner Urheimat, vermutlich im Kaukasusgebiet, ist
er als Unkraut des Weizens wahrscheinlich über Kleinasien nach Europa
gelangt, wo er etwa 1000 v. Chr. in Kultur genommen wurde und eine sogenannte sekundäre Kulturpflanze darstellt. Meist werden Sorten mit
2n = 14 Chromosomen angebaut, Tetraroggen mit 2n = 28 Chromosomen
gibt es im Anbau dagegen fast nicht mehr, da er keine Vorteile erbrachte.
Biologie. Roggen wird zwar einjährig kultiviert, kann aber auch noch einmal im 2. Jahr austreiben. Er ist ein Ährengras, das 1,5–2 m hoch werden
kann, und trägt an seinen 8–16 cm langen vierkantigen, zur Blütezeit leicht
überhängenden dichten Ähren zweiblütige Ährchen (s. Abb. 4.3 und
Abb. 4.4a). Die Deckspelzen sind lang begrannt, und die Blätter und Ährchen sind blaugrün gefärbt. Die runzeligen Körner sind spelzenfrei, länglich
(Abb. 4.4b), im Querschnitt dreieckig und grünbläulich gefärbt. Sie besitzen
auf der Rückenseite eine tiefe Längsfurche.
Anbau, Standortansprüche. Obwohl es Sommer- und Winterformen gibt,
haben nur die letzteren größere wirtschaftliche Bedeutung. Geringe Wärmebedürfnisse, hohe Winterfestigkeit und relativ bescheidene Bodenansprüche – Roggen gedeiht selbst auf nährstoffarmen sandigen Böden – ermöglichen, dass die Pflanze bei Niederschlägen von 700 mm im hohen Norden wie in Bergregionen, wo kein Weizen wächst, noch gute Erträge liefert.
Roggen wird Ende September gesät und bildet dann 2–3 Blätter aus. Durch
die Kälteeinwirkung im Winter wird er zur Blütenbildung stimuliert und
schiebt seine Halme im Mai/Juni. Roggen, über dessen Felder zur Blütenzeit
dichte Pollenschwaden ziehen, ist ein ausgesprochener Fremdbefruchter.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Ernte erfolgt bei Totreife mit Mähdreschern. Der Endwassergehalt soll, wie auch für andere Getreidearten üblich, bei 14 % oder deutlich niedriger liegen.
Roggen wird hauptsächlich als Brotgetreide verwendet. Seine Inhaltstoffe
sind in Tabelle 4.3 angeführt. Das kleberarme aber pentosanreiche Roggenmehl ist dunkler als Weizenmehl. Roggenbrot hält die Feuchtigkeit relativ
lange und wird daher mit Sauerteig als Vorratsbrot gebacken. Geringe Mengen des Roggens dienen auch als Kaffee-Ersatz und zur Kornbranntweinherstellung. Daneben wird Roggen auch als Grünfutter genutzt.
Die Erträge schwanken je nach Standort und Bodengüte stärker als bei anderen Getreidearten, zumal der Roggen als Windbestäuber von der Wetterlage während der Blütezeit abhängig ist. Auf armen Böden bringt er
0,8–1,2 t/ha. Das Ertragsmittel lag in der Bundesrepublik 2005 bei
5,1 t/ha, weltweit bei 2,4 t/ha. Die wichtigsten Anbauländer nach Produktion und Ertrag nennt Tabelle 6.3 im Anhang.
Triticale, Gattungshybride aus Weizen und Roggen
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
verwendete Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
Abb. 4.5
Karyopse von Triticale.
Eine durch Kreuzung erzielte Gattungshybride aus Weizen und Roggen,
Triticale (Triticum 6 Secale), wird mittlerweile schon in vielen Ländern angebaut. Sie ist nicht nur frostresistenter als Weizen und gegen verschiedene
Krankheiten widerstandsfähiger, sondern seine Karyopsen (Abb. 4.5) weisen auch einen um 2–3 % höheren Eiweißgehalt auf (Tab. 4.3). Die Eignung
als Brotgetreide wird zurzeit untersucht und der Einsatz als Energiepflanze
ebenfalls in Betracht gezogen. Im Jahr 2005 wurden in Deutschland auf
ca. 500 000 ha bei 5,7 t/ha 2 741 000 t Triticale-Körner geerntet, die zumeist
als Futter verwendet wurden (Tab. 6.4 im Anhang).
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
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Gerste, Hordeum vulgare L.
Herkunft. Unter allen Getreidearten scheint die Gerste (Abb. 4.6) am frühesten in Kultur genommen worden zu sein. Sie kommt wie Roggen aus dem
vorderasiatischen Raum und leitet sich von der Wildart H. spontaneum
KOCH ab. Von den Sumerern schon um 5000 v. Chr. angebaut, hat sie
sich unter starker Formenaufspaltung und Einkreuzung von mindestens
einer weiteren Wildart, H. agriocrithon ÅBERG, zunächst im Nahen Osten
und in Mitteleuropa, aber auch im Fernen Osten ausgebreitet. Nach der Entdeckung Amerikas gelangte sie auch auf diesen Kontinent. Heute findet sie
sich vor allem im gemäßigten Klima, dringt aber weiter nach Norden und
Süden vor als der Roggen und gedeiht sowohl in den Subtropen als auch in
Hochländern der Tropen, wie z. B. in den Anden und im Himalaya. Ihre
Chromosomenzahl beträgt 2n = 14.
Biologie. Man unterscheidet zwei Gerstenformen, die zweizeiligen mit größeren Körnern und die mehrzeiligen mit 4–6 Zeilen meist kleinerer Körner.
Bei allen Gerstenformen stehen die Ährchen an der Ährenachse alternierend auf zwei Seiten. Je Spindelabsatz finden sich drei einblütige Ährchen,
jedes mit zwei schmalen, grannig zugespitzten Hüllspelzen. Während aber
bei den zweizeiligen Gersten jeweils nur die Mittelblüte fertil ist und daher
von oben gesehen nur zwei Reihen von Körnern sichtbar werden, bringen
bei den mehrzeiligen auch die beiden seitlichen Blüten Früchte hervor. Ist
die Ähre sehr dicht, so lassen sich deutlich sechs Zeilen von Körnern erkennen. Bei lockeren Ähren dagegen ist zwischen den Spindelstufen genügend
Platz, dass sich jeweils die Außenährchen jedes Spindelabsatzes so weit
nach außen schieben, dass der Eindruck von vier Zeilen entsteht (Abb. 4.7).
Viele Gerstensorten besitzen bei geringer Halmlänge überhängende Ähren.
Ihre Deckspelzen sind sehr lang begrannt (Abb. 4.6), doch gibt es auch grannenlose Formen. Mit Ausnahme der Nackt- oder Kaffeegerste sind die
Früchte mit der Deck- und Vorspelze fest verwachsen (s. Abb. 4.3, S. 73)
und lösen sich selbst beim Dreschen nicht heraus.
Anbau, Standortansprüche. Sommer- und Winterformen unterscheiden
sich in der Länge der Vegetationsdauer und in den Temperaturansprüchen.
Sommergerste reift in ca. 95 Tagen auch bei nicht sehr hohen Temperaturen
und ist daher für den hohen Norden geeignet. Ferner stellt Sommergerste
geringere Bodenansprüche und kann deshalb noch in sommertrockenen
Gebieten wie Nordafrika gedeihen. Wintergerste bedarf einer Kälteperiode
zur Blühinduktion und ist in der weiteren Entwicklung anspruchsvoller als
Sommergerste. So bevorzugt Wintergerste mildere Klimate und braucht
länger bis zur Reife. Wintergerste wird Ende September gesät, Sommergerste von März bis April. Gerste reift vor Weizen und Roggen. Gerste
ist ein Selbstbestäuber oder sogar kleistogam, d. h. ihre Blüten bestäuben
sich schon vor der Entfaltung selbst.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Ernte erfolgt bei Gelb- bis Vollreife. Die
Nutzung der Gerste gliedert sich in drei Bereiche. In vielen Ländern mit extremen Klimaten, z. B. in Tibet, dient sie als Brotgetreide oder liefert Graupen
und Grütze für Breie und Suppen, wobei Graupen entspelzte und polierte
Körner, Grütze zerkleinerte Graupen darstellen. Die zweite Nutzungsform
ist die Verwendung als Körnerfutter, z. B. in der Geflügel- und Schweinemast, wobei hoher Proteingehalt erwünscht ist. Für beide Bereiche werden
vor allem mehrzeilige Gerstenformen angebaut. Die Inhaltsstoffe sind in
Tabelle 4.3 (S. 73) angeführt.
Abb. 4.6 Gerste (Hordeum vulgare). a Reife Ähren.
b Bespelzte Karyopsen.
Abb. 4.7 Gerste (Hordeum vulgare). a Teilblütenstand eines Spindelabsatzes mit drei einblütigen Ährchen. Die anderen Teilabbildungen sind schematische
Querschnitte einer zweizeiligen (b), vierzeiligen (c)
und sechszeiligen (d) Gerstensorte. Die um eine Spindelstufe tiefer liegenden Ährchendrillinge sind gepunktet dargestellt.
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engl. barley, franz. orge, ital. orzo, span. cebada
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
verwendete Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
Abb. 4.8
sativa).
4 Nahrungspflanzen
Blütenstand (Rispe) von Hafer (Avena
Der dritte Bereich betrifft die Verarbeitung als Braugerste. Hierfür werden
besonders Sorten der zweizeiligen Sommergersten eingesetzt, da sie die
Anforderungen der Brauerei am besten erfüllen, nämlich volles bauchiges
Korn, geringen Eiweißgehalt, möglichst unter 9 % und nicht über 12 %, und
hohen Extraktgehalt, d. h. einen Stärkegehalt nicht unter 65 %. Aus den
Gerstenkörnern entsteht nach Ankeimen und Trocknen auf der Darre
das Malz als Grundlage der Bierbrauerei. Beim Keimen wird im Korn das
Enzym Amylase gebildet, die im nachfolgenden Brauvorgang in der Maische (mit Wasser eingeteigtes Malz) die Stärke in Malzzucker (Maltose)
spaltet, sodass die süße Würze entsteht. Diese wird von dem Treber,
dem unlöslichen, als Tierfutter dienenden Rückstand, abfiltriert. Man kocht
die Würze mit Hopfen zur bitteren Würze, die dann mit Hefe zu Bier vergoren wird. Rund 10 % der Gerstenwelternte werden für die Brauerei genutzt, wobei 1 t Gerste ca. 750 kg Malz oder 40 hl Bier ergibt. Außerdem
wird Gerste zur Erzeugung von Kornbranntwein und Whisky sowie in
der speziellen Form der Nacktgerste zur Gewinnung von Gerstenkaffee
als Kaffee-Ersatz gebraucht.
Wintergerste liefert 1,4–6,4 t/ha, im Mittel bei uns 6,0 t/ha. Die wichtigsten
Anbauländer und ihre Produktion sind in Tabelle 6.5 im Anhang wiedergegeben. Die Produktion hat sich seit 1950 nahezu vervierfacht, und die
Erträge erhöhten sich im Weltmittel von 1,1 auf 2,44 t/ha im Jahr 2005.
Hafer, Avena sativa L.
engl. oat, franz. avoine, span. u. ital. avena
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
verwendbare Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
Herkunft. Als vierte Getreideart besonders der nördlichen gemäßigten
Zone ist der Hafer zu nennen. A. sativa ist hexaploid (2n = 42 Chromosomen) und leitet sich wohl von der Wildart A. fatua L., dem Flughafer, vielleicht auch von A. sterilis L. ab. Er ist wie der Roggen als Unkraut aus der
eurasischen Urheimat nach Mitteleuropa gelangt und dann erst als sekundäre Kulturpflanze angebaut worden. Daneben gibt es noch weitere diploide und tetraploide Kulturarten, die jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung haben, wie z. B. A. nuda L., der Rauhafer in Portugal und Spanien, und
A. byzantina K. KOCH in warmen Ländern wie Nordafrika und in den Südstaaten der USA.
Biologie. Hafer ist ein einjähriges Rispengras mit einer 15–30 cm langen
allseitswendigen Rispe, deren zum Teil abermals verzweigte Rispenäste
schwach abwärts hängen (Abb. 4.8). Sie tragen an der Spitze Ährchen
mit meist 2–3 Blüten, von denen in der Regel nur zwei fruchtbar sind
(Abb. 4.9a). Hafer ist ein Selbstbestäuber, auch wenn die Blüten sich öffnen.
Die spindelförmigen, tiefgefurchten Körner sind bei der Reife mit der kurzbegrannten Deckspelze und der Vorspelze fest verwachsen (Abb. 4.9b).
Anbau, Standortansprüche. Zur Entwicklung benötigt der Hafer feuchtkühles Klima und regelmäßige Wasserversorgung. Hinsichtlich der Bodenansprüche ist er bescheiden.
Abb. 4.9 Ährchen und Karyopsen von Hafer. a Links: Drei Teilblütenstände (Ährchen); rechts: zweiblütige Ährchen, unten ganz, oben zerlegt. Die zweite Blüte ist
nicht befruchtet. b Links und Mitte: bespelzte Karyopse; rechts: Spelzen entfernt.
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
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Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Ernte erfolgt bereits bei Gelbreife, weil
die Körner später leicht ausfallen. Der wertvollen Inhaltsstoffe wegen
(s. Tab. 4.3, S. 73) dient Hafer vor allem als vorzügliches Tierfutter für Pferde
und Geflügel. Da die Körner wegen des Klebermangels zur Brotherstellung
kaum geeignet sind, nutzt man sie nach dem Entspelzen, Schälen und
Darren in gewalzter Form als Haferflocken, die roh oder gekocht verzehrt
werden und leicht verdaulich sind, in zerschnittener Form als Hafergrütze
und geröstet und gemahlen als Hafermehl für Suppen. Wegen des hohen
Ballaststoffgehaltes werden Haferflakes (Hafermehl in kleinen Pressformen) in der Diätetik eingesetzt.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist der Haferanbau erheblich zurückgegangen, zum Teil als Folge der Motorisierung und der dadurch verminderten Haltung von Zugpferden. Seit 1964 scheint der Rückgang gestoppt, zunächst vermutlich wegen der vermehrten Reitpferdehaltung, danach auch wegen der Verwendung als Bestandteil von Müsli. Hafer rangierte im Weltanbau 1939 nach Weizen und Mais noch an dritter Stelle,
liegt jetzt aber an siebter Stelle (Tab. 6.6 im Anhang).
Reis, Oryza sativa L.
engl. rice, franz. riz, ital. riso, span. arroz
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
verwendete Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
Herkunft. Die Heimat von Reis ist nicht genau bekannt. Als mögliche
Stammform des Kulturreises wird die in Indien existierende O. fatua
KOEN, ex TRIN., angesehen. Eine zweite Kulturform, O glaberrima STEUD., wird
noch geringfügig am Niger in Afrika angebaut. Wahrscheinlich wurde
O. sativa ca. 3000 v. Chr. in Kultur genommen, ob in Indien oder China
ist noch ungeklärt. Von dort hat sich der Reisanbau nach Japan, Indonesien
bis Persien ausgedehnt. Ins Mittelmeergebiet gelangte der Reis erst um 800
v. Chr. In Virginia in den USA wurde er 1647, in Brasilien um 1750 eingeführt.
Biologie. Reis ist ein mehrjähriges, in der Kultur aber überwiegend einjährig gehaltenes Rispengras, das schon ca. 20 Tage nach der Aussaat zu bestocken beginnt. Beim Schossen bilden die bis zu 1,8 m hohen Halme anfangs nur Niederblätter als Blattscheiden aus, während sich bei den folgenden Blättern der Spreitenanteil erhöht und schließlich bis zu 50 cm lang
sein kann. Die mitunter 50 cm lange Rispe (Abb. 4.10) trägt an ihren Ästen
der Anlage nach dreiblütige Ährchen, doch entwickelt sich nur die terminale zwittrige Blüte, die sechs Staubblätter aufweist, im Gegensatz zu anderen Gräsern mit zumeist drei Staubblättern. Jedes Ährchen wird von zwei
größeren unteren Hüllspelzen und zwei stark reduzierten oberen Spelzen,
den Deckspelzen der beiden unterdrückten Blüten, umhüllt (Abb. 4.11). Die
Deckspelze der terminalen Blüte ist meist begrannt und verwächst ebenso
wie die Vorspelze mit der Frucht, sodass bespelzte Körner geerntet werden.
Die Blüten öffnen sich zwar, bestäuben sich aber zu 96 % selbst.
Die Zahl der Varietäten ist außerordentlich groß. Man unterscheidet drei
Gruppen: indica mit unbegrannten, etwas kleineren länglichen Körnern, japonica mit begrannten, größeren rundlichen Körnern und indo-japonica
(oder javanica) als Zwischengruppe. Von diesen Formen wird ein geringer
Teil als Berg- oder Trockenreis wie andere Getreide auf Feldern, der überwiegende Teil aber als Bewässerungsreis (Nassreis) angebaut.
Anbau, Standortansprüche. Reis wird in den Tropen und Subtropen angebaut. Die Reiskultur ist zwischen 45 Grad nördlicher und 40 Grad südlicher
Abb. 4.10
Fruchtstand von Reis (Oryza sativa).
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4 Nahrungspflanzen
Abb. 4.11 Karyopse (Frucht) von Reis. a Ausschnitt aus einer Rispe. b Zwei Karyopsen einer Rispe.
c Längsschnitt durch die Karyopse.
Breite möglich, setzt eine Temperatur von 25–40 8 C voraus und verlangt
wegen der starken Transpirationsintensität der Pflanzen hohe Wasserzufuhr. Diese muss entweder durch Niederschläge oder durch Bewässerung
gesichert sein. Trockenreis, der bis in Höhen von 2000 m über NN gut
wächst, kommt im Mittel mit 18 8 C aus und benötigt ebenfalls hohe Niederschläge. Nachtfröste verträgt der Reis nicht. Hohe Lichtintensitäten sind für
ausreichende Assimilationsleistungen zur Zeit der Bestockung und Bewurzelung im Frühstadium und während der Fruchtentwicklung notwendig.
Der Boden soll humusreich, schwer und lehmig sein. Beim Bewässerungsreis stehen die Pflanzen im Schlamm wie in einer Nährlösung. Die Nährstoffansprüche sind nicht sehr hoch, doch ist Phosphor- und Stickstoffdüngung angebracht, sofern nicht Blaualgen (z. B. Nostoc) oder der in seinen
Blättern mit der Blaualge Anabaena in Symbiose lebende Wasserfarn Azolla
in die bewässerten Felder eingebracht werden. Sie binden wie Knöllchenbakterien den Luftstickstoff und tragen den Stickstoff mit der Biomasse von
Azolla in die Reiskultur ein.
Durch die niedrigen Arbeitslöhne im asiatischen Raum ist die ursprüngliche Direktsaat vielfach durch das arbeitsintensivere Auspflanzen von in
Saatbeeten vorgezogenen Jungpflanzen ersetzt worden. Diese Methode
bringt bessere Erträge und macht unter Umständen pro Jahr einen dreimaligen Anbau möglich. Mit modernen Maschinen wie in den USA ist man jedoch an Direktsaat gebunden. Beim Bewässerungsreis muss das Feld nach
dem Auflaufen bzw. Auspflanzen nach und nach bis zu 15 bis 30 cm Höhe
geflutet werden. Nach der Blüte wird der Wasserstand allmählich gesenkt,
bis die Felder zur Erntezeit trocken liegen. In bergigen Gebieten mit Terrassenanbau erfolgt die Bewässerung von oben stufenweise, im ebenen Gelände mit Kanälen.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Mit dem Gelbwerden der Blätter beginnt
die Erntezeit. Bis zur Totreife zu warten, ist nicht angebracht, da zum einen
zu viele Körner ausfallen. Zum anderen kann der Wassergehalt der Körner
infolge von Niederschlägen vorübergehend zunehmen. Schrumpfen die
Körner danach wieder, können sich Risse bilden, welche beim Schälen verstärkt zu Bruchreis führen. Bis zur Reife vergehen je nach Sorte und ökologischen Bedingungen 3–9 Monate. Die Ernte erfolgt je nach Industrialisierungsgrad überwiegend von Hand mit der Sichel, in Australien und den
USA mit Mähdreschern. Zum Dreschen lässt man in Asien meist Wasserbüffel über die ausgelegten Garben laufen oder benutzt einfache Dreschmaschinen.
Die nach dem Dreschen anfallenden, bespelzten Körner, der sogenannte
Paddyreis, sind kaum geniessbar, sondern sie werden in Reismühlen zu
Braunreis entspelzt. Im 19. Jh. wurde das Polieren eingeführt, bei dem außer den Spelzen auch die vitaminreiche Samenschale samt der eiweißreichen Aleuronschicht und dem Embryo zum Weißreis abgeschliffen werden.
Als Folge davon trat bei Teilen der ostasiatischen Bevölkerung, die fast nur
von Reis lebte oder heute noch lebt, die oft tödliche Vitamin-B1-Mangelkrankheit Beriberi auf. Dank des Parboiling-Verfahrens, bei dem Braunreis
mit Wasserdampf unter hohem Druck behandelt wird und die wasserlöslichen Vitamine und Mineralstoffe in das Endosperm des Korns einwandern, bleiben diese lebenswichtigen Bestandteile heute weitgehend für
den Konsumenten erhalten. Nach Trocknen und Polieren erscheint der converted oder parboiled Reis gelblich gefärbt, da beim Dampfeintritt auch
Farbstoffe der Fruchtsamenschale ins Endosperm mitgerissen werden.
Reis ist das Hauptnahrungsmittel in Ostasien. Seine Inhaltsstoffe sind in
Tabelle 4.3 (S. 73) angegeben. Er wird zuweilen roh, meist aber gekocht
mit Soßen und verschiedenen Beilagen gegessen. Den in der Reismühle an-
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fallenden Bruchreis verarbeitet man zu Grieß, Mehl, Reisstärke oder für
kosmetische Zwecke zu Reispuder. Auch Reiswein (Sake) oder Bier wird gewonnen und durch Destillation Reisschnaps (Arrak) erzeugt. Die beim
Schälen anfallenden Spelzen, die Reisspreu, sind wegen ihres hohen Silikatgehaltes als Tierfutter nicht geeignet, sondern dienen als Verpackungs-,
Heiz- und Isoliermaterial. Die sehr wertvollen Polierabfälle dagegen werden verfüttert, wobei man ihnen zum Teil zuvor das zu 8–16 % in den Embryonen enthaltene Reisöl entzieht, das zur Herstellung von Kerzen und Seife verwendet wird. Schließlich verarbeitet man auch das Reisstroh zu
Flechtwerk, Besen oder zu Zigarettenpapier.
Reis konkurriert in der Weltproduktion mit dem Mais und dem Weizen um
die ersten Ränge. Heute werden noch immer ca. 90 % der Weltproduktion in
Ostasien gewonnen, gewichtige Anbaugebiete bestehen aber auch in Amerika und Afrika. In Europa sind es Italien (Po-Ebene), Spanien (Ebro-Delta),
Frankreich (Camargue), Griechenland und Portugal. Die Erträge schwankten im Jahr 2005 zwischen 1 und 9,5 t/ha, im Weltmittel um 4 t/ha. Über die
Produktion gibt Tabelle 6.7 im Anhang Auskunft.
Noch nicht im Handel aber in der Entwicklung ist gentechnisch veränderter
Reis, der z. B. einen erhöhten Eisen- oder Provitamin-A-Gehalt besitzt
(Box 4.1).
An dieser Stelle sei der mit Reis verwandte Wasser-, Indianer- oder Tuscarorareis, Zizania palustris L., erwähnt, der bei uns als „Wildreis“ im Handel
ist. Das einjährige 2–2,5 m hohe Rispengras wächst im Wasser an Ufern von
Seen und Flüssen Nordamerikas. In den langen Rispen finden sich oben einblütige weibliche Ährchen, basal männliche Blüten mit sechs Staubblättern. Die Deckspelzen sind lang begrannt. Seine länglichen schwarzen
Früchte werden noch heute von Indianern gesammelt, indem sie im Sep-
Box 4.1 Golden Rice – die Lösung für Ernährungsprobleme?
Bei Golden Rice handelt es sich um Reispflanzen, deren Gehalt an
bestimmten Carotinoiden auf gentechnischem Wege erhöht wurde. Diese Carotinoide, vor allem b-Carotin, werden im menschlichen Körper in Vitamin A (Retinol) umgewandelt, weshalb diese
Stoffgruppe auch als Provitamin A bezeichnet wird. Provitamin A
wird im menschlichen Körper unvollständig resorbiert und umgesetzt, sodass die physiologische Vitamin-A-Aktivität von Carotinoiden im Vergleich zur Aufnahme reinen Retinols aus tierischen
Lebensmitteln zwischen 7 und 15 % liegt. Vitamin A ist nicht nur
am Sehvorgang, sondern auch an der Regulation von Wachstums- und Entwicklungsprozessen beteiligt. Während VitaminA-Mangel in den westlichen Industrieländern selten ist, ist er in
Entwicklungsländern die Hauptursache für die hohe Kindersterblichkeit und für Erblindung. Die Herstellung von mit Provitamin A
angereichertem transgenen Reis (Golden Rice) sollte hier Abhilfe
schaffen.
Dazu wurden mehrere Gene zur Carotinoidbiosynthese, die zunächst aus der Narzisse und später auch aus Mais stammten,
in das Reisgenom eingebracht. Die ersten transgenen Reispflanzen enthielten mit ca. 1 mg/g eine relativ geringe Menge an
Provitamin A. Die Synthese wurde im Jahr 2005 beim sogenannten Golden Rice 2 optimiert, dessen Körner bis maximal 32 mg/g
(37,6 mg pro Gramm Trockengewicht) Provitamin A enthalten
(Paine et al. 2005). Die Deckung des täglichen Vitaminbedarfs
(ca. 1 mg Retinol) wäre mit einer täglichen Ration von Golden
Rice 2 von 200–440 g sichergestellt. Die Gene werden mittlerweile vom transgenen „Laborreis“ in die lokal angebauten, an
die jeweiligen Umweltbedingungen angepassten Reissorten
durch Kreuzung eingebracht. Damit sich die Versorgung der Bevölkerung mit diesem Nahrungsmittel und die wirtschaftliche Situation auch tatsächlich verbessern, sollen Kleinbauern das Saatgut kostenlos erhalten. Doch es gibt sowohl ethische als auch
rechtliche Bedenken gegen den Anbau von gentechnisch verändertem Reis. Es wird unter anderem befürchtet, dass Entwicklungsländer als Versuchsflächen missbraucht werden und dass
Bauern trotz aller Absprachen von Saatgutherstellern wirtschaftlich abhängig werden, die den Nachbau patentierter Sorten verbieten könnten. Außerdem wird bezweifelt, dass gerade in Problemregionen die Menge an Fett in der Nahrung ausreicht, um
fettlösliches Provitamin A in ausreichendem Maße zu resorbieren.
Als grundlegende Kritik wird angeführt, dass Unter- und Fehlernährung in den wenigsten der betroffenen Entwicklungsländer
nicht durch grundsätzlichen Mangel an Ressourcen verursacht
wird, sondern durch deren extrem ungleiche Verteilung. Nach
Einschätzung des Generaldirektors der FAO, Jacques Diouf
(2005), stellt die moderne Biotechnologie zwar ein Potenzial
zur Verbesserung der Agrarproduktion dar, doch werde seitens
der FAO genetisch veränderten Pflanzen bei der Bekämpfung
des Hungers keine Priorität beigemessen.
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
4 Nahrungspflanzen
tember mit Kanus in das Röhricht fahren und mit Stöcken auf die Rispen
schlagen, sodass die Karyopsen in das Boot fallen. Da etliche Körner
auch ins Wasser gelangen, ist zugleich für Fischfutter und Aussaat gesorgt.
Die Früchte müssen eine sechsmonatige Keimruhe unter Wasser durchlaufen, ehe sie zu einem neuen Röhricht auskeimen. Die Indianer essen den
schwarzen Reis nach Trocknen und Entspelzen zu Wildbraten und -geflügel. Tuscarorareis war früher ihr einziges Getreide, geringe Überschüsse
verkaufen sie. In Massachusetts und Kalifornien wird Wasserreis in flachen
Seen zur Fischfuttergewinnung kultiviert und gezüchtet. Zizania aquatica L.,
oft mit Indianerreis verwechselt, kommt am Golf von Mexiko vor. Die Körner werden von Fischen und Wasservögeln gefressen. Der Mandschurische
Wasserreis (Z. latifolia (GRISEB.) STAPF) ist in Sümpfen Asiens verbreitet. Die
untersten 3–4 Halminternodien schwellen nach Infektion mit dem Brandpilz Ustilago esculenta zu einer 2–5 cm dicken Halmgalle an und werden
von Taiwanern und Chinesen als Gemüse (Chiao pai, Water bamboo) verzehrt.
Mais, Zea mays L.
Kukuruz; engl. maize, indian corn, franz. maı̈s, ital. granoturco, span. maı́z
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae, Unterfamilie: Panicoideae
verwendete Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
Herkunft. Die Heimat von Mais liegt vermutlich in Mexiko, doch ist eine
Wildform bisher nicht gefunden worden. Nur nahe Verwandte wie Teosinte
(Euchlaena mexicana SCHRAD.) und Tripsacum-Arten sind bekannt. Während
man früher glaubte, dass Teosinte aus der Kreuzung eines inzwischen ausgestorbenen Andenmaises mit Tripsacum entstanden und der Kulturmais
aus einem Wildmais ausgelesen worden ist, nimmt man gegenwärtig an,
dass der kolbentragende Mais durch eine Mutation aus der rispigen Teosinte hervorgegangen ist. Reste eines primitiven Maises sind in Höhlen
Südmexikos gefunden und auf die Zeit von 5000–3400 v. Chr. datiert worden. Vermutlich sind sie Hinterlassenschaften von vorgeschichtlichen
Menschen. Sicher ist der Mais schon sehr früh von Indianern kultiviert worden, und er hat bei ihnen in Mythologie und Religion eine vielfach bezeugte
Rolle gespielt. Der Name stammt von den Bewohnern der karibischen Inseln, die die Pflanze „mahiz“ nannten, eine Bezeichnung, die von den Spaniern übernommen wurde. Sie brachten den Mais schon kurz nach 1500
nach Europa, wo er als Besonderheit zunächst bestaunt und erst im 17. Jahrhundert angebaut wurde. Über Italien, den Balkan und Russland gelangte er
schließlich nach Indien und China. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird er
zunehmend in aller Welt kultiviert, doch dient er, wie in den USA und anderen Industrieländern, bevorzugt als Viehfutter. Mais ist eine hochproduktive C4-Pflanze.
Biologie. Botanisch gesehen weicht der Mais von allen Getreidearten durch
einhäusige Getrenntgeschlechtigkeit ab. Nur Tuscarorareis und die aus
Asien stammende Hiobsträne weisen ebenfalls einhäusige Getrenntgeschlechtigkeit der Blüten auf. Mais ist ein einjähriges, nicht bestockendes
Gras, dessen markerfüllter Halm bis 2,5 m hoch und bis 5 cm dick wird.
Durch primäres Dickenwachstum entwickelt sich die Achse zunächst an
der Basis verkehrt kegelförmig, verjüngt sich aber dann wieder spitzenwärts. An den bodennahen Knoten entstehen zahlreiche sprossbürtige
Wurzeln, die außer der Nährstoffaufnahme vor allem der Standfestigkeit
der Pflanze dienen. Entlang der Achse finden sich 8–40 bandartige,
4–10 cm breite und 30–150 cm lange Blätter.
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Terminal endet der Halm in der männlichen Infloreszenz, einer Rispe, die
mit paarweise angeordneten Ährchen zu je zwei Blüten besetzt ist
(Abb. 4.12). Die weiblichen Blütenstände dagegen entspringen in Ein- bis
Dreizahl den Blattachseln als Seitentriebe. Sie stellen kurz gestielte Kolben
dar, die von einigen Hüllblättern, den Lieschen (Abb. 4.13b und Abb. 4.14c),
umgeben sind und in meist 8–16 Längszeilen paarweise Ährchen tragen.
Jedes Ährchen enthält zwei weibliche Blüten, von denen die untere jedoch
rudimentär ist. Der Fruchtknoten der fertilen Blüte ist nur 2–3 mm lang
und trägt an der Spitze einen zur Blütezeit 20–40 cm langen fädigen, in
einer Narbe endenden Griffel (Abb. 4.14c, d). Die Gesamtheit der Griffel
ragt als Bündel an der Spitze des Kolbens zwischen den Lieschblättern
heraus (Abb. 4.12 und Abb. 4.13a). Da die männlichen Blüten vor den
weiblichen der gleichen Pflanze reifen, ist Fremdbestäubung durch Wind
die Regel.
Nach der Befruchtung wachsen die Fruchtknoten heran und erhalten dabei
durch Dickenwachstum der Kolbenachse genügend Raum, um sich, wenn
auch unter gegenseitiger seitlicher Abplattung, auszudehnen. Die zarten
Hüll-, Deck- und Vorspelzen bleiben in der Entwicklung zurück, sodass
sich die nahezu isodiametrischen Karyopsen prall und unbespelzt vorwölben (Abb. 4.13a und Abb. 4.14e). Sie können weiß, goldgelb, rot oder
schwarzviolett gefärbt sein. Der Kolben ist ein Karyopsenverband.
Der Sortenreichtum ist dank jahrtausendelanger Kultur groß. Folgende
Hauptvarietäten werden unterschieden:
Hartmais oder Hornmais (Z. mays convar. mays [= convar. vulgaris] KOERN.;
engl. flint corn), mit hornartigem Endosperm und mehligem Endosperm
nur um den Keimling; vermutlich erste in Europa gebaute Form.
Zahnmais (Z. mays convar. dentiformis KOERN.; engl. dent corn): Das Endosperm ist nur an den vier Seiten hornig, die Mitte des Kornes und seine
Oberseite enthalten weiches Gewebe, das bei der Reife durch Eintrocknen
von oben etwas einsinkt und so die Pferdezahnform der Karyopse hervorruft; besonders in USA kultiviert.
Weichmais oder Stärkemais (Z. mays convar. amylacea [STURT.] GREBENŠC.;
engl. soft corn, flour corn): Das gesamte Endosperm ist mehlig weich
und dient bevorzugt der Maismehl- bzw. Stärkegewinnung; meist in Südamerika angebaut.
Zuckermais (Z. mays convar. saccharata KOERN; engl. sweet corn): Eine seit
200 Jahren bekannte Mutation, bei der im oberen Teil des Endosperms statt
Stärke Zucker und im unteren Amylodextrin gespeichert wird. Auch die
Stängel schmecken süß, ähnlich dem Zuckerrohr. Neben der Verwendung
als Viehfutter werden nicht voll ausgereifte Körner in den USA und in Europa als Gemüsemais („Kukuruz“) verzehrt. Sie kommen auch als Tiefkühlkost auf dem Markt.
Puff-, Knall- oder Flockenmais (Z. mays convar. microsperma KOERN.; engl.
pop corn): Das Endosperm des kleinen, oft spitz ovalen Kornes ist außen
hornig, innen weich. Die Körner werden trocken oder mit sehr wenig Öl
erhitzt, wobei Wasser verdampft und ein Überdruck von ca. 15 atm entsteht. Bei plötzlicher Druckentspannung quillt das weiche Endosperm
als lockere Masse unter starker Volumenvergrößerung heraus. Das gleiche
Verfahren wird für Puffreis angewendet.
Wachsmais (Z. mays convar. ceratina KULESH.): Die Körner dieses Maises erscheinen wächsern-hornig. Ihr Endosperm besteht fast nur aus Amylopektin, der verzweigten Molekülform der Stärke, während aus anderen Körnern gewonnene Maisstärke zu 28 % Amylose (der unverzweigten Form)
enthält. Diese Stärke des Wachsmaises eignet sich wegen der besonderen
Quellfähigkeit von Amylopektin zur Herstellung von Klebstoffen und Pud-
81
Abb. 4.12 Maispflanze. Maisspross mit männlichen
Blüten in terminaler Rispe und mit weiblichen Blüten
in achselständigen Kolben.
Abb. 4.13 Mais (Zea mays). a Von Lieschblättern
eingehüllter weiblicher Blütenstand mit Griffelbüschel. b Fruchtstand (Kolben).
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
4 Nahrungspflanzen
Abb. 4.14 Männliche und weibliche Blütenstände und Karyopse von Mais.
a Ausschnitt aus männlichem Blütenstand. b Männlicher Teilblütenstand (zweiblütiges Ährchen). c Freigelegter weiblicher Blütenstand. d Längsschnitt durch weiblichen
Teilblütenstand nach Befruchtung (nur eine fertile Blüte). e Längsschnitt durch Einzelfrucht (Karyopse).
dingpulvern. Wachsmais wird in den USA und Ostasien angebaut und ist
leicht verdaulich.
Die früheren Landsorten sind inzwischen durch Hochzuchten abgelöst
worden. In den USA wurden durch Inzucht-Heterosiszüchtung Hybridmaissorten gewonnen, die erheblich höhere Erträge bringen, aber stets
als Saatgut neu gekauft und nicht im Eigennachbau erzeugt werden können, da in den Folgegenerationen ein erheblicher Leistungsabfall eintritt.
Anbau, Standortansprüche. Obwohl Mais eine Pflanze der Tropen und Subtropen ist, vermag sie mit einigen Sorten auch in gemäßigten Breiten zu
gedeihen. Frost erträgt sie nicht, und das Temperaturoptimum liegt bei
30 8 C. Für die Entwicklung reichen 500–700 mm Niederschlag aus, da
Mais zwar nicht trockenresistent ist, sich aber als C4-Pflanze durch eine
hohe Wassernutzungseffizienz (= g Biomasseproduktion pro g Wasserverbrauch) auszeichnet. Bei Wassermangel kann sich die Pflanze durch Einrollen der Blätter etwas schützen, doch wenigstens während der Blütezeit ist
ausreichende Wasserzufuhr erforderlich, da sonst den männlichen Blüten
Wasser entzogen wird und diese dann steril werden. Auch die Bodenansprüche sind relativ bescheiden.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Körner sind reif, wenn sie sich nicht
mehr mit dem Fingernagel ritzen oder eindrücken lassen. Zu dieser Zeit
vergilben die Blätter, und die Lieschen weichen an der Spitze ein wenig auseinander. Jedoch ist weder zu frühes, noch zu spätes Ernten gefährlich. Für
den Eigengebrauch lässt man die Kolben zuweilen länger auf dem Feld stehen. Während in der gering technisierten Landwirtschaft – z. B. in den Tropen – die Kolben bei der Ernte von Hand ausgebrochen und die Lieschblät-
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82
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
Box 4.2 Vitaminunterversorgung
Die Niacinavitaminose Pellagra entsteht durch
eine Unterversorgung mit der essenziellen Aminosäure Tryptophan, da Tryptophan zum Aufbau von Nicotinamid (Niacin) als Vitamin im
menschlichen Körper benötigt wird und Mais
diese Aminosäure nicht in ausreichendem
Maß enthält. Allerdings entgingen die Bewohner Mittelamerikas der Gefahr der Vitaminunterversorgung zum Teil dadurch, dass sie sich
hauptsächlich von Tortillas ernährten, bei deren
Herstellung das im Maismehl gebundene Niacin
(Niacinogen) durch eine Behandlung mit Kalkwasser freigesetzt wird. Neuerdings ist man bemüht, in den Gebieten, in denen ein Großteil
der Bevölkerung von Maisprodukten lebt,
dem Vitamin- und gleichzeitig auch dem allgemeinen Eiweißmangel entgegenzuwirken, indem man dem Maismehl lysin- und tryptophanreicheres Sojamehl zumischt. Von besonderem
Wert ist in diesem Zusammenhang die Züchtung des sogenannten Opaque-2-Maises, einer
um 70–100 % lysinreicheren Mutante, die zugleich reicher an Tryptophan ist als die meisten
anderen Maisvarietäten.
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ter entfernt werden, hat man zuerst in den USA und Kanada Maispicker entwickelt. Bei der Produktion von Kornmais (in Abgrenzung vom Futtermais)
für den überregionalen Markt sind heute alle Arbeiten vom Schneiden bis
zum Lösen der Körner vom Kolben automatisiert. In vielen Ländern hängt
man für den Hausgebrauch die von den Lieschen umhüllten Kolben mit den
Spitzen nach unten an Schnüre, Pfähle und Zäune, denn die Körner müssen
zur Haltbarmachung auf ca. 15 % Wassergehalt nachgetrocknet werden. In
großen Teilen Chinas, Indiens, Lateinamerikas sowie Süd- und Ostafrikas
stellt Mais, als Brei oder Brot genossen, die Hauptnahrung dar. Zum Brotbacken mischt man das kleberarme Maismehl mit Weizenmehl (3:1).
Ernährungsphysiologisch ist bedeutsam, dass das zu 8,5 % im Korn enthaltene Maiseiweiß (s. Tab. 4.3, S. 73) arm an den essenziellen Aminosäuren
Lysin und Tryptophan und daher biologisch nicht vollwertig ist. Bei überwiegendem Maisgenuss wie in Mittelamerika und Afrika, wo die Kohlenhydratzufuhr zu 85 % durch Mais erfolgt, besteht die Gefahr der Niacinavitaminose Pellagra (Box 4.2).
In Italien und dem Balkan wird Mais zu Polenta, einem beliebten Maisbrei
verarbeitet. In den anderen Ländern der gemäßigten Zone liefert Mais
hauptsächlich Viehfutter, das in Körnerform, als Grünfutter oder Silage
aus gehäckselten Pflanzen angeboten wird. In den USA wird nur ein geringer Anteil von unter 10 % der Maisernte in der Lebensmittelindustrie zu
Stärke (Maizena, Mondamin), Cornflakes, Sirup, Zucker und Maismehl verarbeitet, der Rest dient ebenfalls als Viehfutter. Aus den fettreichen Maiskeimen gewinnt man das vitaminreiche Maiskeimöl. Die Bedeutung von
Mais als Öllieferant wird auf Seite 147 ausführlich beschrieben. Das Maisstroh ist wertlos und nur als Streu brauchbar. Lediglich die Lieschblätter
sind als Ausgangsmaterial für Zigarettenpapier geeignet. Früher wurde
noch das an der Oberfläche der Halme ausgeschiedene Wachs durch Auskochen gewonnen und für Kerzen und Bohnerwachs genutzt.
Derzeit werden etwa 20 % der Maisernte in den USA zu Ethanol (Bioethanol)
vergoren. Die Energiepolitik unterstützt die Verwendung von Alkohol als
Treibstoffzusatz, um die CO2-Bilanz zu verbessern und den Erdölverbrauch
zu mindern (S. 411). Bei der Vergärung des Maises fällt als Nebenprodukt
das um die Kohlenhydrate verarmte Korn mit hohem Proteinanteil an. Dieses stellt ein wertvolles Viehfutter dar, das „Distillers Dried Grain with Solubles“ (DDGS). Derzeit werden die Vergärungen von Getreiden, auch von
Weizen und Gerste, in ähnlicher Form bereits im Industriemaßstab auch in
Deutschland vorgenommen.
Ein hoher Prozentsatz des in USA angebauten Maises ist gentechnisch verändert. Es handelt sich vor allem um den Bt-Mais, in den die genetische
Information eines Bodenbakteriums (Bacillus thuringiensis) eingebracht
wurde, die eine Resistenz gegen Schadinsekten von Mais bewirkt (Box 4.3).
Unter den Getreidearten nimmt der Mais derzeit den ersten Rang ein. Die
Erträge schwanken stark zwischen 1,1 und 10 t/ha, das Weltmittel lag im
Jahr 2005 bei 4,75 t/ha. Die USA erzeugen ca. 40 % der Weltproduktion
(Tab. 6.8 im Anhang).
Die Hiobsträne (Coix lacryma-jobi L; engl. Job's Tear; Abb. 4.15) ist eine
Maisverwandte. Die uralte, an Mais erinnernde Kulturpflanze aus Ostasien
wird bis 2,5 m hoch. Ihre mehreren achselbürtigen kurzen Ähren an der
Halmspitze tragen basal je eine weibliche Blüte, die vom Tragblatt der Infloreszenz scheidenartig umhüllt wird. Diese Hülle verdickt sich nach der
Bestäubung zu einer kirschkerngroßen, porzellanartigen harten Perle, aus
der die übrige Ähre mit nur männlichen Blüten herausragt (Abb. 4.15a). Die
Scheinfrüchte dienen als Perlen für Ketten und Rosenkränze, die Pflanze als
Futtergras. Von einer in Ostasien und Afrika angebauten dünnschaligen
83
84
4 Nahrungspflanzen
Im Jahr 2004 wurde weltweit auf ca. 19,3 Millionen Hektar gentechnisch veränderter (= transgener) Mais angebaut, das entspricht ca. 15 %
aller Maisanbauflächen. Global sind die USA
das Hauptanbauland von transgenem Mais, europaweit sind es Spanien und Rumänien, aber
auch in Deutschland wird mittlerweile gentechnisch veränderter Mais kultiviert. Es handelt
sich vor allem um den Bt-Mais (58 % des angebauten transgenen Maises), in den genetische
Informationen eines Bodenbakteriums (Bacillus
thuringiensis – daher B. t.) eingebracht wurden,
die eine Resistenz gegen Schadinsekten von
Mais bewirken. Die Resistenz beruht auf der
Synthese eines Proteins, das nach Fraß im Insektendarm seine toxische Wirkung entfaltet, während es in Wirbeltieren rasch abgebaut wird und
keinerlei Wirkung zeigt. Bei 22 % des angebauten transgenen Mais handelt es sich um Sorten,
die auf biotechnologischem Wege herbizidresistent gemacht wurden, d. h. diese Pflanzen
überleben die Behandlung mit einem speziellen
Unkrautbekämpfungsmittel, das nahezu alle
anderen Pflanzen abtötet. In den übrigen 20 %
des angebauten transgenen Mais sind beide
Eigenschaften vertreten, die Pflanzen sind sowohl herbizid- als auch insektenresistent (James
2004).
Transgene Maissorten sind in den USA, in Kanada und Japan, und in der EU als Nahrungs- oder
als Futtermittel zugelassen. Dabei wird in der
Europäischen Union die Rückverfolgbarkeit
und Kennzeichnung von genetisch veränderten
Organismen und von aus GVO hergestellten Erzeugnissen über die gesamte Lebensmittelkette hinweg verlangt. In Deutschland führen die
ethischen und ökologischen Bedenken im Vergleich zu anderen Ländern zu stärkeren gesellschaftlichen Widerständen gegen den Anbau
und die Vermarktung transgener Pflanzen. In
den Wissenschaften herrschen zwischen und
auch innerhalb der verschiedenen Disziplinen
– so auch in der Biologie – bisweilen recht unterschiedliche Auffassungen über den Kenntnisstand, der notwendig ist, um Nutzen, Kosten
und Risiken richtig bewerten zu können.
Abb. 4.15 Hiobsträne (Coix lacryma-jobi). a Blütenstand mit basaler weiblicher
Blüte, die in ein Tragblatt eingehüllt ist, und herausragendem Blütenstand mit zweiblütigen Ährchen männlicher Blüten. b Frucht. Links: Vom Tragblatt umhüllte Frucht;
Mitte: Spelzfrucht (Tragblatthülle entfernt); rechts: Karyopse (Spelzen entfernt).
Form mit einem Ertrag von bis zu 4 t/ha eignet sich das nahrhafte Mehl
(über 50 % Stärke, 13,6 % Eiweiß, 6,1 % Fett) zum Brotbacken.
Hirsen (Sammelbezeichnung)
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
Unterfamilie: Panicoideae (Sorghum, Panicum, Echinochloa, Paspalum,
Digitaria, Pennisetum, Setaria)
Unterfamilie: Chloridoideae (Eragrostis, Eleusine)
Unter Hirsen werden mehrere tropische Getreidearten aus den Unterfamilien Chloridoideae und Panicoideae zusammengefasst, für die unter anderem C4-Photosynthese charakteristisch ist. Hirsen zeichnen sich durch relativ kleine, meist rundliche Karyopsen ohne Längsfurche aus und wachsen
auf relativ trockenen, oft armen Böden, wo keine andere Getreideart gedeiht. Mit Ausnahme der Mohrenhirse (Sorghum-Hirse) haben sie oft nur
regionale, dann aber sehr große Bedeutung. In der Produktion nehmen
die Hirsen die fünfte, in der Anbaufläche die vierter Stelle in der Welt
ein (Tab. 6.1 im Anhang). Bei der Ermittlung der Produktion werden die
als Millet bezeichneten Kleinhirsen, die zu den Unterfamilien der Chloridoideae (Eragrostis, Eleusine) und der Panicoideae (Panicum, Echinochloa,
Paspalum, Digitaria, Pennisetum, Setaria) gehören, und die großsamigere
Sorghum-Hirse (Panicoideae) getrennt voneinander erfasst (Tab. 6.9 und
6.10 im Anhang).
Anbau, Standortansprüche. Alle Hirsearten sind wärmebedürftig und frostempfindlich und werden daher in den Subtropen und trockenen Tropen angebaut. Sie benötigen viel Licht, gedeihen aber wegen bescheidener Wasseransprüche selbst unter Steppenbedingungen und auf armen Böden. Als
Kurztagspflanzen können sie bei kurzer Vegetationsdauer rasch in Blüte
gehen.
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Box 4.3 Gentechnik im Maisanbau
85
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Ernte erfolgt von Hand bei Vollreife,
wenn die Halme noch teilweise grün sind. Bei diesem frühen Termin ist
die Gefahr des Ausfallens der Körner und der Verlust durch Vogelfraß
im Vergleich zur Ernte bei Totreife gering. In den USA hat man Zwergformen von Sorghum gezüchtet, die sich mit dem Mähdrescher ernten lassen.
Blätter und Stroh dienen als Viehfutter.
Hirsen eignen sich wenig zum Brotbacken und werden wie Reis als ganzes
Korn oder gemahlen als Brei, Grütze oder als Fladen gebacken verzehrt. Sie
sind ernährungsphysiologisch wertvoll, da sie neben 60–75 % Kohlenhydraten ca. 8–13 % Eiweiß guter biologischer Wertigkeit enthalten. Bei Rispenhirse (Tab. 4.3, S. 73) konnte der Eiweißgehalt durch Züchtung bis auf 18 %,
bei Kolbenhirse auf 17 % gesteigert werden. Außerdem weisen die Hirsen
4–6 % Fett auf. In den warmen Ländern dienen die Hirsen zur Nahrungsdeckung; nur ein geringer Teil wird verfüttert oder zur Herstellung eines sauren, schwach alkoholhaltigen Bieres verwendet. In den USA nutzt man die
Mohrenhirse, unter anderem die Varietät subglabrescens, die als Milokorn
bezeichnet wird, fast ausschließlich als Körnerfutter.
Kleinhirsen (Sammelgruppe)
Millet; engl. u. franz. millet, ital. miglio, span. mijo
Ordnung: Poales; Familie: Poaceae; Unterfamilien: Panicoideae, Chloroideae
verwendete Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
Teff oder Zwerghirse (Eragrostis tef (ZUCC.) TROTTER; syn. E. abessinica LINK;
Chloroideae; Abb. 4.16) ist das wichtigste Getreide Nordäthiopiens und
stammt vermutlich von der dort heimischen E. pilosa (L.) P. BEAUV. ab.
Das zarte 40–80 cm hohe Gras gipfelt in einer 15–35 cm langen Rispe
mit vielblütigen gestielten Ährchen, deren nur 0,5–1 mm dicke Körner
zu Mehl vermahlen und mit Hefe zu Brot (Injera) gebacken werden. Das
Korn enthält 11 % Wasser, 9,1 % Eiweiß, 2 % Fett und 74 % Kohlenhydrate.
Teff liefert 0,3–3,0, meist unter 1 t/ha.
Fingerhirse (Eleusine coracan (L.) GAERTN.; Chloroideae; engl. African Millet;
Abb. 4.17) stammt aus Indien oder dem Sudan. In Teilen Südindiens und
Zentralafrikas ist sie die Hauptnahrung auf dem Lande. Das sich bestockende Gras wird 30–90 cm hoch und endet in einer Fingerähre mit 5–7 Einzelähren, die sich an der Spitze meist krallenartig nach innen krümmen. Jede
bis 10 cm lange Einzelähre trägt 60–80 4–6blütige Ährchen in zwei Reihen.
Ausnahmsweise verwachsen hier die Samen- und Fruchtschale nicht miteinander, und die kleinen rundlichen, 1–2 mm dicken Körnchen, die leicht
aus der faltigen Fruchtwand herausfallen, sind Samen und nicht Karyopsen.
Im Korn sind 13 % Wasser, 8 % Eiweiß, 1,3 % Fett, 72 % Kohlenhydrate, 4,2 %
Rohfaser und 2,7 % Asche enthalten. Es werden 0,5–1,3 t/ha, bei Bewässerung die doppelte Menge erzielt.
Rispenhirse (Panicum miliaceum L.; Panicoideae; engl. Millet, russ. Proso;
Abb. 4.18) ist in Zentralasien beheimatet. Sie wird zuweilen Echte oder
Deutsche Hirse genannt, da sie früher bei uns als „Brot des armen Mannes“
angebaut wurde. Sie ist weniger wärmebedürftig als andere Hirsearten
und wird von Russland über Zentralasien bis Nordchina und im Mittelmeergebiet kultiviert. Das bis zu 120 cm hohe Gras besitzt breite Blätter
und bildet lockere (Flatterhirse) oder kompakte Rispen (Klumphirse), aufrecht oder überhängend, mit 3 mm dicken, runden Körnern in den ein-, ursprünglich zweiblütigen Ährchen. Auf trockenem Land bringt die selbstbestäubende Art nur 0,4–0,6 t/ha, bei Bewässerung 1,0–1,7 t/ha, auf fruchtbaren Böden sogar 2,5–5,0 t/ha. Die Hirse wird als Korn, Brei, Brot oder für
Abb. 4.16
sen.
Teff (Eragrostis tef). a Rispe. b Karyop-
Abb. 4.17 Fingerhirse (Eleusine coracan). a Fruchtstand. b Teilblütenstand. c Samen.
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
4 Nahrungspflanzen
Abb. 4.18 Rispenhirse (Panicum miliaceum).
a Fruchtstand. b Teilblütenstand. c Karyopsen verschiedener Varietäten.
Hirsebier genutzt. Über die Inhaltsstoffe gibt Tabelle 4.3 auf Seite 73 Auskunft.
Kutkihirse (Panicum sumatrense ROTH ex ROEM. et SCHULT.; Panicoideae) ist in
Indien und Ceylon nur auf ärmsten Böden im Anbau. Sie ähnelt der Rispenhirse, ist aber kleiner und erträgt Trockenheit wie Staunässe gleich gut. Sie
liefert 0,23–0,9 t/ha.
Weizenhirse (Echinochloa frumentacea LINK; Sawa- oder Japanische Hirse;
Abb. 4.19) findet sich in Indien, Sri Lanka, Japan und auf den Philippinen.
Das breitblättrige, gut bestockende, 60–150 cm hohe salzresistente Gras erzeugt Rispen, deren Äste ähnlich dem Weizen dicht mit einblütigen Ährchen besetzt sind. Die kleinen ovalen Körner fallen in Mengen von
0,3–1,0 t/ha an.
Kodahirse (Paspalum scrobiculatum L.; Panicoideae) ist trockenresistent
und wird in Vorderindien, China und Japan auf schlechten Böden angebaut.
Das Rispengras trägt die Ährchen einseitswendig und liefert 0,2–1,0 t/ha.
Die wie Reis verzehrten oder zu Brot gebackenen Körner müssen zuvor
6 Monate gelagert werden, da sie ein psychotropes Gift enthalten.
Foniohirse (Digitaria exilis (KIPP.) STAPF; Panicoideae; Hungerreis) wird nur in
Westafrika vom Tschadsee bis zum Senegal angebaut, liefert aber dort die
Grundnahrung für 1 Million Menschen. Die kurzblättrige zarte Pflanze wird
bis 80 cm hoch und bildet Fingerähren mit bis zu 15 cm langen Teilähren,
aus deren einblütigen Ährchen Körner von 1–1,5 mm Durchmesser hervorgehen. Das schmackhafte, vielleicht älteste Getreide Westafrikas, enthält
6 % Wasser, 8,7 % Protein, 1,1 % Fett, 81 % Kohlenhydrate, 1,1 % Rohfaser
und 2,1 % Asche. Die Erträge belaufen sich auf 1,5–4 t/ha, auf guten Böden
sind es 0,6–1,4 t/ha.
Perlhirse (Pennisetum glaucum (L.) R. BR.; Panicoideae; Rohrkolbenhirse;
Abb. 4.20) stammt aus Afrika und stellt das wichtigste Brotgetreide von
Afrika über Arabien bis Indien und Burma dar. Die maisartige, anspruchslose, salztolerante, 1–4 m hohe Pflanze erzeugt an den Haupttrieben
10–60 cm lange, an Seitentrieben etwas kürzere, an Rohrkolben erinnernde
Blütenstände von 1,5–4,5 cm Durchmesser. Sie ist ein Ährenrispengras,
dessen Spindel zahllose kurze Rispenäste mit zweiblütigen Ährchen trägt.
Während die untere Blüte männlich ist, bringt die obere zwittrige nach
Windbestäubung bis 5 mm dicke Körner hervor, die weiß, gelb, rot oder
schwarz gefärbt sein können. Als sehr trockenresistente Art liefert Perlhirse
noch bei 180 mm Niederschlag Ernten von 0,2–1,0 t/ha und wird daher bis
in die Randgebiete der südlichen Sahara bzw. in trockensten Gebieten Indiens angebaut. Bei höheren Niederschlägen oder Bewässerung lassen sich
bis 3,0 t/ha erreichen. Die als zukunftsträchtig für die trockenen Tropen angesehene Art liefert in ihren Körnern 8–20 % Eiweiß, 5 % Fett und 67 % Kohlenhydrate und dient als Reisersatz, zum Brotbacken sowie zur Herstellung
von Porridge und Bier.
Kolbenhirse (Setaria italica (L.) P. BEAUV.; Panicoideae; Borstenhirse;
Abb. 4.21) ist eine sehr alte indogermanische Kulturpflanze und wird
von Südeuropa bis Japan angebaut. Die 5–30 cm langen Infloreszenzen
an der Spitze der gut bestockenden, bis 2 m hohen, reich beblätterten
Halme sind walzliche, gelappte, leicht überhängende Scheinähren, die
aus vielen kurzen Seitenästen mit kurz gestielten einblütigen Ährchen zusammengesetzt sind. Zwischen den von drei Hüllspelzen umgebenen Ähr-
Abb. 4.19 Weizenhirse (Echinochloa frumentacea). a Fruchtstand. b Teilblütenstand. c Früchte (oben rechts ohne, sonst mit Spelzen).
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Abb. 4.20 Perlhirse (Pennisetum glaucum). a Habitus.
b Teilblütenstand. c Karyopsen.
87
Abb. 4.21 Kolbenhirse (Setaria italica). a Fruchtstand.
b Ausschnitt vergrößert. c Karyopsen.
chen stehen grannenartige, aus sterilen Blüten hervorgegangene Borsten.
Die 2 mm dicken Körner mit 10 % Wasser, 11,3 % Eiweiß, 4,3 % Fett,
ca. 62 % Kohlenhydraten, 7 % Rohfaser und 3 % Asche fallen mitsamt den
Ährchen ab und bringen in 70–90 Tagen Erträge von 0,8–1,6 t/ha.
Sorghum-Hirse, Sorghum bicolor (L.)
MOENCH
Mohrenhirse, Kaffernkorn, Sorghum; syn. S. vulgare PERS.; engl. milo,
broomcorn, franz. sorgho, ital. u. span. sorgo
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae, Unterfamilie: Panicoideae
verwendete Pflanzenteile: Karyopsen, Endosperm
Die Mohrenhirse stellt die wichtigste Hirseart und eine Weltwirtschaftspflanze dar. Sie stammt aus Äquatorialafrika und wird heute in allen warmen Ländern angebaut.
Die Pflanze erinnert habituell an den Mais mit ihren bis 5 m hohen, markerfüllten Halmen (Abb. 4.22a), die sich an der Basis bestocken, aber auch an
höheren Knoten Seitentriebe bilden. Die Blätter sind bandförmig. Terminal
stehen kompakte aufrechte oder lockere Rispen von 10–60 cm Länge, deren
zahlreiche Ästchen je zwei Ährchen tragen, das obere mit einer zwittrigen,
das untere mit zwei männlichen zum Teil sterilen Blüten. Die weibliche
Blüte bringt ca. 4–5 mm dicke, runde, unbespelzte Körner von weißer, gelber oder roter Farbe hervor (Abb. 4.22c). Die dürreresistente Art transpiriert
nur wenig und vermag unter Wachstumsstillstand in eine Art Trockenstarre überzugehen, aus der sie erst nach Regenfällen zu neuem Wachstum erwacht.
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4 Nahrungspflanzen
Die Keimlinge und jungen Pflanzen der Mohrenhirse enthalten große Mengen an Inhaltsstoffen, die Blausäure freisetzen, insbesondere Dhurrin. Die
Beweidung der Hirsefelder kann zum Tod des Weideviehs führen. Die Saat
ist bei Abreife jedoch frei von den cyanogenen Vorstufen.
In Afrika und Asien liefert sie im Mittel 0,98 t/ha, während in den USA vor
allem wegen des Einsatzes von Hybridformen 4,4 t/ha und bei guter Düngung und Bewässerung sogar bis 10 t/ha erreicht werden. Über Inhaltstoffe
gibt Tabelle 4.3 auf Seite 73 Auskunft, über die Produktion die Tabelle 6.10
im Anhang.
Buchweizen, Fagopyrum esculentum
MOENCH
Abb. 4.22 Mohrenhirse (Sorghum bicolor).
a Fruchtstände. b Vergrößerter Ausschnitt. c Karyopsen.
Herkunft. Der Buchweizen wird gelegentlich als Getreide bezeichnet, obwohl er nicht zu den Gräsern gehört. Aus seiner Heimat, Zentralasien, ist
er mit den Mongolen im 14. Jh. nach Mitteleuropa gelangt (deshalb auch
Heidenkorn genannt).
Biologie. Das einjährige, raschwüchsige Kraut wird bis 60 cm hoch und
trägt wechselständig herzpfeilförmige Blätter, deren Nebenblätter, wie
für Polygonaceen typisch, zu einer kragenförmigen, die Achse umhüllenden
Ochrea verwachsen sind. Aus den weißen bis rosafarbigen, nektarreichen,
fünfzähligen Blüten (Bienentrachtpflanze) der endständigen Trugdolde und
der achselständigen Trauben gehen rotbraune, dreikantige, 4–6 mm lange
Nüsse mit Endosperm hervor, die, an Bucheckern erinnernd, den Namen
Buchweizen veranlasst haben (Abb. 4.23).
Anbau, Standortansprüche. Da das Knöterichgewächs auf armen sandigen
Böden gedeiht, fand es hierzulande unter anderem in die Heidegebiete Eingang.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Buchweizen wird wie Reismelde und Amaranth auch als Pseudocerealie bezeichnet, weil seine stärkehaltigen Samen
wie die Karyopsen der Gräser gemahlen als Mehl genutzt werden. Im geschälten Korn sind 12,8 % Wasser, 9,1 % hochwertiges Eiweiß, 1,7 % Kohlenhydrate, überwiegend Stärke, 3,7 % Ballaststoffe und 1,7 % Asche enthalten.
Buchweizen wird zu Grütze, Grieß oder Mehl verarbeitet, im Rheinland und
den USA gern zu Pfannkuchen, im Südtirol zu Fladen verbacken. Nach Kontakt mit grünen Pflanzenteilen oder nach deren Konsum kann es unter Einfluss von Sonnenlicht durch das Bisanthron Fagopyrin zur Entzündung unpigmentierter Hautstellen kommen (Fagopyrismus).
Nach starkem Anbaurückgang steht der Buchweizen (als Biokost) jetzt wieder mehr in Kultur. 2005 betrug die Weltproduktion 2 650 000 t, davon (in
1000 t): China 1300, Russ. Föderation 605, Ukraine 210, Polen 90,
Frankreich 85, USA 65, Kasachstan 58, Brasilien 48, Japan 20, Litauen 15.
Die Erträge schwanken zwischen 2,7 und 0,4 t/ha.
Zuweilen wird der aus Sibirien stammende, ebenso verwendbare Tatarische Buchweizen (F. tataricum (L.) GAERTN.) kultiviert.
Abb. 4.23 Buchweizen (Fagopyrum esculentum). a Blühender Spross. b Querschnitt durch die Frucht. c Früchte.
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Heidekorn; engl. buckwheat, franz. sarasin, ital. fagopiro, span. el alforfón
Ordnung: Caryophyllales, Familie: Polygonaceae
verwendete Pflanzenteile: Nussfrüchte, Endosperm
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
Reismelde, Chenopodium quinoa
89
WILDD.
Herkunft. Quinoa (Ch. quinoa WILDD.; Abb. 4.24) und Cañihua (Ch. pallidicaule AELLEN) sind Stärkelieferanten der Andenhochländer von Bolivien
bis Chile, die neben Knollenfrüchten, wie Oka, Añu, Ulluco und Kartoffel,
die Hauptnahrung der dort lebenden Bewohner ausmachen. Zur Zeit der
Entdeckung Amerikas waren die Anbaugebiete beider Arten viel größer.
Sie sind durch Einführung der Gerste zurückgegangen. Da diese Chenopodiaceen aber oberhalb 3500 m über über NN nicht durch Getreide ersetzt
werden können, haben sie wieder eine zunehmend wichtige regionale Bedeutung.
Biologie. Quinoa ist ein einjähriges tagneutrales Kraut von 50–150 cm
Höhe, das sich verzweigt und dickliche rhombische Blätter besitzt. In aufrechten terminalen Infloreszenzen mit knäuelig gedrängten Teilblütenständen trägt sie unscheinbare grüne fünfzählige Blüten mit einfachem Perianth und oberständigem Fruchtknoten, der sich nach Selbstbestäubung
zu einer 2 mm dicken Nuss entwickelt. Cañihua wird nur 25–35 cm
hoch und ist in allen Teilen kleiner als Quinoa, stimmt aber mit ihr habituell
überein.
Anbau, Standortansprüche. Die Pflanzen gedeihen in Höhen über 3500 m
über über NN (Obergrenze des Getreidebaues) bis 4300 m über über NN.
Die genügsamen Pflanzen vertragen Frost sowie Dürre. Cañihua gedeiht jedoch noch in Lagen bis zu 4550 m über NN, wo selbst Quinoa versagt.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Pflanzen werden, wenn die Blätter vergilben, mit der Sichel geerntet. Die Früchte beider Arten enthalten bitter
schmeckende Saponine, welche die Konsumenten mit alkalischen Lösungen auswaschen, bevor sie die Frucht- und Samenschalen durch Reiben
in Mörsern entfernen. Das saponinhaltige Wasser diente als Seifenwasser
zur Körper- und Kleiderreinigung. Mittlerweile gibt es von Quinoa auch Varietäten ohne Bitterstoffe. Die Embryonen sind mit 11–20 % hochwertigem
Eiweiß, 50–60 % Stärke, 4–6 % linolsäurereichem Fett, 4 % Rohfaser und 3,3 %
Asche ein wertvolles Nahrungsmittel, das zu Suppen und Breien verwertet
wird. Zum Brotbacken eignet sich das kleberarme Mehl nur unter Zusatz
von 25 % Weizenmehl. Die Blätter werden als Gemüse verzehrt, die ausgedroschenen Pflanzen verbrannt, um die alkalireiche Asche zu gewinnen.
Diese ergibt mit Wasser vermengt einen Brei namens Lliptu, den man
zum Kokakauen benötigt. Schließlich wird auch das Nationalgetränk der
Indios, die Chicha, gebraut, indem man grob zerschlagene Quinoafrüchte
kocht, von alten Frauen gut kauen lässt und die ausgespuckte Masse zur
Gärung ansetzt. Nach einigen Wochen ist das alkoholhaltige Gebräu, das
auch aus Mais bereitet wird, trinkfertig.
Quinoa stellt ein gutes Grünfutter dar und lässt sich auch in Mitteleuropa
erfolgreich zur Samengewinnung, als Blattgemüse sowie als Grünfutter anbauen. In Nordindien gewinnt man aus den Nüsschen des Weißen Gänsefußes, Ch. album L., stärkehaltiges Mehl.
Die Erträge von Quinoa liegen bei 0,6–0,95 t/ha, doch werden unter günstigen Bedingungen 3,0–4,9 t/ha erzielt. 2005 betrug die Produktion allein in
Peru 27 000 t, in Bolivien 23 500 t, in Ecuador 652 t. Cañihua bringt
0,3–0,7 t/ha.
Abb. 4.24 Reismelde (Chenopodium quinoa). a
Spross mit Fruchtständen. b Von Perigonblättern umhüllte Frucht. c Früchte. d Same mit gekrümmtem
Embryo.
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Quinoa; engl. pigweed, franz. quinoa, span. quinua
Ordnung: Caryophyllales, Familie: Chenopodiaceae
verwendete Pflanzenteile: Nussfrüchte, Embryo
90
4 Nahrungspflanzen
Amaranth, Amaranthus-Arten
Abb. 4.25 Amaranth (Amaranthus caudatus ssp.
mantegazzianus [PASS.] HANELT). a Triebspitze mit Infloreszenz. b Weibliche Blüte mit sichtbarer Deckelkapsel. c Samen, seitlich und in Aufsicht auf die Mikropyle. Die Samenschale ist durchscheinend, der Embryo umringt das Perisperm.
Herkunft. Die weltweit verbreiteten Arten liefern seit ca. 5000 v. Chr. als
Kulturpflanzen mit ihren Samen ein wertvolles Nahrungsmittel und mit
den Blättern Gemüse. Die Amaranthus-Arten sind freilich durch Getreidearten mehr und mehr verdrängt worden, haben aber als Wildkräuter an
Wegrändern und auf Brachefeldern überdauert, und werden als Wildgemüse genutzt. Jetzt interessiert man sich für einige Arten wieder stärker,
weil sie wegen ihrer geringen Ansprüche an Klima und Boden auch in ariden Gebieten Erträge liefern, die zur Bekämpfung des Hungers geeignet
sind. Ob alle Amaranthus-Arten im tropischen Amerika oder einige in Afrika
oder Asien beheimatet sind, ist noch nicht geklärt.
Biologie. Die einjährigen, bis zu 2 m hohen Kräuter tragen zum Teil relativ
große Blätter und bilden terminale und verzweigte ährig-knäuelige, meist
lange, teilweise überhängende Infloreszenzen, die an einen Fuchsschwanz
erinnern (Abb. 4.25). Sie sind einhäusig, mit männlichen Blüten an der Basis
und weiblichen Blüten an der Spitze der Blütenstände oder mit männlichen
und weiblichen Teilblütenständen versehen. Die unscheinbaren grünlichen
Blüten besitzen ein einfaches, 3–5zähliges Perianth mit 3–5 Staubblättern
bzw. mit einem aus meist drei Fruchtblättern verwachsenen oberständigen
Fruchtknoten. Dieser reift nach Fremd- oder Selbstbestäubung bei der
Mehrzahl der Arten zu einer Deckelkapsel (Abb. 4.25b), selten auch zu einer
kleinen Nuss heran. Die Kapsel springt etwa in der Mitte quer auf und entlässt nur einen runden, bräunlichen oder schwarzen, 1–2 mm dicken Samen.
Anbau. Man unterscheidet je nach Nutzung Körner-und Gemüseamaranthe
sowie Arten mit zweifacher Nutzung. Zu den Körneramaranthen zählen
A. caudatus L., eine C4-Pflanze, mit den Subspezies caudatus, Gartenfuchsschwanz, und mantegazzianus (syn. A. edulis SPEGAZZ.), Inkaweizen (Quihuicha = Kiwicha), einem wichtigen Nahrungsmittel der Ureinwohner Südamerikas, dessen Anbau von den Spaniern verboten wurde. Inkaweizen
wird in andinen Hochtälern von Bolivien bis Argentinien noch heute kultiviert und jetzt in Peru gezüchtet, um den Bewohnern der Anden eine bessere Versorgung mit Eiweiß zu ermöglichen. Körner liefern auch
A. hybridus L. mit den Subspezies hybridus (syn. A. frumentaceus BUCH.),
der Bastardfuchsschwanz, und erythrostachys (syn. A. hypochondriacus L.),
der Rote Hybridfuchsschwanz (engl. Prince's Feather), die als Kulturarten
nur noch in Mexiko, im Himalayagebiet sowie im indischen Bergland vorkommen.
Zu den Gemüseamaranthen gehören A. tricolor L., Dreifarbiger Fuchsschwanz (auch Chinesischer Salat oder Papageienkraut genannt) mit einer
Höhe bis 60 cm, grünen, blassroten und purpurnen Stängeln und Blättern
aus Ostasien und A. lividus L. mit den Subspezies ascendens, Roter Heinrich
(auch Küchenamaranth oder, in der neuen Welt, Blito genannt) und
oleraceus, Gemüseamaranth (Chinesischer Spinat, in Indien und China in
Kultur genommen) sowie lividus, Blutkraut (auch als Roter Meier bezeichnet), das früher im Mittelmeergebiet angebaut wurde.
Zweifach genutzte Arten sind A. cruentus L. und der als sein Synonym angesehene A. paniculatus L. Sie liefern als Rispenfuchsschwanz sowohl Körner als auch Blattgemüse, ersterer in Zentralamerika, letzterer in Afrika und
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Fuchsschwanz, Quihuicha, Inkaweizen; engl. amaranth, franz. amarante,
span. amaranto
Ordnung: Caryophyllales, Familie: Amaranthaceae
verwendete Pflanzenteile: Samen, Perisperm
91
Asien. Aufgrund häufiger Rotfärbung der Infloreszenz durch Betacyane sind
Amaranthe auch als Zierpflanzen in Gärten beliebt.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Während die Körner wie Reis gekocht, geröstet oder gemahlen und zu Fladenbrot verbacken genossen werden, dienen Blätter und Sprossachsen (letztere oft wie Spargel zubereitet) als spinatartiges Gemüse. Der Anbau erfolgt meist in Mischkultur. Ein umfassenderer Anbau in Entwicklungsländern wäre sehr empfehlenswert, denn die
Samen enthalten zu 14–18 % biologisch wertvolles, lysinreiches Eiweiß,
50–60 % Stärke, 8,8 % Fett (mit 34 % Öl- und 37 % Linolsäure), 3 % Rohfaser,
12 % Wasser und 3,3 % Asche. Da der Gehalt an bitter schmeckenden Saponinen sehr gering ist, erübrigt sich, anders als bei Quinoa, eine Entbitterung
vor dem Verzehr. Für Gemüseamaranth, der reich an Provitamin A und
Vitamin C ist, werden ca. 4,4 % Eiweiß angegeben. Nachteilig ist der relativ
hohe Nitratgehalt, da die Gattung wie die meisten Chenopodiaceen zu den
nitrophilen Pflanzen zählt.
Eine große stärkehaltige Nuss bringt die Esskastanie (Castanea sativa MILL.)
hervor, sie wird jedoch als Gemüse auf Seite 282 behandelt.
Stärke in Knollen
Kartoffel, Solanum tuberosum L.
engl. potato, franz. pommes de terre, ital. patate, span. papa, port. batata
Ordnung: Solanales, Familie: Solanaceae
verwendete Pflanzenteile: Sprossknollen
Herkunft. Die Kartoffelpflanze ist ursprünglich in den Anden Südamerikas
beheimatet, wo noch heute zahlreiche knollenbildende Wildformen vorkommen. Unsere Kulturform S. tuberosum ssp. tuberosum stammt wahrscheinlich von S. tuberosum ssp. andigenum (JUS. et BUK.) HAWKES ab. Als Pizarro 1526 in die Länder der Anden vordrang, lernte er die Pflanze als Kulturpflanze der dortigen Ureinwohner kennen. Die Knollen wurden damals
wie heute durch einen Trocknungsvorgang unter abwechselnder Einwirkung von Sonne und Frost zu „chuños“ verarbeitet, einer jahrelang haltbaren Konserve, die einen wichtigen Handelsartikel darstellt. Die Spanier forderten von den Ureinwohnern als Tribut Kartoffeln und verwendeten sie als
Proviant für ihre Soldaten. Um 1555 gelangten die ersten rotschaligen Knollen nach Spanien, von wo aus sie sich über Europa ausbreitete (Box 4.4;
Tab. 6.11 im Anhang).
Das Anbaugebiet reicht bis in die Subtropen. In den Tropen selbst, abgesehen von den Hochländern wie den Anden, wird die Kartoffel dagegen von
Knollen wie Batate, Maniok und Yams vertreten. Dank ihrer hohen Produktivität – sie bildet pro Flächeneinheit fast so viel Eiweiß und die doppelte
Menge an Kohlenhydraten wie Getreide – hat die Kartoffel nicht nur viele
Menschen in Hungerzeiten am Leben erhalten, sondern dank ihres Vitamin-C-Gehaltes (s. Tab. 4.4; S. 92) weite Bevölkerungskreise vor dem Skorbut bewahrt.
Biologie. Die krautige Pflanze trägt unterbrochen gefiederte Blätter und
weiße oder violette Blüten (Abb. 4.26) in eigenartigen, durch Verwachsungen komplizierten Infloreszenzen. Die ungenießbaren kirschgroßen Früchte, Beeren mit zahlreichen Samen, enthalten das Alkaloid Solanin. Die Samen werden nur in der Züchtung verwendet, die Vermehrung im Feldbau
erfolgt vegetativ durch Knollen. Aus den Achseln der Niederblätter an der
Basis der auskeimenden Sprosse entspringen noch im Boden plagiotrope
Ausläufer (Stolonen, Abb. 4.27b), die nach einiger Zeit das Längenwachstum einstellen und an der Spitze unter primärem und sekundärem paren-
Box 4.4 Der Siegeszug der Kartoffel
in Europa
In seinem Kräuterbuch gab Tabernaemontanus
1585 die erste botanische Beschreibung der
Pflanze. Anfangs wurden Exemplare zur Zierde
in Gärten gehalten, und es dauerte fast 200 Jahre, bis die Kartoffel zu wirtschaftlicher Bedeutung gelangte. Die damalige Dreifelderwirtschaft mit der Folge Wintergetreide-Sommergetreide-Brache ließ keinen Raum für den Kartoffelanbau. Frühzeitig wurden gelbschalige,
vermutlich durch Francis Drake eingeführte Kartoffeln in Irland und England angebaut. In Preußen setzte Friedrich der Große nach erfolglosen
Versuchen seines Vaters den Anbau mit Gewaltmaßnahmen durch, doch war es vor allem der
Hunger während der Schlesischen Kriege, der
dem Anbau zum Durchbruch verhalf. In England
nannte man die Kartoffeln in Anlehnung an die
Bataten „potatoes“, in Italien „tartuffoli“
(= Trüffel), woraus in Deutschland der Name
Kartoffel entstand. Doch wurde hier auch von
Erdäpfeln, Grundbirnen oder Grumbiere gesprochen. Seit Ende des 18. Jh. breitete sich
der Kartoffelanbau rasch in ganz Europa aus,
wo bis Ende des 20. Jh. das Schwergewicht
der Produktion lag (Tab. 6.11 im Anhang).
Heute ist Asien führend in der Kartoffelproduktion. Daraus wird ersichtlich, dass die Kartoffel
aufgrund ihrer hohen Erträge und ihres ernährungsphysiologischen Wertes gerade in Regionen mit starkem Bevölkerungswachstum zur Sicherung der Ernährung heute noch an Bedeutung gewinnt. Der Siegeszug der Kartoffel
geht also in die nächste Etappe.
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
92
4 Nahrungspflanzen
Abb. 4.26
Kartoffel (Solanum tuberosum).
Abb. 4.27 Sprossknollen und Wurzeln der Kartoffel. a Ausgegrabene Sprossknollen und Wurzeln. b Die
Detailvergrößerung zeigt ein Stolon zu Beginn des Dickenwachstums.
Inhaltsstoffe
Batate
Maniok
Yams
Kartoffeln
Wasser (g)
Eiweiß (g)
Fett (g)
Kohlenhydrate (g)
davon Stärke (g)
Saccharose (g)
Ballaststoffe (g)
Mineralstoffe (g)
Vitamin B1 (mg)
Vitamin B2 (mg)
Nicotinamid (mg)
Vitamin C (mg)
69,20
1,63
0,60
24,08
19,50
3,18
3,14
1,12
0,064
0,05
0,60
30,0
63,10
1,00
0,23
32,07
–
–
2,90
0,70
0,06
0,03
0,60
30,0
68,91
2,00
0,13
22,40
–
–
5,56
1,00
0,09
0,03
0,60
10,0
77,80
2,04
0,11
14,81
14,10
0,30
2,07
1,02
0,11
0,047
1,22
17,0
chymalem Dickenwachstum des medullären Types zu Knollen anschwellen
(Abb. 4.27a). Im Zuge dieses Dickenwachstums wird die Epidermis gesprengt und durch ein braunes Korkgewebe (Periderm) ersetzt. Gleichzeitig
ziehen sich die Narben der hinfälligen Niederblätter halbmondförmig in die
Breite und bilden mit ihren Achselknospen die „Augen“, die im folgenden
Jahr zu neuen Trieben auskeimen. Sprossbürtige Wurzeln an der Basis der
Sprossachse und an den Knoten der Ausläufer sorgen für die Wasser- und
Nährsalzaufnahme.
Anbau, Standortansprüche. Im Gegensatz zu in Südamerika angebauten
Kartoffelarten sind unsere Sorten nicht frostresistent und müssen daher
im Herbst aus dem Boden genommen werden. Die Knollen dienen von Natur aus der vegetativen Fortpflanzung und speichern zu diesem Zweck Stärke. Die Augen treiben erst nach einer Ruheperiode aus, wenn in der Knolle
vorhandene Hemmstoffe abgebaut sind. Die Pflanze verlangt kühl-gemäßigtes Klima mit nicht zu trockener Luft und nicht zu hohen Niederschlägen. Staunässe verträgt sie nicht. Dementsprechend sollen die Böden
durchlässig und sandig-lehmig sein. Hohe Temperaturen vermindern
den Knollenansatz ebenso wie lange Sonnenscheindauer, wenigstens bei
späten Sorten. Zur Kultur werden die Saatkartoffeln nach Abklingen der
Nachtfröste im April oder Mai in Reihen gelegt und später nach dem Auflaufen der Keime gehäufelt, um die Stolonenbildung zu fördern.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Nach fünf Monaten, wenn die Blätter absterben, sind die Sprossknollen reif und haben den maximalen Stärkegehalt
erreicht. Sie werden mit Rodern geerntet und in frostfreien Räumen, möglichst bei 4–6 8 C, gelagert. Abgesehen von der Stärke als dem wichtigsten
kalorienliefernden Inhaltsstoff (s. Tab. 4.4) hat das Eiweiß trotz des nicht
sehr hohen Anteils eine große Bedeutung, da es durch den ausgewogenen
Gehalt an essenziellen Aminosäuren biologisch wertvoll ist – es enthält
eine Aminosäurezusammensetzung, die dem menschlichen Bedarf nahezu
vollständig entspricht. Auch der Vitamin-C-Gehalt ist ernährungsphysiologisch von Bedeutung. Dennoch nimmt der Kartoffelverbrauch in vielen
Industrieländern erheblich ab, verursacht teils durch die verringerte körperliche Beanspruchung der Menschen im Beruf, teils durch den steigenden
Wohlstand. So ist der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschlang von 176 kg im
Jahr 1935/36 auf 66,5 kg im Jahr 2004/05 zurückgegangen. Allerdings
sind diese Zahlen kritisch zu bewerten, denn alternativ werden einige Halbfertigprodukte aus Kartoffeln konsumiert. Demgegenüber nehmen Ver-
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Tab. 4.4 Inhaltstoffe von Knollenfrüchten in 100 g essbarem Anteil
(Mittelwerte) (nach Souci et al 1994)
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
93
Maniok, Manihot esculenta
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brauch und Produktion in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu, vor
allem in Regionen der Erde mit starkem Bevölkerungswachstum. In den Industrieländern wandelt sich die Art des Verbrauches seit einiger Zeit stark.
Während früher die Kartoffeln als Grundnahrungsmittel genossen wurden,
stellen sie heute oft nur noch Zukost dar oder werden als sogenannte Veredelungsprodukte in Form von Chips, Pommes frites usw. verzehrt. Kartoffelpüree und -klöße lassen sich vereinfacht aus Instantpulvern herstellen,
die aus gekochten, zerkleinerten und dann getrockneten Kartoffeln gewonnen werden.
Erhebliche Anteile der Produktion werden vor allem in der Schweinemast
verfüttert, zur Herstellung von Ethanol als Treibstoff oder von reiner Stärke
verwendet, die als Dickungsmittel, Puddingpulver, Klebstoff, als Appreturmittel für Textilien und in der Papierfabrikation eingesetzt wird. Mittlerweile werden die Konzepte zur Nutzung der Kartoffel als industriellem
Rohstoff unter dem Gesichtspunkt der nachwachsenden Rohstoffe diskutiert. Gentechnische Veränderungen sind im Experimentalstadium. Die
Verbesserung einiger ertragsphysiologischer Eigenschaften der Speichergewebe wird durch Änderung apoplastischer Invertase-Aktivitäten in
den Sprossknollen angestrebt.
Die Erträge schwanken in Europa zwischen 8,4 und 45,0 t/ha, sie hängen
stark vom Klima während der Vegetationsperiode und von den Sorten
ab, deren Vielfalt sehr groß ist. Das Weltmittel des Ertrages liegt 2005
bei 17,2 t/ha. Über die Produktion der wichtigsten Anbauländer unterrichtet Tabelle 6.11 im Anhang.
CRANTZ
engl. u. franz. manioc, span. yuca, port. mandioca, cassava
Ordnung: Malpighiales, Familie: Euphorbiaceae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelknollen
Herkunft. Das Wolfsmilchgewächs Maniok erzeugt stärkereiche Wurzelknollen. Die in Brasilien beheimatete Pflanze kam durch portugiesische
Sklavenhändler schon im 16. Jh. nach Guinea und in das Kongogebiet
und gelangte später auch nach Indonesien. Als streng tropische Pflanze
wird sie heute außer in Brasilien und Kolumbien in tropischen Gebieten
Westafrikas von Togo bis zum Kongogebiet sowie in Indien, Thailand
und Indonesien in großem Maßstab angebaut.
Biologie. Die mehrjährige strauchartige Pflanze wird bis 3 m hoch
(Abb. 4.28a). Sie trägt langgestielte, tief handförmig geteilte Blätter und bildet aus sprossbürtigen Wurzeln an der Sprossbasis durch sekundäres Dickenwachstum (bevorzugt im Holzteil) zylindrische bis kegelförmige Wurzelknollen (Abb. 4.28b und Abb. 2.10a, S. 20). Diese erreichen eine Länge
von 30–90 cm und bei einem Durchmesser von 5–10 cm ein Gewicht
von 2–5 kg. Blütenstände treten als terminale Rispen mit bis zu 200 männlichen und 20 weiblichen Blüten auf. Die Samen der dreifächrigen Kapseln
sind für die Kultur ohne Bedeutung, oft sind sie nicht mehr keimfähig. Alle
Teile der Pflanze sind von langen Milchröhren durchzogen. Alle Pflanzengewebe enthalten in den Zellvakuolen die giftigen Blausäureglykoside Linamarin und Lotaustralin (Box 4.5).
Anbau, Standortansprüche. Die Bildung der Knollen verlangt warmes und
feuchtes Klima mit Temperaturen um 27 8 C (Jahresmittel von 20 8 C) und
500–5000 mm Niederschlag bei nicht zu hoher Luftfeuchtigkeit. Bei zu wenig Regen können die Knollen holzig werden. Maniok benötigt zur Stärkebildung viel Licht, hingegen sind die Bodenansprüche bescheiden, wenn die
Abb. 4.28 Maniok (Manihot esculenta). a Pflanzung. b Ausgegrabene Wurzelknollen.
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4 Nahrungspflanzen
Box 4.5 Blausäureglykoside in Maniok
Aus den in den Zellvakuolen akkumulierten
Blausäure-(Cyan-)glykosiden wird durch das
im Apoplasten lokalisierte Enzym Linamarase,
eine b-Glykosidase, bei Gewebeverletzung Blausäure freigesetzt. Die überwiegende Vorstufenmenge an Cyanglykosiden (ca. 90 %) tritt bei
den Maniokknollen vorwiegend in der Rindenschicht auf. Nach dem Gehalt an Linamarin,
das auch in Flachs, Limabohnen und Weißklee
vorkommt, unterschied man früher den bitteren Maniok mit 0,02–0,4 % von dem süßen Maniok mit 0,008–0,01 % Linamarin in der Knolle.
Der süße bzw. bittere Geschmack korreliert jedoch nicht mit dem Gehalt an cyanogenen Inhaltsstoffen. Der Glykosidgehalt ist genetisch
festgelegt, wird aber auch stark von Umwelteinflüssen mitbestimmt. Bei manchen Sorten
geht hoher Glykosidgehalt mit hohem Stärkegehalt einher, die deshalb im Großanbau zuweilen bevorzugt werden. Aufgrund des Gehaltes
an Cyanglykosiden kann Maniok nicht ohne Vorbehandlung verzehrt werden.
Man zerreibt die geschälten und gewaschenen
Knollen zu einer weißen Masse und lässt diese
zum Abbau der cyanogenen Vorstufen durch
die pflanzeneigenen b-Glykosidasen erst einige
Stunden in der Sonne stehen: Dann wird die
Masse auf heißen Platten getrocknet, wobei
die Blausäure vollständig entweicht. Nach
dem Mahlen liegt ein lange haltbares Mehl
vor, das in Brasilien als „Farinha“ in Säcken aufbewahrt oder in den Handel gebracht wird. Für
den Export wird vielfach reine Stärke erzeugt,
indem man die Knollen raspelt, die Raspelmasse in Wasser ausknetet und die austretende
milchige Flüssigkeit durch Siebe in Wannen fließen lässt. Die sich absetzende Stärke wird nochmals gewaschen und nach Abgießen des Wassers an der Sonne getrocknet. Die so gewonnene „Tapioka“ kann gewalzt oder zu Perlsago
(Perltapioka) verarbeitet werden.
Böden nur tiefgründig und sandig-lehmig sind und keine Staunässe auftritt.
Die Kultur des Manioks geht fast ausschließlich von Stecklingen aus, wofür
man 3–6 Knoten umfassende Abschnitte des mittleren Bereichs etwa 10
Monate alter Stängel verwendet und sie im Abstand von 0,8–1,5 m in
den Boden steckt.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Ernte setzt zum Zeitpunkt der Blattverfärbung je nach Standort etwa 6–24 Monate, meist 12 Monate nach dem
Pflanzen ein. Zu dieser Zeit ist der Stärkegehalt am größten. Süße Sorten
reifen früher als bittere. Die Knollen werden nach dem Abschneiden der
Stängel ausgegraben. Lässt man sie länger im Boden, was bei Eigenverbrauch wegen mangelnder Lagerungsfähigkeit oft geschieht, so tritt infolge
von Atmung ein Stärkeverlust ein, der in zwei Monaten 10–20 % betragen
kann, und die Sprosse treiben wieder aus. In Plantagen werden die Knollen
bei der Reife geerntet, doch zieht sich die Kampagne über mehrere Wochen
hin, da die Pflanzen uneinheitlich reifen. Die geernteten Knollen müssen
anschließend zur Verarbeitung sofort in nahe gelegene Fabriken transportiert werden, da sich die Knollen einerseits blau verfärben und dann nicht
mehr zur Stärkegewinnung eignen, andererseits bei Lagerung rasch zu faulen beginnen.
Wegen des Gehaltes an cyanogenen Glykosiden (Box 4.5) scheidet der Rohgenuss der bitteren Sorten der Knollen aus, deren Eiweißgehalt sehr gering
ist (s. Tab. 4.4, S. 92). Durch geeignete Vorbehandlungen und Garen werden
die blausäurebildenden Vorstufen abgebaut, die Blausäure entfernt und das
Produkt haltbar gemacht (Box 4.5). Für die direkte Verwendung der Knollen, die ähnlich wie die Kartoffel zubereitet werden, nutzt man „süße“
Maniokvarietäten, die deutlich weniger cyanogene Vorstufen enthalten.
In Südamerika und Asien werden die Blätter des Maniokstrauches als
Gemüse und Viehfutter verwendet. Getrocknete Knollenschnitzel dienen
als Kraftfutter zum Export. „Gari“ ist ein in Westafrika verbreitetes Instantprodukt aus Maniokknollen, die geschält, geraspelt, gepresst, fermentiert
und getrocknet werden. Es liefert ein Getränk oder süßen Brei.
Die Erträge schwanken zwischen 1,2 und 8,0 t/ha beim vorherrschenden
primitiven Anbau und erreichen über 25 t/ha im Intensivanbau. Der Weltdurchschnitt lag 2005 bei 10,8 t/ha. Hier bestehen also noch große Reserven
in der Produktion. Mehr Information über die Produktionsmengen liefert
Tabelle 6.12 im Anhang.
Süßkartoffel, Ipomoea batatas (L.)
LAM.
Batate; engl. sweet potato, franz. patate douce, span. batata, port. batata
doce
Ordnung: Solanales, Familie: Convolvulaceae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelknollen
Herkunft. Die Süßkartoffel ist eine in den gesamten Tropen und Subtropen
der Erde verbreitete Nahrungspflanze, die in ihren Wurzelknollen vorzugsweise Stärke speichert, daneben aber noch so viel Zucker enthält, dass sie
süßlich schmeckt. Sie stammt sehr wahrscheinlich aus Südamerika, da der
Name „Batate“ eine indianische Bezeichnung ist und, wie aus Gräberfunden
in Peru hervorgeht, die Batate bereits in präkolumbianischer Zeit bei den
Indianern in Kultur stand. Nachweislich kam die Batate zu Beginn des
16. Jh., noch vor der Kartoffel, über die Kanarischen Inseln nach England,
wo ihr Name in „potato“ verändert und später auf die Kartoffel übertragen
wurde. Spanier sollen die Süßkartoffel auf die Philippinen und Molukken
gebracht haben, von wo aus sie sich im Sundaarchipel und nach China ver-
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breitete. Heute findet sich die Batate weltweit im Bereich der Tropen und
Subtropen Amerikas, Afrikas und Asiens. Gelegentlich kann sie unter günstigen Klimabedingungen sogar in den gemäßigten Breiten gedeihen. Sie
vertritt oft die Kartoffel, wo diese nicht angebaut werden kann.
Biologie. Die Pflanze ist eine Staude, die nach der Art der Windengewächse
sich nicht selbst zu tragen vermag und daher mit ihren Sprossen am Boden
kriecht. Die Sprosse gehen aus einer Wurzelknolle hervor, die während des
Wachstums der Pflanze verbraucht wird. An den Knoten der lagernden
Sprosse entstehen sprossbürtige Wurzeln, die teils als Nährwurzeln dienen,
teils in ihrem mittleren Bereich unter kambialem sekundären Dickenwachstum zu spindelförmigen bis rundlichen Knollen anschwellen
(Abb. 2.10b, S. 20). Diese sind 10–20 cm lang mit purpurroter, gelblicher
oder weißlicher Rinde und werden bis zu 3 kg schwer. Die wechselständigen Blätter sind lang gestielt und besitzen eine rhombische, etwas gelappte
Spreite. Als Kurztagpflanze bildet die Batate nur in den Tropen Blütenstände mit drei bis vier trichterförmigen weißen oder rötlichen Blüten. Ihre Samen sind außer für die natürliche Verbreitung nur für die Züchtung bedeutsam, da die Batate in der Kultur ausschließlich vegetativ vermehrt wird. Die
Wurzelknollen vermögen als Saatknollen viele wurzelbürtige Sprosse zu
bilden, die ihrerseits sprossbürtige Wurzeln erzeugen und so zahlreiche
neue Pflanzen entstehen lassen. Die Speicherstoffe werden in dem von
einer dünnen Rinde umgebenen Zentralzylinder der Knolle eingelagert.
Beim Zerschneiden tritt ein Milchsaft aus, der im Gegensatz zu dem der
Maniokknolle ungiftig ist.
Anbau, Standortansprüche. Hohe Temperaturen von 26–30 8 C und
850–900 mm Niederschläge werden als optimale Kulturbedingungen angesehen, wobei für die anfängliche Entwicklung hohe Feuchtigkeit, für
die Reifezeit aber heißes und trockenes Klima erwünscht ist. Dementsprechend kann die Batate bis 40 Grad nördlicher und südlicher Breite und in
Höhen bis zu 2000 m über über NN angebaut werden, sofern die mittlere
Temperatur bei 22 8 C liegt und 10 8 C nicht unterschritten werden, da die
Pflanzen sonst Kälteschäden zeigen (engl. chilling injury) und absterben.
Wasserdurchlässiger, schwach saurer, sandig-lehmiger Boden lässt die
Wurzelknollen unter den genannten Bedingungen in 4–6 Monaten reifen.
Die Knolle bildet sich unabhängig von der Tageslänge. Zur Aussaat nimmt
man selten ganze Knollen. Vielmehr verwendet man bewurzelte Schösslinge von in Saatbeeten keimenden Knollen, die zahlreiche wurzelbürtige
Sprosse bilden. Aber auch die Stecklingsvermehrung wird angewandt.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Wenn die Blätter zu vergilben beginnen,
sind die Knollen reif und sollten alsbald aus dem Boden genommen werden,
da sie zu dieser Zeit maximalen Kohlenhydratgehalt aufweisen. Die Ernte
erfolgt von Hand oder maschinell mit Rodern, wobei zuvor die oberirdischen Teile entfernt werden. Man lässt die Knollen einige Stunden zum
Trocknen auf dem Feld liegen und bringt sie dann in trockene Lagerhäuser,
die gut zu belüften sein müssen, da die Knollen leicht faulen. Die Temperatur darf nicht unter 10 8 C absinken, die Lagerfähigkeit ist begrenzt. Der
Kohlenhydratgehalt von ca. 24 % setzt sich zu 16–20 % aus Stärke und zu
0,5–5,5 % aus Zucker zusammen, wobei der Zuckergehalt umso höher ist,
je näher die Anbauregion am Äquator liegt. Die Knollen werden gekocht
oder gebraten genossen. Aus getrockneten Knollen können Schnitze,
Mehl, Stärke und aus zerkrümeltem Knollenfleisch sogenannte Reiskörner
(Kaukau-rice in Papua) gewonnen werden. Unter Vergärung entstehen alkoholische Getränke wie „Mobby“ und „Marmoda“ in Westindien und Lateinamerika. Neuerdings stellt man auch Flakes und Zuckersirup her.
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
96
4 Nahrungspflanzen
Die Erträge schwanken je nach Standort und Pflege zwischen 1,0 und
36,6 t/ha bei einem Weltmittelwert 2005 von 14,8 t/ha. Bei der statistischen Erfassung der Produktion wird allerdings der Eigenverbrauch der
zahlreichen Selbstversorger in den Tropen nicht mit erfasst. Tabelle 6.13
im Anhang nennt die Hauptanbaugebiete.
Die Inhaltsstoffe der Knollen gehen aus Tabelle 4.4 (S. 92) hervor.
Yamswurzel, Dioscorea-Arten
Biologie. Unter den Monokotylen liefern die Yamsgewächse stärkereiche
Wurzelknollen. Von ca. 600 Dioscorea-Arten werden etwa zehn, deren Heimat sich auf die Tropen der Welt verteilt, in größerem Maßstab nur in Afrika angebaut. Allerdings werden sie mehr und mehr von anderen Knollenpflanzen verdrängt. Alle Dioscorea-Arten sind windende Stauden mit meist
wechselständigen, seltener gegenständigen (z. B. D. opposita), großen herzförmigen Blättern und getrenntgeschlechtigen Blüten, die in lockeren Trauben, Ähren oder Rispen stehen und zweihäusig oder einhäusig verteilt sind.
Während einige kultivierte Yamsarten Sprossknollen oder Rhizome bilden,
erzeugen die meisten anderen Wurzelknollen, die aus sprossbürtigen Wurzeln der Stängelbasis hervorgehen. Sie sind von keuliger bis rundlicher Gestalt und erreichen eine Länge von 30–70 cm und ein Gewicht von bis zu
20 kg (Abb. 2.10c, S. 20). Kleinere Knollen dienen der vegetativen Vermehrung in der Kultur. Einige Arten bringen in den Achseln ihrer Blätter rundliche Brut- oder Luftknollen hervor.
Der Wasseryams (D. alata L.) ist die in Asien meistgebaute Art. Kartoffelyams (D. bulbifera L., syn. D. sativa HORT.) bildet neben Wurzel- auch Luftknollen und wird in Indien, Indonesien, Japan, Nordaustralien und Afrika
kultiviert. Der Gelbe (D. cayenensis LAM.) und Weiße Yams (D. rotundata
POIR.) sind in Westafrika und auf den Westindischen Inseln anzutreffen. Der
Asiatische Yams (D. esculenta (LOUR.) BURK.) findet sich in Indien, China, Korea und Ozeanien, ebenso wie die Brotwurzel (D. opposita THUNB., syn.
D. batatas DECNE), deren Anbau bis in die gemäßigten Breiten Chinas reicht.
Anbau, Standortansprüche. Als überwiegend tropische Gewächse verlangen die meisten Yamsarten mindestens 20 8 C, optimal 25–30 8 C – die Brotwurzel gedeiht auch unter 20 8 C –, hohe Luftfeuchtigkeit, regelmäßige Niederschläge (1500 mm) sowie lockere, humusreiche Böden. Für die Knollenbildung sind Kurztagbedingungen erforderlich. Die Vermehrung erfolgt
durch Stängelstecklinge oder durch kleinere Saatknollen. Diese gewinnt
man gleich nach der Ernte, indem man die Knollenköpfe der großen Knollen
an der Pflanze belässt, wieder einpflanzt und nur den größeren unteren Teil
der Knollen erntet. In 6–8 Wochen werden dann mehrere kleine Knollen
gebildet. Zur Kultur der Windepflanzen sind Stützstangen oder Schnüre
zu empfehlen, um durch optimale Lichtausnutzung der Blätter hohe Stärkegehalte der Knollen zu erzielen.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Yamsknollen werden zum Zeitpunkt der
Blattvergilbung, etwa 9–11 Monate nach dem Pflanzen, von Hand ausgegraben. Für den Eigenbedarf lässt man die Knollen vielfach bis zum Verbrauch im Boden, doch sind dann geschmackliche Einbußen in Kauf zu nehmen. Meist lagert man sie in luftigen Schuppen flach ausgebreitet oder
hängt sie an Schnüren auf.
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engl. yam (Pl. yams), franz. igname, span. name
Ordnung: Dioscoreales, Familie: Dioscoreaceae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelknollen
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
97
Box 4.6 Einige Yamsarten enthalten das Steroid Diosgenin
Die Knollen einiger Yamsarten, wie Dioscorea spiculiflora HEMSL
(syn. D. mexicana AUC. CHEM., span. cabeza de negro),
D. macrostachya BENTH, (syn. D. composita HEMSL, span. Barbasco)
und D. floribunda MART. et GAL., sind wegen des Gehaltes an Diosgenin, einem Steroid, bedeutsam geworden. Daraus lassen sich
die Steroidhormone Cortison und Hydrocortison als Mittel zur Behandlung von allergischen Reaktionen, dort vor allem zur Förderung der Wundheilung, bei Arthritis usw. herstellen, sowie Sexualhormone wie Progesteron z. B. für die Produktion von Empfängnisverhütungsmitteln. Diese in großen Mengen benötigten Hormone ließen sich lange nicht synthetisieren, und die zu teuren
Quellen, tierische Nebennieren, reichten nicht aus. Die Entde-
ckung von Diosgenin in Knollen von Yamsarten (1937) hat seit
den 50er-Jahren eine steigende Produktion der Hormone ermöglicht, aber die Wildvorkommen fast ausgerottet (1966 wurden allein in Mexiko 15 000 t Knollen geerntet). Daher ist man in Mittelamerika, wo die relativ höchsten Mengen an Diosgenin in den
Knollen gebildet werden, zum Anbau und zur Züchtung von Klonen der genannten Arten mit einem Gehalt von 6–8 % Diosgenin
übergegangen. Mittlerweile sind stereochemisch selektive Synthesen für die erforderlichen Vorstufen entwickelt worden und
diese pflanzlichen Ressourcen haben schlagartig ihre Bedeutung
verloren.
Oka, Oxalis tuberosa
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Die Inhaltsstoffe (s. Tab. 4.4, S. 92) entsprechen etwa denen der Batate. Die
Knollen einiger, allerdings kaum angebauter Arten enthalten das giftige Alkaloid Dioscorin, das sich durch Kochen entfernen lässt. Die Knollen werden
wie die Kartoffel verwendet. In Westafrika ist insbesondere „Fufu“, ein Brei
aus gestampften gekochten Yamsknollen ein häufiges und beliebtes Gericht, zu dem scharf gewürzte Soßen nach Möglichkeit unter Zugabe von
Fleisch oder Fisch genossen werden. In Scheiben zerschnittene Knollen liefern geröstet Chips, auch wird Yamsmehl und -stärke hergestellt. Früher
wurde aus einigen Yamsarten auch das Steroid Diosgenin gewonnen und
verwertet (Box 4.6).
Die Erträge belaufen sich auf 0,9–22,3 t/ha (Weltdurchschnitt 2005
9,0 t/ha). Information über die Produktion und wichtigsten Anbauzentren
liefert Tabelle 6.14 im Anhang.
MOLINA
syn. O. crenata JACQ.; Knolliger Sauerklee; engl. oka oxalis, franz. surelle oca,
span. oca
Ordnung: Oxalidales, Familie: Oxalidaceae
verwendete Pflanzenteile: Sprossknollen
Von regionaler Bedeutung in den Anden ist Oka, eine Sauerkleeart, die wegen ihrer ebenfalls stärkehaltigen Sprossknollen (Abb. 4.29) schon von den
Ureinwohnern der präkolumbianischen Zeit in Kultur genommen worden
ist und noch heute von den Hochlandindianern Kolumbiens (dort Ibia genannt), Ecuadors und Perus angebaut wird.
Die gelbblühende Art besitzt dreizählige, an Klee erinnernde Blätter und
7–15 cm lange kerbige Sprossknollen, die sich unterirdisch am Ende kurzer
Stolonen entwickeln. Die Sprossknollen tragen flache Augen in den Achseln
fleischiger Schuppenblätter und enthalten 84 % Wasser, 13,1 % Stärke,
1,1 % Eiweiß, 0,8 % Fett, 1 % Rohfaser, 0,8 % Mineralstoffe und 37 mg
Vitamin C/100 g. Die weißen, gelblichen oder roten Knollen entstehen
im Kurztag, während im Landtag die Stolonen zu oberirdischen, beblätterten Sprossen auswachsen.
Einige Sorten werden beim Nachreifen an der Sonne etwas süß, und man
verzehrt sie gekocht oder geröstet. Bittere Sorten, die wegen ihres höheren
Oxalatgehaltes weniger gut schmecken, lassen sich geschmacklich verbessern, wenn sie wie Kartoffeln zu chuño (S. 91) als Dauerreserve getrocknet
oder zu einer käseartigen Masse, „caya“ genannt, fermentiert werden. Alle
Produkte sind auf lokalen Märkten zu finden.
Abb. 4.29
Oka (Oxalis tuberosa).
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98
4 Nahrungspflanzen
Knollige Kapuzinerkresse, Tropaeolum tuberosum
RUIZ
et
PAV.
Abb. 4.30 Knollige Kapuzinerkresse (Tropaeolum
tuberosum).
In den Andentälern Kolumbiens bis Perus auf 3000 m und höher gedeiht die
Knollige Kapuzinerkresse als weitere knollenbildende Art. In Regionen, in
denen Kartoffeln nicht angebaut werden können, liefern die unterirdischen
Sprossknollen dieser krautigen Pflanze (Abb. 4.30) das Hauptnahrungsmittel. Wie unsere Gartenkapuzinerkresse besitzt die Knollige Kapuzinerkresse Schildblätter, die jedoch sternförmig gelappt sind, klettert mithilfe
von Blattstielranken und blüht mit orangeroten, gespornten Blüten. Die
gelbe, purpurfleckigen, aus kurzen Stolonen hervorgehenden bis 13,5 cm
langen Sprossknollen weisen in ihren Kerben kleine Augen (= Seitenknospen) auf. Sie enthalten 86 % Wasser, 11 % Kohlenhydrate, 1,6 % Eiweiß und
67 mg Vitamin C/100 g. Alle Pflanzenteile, so auch die Knollen, enthalten
Senfölglykoside, durch die Insekten und Nematoden abgewehrt werden,
sodass die Knollige Kapuzinerkresse an Standorten, die mit diesen Schädlingen belastet sind, gerne als Vorfrucht (insbesondere der Kartoffel) angebaut wird. Andererseits bedingen die Senfölglykoside den unangenehmen
Geruch und scharfen Geschmack der Knollen, der schwindet, wenn sie gekocht dem Frost ausgesetzt werden. Nach Art von chuño (S. 91) entsteht ein
jahrelang haltbares Trockenprodukt, das taiacha genannt wird.
Ulluco, Ullucus tuberosus
LOZANO
ulluma, melloca; engl. ruba, franz. ulluque, span. papa lisa
Ordnung: Caryophyllales, Familie: Basellaceae
verwendetet Pflanzenteile: Sprossknollen
Abb. 4.31
Ulluco (Ullucus tuberosus).
Ulluco stellt eine weitere von den Indios der Andenhochländer von Ecuador
bis Nordargentinien viel genutzte Knollenpflanze dar. Diese Art, die bis zu
3800 m über NN gedeiht, ist ein ausdauerndes Kraut mit niederliegenden
fleischigen Sprossen. Aus den Achseln der dreieckigen, etwas löffelförmigen Blätter an der Sprossbasis gehen 1–3 in den Boden wachsende Ausläufer hervor, die unterirdisch an der Spitze zu eiförmigen Sprossknollen mit
kleinen Augen (= Sprossknospen) anschwellen (Abb. 4.31). Die Knollen sind
glatt, glänzend, je nach Varietät gelb, rot oder fahlgrün gefärbt oder rotgrün
gesprenkelt, 6–8 cm lang und enthalten 86 % Wasser, 12,5 % Stärke, 1 % Eiweiß und 23 mg Vitamin C/100 g. Sie werden auf lokalen Märkten gehandelt, in Peru z. B. jährlich ca. 30 000 t. Man isst sie gekocht oder geröstet
oder trocknet sie wie chuños zu „Lingli“, die sich jahrelang halten.
Ostindische Pfeilwurz, Tacca leontopetaloides (L.)
KUNTZE
syn. T. pinnatifida J. R. et G. FORST; pia, tia; engl. tacca, polynesian arrowroot,
franz. tacca
Ordnung: Dioscoreales, Familie: Dioscoreaceae
verwendete Pflanzenteile: Sprossknollen
Die auf Inseln des Indischen und Stillen Ozeans beheimatete monokotyle
Pflanze ist ein tropisches, Seeklima verlangendes, krautiges Gewächs, das
in geringem Umfang auch in China, Indochina, Indien und Kamerun angebaut wird, doch keine Handelspflanze darstellt. Sie geht mit gestauchter
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engl. anyu, franz. capucine tubéreuse, span. añu, ysaño, mashua, magua
Ordnung: Brassicales, Familie: Tropaeolaceae
verwendete Pflanzenteile: Sprossknollen
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
99
Achse aus Knollen hervor und besitzt meterlang gestielte, fingerartig geteilte Blätter. Aus den Vorblättern der Blattachselknospen entstehen ausläuferartig sich verlängernde, röhrenartige Aussackungen, in welche die
Achselknospe einrückt und zu einer Knolle anschwillt (Abb. 4.32). Die kartoffelartigen Knollen wiegen 100–350 g, enthalten ca. 27,6 % als Tahiti- oder
Fidji-Arrowroot bezeichnete Stärke und liefern ein gutes Brotmehl oder
werden gekocht genossen.
Arakacha, Arracacia xanthorrhiza
BANCR.
Als einziges in der Neuen Welt domestiziertes Doldengewächs ist Arakacha
zu nennen, eine kräftige ca.1,5 m hohe Staude (ähnlich Sellerie) mit einfach
gefiederten Blättern und gelben oder violetten Blüten. Ihr walzlich rübenartiger Wurzelstock bildet Seitenwurzeln aus, die in 8–12 Monaten zu bis
30 cm langen und 3–8 cm dicken, möhrenartigen Speicherwurzeln erstarken und einen Ertrag von bis zu 13 t/ha liefern. Die Art wird zwischen 1800
und 2600 m über über NN in den Anden Kolumbiens und Perus von der
indigenen Bevölkerung angebaut. Da die Pflanzen kaum Früchte ansetzen,
erfolgt die Vermehrung vegetativ durch Abrisse vom Wurzelstock.
Die weißen bis violetten, nur wenigen Tage lagerfähigen Speicherwurzeln
enthalten ca. 73 % Wasser, 25 % Stärke und 1 % Eiweiß. Sie werden nach Abschaben der dünnen Rinde roh oder kurz gekocht verzehrt und schmecken
aufgrund des Gehaltes an etherischen Ölen würzig, weshalb sie der Kartoffel vorgezogen werden. Geriebene Wurzeln, als eine Art Reibekuchen in siedendem Fett gebraten, liefern die „bunuelos“. Während junge, gebleichte
Stängel und Blätter als Salat oder Gemüse genutzt werden, dienen die stärkehaltigen Wurzelstöcke als Viehfutter.
Abb. 4.32 Sprossknolle mit Tochterknolle von
Tacca leontopetaloides.
Knollige Platterbse, Lathyrus tuberosus L.
engl. groundnut pea vine, franz. gland de terre
Ordnung: Fabaceae, Familie: Papilionoideae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelknollen
Die in Europa bis Westasien beheimatete und in Nordamerika eingebürgerte Pflanze besitzt Fiederblätter mit Wickelranken und eine Rübenwurzel. Aus den Achseln der Keim- und Niederblätter des hinfälligen Primärsprosses gehen Ausläufer hervor, die an den Knoten sprossbürtige, zu Knollen anschwellende Wurzeln bilden. Die haselnussgroßen Knöllchen benötigen für ihre Entwicklung 3–4 Jahre und wurden früher feldmäßig angebaut. Sie enthalten Zucker und Stärke und werden gekocht oder geröstet
genossen. Als Wildkraut finden sich die mit rosenroten Schmetterlingsblüten besetzten krautigen Pflanzen noch heute an Feldrainen und erinnern an
die frühere Nutzung.
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arracha; engl. peruvian carrot, span. apio
Ordnung: Apiales, Familie: Apiaceae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelknollen
100
4 Nahrungspflanzen
Knollenbohne, Pachyrrhizus -Arten
Rüben enthalten selten Stärke. In der Knollenbohne liegt jedoch ein Vertreter vor, der Speicherstärke aufweist. Drei Arten der Gattung aus Mittelund Südamerika wurden schon in präkolumbianischer Zeit von den Ureinwohnern in Kultur genommen, nämlich P. ahipa (WEDD.) PARODI, „ajipa“ genannt, eine nicht windende krautige Art, sowie P. tuberosus (LAM.) SPRENG.,
„Chicama“, und P. erosus (L.) URBAN, „jicama“ oder „iguama“, die beide nach
Art unserer Gartenbohne 5–7 m lange Windesprosse bilden. P. ahipa hat in
Ecuador und P. tuberosus in Bolivien bis Nordargentinien nur noch begrenzte regionale Bedeutung, während P. erosus als eigentliche Knollenbohne in
den Tropen Südostasiens und Afrikas eingebürgert ist und angebaut wird.
Bei allen drei Arten erstarkt die Primärwurzel zu einer spindeligen bis knolligen Rübe; zuweilen nehmen auch Seitenwurzeln knollige Gestalt an, sodass Knollenklumpen entstehen (P. tuberosus). Die Rüben bzw. Knollen enthalten neben 82 % Wasser ca. 9,7 % Stärke, 5 % Zucker sowie 1,5 % Eiweiß. Sie
werden roh oder gekocht gegessen. Auch die Samen unreifer Hülsen dienen
als Gemüse, während reife Samen aufgrund ihres Gehaltes an Rotenon,
einem Fisch- und Insektengift (S. 406), ungenießbar sind.
Stärke in Rhizomen
Taro, Colocasia esculenta (L.)
SCHOTT
var. antiquorum
(SCHOTT) HUBBARD
et
REHD
syn. C. antiquorum SCHOTT; engl. coco-yam, dasheen, franz. colocase, span.
malanga, taro
Ordnung: Alismatales, Familie: Araceae
verwendete Pflanzenteile: Rhizome
Abb. 4.33 Taro (Colocasia esculenta). a Pflanzung.
b Rhizom und Ausläufer mit Tochterknolle.
Herkunft. Größere Bedeutung unter den Rhizomstärkelieferanten besitzt
der Taro, dessen Heimat im Sundaarchipel liegt.
Biologie. Aus einem knolligen orthotropen Rhizom, das ringförmige Blattnarben und sprossbürtige Wurzeln aufweist, entspringen bei gestauchter
Achse mehrere mächtige, herzpfeilförmige Schildblätter (Abb. 4.33a), deren Stiel in der Spreitenmitte inseriert ist und bis 2 m lang werden
kann. Nach Art der Aronstabgewächse werden kolbenförmige, von der
Spatha umhüllte Blütenstände gebildet, doch ist über eine Verbreitung
durch Samen nichts bekannt. Während der Vegetationsperiode vergrößert
sich das Rhizom (Abb. 4.33b) bis zu einem Gewicht von 4 kg und kann an
Ausläufern kleinere, als Pflanzgut geeignete Tochterknollen erzeugen.
Standortansprüche. Die ausdauernde Sumpfpflanze benötigt humose, tiefgründige Böden und feuchtwarmes Klima. Taro ist heute in den Tropen der
ganzen Welt verbreitet, doch ist der Anbau geringer als der von Batate und
Maniok.
Verarbeitung, Produkte. Der Stärkegehalt beträgt ca. 23 % bei 67–75 % Wassergehalt. Neben Spuren von Fett können 1 % Zucker, bis zu 2 % Eiweiß, 1 %
Mineralstoffe und viele Oxalatkristalle auftreten, die beim Genuss Kratzen
im Hals oder gar Verdauungsbeschwerden auslösen. Deshalb wechselt man
das Kochwasser, wenn man Taro kocht. Aus Taro werden aber auch Mehl
oder Portland-Arrowroot genannte Stärke hergestellt.
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engl. yam bean, potato bean, franz. pachyrrhize
Ordnung: Fabales, Familie: Fabaceae, Unterfamilie: Papilionoideae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelrüben, Wurzelknollen
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
101
Die ausgegrabenen Knollen fallen zu 1,2 (Malediven) bis zu 29,4 t/ha (Ägypten) (Weltmittel 2005 5,7 t/ha) an und decken zumeist den Eigenbedarf der
Bevölkerung. Die Weltproduktion betrug 2005 10,59 Mill. t, davon (in
1000 t): Nigeria 4027, Ghana 1800, China 1638, Elfenbeinküste 370, Papua-Neuguinea 260, Madagaskar 200, Japan 185, Philippinen 102, Ägypten
100 und Burundi 62.
Tannia, Xanthosoma sagittifolium (L.)
SCHOTT
Tannia ist mit Colocasia eng verwandt und mit stofflich ähnlich zusammengesetzten Rhizomknollen (Abb. 4.34) ausgestattet, die im gleichen Sinne
genutzt werden. Die Art besitzt keine Schildblätter, sondern die Blattstiele
sind an der Basis der herzpfeilförmigen Spreiten inseriert. Die bis 25 cm
langen glatten Tochterknollen sind flaschenförmig gestaltet. Tannia
stammt aus dem tropischen Amerika, wird aber auf dem gesamten Tropengürtel, wenn auch geringer, für den Eigenbedarf angebaut.
Abb. 4.34 Tannia (Xanthosoma sagittifolium) mit
Rhizomknollen.
Pfeilwurz, Maranta arundinacea L.
engl. arrowroot, franz. marante, span. guapo
Ordnung: Zingiberales, Familie: Marantaceae
verwendete Pflanzenteile: Rhizome
Herkunft. Die Heimat der Pfeilwurz ist Südamerika, doch wird sie auch in
Westafrika, Indien und anderen tropischen Gebieten kultiviert. Fast der gesamte Weltexport stammt jedoch von den Westindischen Inseln, besonders
von St. Vincent.
Biologie. Die 1–3 m hohe Staude bildet aus einem sympodialen Rhizom heraus eine gestauchte Achse, die von zahlreichen langgestielten Blättern mit
spitz-ovalen Spreiten in zweizeiliger Anordnung besetzt ist. Später streckt
sich die Achse zu einer verzweigten endständigen Infloreszenz. Das Rhizom
verzweigt sich zu mehreren, von großen Schuppenblättern bedeckten Seitenrhizomen, die reichlich Stärke speichern (Abb. 4.35).
Anbau, Standortansprüche. Zurückgeschnittene Schösslinge oder Rhizomstücke dienen als Pflanzgut, das sich in feuchtheißem Klima bei mäßigen
Niederschlagsbedürfnissen, aber ausreichendem Wassergehalt lockerer
tiefgründiger Böden in etwa 11 Monaten zur Erntereife entwickelt.
Verarbeitung, Produkte. Wenn die Blätter eintrocknen, ist der Stärkegehalt
des Rhizoms mit 20–25 % am größten. Daneben besteht das Rhizom aus 1 %
Fett, 1,5 % Eiweiß, 6 % Rohfaser und 65,5 % Wasser. Die Rhizome werden ausgegraben oder ausgepflügt und lassen sich in luftigen Lagerschuppen etwa
drei Wochen aufbewahren. Der hohe Rohfaseranteil bedingt, dass die Rhizome nur zur Stärkegewinnung genutzt werden, indem man sie zermahlt
und die Stärke ausschwemmt. Die Stärke setzt sich in Sammelbecken ab,
wird mehrmals gewaschen, an der Sonne getrocknet und gewalzt. Die
Westindisches Bermuda- oder Jamaica-Arrowroot genannte Stärke ist
leicht verdaulich und eignet sich daher besonders zur Kinderernährung
und für Rekonvaleszente. Die Erträge schwanken zwischen 6 und 8 t/ha.
Abb. 4.35 Pfeilwurz (Maranta arundinacea). a
Ganze Pflanze. b Rhizomspross.
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engl. u. span. yautia, malanga
Ordnung: Alismatales, Familie: Araceae
verwendete Pflanzenteile: Rhizome
102
4 Nahrungspflanzen
Essbare Canna, Canna indica L.
Die der Pfeilwurz verwandte tropische Pflanzenart stammt aus Südamerika
und wurde schon vor der Zeitenwende von Indianern der Ostanden in Kultur genommen, wie Vasenmotive an Töpferwaren zeigen. Die Essbare Canna spielt in den Anden aber nur noch in der Gegend von Cuzco eine begrenzte Rolle, während sie heute auf vielen pazifischen und einigen Westindischen Inseln, vor allem aber in Queensland in Australien kultiviert wird.
Die Staude, die bei uns als Zierpflanze (Indisches Blumenrohr) häufig gepflanzt wird, wird etwa 2 m hoch und blüht leuchtend rot. Sie speichert
wie die Pfeilwurz Stärke in ihren fleischigen Rhizomen, die zu mehreren
an der Basis der Sprossachse aus Mutterrhizomen entspringen und einen
Klumpen bilden. Sie werden bis zu 60 cm lang, sind in knollige Segmente
gegliedert und zweizeilig von hellgrünen oder violetten Schuppenblättern
bedeckt.
Die Canna-Rhizome enthalten 73 % Wasser, 1 % Eiweiß, 0,6 % Rohfaser, 1,4 %
Mineralstoffe und vor allem 24 % Stärke, die im Handel Queensland-Arrowroot genannt wird. Anbau und Ernte gleichen denen der Pfeilwurz, doch ist
der Ertrag mit 30–40 t/ha (in Australien) wesentlich größer. 9 t Rhizome
erbringen ca. 1 t reine Stärke.
Weiße und Gelbe Seerose, Nymphaea alba L. und Nuphar lutea (L.)
SM.
engl. water lily, franz. nénuphar, span. azucena de agua, el nenúfar
Ordnung: Nymphaeales, Familie: Nymphaeaceae
verwendete Pflanzenteile: Rhizome
Die beiden in den gemäßigten Breiten der Alten Welt weit verbreiteten
Wasserpflanzen bilden armdicke Rhizome am Grund der Gewässer und
speichern bis zum Absterben der Schwimmblätter im Herbst erhebliche
Mengen an Stärke. Ihretwegen wurden die heute geschützten Arten vor allem in Notzeiten geerntet und zu Mehl verarbeitet, das, mit Getreidemehl
vermischt, zum Brotbacken diente. In ähnlicher Weise wurden die Rhizome
der Typha-Arten (Rohrkolben) und von Calla palustris L. (Schweinsohr) genutzt.
Stärke in der oberirdischen Sprossachse
Sagopalme, Metroxylon sagu
ROTTB.
syn. M. laeve MART., M. rumphii (WILLD.) MART.; engl. sago palm, franz. sagoutier
Ordnung: Arecales, Familie: Arecaceae
verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen
Biologie. Fast alle Bäume speichern zumindest zeitweilig Stärke und andere
Reservekohlenhydrate in den lebenden Holz- und Rindenparenchymzellen
des Stammes. Einige tropische Palmen haben eine sehr ausgeprägte Stärkespeicherung im Markparenchym. Die im indomalayischen Gebiet beheimateten Sagopalmen sind hapaxanth, d. h. sie blühen nur einmal am Ende
ihres ca.15 Jahre währenden Lebens mit einer terminalen Infloreszenz und
speichern dafür, vor allem in den letzten drei Jahren vor dem Blühen, im
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syn. C. edulis KER-GAWL.; gruya; engl. edible canna, franz. basilier comestible;
span. achira, tasca; port. albaró
Ordnung: Zingiberales, Familie: Cannaceae
verwendete Pflanzenteile: Rhizome
103
Stamm Stärke, die als Sago gewonnen wird. Der papuanische Name sago
bedeutet so viel wie Brot, denn die Stärke dieser Palmen liefert auf vielen
Inseln das Mehl für Brot und Fladen. Marco Polo berichtete um 1280 zuerst
von diesen Palmen und ihrer Bedeutung als wichtiger Volksnahrung. Die
Arten der Gattung Metroxylon gehören zu den echten Sagopalmen. Sie werden bis 12 m hoch und besitzen einen 50–100 cm dicken Stamm. Seine nur
6 cm dicke, zum Teil stachelige Rinde und die Gefäßbündelschicht umschließen ein bis 80 cm dickes Mark. An der emporwachsenden Sprossspitze tragen sie eine Rosette von 4–6 m langen, gefiederten Blättern mit
schenkelstarken Stielen, während sich an der Stammbasis ausläuferartige,
sich bewurzelnde Schösslinge bilden, die auch in der Kultur der vegetativen
Vermehrung dienen.
Anbau, Standortansprüche. Das Vorkommen der streng tropischen Gewächse erstreckt sich auf einen Gürtel von 10 Grad nördlicher und südlicher Breite im südostasiatischen Raum. Die Pflanzen gedeihen in sumpfigem Gelände, besonders im Küstenbereich und landeinwärts an Flussläufen bis zu 700 m über über NN. Feuchtwarmes Klima mit gleichmäßig hoher Wärme und Luftfeuchtigkeit sind ebenso notwendig wie relativ freier
Stand für den Lichtzutritt. Plantagen sind selten, zumeist wachsen die Palmen wild und verstreut, werden aber als Besitztum gepflegt und je nach
Anfall von Schösslingen auch vermehrt.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Ernte setzt ein, wenn die Infloreszenzbildung bevorsteht. Dann werden die Palmen gefällt, entblättert und in
1–2 m lange Stücke zerlegt, wobei Spitze und Basis verworfen werden. Danach spaltet man die Rinde längs auf und hebt sie vom weißen Zentralmark
ab. Sie dient zugleich als Unterlage für die anschließende Gewinnung des
Markes. In mühseliger tagelanger Arbeit wird das Mark mit Meißelhämmern zu einem Pulver zerkleinert, das mit Wasser ausgeknetet wird. Dabei
fließt die Stärke, in milchiger Flüssigkeit suspendiert, in große kahnartige
Rindenwannen und setzt sich ab. Dieser Rohsago wird in Palmblättern zu
Bündeln verpackt, über dem Feuer getrocknet und für viele Wochen aufbewahrt. Er deckt zumeist den Eigenbedarf der lokalen Bevölkerung.
Aus einem Palmenstamm lassen sich ca. 200 kg Rohsago gewinnen. Das
Mark enthält nur ca. 50 % Stärke, der Rest besteht insbesondere aus Zellwandbestandteilen. Für den Export wird der Sago durch wiederholtes Waschen gereinigt, an der Sonne getrocknet, dann zerkleinert und zu runden
Sagokörnern (Perlsago) verarbeitet. In manchen Betrieben streicht man
dazu den feuchten Stärketeig durch Siebe bestimmter Porenweite. Die
durchtretenden Partikel fallen auf heiße Platten, die sich ständig schaukelnd bewegen und so die Partikel zu rundlichen Körnern rollen und gleichzeitig trocknen. Man unterscheidet im Handel Palmsago der Sagopalme,
Portlandsago aus Tarostärke, Tapioka- oder Perlsago aus Maniok- oder Batatenstärke und deutschen Sago oder Kartoffelsago aus Kartoffelstärke.
Palmsago enthält 13–16 % Wasser, 80–85 % Stärke, 0,6 % Eiweiß und 0,6 %
Fett. Er wird zur Herstellung von Suppen, Brei und brotartigem Gebäck verwendet, oder hierzulande z. B. als Verdickungsmittel von Fruchtkompott
(Rote Grütze). Die Ernte aus einer Palme deckt etwa den Jahresbedarf an
Sago für eine vierköpfige Familie.
Weitere Lieferanten von echtem Sago von allerdings geringerer Qualität
sind die Brennpalme (Caryota urens L.), die Nepalesische Zwergdattelpalme
(Phoenix acaulis BUCH.-HAM.), die Zuckerpalme (Arenga pinnata, S. 111), alle
drei aus Ostasien stammend, und die brasilianische Königspalme (Roystonea oleracea (JACQ.) O. F. COOK.). Sogenannter falscher Sago wird aus den Stämmen zweier zu den Gymnospermen gehörigen Palmfarne, Cycas circinalis L.
und Cycas revoluta THUNB., in Ostasien gewonnen.
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
104
4 Nahrungspflanzen
Stärke in Fruchtverbänden
Brotfruchtbaum, Artocarpus altilis
(PARKINSON) FOSBERG
Abb. 4.36 Brotfruchtbaum (Artocarpus altilis).
a Fruchtverband. b Reifende Fruchtverbände.
Biologie. Einen stärkehaltigen Nussfruchtverband von beachtlicher lokaler
Bedeutung liefert der im malayischen Archipel heimische und auf den Sundainseln und in Polynesien weit verbreitete milchsaftführende Brotfruchtbaum. Bei 10–12 m Höhe und bis zu 80 cm Stammdurchmesser trägt der
Baum in seiner breiten Krone fiederspaltig gelappte große Blätter
(Abb. 4.36). Einhäusig getrenntgeschlechtig bringt er an den Zweigenden
einzelne männliche walzliche Ähren oder 2–3 kugelige weibliche Infloreszenzen hervor. Ähnlich den Maulbeeren bestehen die letzteren aus hunderten Blüten, die um eine kolbige Achse angeordnet miteinander verwachsen
und sich zu einem kopfgroßen, bis 2 kg schweren fleischigen Fruchtverband entwickeln (Abb. 4.36 und Abb. 2.38d, S. 43). Beim Unechten Brotfruchtbaum reifen im Fleisch der persistierenden Blütenblätter 16–24 kastaniengroße Nüsse heran, deren stärkehaltige Samen geröstet gegessen
werden. Beim bevorzugten Echten Brotfruchtbaum dagegen entsteht der
Fruchtverband ohne Bestäubung parthenokarp, wobei sich die Gesamtheit
der Blüten mit ihren Blütenhüllen und der Infloreszenzachse zu einem stärkehaltigen Fruchtfleisch umwandelt. Er entspricht also einer riesigen Maulbeere, allerdings ohne Nüsse, und ist somit kenokarp.
Anbau, Standortansprüche. Der Brotfruchtbaum fruchtet vom 5. Jahr an,
lässt im ausgewachsenen Zustand drei Ernten im Jahre zu und liefert
dann jährlich über 50 Fruchtverbände. Er gedeiht nur in äquatorial heißem
Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit, verlangt gute Böden und bleibt 60–70
Jahre ertragsfähig. Die Vermehrung der samenlosen Echten Brotfruchtbäume erfolgt durch wurzelbürtige Sprosse.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Fruchtverbände werden in der Regel im
grünen unreifen Zustand geerntet und liefern mit ihrem kreidig weißen
Fleisch, das 17 % Stärke enthält, ein Nahrungsmittel, das das Brot ersetzt.
Man isst sie gekocht als Mus oder mahlt sie geröstet und backt aus dem
Mehl eine Art Brot. Bei Vollreife werden die Fruchtverbände goldgelb
und saftig süß, besitzen aber einen strengen Geschmack und unangenehmen Duft. Reifes Fruchtmus verwandelt sich, in Gruben aufbewahrt, durch
Gärung in eine käseartige Masse, die in Polynesien ein wichtiges Nahrungsmittel darstellt. In Scheiben geschnittene und gebackene Stücke sind längere Zeit haltbar und bilden eine Vorratsnahrung. Infolge der Einfuhr von
Reis geht die Kultur im Heimatgebiet mehr und mehr zurück.
Jackfruchtbaum, Artocarpus heterophyllus
LAM.
engl. Jackfruit, franz. Jacquier, ital. Pane d'Albero, span. Yaca
Ordnung: Urticales, Familie: Moraceae
verwendete Pflanzenteile: Nussfruchtverbände
Unter den ca. 50 Arten der Gattung Artocarpus spielt der Jackfruchtbaum
(Abb. 4.37a) eine größere Rolle. Der bis 25 m hohe, in Vorderindien heimische Baum besitzt kleinere ganzrandige Blätter und bildet seine Infloreszenzen bevorzugt kauliflor, d. h. an den Stämmen und älteren Zweigen.
Die länglich ovalen riesigen, 15 kg, gelegentlich bis 40 kg schweren Nuss-
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syn A. communis J. R. et FORSTER; engl. breadfruit, franz. arbre à pain, span.
árbol del pan
Ordnung: Urticales, Familie: Moraceae
verwendete Pflanzenteile: Nussfruchtverbände
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
105
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fruchtverbände werden zerkleinert, zur Beseitigung eines faulig riechenden Duftstoffes über Nacht in Salzwasser eingelegt und dann in gekochtem
Zustand gegessen. Die stärkereichen Samen der Nüsse isst man geröstet
oder gemahlen. Der Jackfruchtbaum benötigt nicht so streng äquatoriale
Bedingungen wie der Brotfruchtbaum. Er hat sich von Vorderindien bis
nach Melanesien, Ostafrika und Brasilien verbreitet und dient wie der Brotfruchtbaum dem Eigenbedarf.
In den engeren Tropen Afrikas gibt es den verwandten Afrikanischen Brotfruchtbaum oder Okwabaum (Treculia africana DECNE.) mit riesigen,
9–25 kg schweren Fruchtverbänden, deren bis zu 6500 Samen (bis zu
2,3 kg pro Frucht) ca.19 % hochwertiges Eiweiß, 15–19 % Fett, 40–45 % Stärke, 3–9 % Zucker, 3–5 % Rohfaser und ca. 2,5 % Mineralsalze enthalten. Das
Mehl kann in Mischung mit Maniok-, Sago- oder Brotfruchtmehl zu Brot
und Teigwaren gebacken werden und wird als geeignete Nahrung in diesem Gebiet empfohlen. Auch das Öl kann extrahiert und zu Margarine verarbeitet werden. Ähnliches gilt für die Samen des Amerikanischen Brotnussbaumes (Brosimum alicastrum S. W.) im tropischen Amerika.
Stärke im Fruchtfleisch
Dass Stärke in Fruchtfleisch gespeichert wird, ist nicht häufig. Die Trockendattel und die Mehlbanane, zwei Beerenfrüchte, werden wegen ihres Stärkegehaltes in einigen Ländern als „tägliches Brot“ genossen. Über sie wird
auf Seite 172 bzw. Seite 167 ausführlich berichtet.
4.1.2
Saccharoseliefernde Pflanzen
Zuckerrübe, Beta vulgaris L. ssp. vulgaris var. altissima
DÖLL
engl. sugar beet, franz. betterave sucrière, span. remolacha azucarera
Ordnung: Caryophyllales, Familie: Chenopodiaceae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelrüben
Herkunft. Die Stammform aller Beta-Rüben ist sehr wahrscheinlich die an
der Mittelmeer- und Nordseeküste beheimatete Beta vulgaris L. ssp.
maritima (L.) THELL. Aus ihr sind durch Züchtung außer der Zuckerrübe
(Box 4.7) die Futter- oder Runkelrübe, die Rote Beete und der Mangold hervorgegangen.
Biologie. Die Zuckerrübenpflanze ist ein zweijähriges Gewächs, das im
1. Jahr eine Blattrosette und eine fleischige Rübe bildet. Diese besteht
zur Hauptsache aus der Hauptwurzel (Abb. 4.38), die in zwei Doppelzeilen
Faserwurzeln trägt und ganz im Boden steckt. Der Hypokotylanteil ist nur
gering (Abb. 2.9a, S. 19). Die Rübe ist konisch geformt, weiß gefärbt und
verdickt sich wie alle Rüben der Gattung Beta durch ein atypisches Dickenwachstum (konzentrische Ringe im Querschnitt, Abb. 2.8c, S. 18). Wenn sie
nicht zur Zuckergewinnung am Ende des 1. Jahres geerntet wird, wächst im
2. Jahr eine bis 2 m hohe verzweigte Infloreszenz empor, die in knäueligen
Teilblütenständen grüne zwittrige Blüten mit einfachem Perianth trägt. Die
2–4 einsamigen kleinen Nüsse eines Knäuels verwachsen an der Basis miteinander und lösen sich als ein Verband (sog. Runkel) bei der Reife ab. Bei
der Aussaat gehen infolgedessen 2–4 Keimpflanzen auf, die vereinzelt werden müssen. Zunächst stellte man durch Zerschlagen der Knäuel technisch
ein einsamiges, sogenanntes Monogerm-Saatgut (Präzisionssaatgut) her,
das die Vereinzelung nach der Keimung im Feld erspart. Später gelang
es, genetisch monokarpe, d. h. einfrüchtige Samenträger zu züchten.
Abb. 4.37 Jackfruchtbaum (Artocarpus heterophyllus). a Baum. b Reife Fruchtverbände.
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106
4 Nahrungspflanzen
Bis in das hohe Mittelalter kannte man in Deutschland nur Honig
als Süßungsmittel. Erst mit der Entdeckung des Seeweges nach
Asien kam der Rohrzucker ins Land, und es dauerte bis zum Beginn des 19. Jh., ehe die Rübe zum Zuckerlieferanten wurde. 1747
erkannte der Apotheker A. S. Marggraf in Berlin, dass der in den
damaligen, schwach süß schmeckenden Runkelrüben zu 1,6–3 %
enthaltene Zucker mit dem Rohrzucker identisch war. Er wies
auch schon auf die Möglichkeit hin, Zucker aus der Rübe zu gewinnen. Dem seinerzeitigen preußischen Autarkiebestreben entsprach es daher, dass F. G. Achard um 1786 begann, Zucker aus
Rüben zu isolieren und durch Auslese zuckerreichere Rüben (8 %)
zu züchten. Mit Unterstützung des preußischen Königs konnte er
schließlich 1802 bei Cunern in Schlesien die erste Rübenzuckerfabrik in Betrieb nehmen. Die Kontinentalsperre Napoleons
(1806) verhalf dann der Rübenzuckerindustrie zu raschem Aufschwung, da die Rohrzuckerlieferungen aus England ausblieben.
Abb. 4.38 Zuckerrübe (Beta vulgaris L. ssp. vulgaris var. altissima). An dem Wurzelrübenkörper ist eine
der beiden Seitenwurzelrinnen sowie die Reste der
Blattrosette zu erkennen.
Sie brach allerdings mit der Aufhebung der Sperre nach Napoleons Sturz fast ganz zusammen. Nur in Frankreich ging die Züchtung mit Achards Rübensorten, welche die Stammeltern aller
Zuckerrübensorten wurden, weiter. Nach deren Verbesserung
blühte schließlich der Zuckerrübenanbau ab 1830 wieder auf,
und die Zuckergewinnung konnte auch preislich mit dem Rohrzucker konkurrieren. Inzwischen wurden der Zuckergehalt der
Rübe durch Züchtung auf 20 %, die Ausbeute bei der industriellen
Aufarbeitung auf ca. 16 % und die Erträge pro ha wesentlich gesteigert, sodass der Rübenzucker heute ca. 38 % der Weltzuckerproduktion ausmacht. Der Zuckerrübenanbau hatte bald auf ganz
Europa und Nordamerika übergegriffen und ist heute bis nach
China und sogar in subtropische Gebiete vorgedrungen, wo
der Zuckerrohranbau nicht möglich ist, so z. B. in Nordafrika,
Israel, Türkei, Pakistan, Indien, Japan.
Anbau, Standortansprüche. Die Zuckerrübe benötigt warmes Klima mit
nicht zu hohen Niederschlägen. Da sie frostempfindlich ist, muss sie rechtzeitig eingebracht und für den Fall der Saatgutgewinnung, geschützt überwintert oder in warmen Ländern kultiviert werden. Die Böden sollen tiefgründig, durchlässig, humus- und nährstoffreich sein. Man baut E-Rüben
(Ertragsrüben mit hohem Ertrag und mittlerem Zuckergehalt), Z-Rüben
(zuckerreiche Rüben mit geringem Massenertrag) und N-Rüben als normale Formen, die bezüglich Ertrag und Zuckergehalt zwischen E- und Z-Rüben
liegen, an.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Ernte erfolgt bei uns ab Oktober meist in
einem Gang mit sogenannten Bunkerköpfrodern, die die Rüben köpfen, roden, und die gerodeten Rüben zusätzlich in Behälter aufnehmen. Rübenköpfe können samt den Blättern verfüttert werden, während die Rübenkörper wegen der durch Atmung bedingten Zuckerverluste, die eine längere
Lagerung verbieten, so rasch wie möglich zu den Zuckerfabriken gebracht
werden.
Dort werden die Rüben gewaschen und geschnitzelt. Der Zuckerentzug erfolgt durch Diffusion aus den eingemaischten, d. h. reichlich mit Wasser
versetzten und auf 80 8 C erhitzten Schnitzeln, die, nach der Auslaugung
noch abgepresst, als Viehfutter verwendet werden. Den gewonnenen Rohzuckersaft reinigt man, dampft ihn ein und bringt ihn durch Abkühlung zur
Kristallisation. Von der aus Zuckerkristallen und Muttersirup bestehenden
Maische wird die eiweißreiche, noch zuckerhaltige Melasse abzentrifugiert. Melasse wird zu Zuckerrübensirup verarbeitet, verfüttert oder zur
Hefezüchtung verwendet. In der Weißzuckerfabrik wird der bräunliche
Rohzucker gereinigt (raffiniert) und es entsteht weißer Zucker. Die Erträge
schwanken je nach Klima und Pflegeintensität zwischen 10 und 65 t/ha.
Über die Produktion und Erträge der wichtigsten Anbauländer unterrichtet
Tabelle 6.15 im Anhang.
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Box 4.7 Die Geschichte der Zuckerrübe
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
107
Zuckerrohr, Saccharum officinarum L.
Herkunft. In Neuguinea wurde Zuckerrohr schon vor der Zeitenwende wohl
aus der Wildform S. robustum BRAND. et JESW. domestiziert. Früher galt Indien als Heimat, von wo die ältesten Berichte über die Zuckergewinnung
erhalten sind und wo Hybridisierungen mit S. spontaneum L. erfolgten.
Von Indien aus hat sich die Zuckerrohrkultur nach allen Richtungen ausgebreitet. Alexander der Große traf das Rohr im Industal, Marco Polo um
1280 in China an. Die Araber, die auch das Raffinieren des Zuckers erfanden,
brachten die Pflanzen zwischen 700 und 900 n. Chr. in den Mittelmeerraum. Die Spanier und Portugiesen führten sie von den Kanarischen Inseln
aus nach Mittel- und Südamerika ein, während die Holländer in Indonesien
Plantagen anlegten. Mit Beginn der Neuzeit kam der Zucker auch nach Europa, doch war er lange Zeit ein Luxusartikel, der in Deutschland in Apotheken verkauft wurde. Mit dem Fortschreiten des Seehandels sank der
Preis, und der Zucker wurde immer stärker gefragt. Aus der Geschichte
des Rübenzuckers weiß man bereits, wie dieser im 19. Jh. zum Konkurrenten erwuchs, sodass der Rohrzucker um 1970 nur noch 62 % der Weltzuckerproduktion ausmachte. Heute wird Zuckerrohr in den Tropen der ganzen Welt kultiviert. Der heutige Anteil des Rohrzuckers an der Weltzuckerproduktion liegt bei nahezu 80 %.
Biologie. Zuckerrohr, ein bis zu 7 m hohes, mehrjähriges Gras (Abb. 4.39a),
gehört wie auch die meisten Hirsen in die Unterfamilie der Panicoideae,
deren Vertreter allesamt C4-Photosynthese betreiben. Die heutigen Formen
des Zuckerrohrs enthalten Genomanteile der ursprünglichen Wildform und
einiger weiterer Arten des südasiatischen Raumes. Die sich bestockende
Pflanze erzeugt einen 2–5 cm dicken Halm, der aus 10–40 wachsbedeckten
Internodien besteht und von einem weichen zuckerspeichernden Mark erfüllt ist. Dicht über jedem Knoten findet sich ein Wurzelring, eine Zone mit
den Anlagen sprossbürtiger Wurzeln, und darüber ein schmales interkalares Meristem, das zum Teil das Längenwachstum der Internodien bewirkt
(Abb. 4.39b). In Bodennähe wachsen die sprossbürtigen Wurzeln aus, ebenso wenn Achsenstücke als Stecklinge in den Boden gelegt werden. Die breiten, 1–2 m langen Blätter stehen wechselständig in zwei Zeilen. Einige Sorten blühen gar nicht, andere nur im engeren Tropenbereich, weil Zuckerrohr eine ausgeprägte Kurztagpflanze ist. Saatguterzeugung ist nur für die
Züchtung von Bedeutung.
Anbau, Standortansprüche. Als Tropenpflanze verlangt das Zuckerrohr
ca. 28 8 C Wärme. Das Jahresmittel darf 18 8 C nicht unterschreiten, und Frost
wirkt tödlich. Mindestens 1000–1250 mm Niederschlag sind erforderlich
oder es muss bewässert werden, doch vertragen die Pflanzen stauende Nässe nicht. Die nährstoff- und humusreichen Böden müssen durchlässig sein.
Die Vermehrung erfolgt vegetativ durch Auslegen von Stecklingen, d. h.
Sprossabschnitten mit 2–3 Knoten, die mit Erde bedeckt und bewässert
werden. Nach dem Auflaufen behäufelt man die Pflanzen, um die Bewurzelung und damit die Standfestigkeit zu fördern. Erst nach Abschluss des Internodienwachstums kommt es zu merklicher Zuckerspeicherung im Mark,
weshalb die ältesten, d. h. untersten Internodien für die Ernte am wichtigsten sind und die Spitzen der Halme mit geringerem Zuckergehalt verworfen
werden, zumal diese mehr von der die Zuckerkristallbildung störenden
Glucose enthalten.
Abb. 4.39 Zuckerrohr (Saccharum officinarum).
a Blühender Bestand. b Basis der Sprossachse.
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engl. sugar cane, franz. canne à sucre, span. caña de azúcar
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen
4 Nahrungspflanzen
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Pflanzen werden geerntet, wenn die
Blätter gelb werden oder wenn die Halme den höchstmöglichen Zuckergehalt (ca. 15 %) erreicht haben, der sich an ausgebohrten Halmproben mit
dem Refraktometer bestimmen lässt. Dieser Zeitpunkt liegt in den verschiedenen Anbaugebieten zwischen 10 und maximal 24 Monate nach
dem Pflanzen. Man schlägt die Halme, zumeist von Hand, tief am Grund
ab und entfernt die Blätter. Die gebündelten Halme müssen möglichst
schnell mit Wagen oder Feldbahnen zur Fabrik gebracht werden, weil
der Zuckergehalt infolge hoher Atmung bei tropischen Temperaturen rasch
sinkt. Wo Arbeitskräfte teuer sind (z. B. in den USA) setzt man Maschinen
zur Ernte ein. Die Stoppeln pflügt man entweder unter oder lässt sie wieder
austreiben (Ratoon-Verfahren) und erntet dann vier- bis achtmal vom gleichen Feld, wobei entsprechend gedüngt werden muss.
Der Saccharosegehalt der Halme beträgt zwischen 7 und 20 %. Dazu kommen 0,1–1,4 % Fructose und bis zu 2 % Glucose, die nicht erwünscht ist, da sie
das Auskristallisieren der Saccharose erschwert. Zur Zuckergewinnung werden die Halme zerkleinert, zwischen Walzen mehrfach gequetscht und ausgepresst. Der Rückstand, die sogenannte Bagasse, besteht fast nur aus Zellulose und wird entweder in der Fabrik verheizt oder zu Karton, Papier oder
Pressholz verarbeitet. Der Zuckerrohsaft, der zu 96–99 % der möglichen Ausbeute anfällt, wird zunächst mechanisch gereinigt und geklärt und dann von
Nichtzuckerstoffen befreit. Anschließend dickt man ihn durch Kochen bis
zur Kristallisation ein und zentrifugiert den Muttersirup von den Kristallen
ab. Der gelbbraune Rohzucker wird dann in der Weißzuckerfabrik zu dem
Endprodukt aus ca. 99,8 % Saccharose raffiniert. Der zurückbleibende kristallfreie Sirup, die Melasse, enthält keinen kristallisierbaren Zucker
mehr, wohl aber neben viel Glucose noch immer 30–40 % Saccharose. Melasse dient als Futtermittel, zur Alkoholgewinnung durch Vergärung (Rum)
oder zur Hefezucht. Wohlschmeckend ist frisch gepresster Zuckerrohrsaft.
Mittlerweile werden aber auch erhebliche Anteile der Zuckerrohrproduktion für die Gewinnung von Ethanol als Treibstoff verwendet.
Die Erträge schwanken je nach Standort und Witterungsverlauf zwischen
10 und 120 t/ha (Weltmittel 1994 65,6 t/ha). Über die Produktion gibt
Tabelle 6.16 im Anhang Auskunft.
Zuckerhirse, Sorghum saccharatum (L.)
MOENCH
syn. S. dochna (FORSSK.) SNOWDEN; S. vulgare PERS. var. saccharatum (MOENCH)
BOERL.; engl. sweet sorgo, franz. sorgho doux, span. sorgo azucarado
Ordnung: Poales, Familie: Poaceae
verwendete Pflanzenteile: Sprossachsen
Abb. 4.40 Zuckerhirse (Sorghum saccharatum).
a Pflanzen. b Sprossbürtige Wurzeln.
Herkunft. Die der Mohrenhirse eng verwandte Zuckerhirse (Abb. 4.40) vermag ebenfalls 7–15 % Saccharose im Mark der Halminternodien zu speichern. Ursprünglich in Afrika zu Hause, wurde sie auch in China und Nordamerika kultiviert, wo sie in den Nordstaaten der USA als Konkurrenz zur
Zuckerrohrkultur der Südstaaten aufgebaut werden sollte, um der Sklaverei
im Süden entgegenzuwirken. Zwar blieb dieser Erfolg aus, doch blühte die
Zuckerhirsekultur auf. Ab 1850 wurde sie auch in Frankreich aufgenommen.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Pflanze und ihre Lebensbedingungen
entsprechen der Mohrenhirse (s. Abb. 4.22; S. 88). Wenn die Körner wachsreif sind und zugleich der höchste Zuckergehalt in den Halmen erreicht ist,
erfolgt die Ernte wie beim Zuckerrohr, doch werden die körnertragenden
Rispen (s. Abb. 4.40a) gesondert eingebracht.
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108
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
109
Zuckerahorn, Acer saccharum
MARSHALL
engl. sugar maple, franz. érable à sucre
Ordnung: Sapindales, Familie: Aceraceae
verwendete Pflanzenteile: Phloemsaft aus Stammleitbahnen
Biologie. Der in Nordostamerika und Kanada beheimatete Zuckerahorn findet sich in den Wäldern bis North-Carolina als stattlicher, bis 40 m hoher
Baum. Seine handförmig gelappten, im Herbst blutrot gefärbten Blätter
sind das Staatssymbol Kanadas. Vermutlich haben schon die Indianer diese
Zuckerquelle genutzt. Die älteste Beschreibung der Zuckergewinnung datiert von 1634.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Auch verholzte Achsen können Zucker liefern. Die Zuckerproduktion des Ahorns beruht auf der Mobilisierung der in
den Markstrahlen des Holzes während der sommerlichen Vegetationsperiode gespeicherten Assimilate, die ab Februar des darauf folgenden Jahres
einsetzt, wenn die Speicherstärke in Saccharose rückverwandelt und über
die Leitbahnen zu den anschwellenden Knospen transportiert wird. Dieses
Saftsteigen nutzt man, indem man die Bäume etwa 1 m über dem Boden an
1–3 Stellen 5–8 cm tief anbohrt und Röhrchen in die Bohrungen einführt,
durch die der austretende Saft (mit 2–8 % Zucker) in darunter stehende Eimer
tropft. Pro Zapfstelle können von Mitte Februar bis Ende März, wenn die
Knospen anschwellen, täglich 0,5 bis 1 l bzw. 20–70 l pro Baum und Jahr
gesammelt werden. Seit etwa 20 Jahren hat man das Zapfgeschäft mechanisiert, indem ca. 50 Zapfstellen eines Waldgebietes durch Pipelines aus Plastikschläuchen bei schwachem Gefälle mit Sammeltanks verbunden werden.
Durch Vakuumpumpen lässt sich die Ausbeute erhöhen. Die vereinigten
Tagesausbeuten werden zum Zuckerhaus der Farm gebracht bzw. über Rohrleitungen direkt zugeführt. Dort werden sie in flachen Pfannen oder in Kesseln bis auf 34 % Wassergehalt eingedickt. Der Sirup wird als „Maplesyrup“
verwendet. Zur Herstellung von Ahornzucker dampft man bis zur Kristallisation ein. Der größte Teil der Ernte geht als Sirup in den Handel, da der
Ahornzucker mit anderem Zucker preislich nicht konkurrieren kann. Der
Sirup ist nahrhafter als Zucker, weil er noch 0,3 % organische Säuren,
0,4 % Eiweiß, 0,8 % Mineralstoffe und geringe Vitaminmengen enthält.
Der Sirup dient zum Süßen von Speisen und Getränken, wird zu Ahorncreme oder -butter als Brotaufstrich oder zu Zuckerwaren verarbeitet. Abnehmer sind besonders die USA, wo Maplesyrup in Gaststätten wie Pfeffer
und Salz auf dem Tisch steht.
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Da neben Saccharose im Saft der Halme relativ viel Glucose enthalten ist,
gelingt die Kristallisation nur mühsam, und die Gewinnung von Zucker ist
daher im Vergleich zu Zuckerrübe und -rohr nicht mehr rentabel. Man beschränkt sich daher auf Sirupgewinnung neben der Verwendung als Grünfutter. Die Sirupgewinnung gleicht der aus Zuckerrohr. Der Rohsaft wird auf
30 % Wassergehalt eingedickt und besitzt einen an Esskastanien erinnernden Geschmack. Er wird vorwiegend für Konfitüren und zur Getränkebereitung verwendet sowie zur Alkoholgewinnung eingesetzt. Früher wurde
wie beim Mais und Zuckerrohr das die Iternodien bedeckende Wachs (0,3 %
der Stängelmasse) aus dem Pressgut gewonnen (immerhin 100 kg Wachs
pro ha) und zur Herstellung von Kerzen, Papier, Bohnerwachs usw. verwendet.
Der Ertrag ist geringer als beim Zuckerrohr. Für die USA werden 8–16, für
Italien 30–40 t/ha Halmmasse angegeben. Dazu kommen noch 1,8 bis
2,0 t/ha Körner, die als Saatgut oder Futter dienen.
110
4 Nahrungspflanzen
Ähnlich A. saccharum werden in geringem Umfang auch Rotahorn
(A. rubrum L.) und der Silberahorn (A. saccharinum L.) genutzt.
Die Weltproduktion von Sirup (nur Kanada und USA) beträgt etwa 15 000
Hektoliter pro Jahr, wovon Kanada ca. 68,5 % liefert, an denen die Provinz
Quebec zu 91 % beteiligt ist.
Walddattelpalme, Phoenix sylvestris (L.)
ROXB.
Die der echten Dattelpalme verwandte Art liefert in ihrer Heimat Indien
Zucker aus ihrem Stamm. Die 9–13 m hohe, zweihäusige Palme trägt einen
mächtigen Schopf großer gefiederter Blätter. Ihre Früchte schmecken fade
und dienen nur zur Vermehrung. Gegen Ende der jährlichen Wachstumsperiode, wenn die neuen Blätter ausgebildet sind und stark assimilieren, ist
der Zuckergehalt des Siebröhrensaftes mit 3–6 % optimal. Man entfernt
einige der ältesten Blätter, macht einen Einschnitt in den Stamm und sammelt den über ein Bambusrohr ausfließenden Saft in einem angehängten
Gefäß. Über 50 Tage können bis zu 9 l täglich austreten. Der Saft wird durch
Erhitzen eingedickt und zu einem bräunlichen, etwas klebrigen Zucker,
„jaggery“ genannt, verarbeitet, der in Indien sehr beliebt ist. Der Ertrag
der vom 8. bis 60. Lebensjahr zapfbaren Palmen kann je nach Standort, physiologischem Zustand und Pflege maximal 22,5 t/ha und Jahr betragen.
Wird der zuckerhaltige, milchig aussehende Palmsaft vergoren, entsteht
der Dattelwein „Lagmi“, ein Palmwein.
Honigpalme, Jubaea chilensis
(MOLINA) BAILL.
syn. J. spectabilis H. B. K.; engl. coquito, franz. cocotier du chili, span. coquito
de miel
Ordnung: Arecales, Familie: Arecaceae
verwendete Pflanzenteile: Phloemsaft
Abb. 4.41 Honigpalme (Jubaea chilensis), hier mit
flaschenförmigem Stamm.
Biologie. In Chile gedeiht die bis 1,25 m dicke, oft flaschenförmig wachsende Honigpalme. Sie ist einhäusig, wird bis 15 m hoch und trägt einen Schopf
etwas struppiger gefiederter Blätter (Abb. 4.41). Erst im Alter von
ca. 60 Jahren bringt sie ihre getrenntgeschlechtigen Blütenstände hervor,
nachdem sie viele Reservestoffe im Stamm gespeichert hat. Die Kerne
der hühnereigroßen Steinfrüchte enthalten wie die Kokosnuss nur anfangs
flüssiges, später festes fettreiches Endosperm, das kokosnussartig
schmeckt, jedoch weicher ist. Die Steinkerne, „Coquitos“, werden als Nahrungsmittel gehandelt.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Um den Saft aus dem Stamm zu gewinnen,
fällt man die Palme im Frühling (September), wobei einige Leitbündel des
Stammes mit einigen der am weitesten reichenden sprossbürtigen Wurzeln an der Stammbasis verbunden bleiben müssen. Anschließend wird
der Sprossscheitel entblättert und angeschnitten, sodass der Saft ausfließt.
Wird die Wunde zweimal täglich erneuert, tritt der Saft dank der Wasserversorgung über die verbliebenen Leitbahnen der Stammbasis 6–8 Monate
lang mit einer Gesamtmenge von 300–400 l aus und wird in Gefäßen aufgefangen.
Da sich bei diesem Vorgang die Nährstoffreserven im Stamm entleeren, ist
der Saft sehr zuckerhaltig, wird zu einem Sirup eingedickt und stellte als
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engl. wild date palm, franz. dattier sauvage
Ordnung: Arecales, Familie: Arecaceae
verwendete Pflanzenteile: Phloemsaft
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
111
sogenannten Palmhonig ein wichtiges Süßungsmittel im Erzeugerland dar,
das infolge Raubbaues der Palmen freilich immer seltener geworden ist. Die
Saftgewinnung ist zum Schutz der aussterbenden Palmen seit 1971 als
Hauptnutzung verboten.
Auf ähnliche Weise, d. h. durch Umlegen des Stammes, werden z. B. in
Westafrika die Kokospalme (Cocos nucifera L.) und die Ölpalme (Elaeis guineensis) angezapft, deren Saft man allerdings frisch oder vergoren als Palmwein trinkt. Im Südseegebiet gewinnt man den Palmsaft der Kokospalme
und anderer Palmen dagegen aus angeschnittenen Blütenständen (s. u.).
Zucker aus Blütenständen
Zuckerpalme, Arenga pinnata
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Eine weitere Möglichkeit der Zuckergewinnung ist bei vielen Palmen gegeben, bei denen, wie beim Zuckerahorn, vom Strömen des Phloemsaftes in
die Knospen der Blütenstände Gebrauch gemacht wird. Mit Rücksicht auf
die Fruchtgewinnung benutzt man bei getrenntgeschlechtlichen Palmen
nur die männlichen kolbigen Blütenstände, die man vor der Entfaltung
über dem Infloreszenzstiel zunächst einige Tage mit einem Rundholz
klopft. Dadurch wird das Gewebe geschädigt und der spätere Saftausfluss
gefördert. Dann wird die Infloreszenz entweder an der Basis oder, nach
dichtem Einwickeln mit Stricken, an ihrer Spitze abgeschnitten und unter
der Schnittfläche ein Gefäß befestigt, in das der zuckerhaltige Siebröhreninhalt tropft. Die Schnittfläche wird zweimal täglich durch Abschneiden
einer dünnen Gewebeschicht erneuert. Den Saft trinkt man entweder frisch
oder nach der unter tropischen Bedingungen rasch eintretenden alkoholischen Gärung als Palmwein („Toddy“). Aus Palmwein wiederum lässt sich
Arrak destillieren oder durch Essigsäuregärung Essig bereiten.
Wichtiger ist bei den Zuckerpalmen jedoch die Zuckergewinnung. Dazu
wird der gezapfte Saft in eisernen Pfannen eingedickt, bis zum Auskristallisieren gerührt und dann in Formen zum Erstarren gebracht. Das über dem
Feuer nachgetrocknete Produkt ist der in Indien „jaggery“, in Java „gula
djenna“ genannte braune Zucker.
(WURMB.) MERR.
syn. A. saccharifera LABILL.; engl. sugar palm, franz. palmier à sucre
Ordnung: Arecales, Familie: Arecaceae
verwendete Pflanzenteile: Phloemsaft
Der bedeutendste Vertreter dieser Palmen ist die Zuckerpalme, die in
feuchten Gebieten Malaysias und Indonesiens wild und heute im ganzen
indomalayischen Archipel auch kultiviert vorkommt. Der von den Basen
der abgefallenen Blätter besetzte Stamm erreicht 10–15 m Höhe, trägt
einen Schopf von mächtigen gefiederten Blättern (Abb. 4.42), innerhalb
dessen weibliche, unterhalb davon männliche Infloreszenzen zur Ausbildung kommen.
Der Palmsaft wird nach der oben geschilderten Methode vom 9. Jahr an
über mehrere Jahre hinweg gewonnen. Der Saftfluss ist mit 2–7 l pro
Tag anfangs sehr ergiebig, lässt aber allmählich bis zur 7. Woche nach
und erlischt schließlich. Eine Palme kann ca.1800 l Saft im Jahre liefern,
woraus sich ca. 150 kg Zucker gewinnen lassen. Daneben werden die Samen
als Delikatesse, Blattstielfasern für Bürsten, Taue und Matten und das Holz
der Stämme zur Herstellung von Röhren genutzt.
Abb. 4.42
Zuckerpalme (Arenga pinnata).
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112
4 Nahrungspflanzen
Palmyrapalme, Barassus flabellifer L.
Die Palmyrapalme vertritt die Zuckerpalme in den trockeneren tropischen
Regionen Südindiens, Ceylons und Burmas, wo sie wild und angepflanzt
vorkommt. Sie findet sich aber auch in weiteren Bereichen Asiens und
des tropischen Afrikas.
Der schlanke, bis 25 m hohe Baum trägt Fächerblätter, deren Spreite handförmig zerschlitzt auf dem langen Stiel aufsitzt. Die zweihäusige Art liefert
an den weiblichen Individuen jährlich ca. 200, bis 2 kg schwere, fast kopfgroße Steinfrüchte mit drei Steinkernen, deren süß schmeckendes orangerotes Mesokarp zwischen den faserigen Leitbündeln ausgesogen wird.
Die Samen enthalten ein geleeartiges weiches Endosperm, das ein Nahrungsmittel darstellt. Aus den Infloreszenzen der männlichen Bäume zapft
man vom 15. bis ca. 60. Lebensjahr den Zuckersaft, etwa 50 l pro Jahr.
Palmsaft, Toddy, Arrak und Zucker werden auch noch von mehreren anderen Palmen gewonnen, die teilweise nur lokale Bedeutung haben. Hier sind
zu nennen: die Brennpalme (Caryota urens L.) in Indien und Ceylon, die
Nipa- oder Attapalme (Nypa fruticans WURM) in Indien und Australien
und die Delebpalme (Borassus aethiopum MART.) in Ostafrika. Aber auch Dattel- und Kokospalme werden gelegentlich zur Saftgewinnung aus Blütenständen genutzt.
Zucker aus Blüten
Der in vielen Blüten vorkommende, saccharoseenthaltende Nektar lockt
Blütenbesucher (Insekten, Kolibris, Fledermäuse) an, die den Pollen übertragen. Die Zuckermengen pro Blüte sind äußerst gering und daher vom
Menschen nicht direkt nutzbar. Indirekt wird der Blütenzucker aber
über die Honigbienen, die den Nektar sammeln, im Honigmagen Saccharose enzymatisch in Invertzucker (Glucose und Fructose) spalten und in die
Waben als Futter für ihre Brut eintragen, als Honig für den Menschen verfügbar. Große Nektarmengen als Bienentracht liefern z. B. Buchweizen
(S. 88), die Chayote (S. 240) und Phacelia (S. 356).
4.1.3
Oligosaccharidliefernde Pflanzen
Unter Oligosacchariden versteht man Kohlenhydrate, deren Moleküle aus
nur wenigen Zuckerbausteinen aufgebaut sind. Das wichtigste Oligosaccharid ist die Raffinose, ein Trisaccharid aus Saccharose und Galactose.
Bei Verlängerung der Raffinose um weitere Galaktosemoleküle entstehen
Stachyose als Tetra- und Verbascose als Pentasaccharid.
Solche Oligosaccharide haben als Speicherstoffe in der Pflanze Bedeutung
und finden sich über Winter in den Achsen vieler Holzgewächse, aber auch
in Wurzeln, Knollen und Rhizomen von Lippenblütlern und in den Samen
von Hülsenfrüchtlern. Oligosaccharide sind in Samen von Leguminosen
(S. 349) und von Knollen des Knollenziestes (S. 276) in für die Kohlenhydraternährung relevanten Mengen vorhanden.
4.1.4
Fructanliefernde Pflanzen
Fructane sind Oligomere oder Polymere der Fructose. Das Fructan Inulin ist
der typische Speicherstoff der Korbblütler (Asteraceae) und findet sich in
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Lontaropalme; engl. palmyra palm, franz. borasse
Ordnung: Arecales, Familie: Arecaceae
verwendete Pflanzenteile: Phloemsaft
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
113
allen Pflanzenteilen, besonders in Wurzeln und Knollen, als vakuolär gespeicherte Substanz. Einige Monokotyledonen speichern das Fructan
Phlein, z. B. das Wiesenlieschgras (Phleum pratense) und Spargel (Asparagus
officinalis).
Topinambur, Helianthus tuberosus L.
Herkunft. Topinambur ist eine Pflanze der Neuen Welt, die bereits von den
Indianern Nordamerikas angebaut wurde. Um 1600 gelangte sie nach Europa und verbreitete sich als Gemüsepflanze vorzugsweise in Gärten, in
Frankreich teilweise auch im Feldanbau. Ab Mitte des 18. Jh. wurde sie
von der Kartoffel verdrängt. Lediglich in Südbaden hatte sie sich bei uns
gehalten, neuerdings ist die Kultur auf den leichten Böden MecklenburgVorpommerns vorangetrieben worden. In geringem Umfang wurde sie
in ganz Nordamerika, Russland, Asien und Australien in Kultur genommen.
Neuerdings interessiert man sich für die Art, weil sie als Lieferant für Treibstoff (Ethanol) und andere nachwachsende Rohstoffe dienen könnte
(S. 412).
Biologie. Die ausdauernde Staude bildet aus einer Sprossknolle mehrere bis
2 m hohe Sprosse mit zum Teil gegenständigen gestielten, herzförmigen bis
eiförmig-lanzettlichen rauhen Blättern aus. Sie blüht als Kurztagpflanze,
wenn überhaupt, erst ab September mit dottergelben Blütenkörbchen
von 4–8 cm Durchmesser (Abb. 4.43). Aus den Achseln von Niederblättern
an der Sprossbasis entspringen unterirdische Ausläufer, die an ihren Spitzen infolge kambialen und parenchymalen sekundären Dickenwachstums
zu etwas buckligen, spindelförmigen kartoffelgroßen Knollen anschwellen
(Abb. 4.43c). Im Gegensatz zur Kartoffel tragen die plagiotropen Sprossknollen sprossbürtige Wurzeln und weisen je nach Sorte eine gelbe, braune
oder rote Schale auf, während das Fleisch weiß ist.
Anbau, Standortansprüche. Die Pflanze ist genügsam hinsichtlich Temperatur und Boden, benötigt aber ausreichende Wasserversorgung. Je nachdem, ob das Kraut zusätzlich als Futter genutzt wird (zwei Schnitte im Sommer bzw. Herbst) oder nur die Knollen geerntet werden, liegt der Knollenertrag bei 12 bis 18 t/ha.
Ernte, Verabeitung, Produkte. Da das Wachstum und die Einlagerung der
Assimilate erst spät im Jahr abgeschlossen sind, erntet man erst ab November, doch können die zur Lagerung ungeeigneten Knollen dank ihrer Frosthärte bis zum Frühjahr im Boden verbleiben und nach Bedarf entnommen
werden.
Die Knollen, die neben 67–81 % Wasser 2,4 % Eiweiß und 16,0 % Kohlenhydrate (davon 7–8 % Inulin) enthalten, werden wie Kartoffeln als Gemüse gekocht, gedämpft oder gebraten verzehrt. Das Inulin ist allerdings kaum verwertbar, da dem Menschen das abbauende Enzym zur Inulinspaltung fehlt.
Es gelangt in den Dickdarm, wo es von Mikroorganismen abgebaut wird
und die Zuckerbausteine dann zum Teil resorbiert werden können. Als Folge der mikrobiellen Aktivität können Blähungen auftreten. Für Diabetiker
ist Topinambur geeignet, da etwas Fructose darin enthalten ist. Die Isolierung von reinem Inulin zur Herstellung von Fructose, z. B. für Diabetiker
und für die Süßwarenindustrie, lohnt nicht, da die Knollen nicht lagerfähig
sind. Für diesen Zweck werden zuweilen die Wurzelknollen der Dahlie
Abb. 4.43 Topinambur (Helianthus tuberosus).
a Bestand. b Blütenstand. c Sprossknollen.
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Erdbirne, Jerusalemartischocke; engl. Jerusalem artichoke, franz. topinambour, span. pataca
Ordnung: Asterales, Familie: Asteraceae, Unterfamilie: Asteroideae
verwendete Pflanzenteile: Sprossknollen
114
4 Nahrungspflanzen
(Dahlia variabilis (WILLD.) DESF.) verwendet. Dagegen kann aus Topinambur
durch Vergärung Alkohol gewonnen werden, was z. B. in Frankreich großtechnisch betrieben wird und 8–10 l Alkohol aus 100 kg Knollen bringt.
Wurzelzichorie, Cichorium intybus L. var. sativum
LAM.
et
DC.
Herkunft. Die in der gemäßigten Zone der Alten Welt vor allem an Wegrändern verbreitete, blau blühende Wegwarte ist die Stammpflanze der
Wurzelzichorie, neben der noch die Salatzichorie (Chicorée; var. foliosum
HEGI) als Kulturpflanze vorkommt (S. 255). Die fleischige Rübe der Wegwarte diente schon den alten Griechen und Römern als Heilpflanze und Gemüse. Eine größere Bedeutung erlangte die Pflanze aber erst, als sie nach
der Erfindung des Arnstädter Hofgärtners Timme zu Beginn des 18. Jh. zur
Gewinnung von Kaffee-Ersatz aus der gerösteten Rübe genutzt wurde.
Durch Friedrich den Großen, der die Devisen für den teuren Bohnenkaffee
sparen wollte, wurde der Anbau in Preußen stark gefördert und breitete
sich bald in ganz Deutschland aus. Noch bis in den Zweiten Weltkrieg wurde Zichorienkaffee getrunken. Besonders in Frankreich wird dem Kaffee
auch heute noch oft Zichorie als Bitterstoff zugesetzt.
Biologie. Die Kulturform bildet im 1. Jahr eine dem Boden flach anliegende
Blattrosette und, zur Vorbereitung auf die im 2. Jahr erfolgende Infloreszenzbildung, eine kräftige, bis 25 cm lange Rübe mit brauner Rinde aus.
Ernte, Verarbeitung, Produkte. Die Rübe wird im Herbst des 1. Jahres geerntet (25–30 t/ha), geschabt und in Stücke geschnitten, die anschließend
getrocknet, geröstet und gemahlen werden. Überbrüht mit Wasser, liefert
das Mehl ein dunkles kaffeeartiges Getränk. Die milchsaftführende Rübe
enthält die Bitterstoffe Lactucin und Lactucopikrin, und zu 11–15 % Inulin,
das sich beim Rösten zum Teil in Oxymethylfurfurol mit einem kaffeeähnlichen Aroma verwandelt.
Löwenzahn, Taraxacum officinale
WIGGERS
agg.
engl. dandelion, franz. pissenlit, span. diente de león
Ordnung: Asterales, Familie: Asteraceae, Unterfamilie: Cichorioideae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelrüben
Tab. 4.5
Agarliefernde Rotalgen
Algenart
Vorkommen
Gelidium amansii
Gelidium cartilagineum
Japan, Kalifornien, Mexiko
Gelidium carneum
Spanien, Portugal, Marokko
Gracilaria-Arten
Atlantischer und Indischer
Ozean
Ahnfeltia plicata
Weißes Meer, Sachalin
Pterocladia pinnata
Pterocladia lucida
Neuseeland, Japan,
Australien
Als Ersatz oder neben der Zichorie wurde der Löwenzahn benutzt, der als
mehrjährige Pflanze ebenfalls eine Blattrosette und eine inulinhaltige Rübe
mit bis zu 40 % Inulin im Herbst bildet. Während die Rübe früher als KaffeeErsatz diente, wird heute noch von den Blättern als Salat Gebrauch gemacht
(S. 256).
4.1.5
Kohlenhydratpolymerliefernde Pflanzen
Agarliefernde Algen
Agar ist ein hochpolymeres Kohlenhydrat aus Galactose, die teilweise mit
Schwefelsäure verestert ist. Es besteht aus zwei Fraktionen, zu 70 % aus der
gelierenden Agarose und zu 30 % aus dem nicht gelierenden Agaropektin.
Agar ist ein Inhaltsstoff zahlreicher Rotalgen (Rhodophyceae) und wird in
Japan schon seit dem 18. Jh. durch Heißwasserextraktion gewonnen. Agar
kommt in Form von Fäden oder Pulver auf den Markt und ist heute ein bedeutsamer Rohstoff. Wichtigste Lieferanten sind die Rotalgen (Tab. 4.5).
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Kaffeezichorie; engl. chicory, franz. chicorée à café, span. achicoria
Ordnung: Asterales, Familie: Asteraceae, Unterfamilie: Cichorioideae
verwendete Pflanzenteile: Wurzelrüben
115
Die kleinen strauchigen Algen sammelt man bei Ebbe am Strand auf, fischt
sie mit Haken vom Boot aus oder Taucher schneiden sie unter Wasser ab. An
Land werden die Algen in der Sonne oder in industriellem Maßstab in Trockenräumen getrocknet. Nach mehrmaliger Wäsche und mechanischer Reinigung werden die Algen gekocht und der bei 100 8 C lösliche Agar wird von
den Fasern der Algenzellwände getrennt. Unter 40 8 C ist Agar unlöslich. Getrocknet und gebleicht bildet er eine flockige oder pulvrige weiße Masse.
Agar geliert infolge seines hohen Wasserbindungsvermögens ausgezeichnet. Er dient als Dickungsmittel für Zuckerglasuren, Suppen, Soßen, Cremes,
Speiseeis, Geleeartikel, wird aber auch z. B. zum Klären von Wein und Obstsäften oder als Konservierungsüberzug von Tiefkühlfischen und -fleisch
eingesetzt. In Pilz- und Bakterienkulturen sowie bei der in vitro Kultur
von Pflanzen verwendet man ihn schon lange als Grundmaterial für Nährböden, das selbst nicht angegriffen wird. In der analytischen Biochemie
wird Agarose als Gel für elektrophoretische Trennprozesse von Nukleinsäuren eingesetzt.
Carrageenliefernde Algen
Auch Carrageen, das in einigen Rotalgen vorkommt, ist ein Galactosepolymer, welches aus Galactose und Galactosesulfat besteht. Es besteht aus
zwei Formen Carrageenan – zu 70 % aus dem gelierenden j-(Kappa-)Carrageenan und zu 30 % aus dem nicht gelierenden k-(Lambda-)Carrageenan.
In einigen Eucheuma-Arten liegt eine dritte Form, das gelierende i-(Jota-)
Carrageenan, vor. Carrageenenthaltende Algen wurden schon im 18. Jh. an
den Stränden von Irland, Schottland und Nordfrankreich gesammelt und
zur Puddingbereitung genutzt. Nach und nach entwickelte sich in Irland,
später in Amerika, eine regelrechte Industrie. Die wichtigsten Carrageenlieferanten sind Rotalgen, die in Tabelle 4.6 aufgeführt sind.
Die kaum 10 cm hohen buschigen Thalli werden von Mai bis September bei
Ebbe mit Haken an die Boote herangezogen. An Land trocknen sie in der
Sonne von 85 % auf 20 % Wassergehalt und bleichen. Anschließend werden
die Algen in Ballen zur Fabrik gebracht und dort mit heißem Wasser unter
Zusatz von Natronlauge extrahiert. Nach Filtration wird der Extrakt getrocknet und gemahlen.
Carrageenan besitzt unter den Algenprodukten die größte Bedeutung. Es
dient als Quellkörper zur Herstellung von Gelees, Puddings, Soßen und Cremes, als Stabilisator in Eiscreme, Schlagsahne und Bierschaum, als Emulgator in Milchprodukten und Kondensmilchersatz, zur Konservierung von
tiefgefrorenem Fleisch und Fisch, zur Klärung von Bier, Schönung von
Wein, als Appreturmittel von Textilien sowie für die Leder-, Gummi-, Kosmetik- und die pharmazeutische Industrie.
Ein dem Carrageenan sehr ähnliches Produkt, das Furcellaran, stammt aus
der Rotalge Furcellaria fastigiata und wird besonders in Dänemark gewonnen (ca. 1500 t pro Jahr).
Dickungsmittel und Stabilisatoren aus höheren Pflanzen
Einige Pflanzen enthalten in Gummiflüssen der Rinde, in ihren Samen oder
im Fruchtgewebe Polysaccharide, die aus Hexosen, Pentosen und Uronsäuren zusammengesetzt sind und, da sie stark quellend sind, als Dickungsoder Bindemittel bzw. als Stabilisatoren Verwendung finden. Gummiliefernde Pflanzen scheiden nach Verwundung der Sprossachse ein zähflüssiges Gummi aus, das meist in besonderen Spalträumen der Rinde gespeichert wird.
Tab. 4.6
Carrageenliefernde Rotalgen
Algenart
Vorkommen
Chondrus crispus
= Irisch Moos
Chondrus canaliculatus
Atlantikküsten Europas
u. Nordamerikas, Pazifikküsten (Peru, Chile,
Philippinen, Neuseeland)
Gigartina pistilata
Gigartina stellata
Atlantikküsten
Nordeuropas
Gigartina acicularis
Küsten von Portugal,
Afrika, Kanada
Gigartina radula
Küsten Südafrikas,
Australiens
Gigartina intermedia
Gigartina pacifica
Küsten Japans
Eucheuma-Arten
Küsten Indonesiens
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4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
116
4 Nahrungspflanzen
Gummi-arabicum-Baum, Acacia senegal (L.)
WILLD.
In den tropischen Regionen Afrikas, Indiens und Australiens kommen mehrere strauch- oder baumförmige, an Trockenheit angepasste Acacia-Arten
vor, deren Blutungssaft industriell genutzt wird. Die bedeutendste Art ist
A. senegal, Senegal- oder Sudangummibaum, deren kohlenhydrathaltiger
Blutungssaft Gummi arabicum genannt wird. A. senegal ist ein kleiner, stark
verzweigter Baum mit doppelt gefiederten Blättern und langer Pfahlwurzel.
Die Rinde der Äste und Stämme wird von Dezember bis Juni angeritzt, worauf das Gummi austritt und erhärtet. Die entstehenden Klumpen oder Körner sind gelb oder braunrot gefärbt und stellen ein aus Rhamnose, Arabinose, Galactose und Uronsäuren zusammengesetztes Polysaccharid dar,
das, in Wasser gelöst, eine schäumende und klebende Masse ergibt. Das
Gummi (im Gegensatz zu Kautschukgummi = der Gummi) wird als Dickungsmittel für Süßwaren, Gummibonbons und Speiseeis, aber auch als
Klebstoff, Appreturmittel, als Zusatz zum Köpfchen der Zündhölzer, zu Farben und Pillen benutzt. Der Sudan ist der Hauptlieferant von Gummi arabicum.
Tragant, Astragalus gummifer
LABILL.
engl. tragacanth, franz. gomme adragante
Ordnung: Fabales, Familie: Fabaceae, Unterfamilie: Papilionoideae
verwendete Pflanzenteile: Kohlenhydratsekret aus verletzter Rinde
Der in Vorderasien bis Griechenland heimische niedrige Strauch liefert aus
Verletzung der Sprossachse und der Wurzeln ein häufig gebrauchtes, im
Gewebe gespeichertes kohlenhydrathaltiges Sekret (Gummi), das unter
dem Namen Tragant oder Tragacanth bekannt ist. Ein ähnliches Gummi
stammt auch von anderen Astragalus-Arten des gleichen Gebietes. Das Polysaccharid setzt sich aus Rhamnose, Xylose, Arabinose, Galactose und
Uronsäuren zusammen. Der Gummifluss erhärtet an der Luft zu blattoder sichelförmigen, weißlich-gelblichen, hornartigen Stückchen. Sie werden gesammelt; in Wasser quellen sie zu einer schleimigen Gallerte auf. Die
Verwendung entspricht der von Gummi arabicum.
Karayagummi, Sterculia urens
ROXB.
engl. Indian tragacanth
Ordnung: Malvales, Familie: Sterculiaceae
verwendete Pflanzenteile: Kohlenhydratsekret aus verletzter Rinde
Dieser im tropischen Asien vorkommende, dort auch kultivierte Baum liefert mit weiteren Arten (z. B. S. tragacantha LINDL.) nach Verletzung der Rinde ein kohlehydrathaltiges Sekret (Gummi), das ein aus Rhamnose, Galactose und Uronsäuren zusammengesetztes quellfähiges Material ist und wie
die vorgenannten Gummis gebraucht wird. Ähnliche Gummiflüsse lassen
sich an den Stämmen und Zweigen von Kirsch-, Pfirsich- und Aprikosenbäumen beobachten. Ihr Gummi wurde früher ebenfalls gesammelt.
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engl. gum arabic, franz. gomme arabique
Ordnung: Fabales, Familie: Fabaceae, Unterfamilie: Mimosoideae
verwendete Pflanzenteile: Kohlenhydratsekret aus verletzter Rinde
4.1 Kohlenhydratliefernde Pflanzen
117
Johannisbrotbaum, Ceratonia siliqua L.
Biologie. Der im östlichen Mittelmeergebiet beheimatete zwei- oder einhäusige Baum oder Strauch, der bis 9 m tief wurzelt, kommt wild (var.
silvestris) und kultiviert (var. edulis) vor. Er trägt in seiner breiten Krone
immergrüne paarig gefiederte Blätter, gedeiht auf ärmsten Böden und
blüht im Herbst mit büschligen, zum Teil kaulifloren Trauben unscheinbarer petalenloser männlicher, weiblicher oder auch zwittriger Blüten. Seine
im folgenden Frühjahr (März bis Mai) reifenden schwärzlich-braunen,
2–3 cm breiten und bis 25 cm langen, platten, Karoben genannten Hülsen
(Abb. 4.44) öffnen sich jedoch nicht. Sie sind durch falsche Scheidewände
gekammert (Gliederhülse) und schließen in jedem Fach einen rundlich-flachen braunen Samen in ein Fruchtschalenmus, dem Endokarp, ein.
Verarbeitung, Produkte. Das Endokarp enthält 30–40 % Zucker, ca. 35 %
Stärke, 7 % Eiweiß, 0,5 % Fett und Gerbstoffe. Es schmeckt süß, infolge
von Isobuttersäure zuweilen schwach ranzig. Die Samen mit 45–62 % quellfähigen Kohlenhydraten im Endosperm wiegen fast stets 0,18 g, weshalb sie
als Juwelen- und Goldgewichte (Karat, von Ceratonia abgeleitet) genutzt
wurden. Vorreif geerntete ganze Früchte dienen als Futter für Pferde
und Schweine, geröstet als Nahrungsmittel oder zur Erzeugung von Ersatzkaffee (Karobkaffee in Österreich) und der aus dem Fruchtmus gepresste
Saft (Kaftan) wird als Getränk oder zur Alkoholgewinnung verwendet.
Das Endosperm der reifen Samen dient nach Entfernung der harten Samenschale und der Embryonen zur Herstellung des Johannisbrotkernmehles.
Dieses enthält 5–6 % Eiweiß, 88 % Polysaccharide des Galaktomannantyps
(Carubin, aus 20 % Galactose und 80 % Mannose), die eine fünfmal höhere
Quellfähigkeit als Stärke besitzen. Dementsprechend dient das grauweiße
Mehl als Dickungsmittel und Stabilisator für Backwaren, Speiseeis, Milchprodukte und, da das Carubin kaum verdaubar ist, für kalorienarme
Schlankheitskost. Ferner wird es in der Papierindustrie als Appreturmittel
eingesetzt. Die Früchteproduktion (Optimum bei einem 25 Jahre alten
Baum sind 20 kg/Baum) erreicht in Italien 60 000 t, auf Zypern (Schwarzes
Gold) 48 000 t pro Jahr. Der Johannisbrotbaum wird außer in Spanien und
Portugal auch in Kalifornien, Südafrika, Hawaii und Südaustralien, wohin
die Art eingeführt wurde, angebaut.
Guarpflanze, Cyamopsis tetragonoloba (L.)
Abb. 4.44 Johannisbrotbaum (Ceratonia siliqua).
Gliederhülse (links) und längs geöffnet mit Samen
(rechts).
TAUB.
engl. Clusterbean, franz. Guar
Familie: Fabaceae, Unterfamilie: Papilionoideae
verwendete Pflanzenteile: Samen, Endosperm
Die Guarpflanze stammt vermutlich aus Zentralafrika und dürfte in Indien
domestiziert worden sein, wo sie schon seit den ältesten Zeiten in ariden
Gebieten kultiviert wird. Seit 1953 wird sie auch in den Südstaaten der USA
angebaut. Das einjährige, mit dreizählig gefingerten Blättern besetzte Kraut
erzeugt blattachselbürtige Trauben rosafarbiger Blüten. Die 5–11 cm langen Hülsen stehen bei der Reife aufrecht und bergen 5–12 erbsengroße Samen. Das aus ihrem Endosperm gewonnene Guarkernmehl enthält neben
4–5 % Eiweiß ca. 80 % Galaktomannane (Guaran, mit 33 % Galactose und
75 % Mannose) als stark quellfähige Polysaccharide von höchster Viskosität.
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engl. locust bean, St. John's bread, franz. caroubier, span. algarrobo
Ordnung: Fabales, Familie: Fabaceae, Unterfamilie: Caesalpinioideae
verwendete Pflanzenteile: Samen, Endosperm
118
4 Nahrungspflanzen
Sie sind in dünner Schicht unter der Samenschale lokalisiert. Guarkernmehl
wird wie das Johannisbrotkernmehl als Dickungsmittel in der Nahrungsmittelindustrie, daneben auch für technische Zwecke, so als Appreturmittel, als Klebstoff für die Papierindustrie, für kosmetische Cremes und als
Füllstoff in der Schlankheitskost verwendet. Die Samen werden in Indien
und Pakistan als eiweißreiches Nahrungsmittel verzehrt.
Pektin, ein im Wesentlichen aus Galacturonsäure aufgebautes, stark gelierendes Polysaccharid, ist Hauptbestandteil der Mittellamellen von Geweben aller höheren Pflanzen und kommt besonders reich in fleischigen unreifen Früchten vor, z. B. Quitten, Äpfeln, Johannisbeeren, aber auch in Zuckerrüben. Es wird industriell aus Apfeltrestern, Zitrusschalen, Sonnenblumen (Böden der Blütenstände) gewonnen und dient als Dickungsmittel zur
Herstellung von Marmeladen und Gelees, verkürzt dabei die Kochzeit und
wirkt somit vitaminschonend. Auch als Bindemittel für Speiseeis, Puddingpulver, Soßen und Tortengüsse ist es geeignet. Die oben genannten pektinliefernden Pflanzen werden in anderen Kapiteln beschrieben.
4.2
Eiweißliefernde Pflanzen
Eiweiß (Protein) ist der Hauptbestandteil des Cytoplasmas und findet sich
daher in allen Pflanzenteilen. Seine Makromoleküle bauen sich aus Hunderten bis Tausenden von stickstoffhaltigen Aminosäuren auf. In allen Lebewesen kommen nur 20 verschiedene proteinogene Aminosäuren, aber unzählige unterschiedliche Eiweiße vor. Die Vielfalt der Eiweiße lässt sich auf die
unterschiedliche, erblich durch DNA-Codierung festgelegte Folge (Sequenz) dieser 20 Aminosäuren im Proteinmolekül zurückführen. Da Eiweiße ständig abgebaut und neu gebildet werden müssen (turn over), besteht
in allen Organismen ein fortdauernder Bedarf für Aminosäuren. Während
Pflanzen für ihre Proteine alle Aminosäuren in der erforderlichen Menge
selbst synthetisieren können, sind Tiere und Menschen auf die Zufuhr
von Aminosäuren durch Nahrungseiweiß angewiesen. Eiweiße werden
im Verdauungsprozess zunächst bis zu den Aminosäuren abgebaut und stehen dann dem Stoffwechsel wieder zum Aufbau des arteigenen Zelleiweißes zur Verfügung. Eiweiß stellt somit für diese Organismen ein Grundnahrungsmittel dar.
Für die menschliche Ernährung gilt, dass Erwachsene etwa 0,8 g Eiweiß pro
kg Körpergewicht und Tag aufnehmen sollen. Da die meisten Pflanzenteile
nur 1–3 % Eiweiß enthalten, würde der Proteinbedarf bei rein vegetarischer
Kost kaum gedeckt werden können, selbst wenn man berücksichtigt, dass
Getreidemehle aus Vollkorn ca. 10 % Eiweiß besitzen. Daher erscheint es
notwendig, einen Teil des Proteinbedarfs aus den eiweißreicheren tierischen Lebensmitteln zu decken. Dies ist umso sinnvoller, als zwischen tierischem und pflanzlichem Eiweiß ein qualitativer Unterschied in der Aminosäurenzusammensetzung besteht. Pflanzeneiweiß liefert nämlich nicht
alle für den Aufbau des menschlichen Eiweißes notwendigen Aminosäuren
in den erforderlichen proportionalen Anteilen. So treten Methionin, Lysin
und Tryptophan meist in zu geringen Mengen auf, wodurch der sogenannte
biologische Eiweißwert pflanzlicher Proteine für den Menschen geringer ist
als der von tierischen. Zwar kann der menschliche Organismus einige Aminosäuren durch Umformung aus anderen bilden, nicht aber Methionin, Lysin, Tryptophan, Leucin, Isoleucin, Phenylalanin, Threonin und Valin. Diese
Aus Lieberei, R., Ch. Reisdorff: Nutzpflanzenkunde (ISBN 9783135304076) © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart 2007
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Pektinliefernde Pflanzen
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