Departement Bau, Verkehr und Umwelt Departement Bildung, Kultur und Sport Merkblatt Solaranlagen Aarau, März 2011 1. Überblick Die Nutzung der Sonnenenergie ist im aktuellen Energieumfeld ein Gebot der Stunde. Durch geschickte architektonische Konzepte bei Neu- und Umbauten können einerseits der Energieverbrauch gesenkt und andererseits die passive Sonnenenergienutzung verbessert werden. Die Sonnenenergie kann aktiv mit zwei Arten von Solaranlagen genutzt werden: Solarwärmeanlagen, oft auch Sonnenkollektoren genannt, werden gebäudespezifisch für die Warmwassererzeugung und die Heizungsunterstützung eingesetzt. Es gibt sie als Flachkollektoren verglast und unverglast oder als Vakuumröhren-Kollektoren. Solarstromanlagen, auch Photovoltaikanlagen genannt, werden, zur Erzeugung elektrischer Energie genutzt. Diese Solarpaneele sind in verschiedenster Form und Grösse verfügbar und werden in der Regel grossflächiger eingesetzt. -2- Bei der Beurteilung von Solarprojekten wird unterschieden zwischen gebäudegebundenen und nicht gebäudegebundenen Anwendungen. Im Gegensatz zur produzierten elektrischen Energie, die grundsätzlich überall in ein bestehendes Netz eingespeist und an einem beliebigen anderen Ort wieder bezogen werden kann, muss die thermische Energie möglichst dort eingesetzt werden, wo sie anfällt. Solaranlagen auf Dach- oder Fassadenflächen beeinflussen die architektonische Wirkung eines Gebäudes. Sie können, speziell im Gebäudebestand, die Wirkung der Dachflächen und -landschaften verändern. Je nachdem, wie ein bestehendes Ortsbild heute in Erscheinung tritt, kann eine solche Veränderung unproblematisch sein oder störend wirken: In Neubauquartieren ohne einheitliches Erscheinungsbild sind Anlagen zur Sonnenenergienutzung als zeitgemässe Elemente in der Regel unproblematisch, insbesondere dann, wenn sie als gestalterische Elemente Bestandteil der Architektur sind; im Fall schützenswerter Zonen oder Einzelobjekte gemäss BNO hingegen, bei denen auch bezüglich der Fassaden- und Dachgestaltung besondere Vorgaben gelten, können Anlagen zur Sonnenenergienutzung erhebliche und störende Eingriffe darstellen. Gemäss Art. 18a RPG sind sorgfältig in die Dach- und Fassadenflächen integrierte Solaranlagen in Bau- und Landwirtschaftszonen zu bewilligen, sofern keine Kultur- und Naturdenkmäler von kantonaler oder nationaler Bedeutung beeinträchtigt werden. Im Übrigen haben sich Solaranlagen – wie alle Bauten und Anlagen – hinsichtlich Grösse, Gestaltung und Oberfläche so in die Umgebung einzuordnen, dass eine gute Gesamtwirkung entsteht und Landschaften sowie Orts-, Quartier- und Strassenbilder nicht beeinträchtigt werden (§ 42 BauG 1 , Art. 3 Abs. 2 lit. b RPG 2 ). Das vorliegende Merkblatt wurde von der Abteilung Raumentwicklung, der Abteilung für Baubewilligungen, der kantonalen Fachstelle Energie und der kantonalen Denkmalpflege gemeinsam erarbeitet und stellt eine Richtlinie für die kantonale Beurteilung von Solaranlagen dar. Sie kann von den Gemeinden zur Beurteilung von Solaranlagen angewendet werden. Grundsätzlich ist zu beachten, dass jedes Baugesuch in seinem Umfeld als Einzelfall beurteilt werden muss. Kriterien dabei sind die Einsehbarkeit der Anlage, Exponiertheit des Standorts, Qualität der Umgebung und der betroffenen Bauten sowie die Gesamtwirkung der Baugruppe. Weiter in die Interessenabwägung miteinzubeziehen ist, insbesondere bei Solarstromanlagen, die Bedeutung der Anlage zur Gewinnung von Energie aus erneuerbaren Ressourcen; Beurteilungsmassstab aus energetischer Sicht ist dabei der Gesamtwirkungsgrad unter Einbezug sämtlicher relevanter Faktoren wie die Ausrichtung der Anlage nach der Sonne, potenzielle Störeinflüsse, besondere meteorologische Gegebenheiten und die Abführung der produzierten Energie. 1 2 Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen (Baugesetz), SAR 713.100. Bundesgesetz über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz), SR 700. -3- 2. Auswirkungen von Solaranlagen in unterschiedlichen Bereichen Fall 1: Wohn- und Gewerbezonen Rund 91 Prozent der eingezonten Baulandflächen liegen in den Wohn- und Gewerbezonen, den Arbeits- und Industriezonen sowie den Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen. Solaranlagen in diesen Zonen sind in der Regel unproblematisch und können ohne spezielle Auflagen bewilligt werden. Auch in diesen Gebieten sollen sich Solaranlagen aber selbstverständlich möglichst gut in die Siedlung und in die Landschaft einpassen. Fall 2: Dorfkern- und Altstadtzonen Das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz ISOS beurteilt alle Ortsbilder nach ihrer Qualität und Schutzwürdigkeit. Die Ortsbilder werden gemäss ISOS in lokale, regionale und nationale Bedeutung eingestuft. Innerhalb der Gemeinden werden die verschiedenen Gebiete mit unterschiedlichen Schutzstufen von A bis C bewertet. In den kommunalen Zonenplänen sind die schutzwürdigen Ortsbereiche den Dorfkern- und Altstadtzonen zugewiesen. Der Anteil der Dorfkern- und Altstadtzonen an der gesamten Bauzonenfläche im Kanton Aargau beträgt rund 9 Prozent. Für diese schutzwürdigen Ortsteile werden an die Gestaltung und Einpassung in den Bau- und Nutzungsordnungen erhöhte Anforderungen gestellt. Diese erhöhten Anforderungen gelten auch für die Beurteilung von Solaranlagen auf Dächern und an Fassaden. Anlagen für Solarwärme, die sich gut in die Dachlandschaft einfügen, sollen in der Regel auch in Dorfkernzonen möglich sein. Dabei sind hohe Ansprüche bezüglich Integration zu erfüllen (Einsehbarkeit, Grösse und Position der Anlage, Textur, Farbe). In besonders schutzwürdigen Bereichen, wie Gebieten mit der höchsten Schutzstufe A in den national bedeutenden Ortsbildern gemäss ISOS (zum Beispiel gewisse Altstadtbereiche), kann die Gemeinde in der Bau- und Nutzungsordnung Solaranlagen ausschliessen oder auf nicht empfindliche Bereiche beschränken. Anlagen für Solarstrom hingegen, die nicht gebäudegebunden sind, sollen in den Dorfkernund Altstadtzonen grundsätzlich nicht bewilligt werden. Grundeigentümer in schutzwürdigen Dorfkernzonen, die regenerativ erzeugte elektrische Energie nutzen wollen, haben in der Regel die Möglichkeit, solche durch eine entsprechende Wahl im Energiemix beim Energielieferanten einzukaufen. Wenn mit der Weiterentwicklung Materialien zur Verfügung stehen, bei denen es möglich ist, Strom zu produzieren ohne die optische Wirkung der dorfkerntypischen Ziegeldächer zu beeinträchtigen, kann von diesem Grundsatz abgewichen werden. -4- Fall 3: Kommunale Substanzschutzobjekte Unter kommunalem Substanzschutz stehen im Kanton Aargau pro Gemeinde jeweils einzelne Gebäude und Baugruppen. Diese Bauten sind im Zonenplan eingetragen und gemäss den Bau- und Nutzungsordnungen der Gemeinden in ihrer Substanz geschützt. Da die Dachgestaltung in der Regel zur wesentlichen geschützten Substanz gehört, soll auf störende Solaranlagen auf diesen Bauten verzichtet werden. In Einzelfällen können in Situationen, bei denen die betroffenen Dachflächen nicht stark in Erscheinung treten, kleine, sich gut integrierende Solarwärmeanlagen bewilligt werden. Fall 4: Kantonale Denkmalschutzobjekte Für die Beurteilung von sämtlichen Baumassnahmen an unter kantonalem Schutz stehenden Objekten ist die kantonale Denkmalpflege abschliessend zuständig. Ebenso beurteilt sie Baumassnahmen im direkten Umfeld von unter kantonalem Schutz stehenden Objekten auf ihre allfällige Beeinflussung der Wirkung des Schutzobjekts. Von den rund 1'500 unter kantonalem Schutz stehenden Objekten betrifft dies – abzüglich der Grenzsteine, Wegkreuze und ähnlicher Objekte – zirka 1'100 Objekte. Diese Kulturgüter in ihrer inneren und äusseren Substanz und Wirkung zu erhalten, zu schützen und in dieser Form unseren Nachkommen weiterzugeben ist eine öffentliche Aufgabe. Ebenso wie die Fassaden in ihrer Substanz und Wirkung nicht beeinträchtigt werden dürfen, soll auch das Dach eines Schutzobjekts nicht beeinträchtigt werden. Das Dach eines historischen Objekts ist ein wichtiger Bestandteil des Bauwerks und wird oft auch als fünfte Fassade bezeichnet. Das gilt für sämtliche Veränderungen der Dachhaut wie Aufbau von Gauben oder Lukarnen beziehungsweise Einbau von Dachflächenfenstern oder Solaranlagen. Die Bewilligungspraxis von Dachaufbauten und -einbauten zur Belichtung wird sehr zurückhaltend gehandhabt, die Montage von Solaranlagen ist mit dem Schutz des Objekts und seiner Wirkung nicht vereinbar. Somit erteilt die kantonale Denkmalpflege keine Bewilligung zur Montage von Solaranlagen auf kantonal geschützten Objekten. -5- Fall 5: Umgebung von Kantonalen Denkmalschutzobjekten Für die Beurteilung von Eingriffen an Objekten, die in unmittelbarer Umgebung von geschützten Denkmälern stehen und diese in ihrer Wirkung beeinflussen, ist ebenfalls die Denkmalpflege zuständig. Wenn Solaranlagen in direkter Umgebung zu kantonal geschützten Objekten deren Wirkung beeinträchtigen, kann die Denkmalpflege keine Zustimmung erteilen. Gut eingepasste, gebäudegebundene Solaranlagen, die die Wirkung der Schutzobjekte nicht beeinträchtigen, werden wie Objekte in den Kernzonen gemäss der kantonalen Praxis beurteilt. Fall 6: Ausserhalb der Bauzone Grundsätzlich werden sorgfältig in Dach- und Fassadenflächen integrierte Solaranlagen bewilligt, sofern keine Kultur- und Naturdenkmäler von kantonaler oder nationaler Bedeutung beeinträchtigt werden. Daraus ergeben sich folgende Einschränkungen: • In Sperrzonen kantonaler Landschaftsschutzdekrete (LD 3 , HSD 4 , RUD 5 , RhD 6 ) werden keine Solaranlagen bewilligt. • Bei Solaranlagen, die Weiler- oder Ortsbilder von nationaler oder regionaler Bedeutung gemäss ISOS-Inventar betreffen, richtet sich die Bewilligungspraxis nach den Empfehlungen betreffend die Dorfkern- und Altstadtzonen. Gut integrierte Anlagen für Solarwärme sind demnach in der Regel möglich, währenddem Anlagen für Solarstrom grundsätzlich nicht bewilligt werden. 3 4 5 6 Dekret zum Schutze des Landschaftsbildes der Lägern und des Geissberges (Lägernschutzdekret), SAR 787.320. Dekret zum Schutze der Hallwilerseelandschaft (Hallwilerseeschutzdekret), SAR 787.350. Dekret über den Schutz der Reuss und ihrer Ufer unterhalb Bremgarten (Reussuferschutzdekret), SAR 761.520. Kantonaler Nutzungsplan mit Dekret über den Schutz des Rheins und seines Ufers (Rheinuferschutzdekret), SAR 671.510. -6- 3. Gestaltungskriterien Zur Beurteilung einer sorgfältigen Integration von Solaranlagen können folgende Gestaltungskriterien herangezogen werden: • • Die Anlagen sollen sich der ruhigen Wirkung der Dachflächen unterordnen, eine regelmässige, rechteckige Form aufweisen und bevorzugt in der unteren Dachhälfte angeordnet werden. Kombinationen von unterschiedlichen Solaranlagen, Dachaufbauten und Dachflächenfenstern sind grundsätzlich nicht erwünscht, jedoch im Einzelfall möglich, wenn eine gute Einpassung bzw. Gesamtwirkung resultiert. Zu bevorzugen sind wenn möglich, insbesondere bei Neubausituationen und Dacherneuerungen, in die Dachhaut integrierte Anlagen. Wenn aufgrund der zur Verfügung stehenden Flächen und unter Berücksichtigung von Verschattung und Ausrichtung die Möglichkeit besteht, Solarwärmeanlagen auf Nebengebäuden oder auf rückseitigen Dachflächen anzuordnen, werden sie auf den Hauptdächern nicht bewilligt. Die Leitungen sind wenn möglich im Gebäudeinnern zu führen. 4. Gesuchsunterlagen • • • Ein Baugesuch hat zur Vereinfachung der Beurteilung zusätzlich zu den üblichen Unterlagen 7 , folgende Unterlagen und Angaben zu enthalten: • • • • • Anlagen-Typ angebaut, integriert oder freistehend (im Sinne der EnV Anhang 1.2, Kap. 2.1 bis. 2.3) Marke und Modell der Anlage Lage der Leitungsführung (Strom, Kalt- und Warmwasser), sofern diese ausserhalb des Gebäudes geführt werden Konstruktionsdetails, sofern Anlage nicht integriert Fotos der Liegenschaft Ergänzend bei Solarstromanlagen: • • • • • Abweichung in der Horizontalen von Süden in Grad Neigung in der Vertikalen in Grad Leistung in kWp Falls nicht bewohnt: Angabe, ob das Gebäude vor Projektstart elektrisch erschlossen ist Bei Solarstromanlagen ab 150 m2 auf freistehenden Liegenschaften oder Siedlungen: Konzept zur Energieabführung (Stellungnahme des Netzbetreibers). Die Bauherrschaft kann verpflichtet werden, Pläne mit Varianten einzureichen und die Materialisierung mit Mustern aufzuzeigen. Vor allem in heiklen Schutzzonen kann durch das Einreichen einer Voranfrage auf Skizzenbasis das Baugesuchsverfahren erleichtert werden. 7 Siehe kantonaler Baugesuchsumschlag B.2, B.3 und D.5. -7- 5. Kontakte • Abteilung für Baubewilligungen Entfelderstrasse 22 5001 Aarau Tel. 062 835 33 00 Fax 062 835 33 09 www.ag.ch/baubewilligungen • Abteilung Raumentwicklung, Ortsbildpflege Entfelderstrasse 22 5001 Aarau Tel. 062 835 32 90 Fax 062 835 32 99 www.ag.ch/raumentwicklung • Fachstelle Energie Entfelderstrasse 22 5001 Aarau Tel. 062 835 28 80 Fax 062 835 28 89 www.ag.ch/energie • Kantonale Denkmalpflege Bachstrasse 15 5001 Aarau Tel. 062 835 23 40 Fax 062 835 23 49 www.ag.ch/denkmalpflege 6. Weitere Infos, Links • Empfehlung der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege und des Bundesamts für Energie "Energie und Baudenkmal – Empfehlung für die energetische Verbesserung von Baudenkmälern" Baudenkmäler und Energie, Heimatschutz, 1/2009, Baudenkmäler und Energie – zwölf Beispiele 1/2009 www.heimatschutz.ch www.energie-schweiz.ch • • •