Vorlesung 4b

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Technisches Lemma aus der Linearen Algebra
Lemma. Sei t 7→ A(t) ∈ Mat(n, n) eine glatte, matrixwertige Funktion
auf dem Intervall (−ε, ε), welche A(t) = Id erfülle. Dann gilt:
d
dt
det(A(t))|t=0 = trace(Ȧ(0)).
Beispiel. Sei A(t) in oberer Dreiecksform. Dann ist det(A) = a1 a2 ...an
d
und dt
det(A(t)) = ȧ1 a2 ...an + a1 ȧ2 ...an + ... + a1 a2 ...ȧn . Wenn in t = 0
die Bedingung A(0) = Id gilt, dann ist a1 (0) = ... = an (0) = 1 und
d
dt det(A(t))|t=0 = ȧ1 + ȧ2 + ... + ȧn = trace(Ȧ(0)).
Bemerkung. Das Lemma folgt aus der Bemerkung, da nach dem
Jordan-Satz jede Matrix ähnlich zur einen Matrix in oberer Dreiecksform
ist und Ähnlichkeitestransformationen weder det noch trace ändern. In
diesem Beweis muss man aber noch mit der Glattheit “kämpfen”. Eine
Methode dafür ist auf der nächsten Folie in der Zwischenbemerkung
erklärt.
Lemma. Sei t 7→ A(t) ∈ Mat(n, n) eine glatte, matrixwertige Funktion auf dem Intervall (−ε, ε),
welche A(t) = Id erfülle. Dann gilt:
d det(A(t))
|t=0 = trace(Ȧ(0)).
dt
Beweis. Die Taylor-Entwicklung von A(t) in t = 0 lautet
A(t) = Id +t Ȧ(0) + O(t 2 ).
Da die Determinante durch eine algebraische Formel, polynomial in den
Komponenten von A(t), gegeben ist, spielt der Beitrag O(t 2 ) in
d
dt det(A(t))|t=0 keine Rolle, und deswegen können wir oBdA annehmen,
dass A(t) = Id +t Ȧ(0) gilt.
Zwischenbemerkung. OBdA können wir daher annehmen, dass A(t) in
oberer Dreiecksform ist, da die Matrix Ȧ(0) mittels einer
Ähnlichkeitstransformation trigonalisierbar ist (über C).
Dann ist
det(A(t)) = det(Id +t Ȧ(0)) = t n det A(0) + 1t Id .
1
n
Also ist det(A(t)) = t χA(0) − t , wobei χC := det(C − t Id) das charakterische
Polynom von C bezeichnet.
Aus LA wissen wir, dass χC = (−1)n t n + (−1)n−1 t n−1 trace(C ) + ... + det(C ). Wenn
C = Ȧ(0) ist und wir − 1t statt t einsetzen, bekommen wir
det(A(t)) = 1 + trace(Ȧ(0))t + höhere Terme.
Daher gilt
d
dt
det(A(t))|t=0 = trace(Ȧ(0))
Beweis des Satzes von Liouville in der Richtung ⇐=
Satz 10. Der Fluss von V ist genau dann volumenerhaltend, wenn seine Divergenz
∂V1
n
+ ... + ∂V
∂x1
∂xn
identisch Null ist.
Wir untersuchen
zuerst, wie sich die Formel für das Volumen,
R
Vol(T ) = T 1dx1 ...dxn , unter Diffeomorphismen verhält. Sei also φ ein
Diffeomorphismus. In Koordinaten ist φ eine Rn -wertige Funktion auf
U ⊆ Rn , d.h.


y1 (x1 , ..., xn )


..
φ(x) = 
.
.
yn (x1 , ..., xn )
Aus ANA II (oder III) kennen Sie die Formel für Koordinatenwechsel im
Integral:
Z
Z
∂yi
f (x) det ∂x
dx1 ...dxn .
f (y (x))dy1 ...dyn =
j
φ(T )
T
In unserem Fall ist f ≡ 1, also
Z
Z
∂yi
Vol(φ(T )) =
1dy1 ...dyn =
det ∂x
dx1 ...dxn .
j
φ(T )
T
(∗)
Wir betrachen nun den Fluss Φ von V , also eine 1-Parameter-Familie von
Diffeomorphismen Φt . Wir nehmen an, dass


y1 (t, x1 , ..., xn )


..
Φt (x) = 
.
.
yn (t, x1 , ..., xn )
Zuerst werden wir zeigen, dass (für jedes T )
Z
(∗)
n)
dx1 ...dxn = const
det ∂yi (t,x∂x1 ,...,x
Vol(Φt (T )) =
j
T
Es ist klar, dass die Funktion Vol(Φt (T )) eine glatte Funktion von t ist.
Wir zeigen nun, dass
d
dt
Vol(Φt (T ))|t=0 = 0.
Nach der Standardregel für das Differenzieren unter dem Integral erhalten
wir:
Z
∂yi (t,x1 ,...,xn )
d
d
Vol(Φ
(T
))
=
dx1 ...dxn
det
t
dt
dt
∂xj
T
=
Z
T
d
dt
det
∂yi (t,x1 ,...,xn )
∂xj
dx1 ...dxn
d Volume(Φ (T )) =
t
dt
Z
T
d det
dt
∂yi (t,x1 ,...,xn )
∂xj
dx1 ...dxn
n)
Wir differenzieren also die Determinte der Matrix ∂yi (t,x∂x1 ,...,x
. In
j
t = 0 erhalten wir wegen des Lemmas
und wegen
der Bedingung
∂yi (t,x1 ,...,xn )
= Id):
yi (0, x1 , ..., xn ) = xi (daher ist
∂xj
|t=0
Z
∂yi (t,x1 ,...,xn )
d
d
trace
dx1 ...dxn
Vol(Φ
(T
))
=
t
|t=0
dt
dt
∂xj
|t=0
T
=
Z
T
∂ 2 y1 (t,x1 ,...,xn )
∂t∂x1
|t=0
(∗)
=
Z
+ ... +
∂ 2 yn (t,x1 ,...,xn )
dx ...dxn
∂t∂xn
|t=0 1
div(V )dx1 ...dxn = 0.
T
Erklärung für (∗): Wir benutzen, dass
∂yi (t,x1 ,...,xn )
∂t
|t=0
= Vi .
d
Vol(Φt (T )) = 0 für t = 0. Wegen der Eigenschaft
Also ist dt
d
Vol(Φt (T )) = 0 in allen t = t0
Φt0 +t = Φt ◦ Φt0 erhalten wir, dass dt
gilt.
Beweis des Satzes von Liouville in der Richtung =⇒
Satz 10. Der Fluss von V ist genau dann volumenerhaltend, wenn seine Divergenz
∂V1
n
+ ... + ∂V
∂x1
∂xn
identisch Null ist.
Wir betrachten einen Punkt p mit div(V ) 6= 0, o.B.d.A. div(V ) > 0. Wir
nehmen einen kleinen Ball T = Bδ (p). Wenn δ klein genug ist, haben wir
wegen Stetigkeit die Bedingung div(V ) 6= 0 in allen Punkten des Balls.
Dann, wie im Beweis in der anderen Richtung gezeigt wurde, hat die
(offensichtlich glatte ) Funktion
t 7→ Vol(φ(T ))
eine positive Ableitung, für die
Z
div(V) dx1 ...dxn = 0
T
in t = 0, was der Definition widerspricht.
Folgerung (bereits bewiesen). Der Hamiltonsche Fluss (auf R2n mit
Koordinaten (x1 , ..., xn , p1 , ..., pn )) ist volumenerhaltend.
Bemerkung. Dies ist nicht die letzte Erhaltungseigenschaft des
Hamiltonischen Flusses. Allerdings sind in Dimension n=1 die
volumenerhaltenden Flüsse lokal-hamiltonisch: Für jedes Vektorfeld
V (x, p) mit div(V ) = 0 gibt es eine Funktion H(x, p), sodass (lokal)
∂H ∂p
V =
− ∂H
∂x
Beweis der Bemerkung. Die Bedingung div(V ) = 0 lautet für n = 1
∂V1
∂x
=
−∂V2
∂p .
Es ist aus Analysis II (oder III, oder aus der Funktionentheorie) bekannt,
∂H
dass dann eine Funktion H existiert, für die ∂H
∂p = V1 und ∂x = −V2
(falls diese Aussage unbekannt ist, werden wir sie später, im Abschnitt
“Differentialformen” besprechen).
Wiederkehrsatz von Poincaré
Satz 11 (Wiederkehrsatz). U habe ein endliches Volumen und
φ : U → U sei ein volumenerhaltender Diffeomorphismus. Dann gilt: Für
jedes offene, nicht-leere W ⊂ U existiert ein p ∈ W und ein k ∈ N,
sodass
φk (p) := φ ◦ · · · ◦ φ(p) ∈ W .
| {z }
k mal
In Worten: Egal wie “klein” die Menge W ist, es gibt immer ein p ∈ W
für das φ wieder nach W zurückkehrt.
Bemerkung. Glattheit von φ und Offenheit von W sind nicht wichtig.
Man braucht lediglich eine sinnvolle Definition des Volumens. In den
meisten Büchern finden Sie den Satz in der allgemeinen Form
Sei (Ω, σ, µ) ein ein endlicher Maßraum und φ : Ω → Ω eine messbare
maßerhaltende Abbildung. Dann gilt: Für jede messbare Menge W ⊆ Ω
mit µ(U) > 0 bilden die Punkte x ∈ W , deren Iterierte φn (x) nicht
beliebig oft nach W zurückkehren, eine µ-Nullmenge, das heißt
µ{p ∈ W | ∃N sodass ∀ n ≥ N : φn (x) ∈ W } = 0.
Mit anderen Worten: Fast jeder Punkt x ∈ W , kehrt vermöge φn , n ∈ N,
(unendlich oft) wieder nach W zurück. Der inverser Diffeomorphismus
Bemerkung. Den Beweis unserer Version des Wiederkehrsatzes
kann man für den Satz in der allgemeinen Form verwenden.
Auf der Tafel wird erklärt, dass die Annahmen endlichen Volumens
für U wichtig ist und warum nicht alle Punkte wiederkehren.
Beweis des Satzes wird auf der Tafel besprochen.
Anwendungen in Mechanik und Paradoxon
Anwendungen des Wiederkehrsatzes in der Zahlentheorie
Bsp. Betrachte die Folge 1,2,4,8,1,3,6,1,2,5,1,2,4,... der ersten Ziffern
der Potenzen von 2, d.h. 20 , 21 , 22 , 23 , 24 , 25 , .... Kommt irgendwann die
Ziffer 7 vor? Welche Ziffer, 7 oder 8, kommt öfter vor?
Antwort. Ja, 7 kommt irgendwann vor. Ferner gilt:
log10 8 − log10 7
#{m ≤ n erste Ziffer von 2m ist 7}
=
.
n→∞ #{m ≤ n erste Ziffer von 2m ist 8}
log10 9 − log10 8
lim
Beweis wird auf Tafel besprochen (und steht bei Arnold).
Ist 1 eine besondere Zahl?
Wie viele Länder gibt es auf der Welt?
Antwort: 193
Wie viele Seen hat Kanada?
Antwort: Etwa 1900
Wie viele direkte Flüsse hat Frankreich?
Antwort: 119
Ist immer 1 die erste Ziffer der Antwort?
Antwort: Natürlich gibt es Gegenbeispiele. Z.B. hat Deutschland
etwa 894 Flüsse. Die vorher bewiesene Aussage zeigt aber, dass die
Wahrscheinlichkeit, dass die erste Ziffer der Antwort gleich 1 ist,
größer ist, weil die Anzahl der kleineren Länder (Seen, Flüsse)
exponential größer als die Anzahl der größeren ist.
Rektifizierungssätze für Flüsse.
Satz 12. Sei V ein Vektorfeld mit V (p) 6= 0. Dann gilt: Es gibt einen
(lokalen) Diffeomorphismus φ mit
 
1
0
 
φ∗ V =  . 
 .. 
0
.
Beweis wird auf der Tafel besprochen. Schritte des Beweises:
(1) Wir betrachten eine transversale Hyperebene H n−1 zu V (p). Die
Koordinaten auf der Hyperebene bezeichnen wir mit y2 , ..., yn . Wir
betrachten einen kleinen Ball B(p) ⊂ H n−1 auf der Hyperebene.
(2) Wir betrachten die Abbildung
φ : (−ε, ε) × B → Rn , φ(t, y2 , ..., yn ) := Φt (y1 , ..., yn ).
(3) Mit Hilfe des Satzes über die Umkehrfunktionbeweisen
wir, dass die

1
0
 
Abbildung ein Diffeomorphismus ist und dass φ∗  .  = V .
 .. 
Kommutator von Vektorfelder
Seien V , U zwei Vektorfelder. Wir definieren ihren Kommutator
(Bezeichnung [V , U]) durch die Formel
X
∂Vi
i
[V , U]i =
Vj ∂U
∂xj − Uj ∂xj .
j
Bemerkung. Diese Definition sieht stark koordinatenabhängig aus. Wir
zeigen jedoch, dass sie nicht von Koordinaten abhängt:
Satz 13. Seien V , U zwei Vektorfelder und φ ein Diffeomorphismus.
Dann gilt: φ∗ [V , U] = [φ∗ V , φ∗ U].
Die erste Beobachtung, die wir im Beweis benutzen werden, ist wie folgt:
Gegeben ein Vektorfeld V , betrachten wir die Abbildung
V : C ∞ (U) → C ∞ (U), definiert durch
X
∂f
(Richtungsableitung von f in Richtung V )
(∗).
V (f ) =
Vi ∂x
i
i
Beobachtung 1. Diese Abbildung
hängt nicht von den Koordinaten ab,
d.h. φ∗ (V (f )) = φ∗ V f ◦ φ−1 .
Beweis. Dies folgt aus der Tatsache, dass es eine koordinatenfreie
Definition gibt, nämlich
V (f ) =
d
dt f
(Φt (x)).
Beobachtung 2. Die Abbildung V : C ∞ (U) → C ∞ (U) bestimmt das
Vektorfeld eindeutig.
 
x1
 .. 
Beweis. Wir betrachten die i-te Koordinatenfunktion xi ,  .  7→ xi .
xn
Die Formel (∗) impliziert, dass V (xi ) = Vi .
[V , U]i =
X
j
∂V
∂U
Vj ∂x i − Uj ∂x i .
j
j
(∗∗)
Beobachtung 3. Man kann den Kommutator der Vektorfelder V , U
koordinatenfrei definieren durch das Vektorfeld W ,
W (f ) = V (U(f )) − U(V (f )).
(∗ ∗ ∗)
Beweis. Die Formel (∗∗) impliziert, dass W := [V , U] die Eigenschaft
(∗ ∗ ∗) hat: Wir zeigen zunächst, dass auf Koordinatenfunktionen:
X
∂Vi
i
[V , U]i = [V , U](xi ) =
−
U
= V (U(xi )) − U(V (xi )).
Vj ∂U
j
∂xj
∂xj
j
Für Konstanten gilt die Formel ebenfalls. Da in der Formel (∗ ∗ ∗) nur
zweite Ableitungen vorkommen und auf Grund der
Taylorreihenentwicklung, reicht es aus, die Formel zusätzlich für
quadratische Funktionen der Koordinaten zu beweisen. Rechnerisch ist
das einfach:
X
X
X
X
∂Vi
∂Vk
−
= 0.
Vj ∂x∂xi Uj k −
Uj xk∂x
Uj xi∂x
[V , U](xi xk ) =
Vj ∂x∂xk Uj i +
j
j
j
j
j
j
Def. Wir sagen, dass zwei (oder mehr) Vektorfelder V , U kommutieren,
wenn [V , U] = 0 gilt.
Satz 14. Zwei Vektorfelder kommutieren genau dann, wenn ihre (lokalen)
V
U
Flüsse kommutieren: ΦVt ◦ ΦU
s = Φs ◦ Φt (für s, t genügend klein).
Beweis wird an der Tafel besprochen.
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