15. Wahlperiode Drucksache 15/246 1 Antrag Fraktion der SPD

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Niedersächsischer Landtag − 15. Wahlperiode
Drucksache 15/246
Antrag
Fraktion der SPD
Hannover, den 17.06.2003
Gesundheitsvorsorge ernst nehmen - Das Spritzenaustauschprogramm fortsetzen!
Der Landtag wolle beschließen:
Entschließung
Der Landtag fordert die Landesregierung auf, den zum 1. Juni 2003 verhängten Stopp des Spritzenaustauschprogramms für drogenabhängige Gefangene in den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten Vechta (Frauen) und Lingen (Abteilung Groß-Hesepe) rückgängig zu machen.
Begründung
Die Justizministerin hat am 28. Mai ihre Entscheidung verkündet, das Spritzenaustauschprogramm
im Niedersächsischen Justizvollzug einzustellen. Bislang erfolgte aus Gründen der Gesundheitsprophylaxe in den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten Vechta (Frauen) und Lingen (Abteilung Groß-Hesepe) eine Vergabe von sterilen Spritzen an drogenabhängige Gefangene. Die Justizvollzugsanstalt Vechta-Frauen ist die Anstalt mit dem größten Anteil Drogenkranker; auch in
Groß-Hesepe ist der Anteil der drogenkranken Gefangenen vergleichsweise sehr hoch. Das als
Modell 1996 begonnene Programm ermöglicht drogenkranken Inhaftierten den Austausch von gebrauchten Spritzen gegen neue sterile Spritzen. Durch einen Spritzenaustausch kann das Risiko einer Infektion mit HIV und Hepatitis wie auch anderer Erkrankungen wie Ekzeme nachgewiesener
Maßen erheblich gesenkt werden. Der Austausch von Spritzen ist außerhalb einer Justizvollzugesanstalt eine anerkannte Maßnahme der Gesundheitsprävention, die aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes von Strafgefangenen auch innerhalb der Mauern geboten ist. Gem. § 3 Strafvollzugsgesetz soll das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich
angeglichen werden; außerhalb des Vollzugs sind Spritzentauschprogramme - ebenfalls aus Gründen der Gesundheitsprophylaxe - seit mehr als zehn Jahren unumstritten.
Die Justizministerin, die einräumen musste, dass die Beendigung des Spritzentauschprogramms
keinerlei Einsparungen für den Landeshaushalt bedeutet, nimmt mit ihrer Entscheidung ein hohes
Risiko in Kauf: Es genügt bereits eine einzige Ansteckung mit Hepatitis, um den Landeshaushalt
mit Kosten von 75 000 Euro zu belasten. Gerade vor dem Hintergrund der möglichen finanziellen
Folgewirkungen erscheint die Beendigung dieser Gesundheitsvorsorgemaßnahme in einem äußerst
zweifelhaften Licht. Die Entscheidung, das Spritzentauschprogramm zu beenden, hat nicht nur bei
der AIDS-Hilfe scharfe Kritik hervorgerufen. Durch das Spritzenaustauschprogramm konnten
auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vollzug vor Infektionen durch unbeabsichtigte Nadelstiche bei Durchsuchungen geschützt werden. Es verwundert daher nicht, dass die Entscheidung
der Ministerin in den am Spritzenaustauschprogramm beteiligten Justizvollzugsanstalten auf Ablehnung und Verärgerung gestoßen ist. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung der Ministerin nichts anderes als ein Rückschritt zu einer ideologischen Drogenpolitik, die auf dem Rücken
und zulasten der drogenkranken Inhaftierten ausgetragen wird. Die Einstellung des Spritzenaustauschprogramms führt zwangsläufig dazu, dass der Schwarzmarkt mit illegalen Spritzen wieder
beginnt: Der Konsum wird weitergehen, subkulturelle Aktivitäten weiten sich aus und eine Infektionsprophylaxe wird immer schwieriger, weil die Inhaftierten in der Illegalität erheblich schwieriger zu erreichen sind. Ein wesentlicher Bestandteil des modernen Strafvollzugs Niedersachsens,
der internationale Anerkennung gefunden hat und Vorbild ist, wird zerstört.
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Niedersächsischer Landtag – 15. Wahlperiode
Drucksache 15/246
Die Landesregierung ist daher aufgefordert, im Interesse der Gesundheit der Gefangenen, ihrer
Familien und Kinder und nicht zuletzt im Interesse der Gesundheit der Bediensteten im Justizvollzug das Spritzenaustauschprogramm in den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten fortzusetzen.
Dieter Möhrmann
Parlamentarischer Geschäftsführer
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(Ausgegeben am 18.06.2003)
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