Diplomarbeit „Vergleich der Unterkieferpositionen bei geführten und ungeführten Bissregistrierungsmethoden beim zahnlosen Kiefer.“ eingereicht von Christina Teresa Beck Mat. Nr.: 9114371 zur Erlangung des akademischen Grades Doktor(in) der Zahnheilkunde (Dr. Med. dent.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt an Abteilung für Zahnersatzkunde Univ. Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde unter der Anleitung von Univ. Prof. Dr. W. A. Wegscheider Graz, am 30.03.2010 2 Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Graz, am 30.03.2010 …………………………………….. 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung .................................................................................... 5 1.1 Zusammenfassung ............................................................................. 5 1.2 Abstract ............................................................................................... 6 2. Ziel ............................................................................................................. 7 3. Einleitung ................................................................................................... 8 3.1 Herstellung von Totalprothesen .......................................................... 9 3.1.1 Anfertigen von Studienmodellen ................................................ 9 3.1.2 Die Funktionsabformung ............................................................ 9 3.1.3 Orientierende Bissnahme .......................................................... 10 3.1.4 Präparation der Bissschablonen ................................................. 10 3.1.5 Bestimmung der Ruheschwebe und der Vertikaldimension ....... 11 3.1.6 Zentrische Bissregistrierung ....................................................... 12 3.1.7 Anpassung der Ästhetikschablone ............................................. 12 3.2 Anforderung an die totalprothetische Versorgung eines unbezahnten Patienten ................................................................................................... 13 3.2.1 Anatomische Grundlagen des zahnlosen Kiefers und der Kiefergelenke ........................................................................................ 15 3.2.1 Biomechanik des Unterkiefers .................................................... 15 3.2.3 Atrophie ...................................................................................... 16 4. Problemstellung ......................................................................................... 19 5. Material und Methode ................................................................................ 20 5.1 Patientenkollektiv ................................................................................. 20 5.2 Der Mandibluar – Positions- Indikator .................................................. 21 5.3 Untersuchungsmethode ....................................................................... 22 5.3.1 Präprothetisches Vorgehen ........................................................ 22 5.3.2 Schädelgerechte Oberkiefermontage ......................................... 22 5.3.3 Orientierende Bissregistrierung ................................................... 23 5.3.4 Zentrische Bissregistrierung ....................................................... 24 5.3.5 Messung mit dem MPI ................................................................ 26 4 6. Ergebnisse ................................................................................................. 27 6.1 Statistischer Vergleich der orientierenden und zentrischen Bissregistrierung ......................................................................................... 27 7. Diskussion .................................................................................................. 28 7.1 Vergleich geführter und ungeführter Bissregistrierungsmethoden bei verschiedenen Studien ............................................................................... 29 7.2 Konklusion ............................................................................................. 30 8. Literaturverzeichnis .................................................................................... 31 9. Lebenslauf .................................................................................................. 33 5 1. Zusammenfassung 1.1 Zusammenfassung Unterkieferpositionen bei der Rehabilitation der zahnlosen Kiefer sind eine der schwierigsten und gleichzeitig wichtigsten Aufgaben bei der Herstellung für Totalprothesen. Unterschieden wird dabei zwischen geführten und ungeführten Bissregistrierungen. Da verschiedene Verfahren in der Bissregistrierung des zahnlosen Unterkiefers existieren, ergibt sich die Frage der Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit für die Unterkieferposition. Bei geführten Registrierungen beeinflussen vor allem die muskuläre Komponente des Kauapparates und das Geschick des behandelnden Arztes die Positionierung. Verspannungen Bei einen ungeführten negativen Registrierungen Einfluss auf die haben lediglich Positionierung. Die Ergebnisse der Untersuchungen an der Abteilung für Zahnersatzkunde der Univ. Klinik für ZMK- Graz lassen zum jetzigen Zeitpunkt Abweichungen der zwei verglichenen Bissregistrierungsmethoden erkennen. Es können aber auf Grund der geringen Probandenzahl keine Schlüsse über deren Ursachen gezogen werden. 6 1.2 Abstract The rehabilitation of the lower jaw positions of toothless jaw are the most difficult and important task for making the total prostheses. Dental studies were compared and evaluated. The successful performance is the basic requirement for the application of different successful methods. In general, there are differences between conducted and not conducted bite registration. Because of the existence of different methods for bite registration of toothless lower jaw, there is a need for reproduction and comparison strategies for the lower jaw position. The experience of the dentist and the muscular component of the denture have influence on the positioning of bite registration, whereas, the strong tension only has a negative influence in carrying out the not conducted registration. The results of the examinations at the department of the prosthodontics at the Dental University Hospital in Graz, Austria, reveal at this time deviations of the two compared bite registration methods. However, the sample size were small, therefore, distinct reasons could not be summarised. 7 2. Ziel: Die fehlenden eigenen, natürlichen Zähne sollen mittels einer abnehmbaren Prothese ersetzt werden, um die Funktionen des Kauapparates wieder herzustellen. Für Totalprothesen muss ein Okklusionskonzept angewendet werden, das die Prothese im Kräftegleichgewicht zwischen den Weichteilen stabil hält. Die richtige Vertikaldimension ist die Voraussetzung, dass Oberkiefer und Unterkiefer im richtigen Abstand zu einander stehen. Wenn die Vertikaldimension korrekt ermittelt wird und die Okklusion stimmt, dann können sämtliche Funktionen des Kauapparates mit einer Prothese durchgeführt werden. Um die zentrale Relation des Unterkiefers zum Cranium, mit eindeutiger zentraler Kondylenposition bei der Rehabilitation des zahnlosen Kiefers ermitteln, sollen geführte miteinander verglichen werden. und ungeführte zu Bissregistrierungsmethoden 8 3. Einleitung Die Rehabilitation der zahnlosen Kiefer mit Totalprothesen ist trotz der modernen oralen Implantologie aus der prothetischen Zahnheilkunde nicht wegzudenken. Eine Totalprothese, als schleimhauttragender, abnehmbarer Zahnersatz, bleibt für viele Patienten die einzige Wahl der Therapiemöglichkeiten. Die Alternative einer implantatgetragenen prothetischen Versorgung bleibt vielen Patienten verwehrt. Die Gründe dafür können finanziell bedingt oder Op- Untauglichkeiten sein, sowie ein zu hohes Alter eines Patienten. Der vollständige Zahnverlust stellt an den prothetisch tätigen Zahnarzt besondere Anforderungen. Mit der Zahnlosigkeit verliert der Patient seine Vertikaldimension und der Unterkiefer seine stabile zentrische Position. Für die Wiederherstellung des Kauapparates verbleibt das Weichgewebe als einzige Information über die Kiefer. Anhand der Bissregistrierungen soll eine für den Patienten reproduzierbare Höhe und Positionierung des Unterkiefers, mit in den Fossae articulares zentrierten Kondylen, ermöglicht werden. Bei der Herstellung eines neuen Zahnersatzes werden die geführte und ungeführte Bissregistrierung angewendet. Davon ausgehend stellt sich die Frage mit welcher Methode man dem definierten Ziel am nächsten ist, bzw. mit welcher Methode kann die Adaptation an eine Totalprothese am besten funktionieren? 9 3.1 Herstellung von Totalprothesen (an der ZMK- Graz): 3.1.1 Anfertigen von Studienmodellen Nach der anatomischen und prothetischen Anamnese des zahnlosen Patienten werden die anatomischen Modelle hergestellt. Diese erste Abformung des Ober- und Unterkiefers mit Alginat® dient dem Zweck von Studienmodellen. An Hand dieser werden die individuellen Löffel aus Ivolen® angefertigt. Mit den individuellen Löffeln werden die Funktionsränder für das Gestalten der Ventilränder angepasst und die Funktionsabformung durchgeführt. Die Löffelgrenzen sind zwischen Gingiva propria und Mucosa. Diese Grenzen stellen den inneren Ventilrand der Prothese dar. Der äußere Ventilrand ist jener, an dem die äußeren, beweglichen Weichteile dem Prothesenrand anliegen. Das Außenventil wird mit den Funktionsrändern aus Stangen- Kerr® durch passives Bewegen der Weichteile erzeugt. Die Oberkiefer- und Unterkieferlöffel haben ihre perfekte Passform, wenn sie auf dem Prothesenlager fest haften (durch Saugwirkung) und durch Bewegungen nicht vom Prothesenlager wegbewegt werden. 3.1.2 Die Funktionsabformung Die individuelle Funktionsabformung der Schleimhaut wird mit Permlastic® Abformmasse und den individuellen Löffeln durchgeführt. In die Oberkieferlöffelbasis werden Löcher gefräst, zum Abfliesen überschüssigen Abformmaterials. Für die Oberkieferabformung werden dazu funktionelle, passive Bewegungen der Wangen durch den behandelnden Arzt und der Nasen- Blas- Versuch für die definierte A- Linie am Übergang zwischen harten und weichen Gaumen vorgenommen. Die Unterkieferabformung erfolgt ebenfalls über funktionelle, Wangenweichteile Gaumenpressen. und passive mäßiges Bewegungen Herausstrecken der der Lippen– und Zunge und 10 3.1.3 Orientierende Bissnahme Die provisorische Bissnahme dient dazu, eine vorläufige Information des Unterkiefers mit zentrierten Kondylen in den Fossae articulares mit annähernd richtiger Vertikaldimension zu erhalten. Für die orientierende Bissnahme werden die beiden Löffel im Mund des Patienten reponiert. Diese dürfen sich bei geschlossenem Mund nicht berühren. Ein Silikonwulst wird zwischen die Löffel gegeben und der Patient aufgefordert, den Mund locker zu schließen. Mit einem Wachsmesser wird die Mittellinie der Lippen am Silikon angedeutet, über die man die Okklusionsebene bekommt. 3.1.4 Präparation der Bissschablonen Anschließend werden die individuellen Löffel mit Superhartgips für die Meistermodelle ausgegossen. Das Oberkiefermodell wird schädelbezüglich mit dem anatomischen Transferbogen, der drei Referenzpunkte hat (2 Schanierachsenpunkte, die auf die Haut projiziert werden und die Glabella) in den Artikulator eingebaut. In diesem werden die individuellen Löffel zu Bissschablonen umfunktioniert und eine Ästhetikschablone aus Wachs hergestellt. Über die Bisswälle werden die Zahnreihen simuliert, welche parallel zueinander stehen müssen. Im Unterkiefer werden die Bisswälle dachfirstartig modelliert und reichen im 3. und 4.Quadranten im Seitenzahnbereich bis zum ersten Molaren, wobei diese distal leicht abgeflacht werden. Im Oberkiefer werden die Bisswälle rechteckig befestigt. Die Bisswälle müssen so positioniert werden, dass der Unterkieferwall genau in die Mitte des Oberkieferwalls trifft. Mit den fertigen Bissschablonen, welche am Meistermodell mit Xanthopren® blau unterfüttert werden, wird die Vertikaldimension und die Ruheschwebe kontrolliert bzw. eingestellt. Dazu müssen die Wälle überall gleichmäßig, parallelen Kontakt haben. Die Parallelität der Bisswälle wird an Hand der Modelle im Artikulator (SAM 2PX) hergestellt und im Mund des Patienten überprüft. 11 3.1.5 Bestimmung der Ruheschwebe und der Vertikaldimension Am Patienten werden zwei Punkte, eine am Subnasion und eine an der submentalen Einziehung markiert. In aufrechter Position wird er aufgefordert die Lippen locker zu schließen und dabei „mm“ zu summen. In dieser Zone geringster Muskelaktivität erhalten wir die Ruheschwebe, welche auf einen Spatel übertragen wird. Die Vertikaldimension ist der Abstand zwischen Punkt A und B Punkt A= zwischen Nase und Oberlippe, Punkt B= Kinnregion, Punkt R= Ruheschwebe Die Bestimmung wird mit Hilfe eines Spatels ermittelt. Die Überprüfung der Ruheschwebe erfolgt indem der Patient möglichst viele „s“- Laute spricht („s“- Laute benötigen den geringsten Sprechabstand), wobei sich die Bisswälle nicht berühren dürfen. Die Vertikaldimension soll ca. 2 mm unter der Ruheschwebe sein. Die Bisswälle sollten dabei überall gleichmäßigen Kontakt zueinander haben. Die Vertikaldimension ist der minimale Abstand von Punkt A bis Punkt B in maximaler Interkuspidation. Zur Überprüfung der Vertikaldimension werden die Mm. masseter palpiert. Der Patient soll in entspanntem Zustand den Mund locker geschlossen halten und dann fest schließen. Dabei soll der Unterschied zwischen Ruheschwebe und Vertikaldimension zu palpieren und mittels Spatel zu überprüfen sein. 12 3.1.6 Zentrische Bissregistrierung Mit der korrekt eingestellten Vertikaldimension kann die definitive Bissregistrierung vorgenommen werden. Die Lageregistrierung des Unterkiefers erfolgt über die endgültige Bissregistrierung. Diese wird mittels Bissschablone, dem zentrischen Registrat, als dreidimensionale Unterkieferposition fixiert. Unter Führung des Unterkiefers durch den behandelnden Arzt wird der Unterkiefer, bei entspannter Kaumuskulatur, in die zentrale Position gebracht. Die mit dem zentrischen Bissregistrat erreichte Referenzposition ist jene Position des Unterkiefers, während der reinen Rotation der initialen Mundöffnung, bei der sich die Kondylen vollständig zentral in den fossae glenoidales befinden (E. Piehslinger, 2006). 3.1.7 Anpassen der Ästhetikschablone Mittels Ästhetikschablone überprüft man die Okklusionsebene und bestimmt die Frontzahnlänge, die Zahnaufstellung und die Zahnbogenbreite. Die Ästhetikschablone haftet mit dem Tragandpulver am Oberkiefer und mit der trubyte- Schablone wird die Parallelität zwischen Okklusionsebene und Camper´scher Ebene (verläuft zwischen dem Unterrand des Porus acusticus externus und der Spina nasalis) überprüft. Weiteres muss die Okklusionsebene parallel zur Bipupillarlinie sein, die die Referenzebene der Schädelbasis darstellt. Die Okklusionsebene dient der Ausrichtung der Frontzähne bei der Zahnaufstellung an der Prothese. 13 3.2 Anforderungen an die totalprothetische Versorgung eines unbezahnten Patienten: In der Totalprothetik sind zwei Punkte entscheidend. Erstens soll, bedingt durch den totalen Zahnverlust, das Kauvermögen wiederhergestellt werden. Eine Totalprothese muss für die Mastikation konzipiert sein. Beim Kauen soll die größtmögliche Annäherung der Zahnreihen erfolgen, ohne funktionelle Interferenzen. Dafür muss eine einwandfreie Okklusion zwischen Ober- und Unterkieferzähne hergestellt werden. An der ZMK- Graz wird dafür die Okklusion mit FrontEckzahn-Führung angewendet. Dabei sollen während zentrischen und exzentrischen Bewegungen des Unterkiefers Führungen der Zähne 3-6 auf der Arbeitsseite vorkommen. Auf der Nichtarbeitsseite werden Balancekontakte von ein bis zwei Zähnen empfohlen. Dieses Konzept verhindert ein Kippen der Prothese. Zusätzlich ist die Übereinstimmung einer physiologischen, zentralen Position der Kiefergelenke, mit der maximalen Interkuspidation wünschenswert (R. Slavicek, 2000). Ebenso von entscheidender Bedeutung ist das Prothesenlager, das die Kaukräfte während der Mastikation überträgt. Eine optimale Kraftübertragung soll durch eine Optimierung der Lastverteilung geschaffen werden, um die strukturelle Stabilität der Restgewebe zu gewährleisten. Somit können Druckatrophien vermieden werden. Zweitens ist der Halt einer Totalprothese die Basis für alle Funktionen, die sie übernehmen muss. Die Retention wird durch folgende Aspekte beeinflusst: Die Oberfläche des Prothesenlagers, das Zwischenmedium sowie auch die Kongruenz der Schleimhaut und der Prothesenbasis. 14 Das Prothesenlager ist jene knöcherne Zone mit unverschiebbarer Schleimhaut und ihren Grenzen zur verschiebbaren Schleimhaut. Diese Strukturen des Prothesenlagers sind geeignet die auftretenden Kräfte auf den darunter liegenden Knochen zu übertragen. Eine Totalprothese muss an ihrem Prothesenrand (zwischen Gingiva und Mukosa) so gestaltet werden, dass der Ventilrand so dicht ist, um Lufteinschlüsse zu verhindern. Entscheidend für das Prothesenlager sind die beweglichen Weichteillager, wie Gaumen, Wangen, Bänder, Sublingualmuskulatur sowie die mimische Muskulatur. Die Mundhöhle ist ein flüssigkeitsgefüllter, kapillärer Spalt, indem Nulldruck herrscht. Bei geschlossenem Mund gibt es einen Druckunterschied zwischen innen und dem äußeren Luftdruck. Bei Prothesenträgern soll bei geöffnetem Mund zwischen Prothese und Prothesenlager, ebenso zwischen Weichteillager und Prothese Nulldruck sein. Dies gewährleistet, dass die Prothese nicht vom Prothesenlager wegbewegt wird. Als Zwischenmedium zwischen Schleimhaut und Prothese wird der Speichel bezeichnet. Der Speichel gleicht Inkongruenzen zwischen Schleimhaut und Prothese aus. Der Speichelfluss verringert sich durch das Alter des Patienten, Medikamente, sowie psychosomatisch bedingt. Folglich kann es zu starker Mundtrockenheit, Schmerzen und geringem Halt der Prothese führen. Unter Kongruenz versteht man die flächengleiche Oberflächengestaltung der Prothese zum Prothesenlager. Eine perfekte Passform der Prothese ist Voraussetzung, um die Prothese auf ihrer Unterlage einwandfrei positionieren zu können (Prof. Wegscheider, 2008). 15 3.2.1 Anatomische Grundlagen des zahnlosen Kiefers und der Kiefergelenke Die anatomischen Verhältnisse beeinflussen den Halt einer Totalprothese wesentlich. Der Oberkiefer ist aus anatomischer und biomechanischer Sicht meist problemloser für den abnehmbaren Zahnersatz. Der Oberkiefer bietet durch den Gaumen für eine Prothese eine große Haftfläche. Im Gegensatz dazu hat der Unterkiefer eine viel geringere Fläche für die Unterkieferprothese. Ebenso von Bedeutung ist der starre Oberkiefer und der bewegliche Unterkiefer. Der wesentlich limitierende Faktor für eine Prothese sind die Muskeln, die ihren Ursprung oder Ansatz an der Mandibula haben, bzw. den Unterkiefer mobilisieren. Die Mandibula ist mit der Schädelbasis durch die beiden Kiefergelenke verbunden, die völlig voneinander getrennt sind, aber durch die Bewegungen, die immer eine Kombination aus Rotation und Translation sind, als Einheit funktionieren (Fanghänel J. et al., 2003). Die Kiefergelenke zahnloser Patienten weisen in vielen Fällen remodellierende Prozesse an allen Kiefergelenksabschnitten auf, besonders an den medianen (Grunert, Habilitationsschrift 1995). Bei Langzeitprothesenträgern wurde auch eine Abflachung der Eminentia articularis beobachtet (Gsellmann, 1995). 3.2.2 Biomechanik des Unterkiefers Der Unterkiefer entspricht seiner Form einem Röhrenknochen. Die spezielle UForm hält den Verformungen der Biegekräfte stand. Für die Kraftübertragung ist die Kompakta verantwortlich, die im Unterkiefer durch das trabekuläre System der Spongiosa weitergeleitet wird (Schwenzer et al., 2000). Beim Totalprothesenträger wird die Kraft vom Unterkieferknochen über das Periost auf die Schleimhaut direkt auf die Prothese übertragen und von dieser vice versa auf den Oberkiefer bis zum Os petrosum. 16 Bei Totalprothesenträgern verändern sich die Okklusionsebene und die Vertikaldimension. Es erfolgt eine Rotation des Unterkiefers, wobei die Neigung der Okklusionsebene nach posterior kaudal geht und als Folge eine protrusive Bisslage entsteht. Dies führt zu einer Verminderung der Untergesichtshöhe. Daraus resultierend ändert sich der Hauptvektor der Kaukraft. (B. Gsellmann, 1995). Mit zunehmender Tragedauer einer Totalprothese verändert sich die Kondylenbahnneigung. Bedingt durch die Kraftübertragung der Kaumuskulatur auf die Kiefergelenke kommt es zu einer unphysiologischen Belastung. Die Folge ist eine Abflachung der horizontalen Kondylenbahnneigung, die sich im Unterkiefer stärker als im Oberkiefer darstellt (Schweigreiter J. et al. 1994/1995). 3.2.3 Atrophie Resorptionsvorgänge sind irreversible Umbauprozesse der Alveolen und des Alveolarfortsatzes, die im ersten Jahr nach einer Zahnextraktion am größten sind. Bei der Resorption von zahnlosen Kiefern verschmelzen die beiden Kompakta Anteile des Knochens miteinander. Es verbleibt der für die Funktion notwendige Knochen: zum Erhalt der Schädelstruktur und der Atemwegsstruktur, sowie um der Muskelkraft zu widerstehen. Im Unterkiefer bilden außen die Linea obliqua und das Tuberculum mentale und innen die Linea mylohyoidea und die Spina mentalis die Grenzen der Atrophie. Die dorsale Begrenzung bilden die Plica pterygomandibularis, das Ligamentum stylomandibularis und das Trigonum retromolare. Die horizontale und vertikale Atrophie passieren auf einer schiefen Ebene, in Richtung der Kraftrichtung der Zähne. Dadurch erscheint der atrophe Oberkiefer kleiner und der atrophe Unterkiefer größer. Beim zahnlosen Kiefer unterscheiden wir drei Arten der Atrophie: die Inaktivitätsatrophie, die Involutionsatrophie und die Druckatrophie. 17 Der zahnloser Säugling hat keinen Alveolarfortsatz auf seinen Kiefern. Der Alveolarfortsatz entwickelt sich erst mit dem Durchbruch der ersten Dentition. Er wird durch die Zähne und die dynamische Belastung, die zu einem ständigen Knochenab- und Anbau führen, erhalten. Nach dem Zahnverlust finden, auf Grund der fehlenden Zugbelastung durch den natürlichen Zahn auf den Knochen, Resorptionsvorgänge statt. Die Inaktivitätsatrophie führt zur vertikalen Knochenresorption, die zusätzlich durch die schleimhautgetragene Prothese verstärkt wird. Im Gegensatz dazu resorbiert der Knochen in horizontaler Richtung durch den Zungen-, Wangenund Lippendruck. Im Unterkiefer ist der vertikale Atrophievorgang ca. vier Mal größer als im Oberkiefer, der horizontale Abbau ist in etwa gleich groß (Schwenzer et al., 2000). Wie bereits oben erwähnt, werden die Kaukräfte vom Knochen auf die Prothese und wieder auf den Knochen übertragen. Die Druckatrophie entwickelt sich durch den Prothesendruck, wobei die Schleimhaut zwischen zwei Hartgeweben - Knochen und Prothese- gequetscht wird. Der Knochen wird primär abgebaut und sekundär bei physiologischer Belastung wieder aufgebaut. Bedingt durch den Prothesendruck kann der Knochen nicht wieder aufgebaut werden. Bei extremer Atrophie im Unterkiefer kann das knöcherne Dach des N. alveolaris inferior fehlen und der Nerv submukös verlaufen. Der Knochenanteil ist je nach Atrophie unterschiedlich hoch und wird von Cadwood und Howell in sechs Resorptionsklassen eingeteilt (Schwenzer et al., 2000). Bei der Involutionsatrophie kommt es, im Gegensatz zu den beiden oben beschriebenen Atrophien, zu einer qualitativen Veränderung des Knochens. Ein Absinken des Stoffwechsels führt dazu, dass Trabeculae nicht mehr aufgebaut werden. Bei alten Patienten kommt es auch zu einer Verringerung der Dynamik des Knochenaufbaus. 18 Ein wichtiges Ziel in der Zahnheilkunde stellt der Erhalt des Alveolarfortsatzes nach Zahnverlust dar. Die beschriebenen Resorptionsvorgänge können durch die Anwendung einer schonenden Extraktionstechnik und durch eine perfekte Passform einer Totalprothese verringert werden: Im Vordergrund der Extraktion steht der schonende Umgang mit dem vitalen Gewebe. Eine traumatische Behandlung, großer Kraftaufwand, Periostablösung oder Frakturen des Alveolarfortsatzes sind oftmals Ausgangspunkt für eine Alveolitis und weiterführende Komplikationen. Eine Alveolarvernarbung kann sich auch ohne Komplikationen einer Extraktion entzünden, indem in der Tiefe der Alveole nekrotisches Gewebe phagozytiert. Dies ruft Schmerzen, Schwellungen und die Resorption des Knochens hervor (Schwenzer et al., 2000). Eine schonende, knochenerhaltende Behandlungsmethode bietet eine bessere Prognose im Hinblick auf die später erforderliche prothetische Versorgung. 19 4. Problemstellung: Dem zahnlosen Kiefer fehlen Zähne, Hart- und Weichgewebe. Mit dem Verlust der Zähne gehen folgende Funktionen des stomatognathen Systems verloren: die Mastikation, die okklusale Funktion, die Reizaufnahme, die Phonetik, die Ästhetik, die Respiration sowie psychosoziale Aspekte. Die Okklusion wird durch das Vorhandensein von Zähnen definiert. Der Unterkiefer ist in maximaler Interkuspidation in stabiler Position zur Schädelbasis. Da es für den Unterkiefer unendlich viele Positionen gibt, ist die einzig fixe Position, die in der maximalen Interkuspidation. Der zahnlose Kiefer hat keine Okklusion, dadurch ist der Unterkiefer destabilisiert. Ebenso kann durch das Fehlen klar determinierter und klinisch zugänglicher Bezugspunkte die Kondylenposition in den Fossae glenoidales nicht mehr eindeutig bestimmt werden (Grunert et al. 2003). Die Kieferrelationsbestimmung kann sich nur an der Schädelbasis orientieren. Die Bezugsebene dafür ist die Achse- Orbitale- Ebene (Infraorbitale und rechter und linker Schanierachsenpunkt), die mittels Außenbogen bestimmt wird. Der Unterkiefer wird in Relation zur Schädelbasis gesetzt. Bekannter Weise gibt es unendlich viele Unterkieferpositionen bei zentrierter Kondylenposition im Zentrum der Fossae articulares (Parmeijer, 1985). Folgende Informationen des zahnlosen Kiefers fehlen zur Bestimmung der stabilen zentrischen Position des Unterkiefers: Die Vertikaldimension und die Höhe der atrophierten Kiefer. Über die Vertikaldimension wird der richtige Abstand zwischen Ober- und Unterkiefer bestimmt. Sie gilt auch als Synonym für die Untergesichtshöhe – jener Bereich zwischen Nasenspitze und Kinn. Beim zahnlosen Kiefer gibt es keinen Anhaltspunkt über die Höhe der atrophierten Kiefer. Diese können nur mit Hilfe der Bisswälle in annähernd richtiger Höhe rekonstruiert werden. 20 5. Material und Methode 5.1 Patientenkollektiv An der Abteilung für Zahnersatzkunde der Univ. Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Graz wurden an Hand von vier zahnlosen Patienten je ein zentrisches Bissregistrat und je eine orientierende Bissregistrierung miteinander verglichen. Im Rahmen einer Nachkontrolle der fertiggestellten Prothesen des Totalprothesenkurses 2009 erfolgte an vier zahnlosen Patienten, drei Frauen und ein Mann, im Alter von 41 bis 71 Jahren, diese Studie. Das Durchschnittsalter betrug 58,7 Jahre. Das Patientenkollektiv war bereits seit 6 bis 20 Jahren Totalprothesenträger und wurde mit neuen Prothesen versorgt. Im Zuge der Untersuchung wurden die orientierende Bissnahme mit dem Siliconbiss und das zentrische Bissregistrat anhand des MPI (Mandibular Positions- Indikator) mit einander verglichen. Die Ergebnisse zeigen hinsichtlich einer eindeutigen Aussage keine signifikanten Unterschiede bzw. Übereinstimmungen. Es muss daher in einer weiterfolgenden Studie mit einer größeren Probandenzahl die Untersuchung fortgesetzt werden, um zu einem aussagekräftigen Ergebnis zu kommen. 21 5.2 Der Mandibular – Positions- Indikator Der Mandibular - Positions- Indikator (MPI) wurde von Slavicek (1979) und Mack (1980) entwickelt. Mit dem MPI werden dreidimensional die Unterschiede der Gelenkposition zwischen der interkuspidalen Okklusionsposition und der retralen Kontaktposition erfasst. Bei der klinischen Untersuchung werden bereits Differenzen zwischen der maximalen Interkuspidation und der retralen Kontaktposition festgestellt. Genaue Aussagen über Differenzen sind jedoch nur mit Hilfe der instrumentellen Analyse des MPI möglich. Bereits sehr kleine Verschiebungen der Okklusion führen zu großen Unterschieden in den weiter entfernt liegenden Gelenkflächen. Dieses Phänomen beschreibt der Vergrößerungseffekt (Slavicek et al., 1976). Der MPI projiziert über die Kondylarkugeln die Orientierung der registrierten Unterkiefermodelle auf die drei Raumachsen x, y, z. Die x-Achse beschreibt die sagittale, die y-Achse die vertikale und die z-Achse die transversale Ebene. Der MPI wurde vor jeder Messung geeicht und die Werte der drei Achsen jeweils des linken und rechten Kondylus an den Messuhren abgelesen und in einer Excel -Tabelle verglichen. 22 5.3 Untersuchungsmethode 5.3.1 Präprothetisches Vorgehen Die prothetische Diagnostik beinhaltet neben einer allgemeinmedizinischen und prothetischen Anamnese, extra- und intraorale Untersuchungen, sowie eine klinische Funktionsanalyse. Ein Panaromaröntgen ist Standard bei der Beurteilung des Knochenangebotes. Für die prothetische Beurteilung sind der Zeitraum der Zahnlosigkeit, das subjektive Empfinden der alten Prothese und die objektive Beurteilung des behandelnden Arztes notwendig. Anschließend werden Studienmodelle angefertigt, anhand derer die individuellen Löffel hergestellt werden. Mit den individuellen Löffel wird die Schleimhaut mittels Permlastic® abgeformt und danach die Meistermodelle mit Superhartgips ausgegossen. An Hand dieser werden die Bissschablonen präpariert, um die orientierende und anschließend die zentrische Bissregistrierung durchzuführen. 5.3.2 Schädelgerechte Oberkiefermontage Das Oberkiefermeistermodell wird schädelbezüglich mit dem Außenbogen (anatomischer Transferbogen SAM Axioquik III) in einen SAM- Artikulator mit zu verschraubenden Montageplatten eingebaut. Die Oberkieferbissschablone wird an den Oberkiefer des Patienten reponiert. Auf die Bissgabel wird StangenKerr® (eine thermoplastische Abdruckmasse- Impression Compound® der Fa. Kerr) befestigt, welches im Wasserbad bei 54° erwärmt wird. Danach wird die Bissgabel mittig auf die Schablone positioniert, bis diese schaukelfrei und eindeutig im Kerr eingedrückt ist. Die Bissgabel wird über den Bissgabelträger (SAM Axiomatic) am Transferbogen fixiert. 23 Die Ohroliven des Transferbogens werden in den äußeren Gehörgang eingeführt, die Glabellarolle (SAM Nasionstütze AX) und die Bissgabel werden am Transferbogen festgeschraubt. Dabei darf die Bissschablone nicht kippen. Mit dieser Orientierung wird das Oberkiefermeistermodell entsprechend der Achse-Orbital-Ebene in den Artikulatoroberteil eingebaut. Dabei befinden sich der Kondylus des Gelenks am Artikulatorunterteil und die Gelenkspfanne am Artikulatoroberteil. Für die Montage der Modelle wird die Kondylenbahnneigung auf 45° eingestellt. Der Kondylenbahnwinkel ist jener zwischen der Bahn des Kondylus bei der Protrusion nach vorne und unten und der Achse - Orbitale projiziert auf die Median – Sagittal - Ebene. Der Bennettwinkel wird auf 15° eingestellt. Der Bennettwinkel beschreibt den Winkel des Kondylus der Nichtarbeitsseite und der Median - Sagittalen nach vorne, unten und innen. 5.3.3 Orientierende Bissregistrierung Wir verwenden für die orientierende Bissregistrierung die Oberkiefer- und Unterkieferbissschablonen. Die Bisswälle aus Kerr® der Bissschablonen dürfen sich dabei nicht berühren und sich gegenseitig nicht „abhebeln“. Ebenso sollen beim Schluckakt keinerlei Differenzen der Schablonen vorkommen. Zur besseren Positionierung des Bissregistrates werden mit einem heißen Wachsmesser je 2 Rillen in die Kerrwälle der Unterkieferschablone in den Seitenzahnbereich geritzt. Die orientierende Bissregistrierung wird mit dem elastomeren Präzisionsabformmaterial auf Siliconbasis- Optosil® Comfort® - durchgeführt. Die Dosierung entspricht für die Base von je zwei Messlöffeln á 9,5 ml und den Activator universal Plus® in Pastenform von 0,58 ml. Base und Activator werden bei einer idealen Raumtemperatur von 23°C und 50% Luftfeuchtigkeit während einer Mischzeit von bis zu 30 Sekunden geknetet. Der daraus entstehende Siliconwulst wird zwischen die Bissschablonen im Mund des Patienten positioniert. Dieser wird aufgefordert den Mund locker zu 24 schließen. Die Mittellinie der Lippen wird am Siliconwulst mit einem Wachsmesser markiert, welche die Okklusionsebene andeutet. Die Mindestverweildauer des Siliconbisses im Mund des Patienten beträgt ca. 4 Minuten. Orientierende Bissnahme mit Silicon Der Patient nimmt bei dieser Methode unbewußt die Position zwischen Ruhelage und Vertikaldimension ein. Auf Grund des Soft-Silikons ist nur geringe Muskelkontraktion notwendig, die automatisch die Kondylen in die zentrierte Position zieht. Es sind jedoch Ungenauigkeiten der orientierenden Bissregistrierung durch die elastische Abformmasse zu erwarten (Piehslinger, 2006). 5.3.4 Zentrische Bissregistrierung An Hand der beiden Bissschablonen wird die Vertikaldimension im Mund des Patienten ermittelt. Auf den Oberkieferwall der Bissschablone wird im Seitenzahnbereich von Zahn 3-6 Aluwachs (eine Paraffin-Bienenwachsmischung- Aluwax Bite & Impression Wax®) aufgetragen. Dieses wird im 54° warmen Wasserbad erweicht, doppelt gelegt und mit einem Wachsmesser an der Bissschablone dicht und luftblasenfrei verschmolzen. 25 Die Oberkieferbissschablone wird in ein 54° Wasserbad erwärmt und anschließend gemeinsam mit der Unterkieferschablone die zentrische Bissregistrierung durchgeführt. Unter Führung des Unterkiefers durch den behandelnden Arzt (Kinngriff nach Lauritzen 1972, mit einer Kraft von ungefähr 25N) wird der Unterkiefer, bei entspannter Kaumuskulatur, in die zentrale Kondylenposition gebracht. Durch die Kerben in der Unterkieferschablone entstehen Impressionen im Oberkieferwall, die sich links und rechts gleich tief (ca.1 mm) darstellen sollen. Um die Impressionen des Aluwachses in einen irreversiblen Zustand zu bringen wird die Oberkieferschablone in Eiswasser gekühlt. Anschließend werden die Schablonen noch einmal im Mund kontrolliert, ob die Bisssituation überall gleichmäßig und schaukelfrei gegeben ist. Zentrisches Bissregistrat Die mit dem zentrischen Bissregistrat ermittelte Referenzposition ist jene Position des Unterkiefers, während der initialen Mundöffnung (=reine Rotation). Die Kondylen befinden sich dabei vollständig zentral in den fossae glenoidales. Die zuvor ermittelte Vertikaldimension stimmt exakt. 26 5.3.5 Messung mit dem MPI Das schädelbezüglich eingebaute Oberkiefermeistermodell wird in den MPI übertragen. Das Unterkiefermodell wird mittels Bissschablone zentrisch eingebaut (Snow white® - Gips). Der Stützstift sowie die Messapparate an den Kondylarkugeln werden auf Null gestellt. MPI- Mandibular - Positions- Indikator Für die erste Messung mit dem zentrischen Bissregistrat wird das Aluwachs von den Bisswällen der Oberkieferschablone entfernt. Der Stützstift wird abgesenkt bis die Kerrwälle parallel aufeinander treffen. Die dabei entstehenden Werte der drei Ebenen x, y, z und der Wert des neu eingestellte Stützstifts werden notiert. Für die zweite Messung mit dem orientierenden Bissregistrat wird der Siliconbiss auf die Bissschablonen im MPI positioniert und der Stützstift angepasst. Die veränderten Werte notieren wir ebenfalls. Anschließend werden die ermittelten Werte der beiden Methoden mittels einer Excel – Tabelle miteinander verglichen. 27 6. Ergebnisse 6.1 Statistischer Vergleich der orientierenden und zentrischen Bissregistrierung Die Untersuchung erfolgte an vier zahnlosen Patienten. Die Abweichungen betrugen im Mittelwert an der x-Achse 0,039 mm (= 39 µm) an der y-Achse 0,014 mm (= 14 µm) und an der z-Achse 0,003 mm (=3 µm). Keine Abweichungen zwischen den beiden Bissregistrierungen waren bei Patient (2) an der x-Achse erkennbar. Den Maximalwert mit 0,15/ 0,13 mm (links/ rechts) an der x-Achse erreichte Patient (4). Nur bei einem Patienten (4) konnte ein signifikanter Unterschied an der x-Achse im Vergleich zu den anderen Patienten und Achsen festgestellt werden. Die Gegenüberstellung der beiden untersuchten Methoden ergab eine Abweichung von -0,02-0,04 mm an allen drei Achsen (Abb.4). P Kondylen 1 rechts links 2 rechts links 3 rechts links 4 rechts links Mittelwert zentrisches Bissregistrat X y z orientierendes Bissregistrat x-Achse y-Achse z-Achse Stützstift zentr. Stützstift orient. 0 0 0 0,03 0,01 0 -2 +15 0 0 0 0,02 0 0,01 -2 +15 0 0 0 0 0,04 0 -1 +1 0 0 0 0 0,03 -0,02 -1 +1 0 0 0 -0,01 0,02 0,02 -1 +13 0 0 0 -0,01 0,03 0 -1 +13 0 0 0 0,13 0 -0,01 -1 0 0 0 0 0,15 -0,02 0,02 -1 0 0,039 0,014 0,003 Abb. 4, Tabelle- Messergebnisse (alle Angaben in mm) 28 7. Diskussion Die Ergebnisse in dieser Studie zeigen Abweichungen bei mindestens einer Raumachse an jedem Patienten. Die Unterschiede an der x- Achse zeigen bei einem Patienten Veränderungen, bei einem anderen Patienten keine Änderungen zwischen den untersuchten Bissregistrierungsmethoden. Die Abweichungen der Kondylenposition in sagittaler und vertikaler Richtung sind stärker, als die der transversalen Richtung. Folgende Probleme begleiteten diese Studie: Durch die Manipulation des Unterkiefers ist es Patienten oft nicht möglich den Kiefer „locker“ zu lassen und eine eindeutige Kondylenposition zu eruieren. Bei der zentrischen Bissregistrierung führt der behandelnde Arzt den Unterkiefer, dabei verspannen viele Patienten ihre Muskulatur. Hingegen bei der orientierenden Bissregistrierung schließt der Patient den Unterkiefer ohne Manipulation und verspannt dadurch weniger. Die Bissregistrierung mit dem zentrischen Bissregistrat an einem Patienten mit verspannter Muskulatur stellt den weniger geübten Behandler vor eine große Herausforderung. Als größtes Problem stellte sich in dieser Studie die reproduzierbare Position der individuellen Löffel, bzw. der Bissschablonen dar. Während der Herstellung von Totalprothesen werden die individuellen Löffel für die orientierende Bissnahme verwendet, anschließend die Funktionsabformung durchgeführt und Meistermodelle hergestellt, um an Hand dieser die Bissschablonen für das zentrische Bissregistrat zu präparieren. Die verschiedenen Schritte und Veränderungen mit ein und denselben Löffeln, bzw. Bissschablonen machten einen Vergleich während der Herstellung unmöglich. Durch die Beweglichkeit der Schablonen an den Meistermodellen und den nicht eindeutigen Sitz der Schablonen im Mund kam es zu Verfälschungen der Ergebnisse. 29 Im Rahmen einer Nachkontrolle wurde der schaukelfreie Sitz der Bissschablonen im Mund des Patienten und am Meistermodell überprüft. Mit diesen, einwandfrei passenden Schablonen führten wir die orientierende und zentrische Bissregistrierung durch. Auf diese Weise konnten mögliche Fehlerquellen in der Ausführung verringert werden. An Hand der Methode konnte ein direkter Vergleich zwischen den beiden untersuchten Registrierungsmaßnahmen durchgeführt werden. 7.1 Vergleich geführter und ungeführter Bissregistrierungsmethoden bei verschiedenen Studien In der Literatur wurde an Hand von klinischen Nachuntersuchungen die Reproduzierbarkeit zentrischer Bissregistrate von Utz et al. (1993) untersucht. Die Bissregistrierungen wurden mit Bite Compound® Registraten durchgeführt. Dieses Material eignet sich auf Grund seiner weichen Konsistenz sehr gut. Diese Studie hat ergeben, dass die Registrierung mit dem zentrischen Registrat für die Rehabilitation mit Totalprothesen ausreicht. Als Richtlinie für die erforderliche Präzision, die zur Einstellung des okklusalen Gleichgewichts notwendig ist, dient die interokklusale Tastensensibilität von Totalprothesenträgern. Diese liegt zwischen 0,2 mm und 0,4 mm (Utz u. Wegmann, 1986). Es konnte bei dieser Studie keine punktförmige reproduzierbare Unterkieferposition festgestellt werden. Sonntagbauer et al. (1982) verglichen das intraorale Stützstiftregistrat und das zentrische Bissregistrat, die mittels MPI vermessen wurden. Die Maximalwerte beim intraoralen Stützstiftregistrat an der x- und z-Achse betrugen zwischen 0,5 mm und 4,5 mm, an der y- Achse zw. 0,1 und 2,0 mm. Die Differenz bei der zentrischen Bissregistrierung lag zwischen 0,5 mm und 3,5 mm, die Werte der y- Achse zw. 0,1 und 1,7 mm. Die Messwerte ergaben keinen Unterschied in der Reproduzierbarkeit zwischen der zentrischen Bissregistrierung und dem Stützstiftregistrat. 30 Utz et al. (1991) haben die Reproduzierbarkeit des intraoralen Stützstiftregistrates mit einem Dentatus® - Artikulator mit elektronischen Messtastern an den Kondylarkugeln vermessen. Die Fehlerbreite dieser Ergebnisse ist relativ klein, die weder durch die verschiedenen Kieferkammformen, noch die nur mit freiem Auge beurteilte Verschieblichkeit der Prothesen auf dem Tegument beeinflusst werden. Es gibt ebenfalls keine punktförmige Reproduzierbarkeit der Kondylenposition. 7.2 Konklusion Ziel dieser Arbeit war es geführte und ungeführte Bissregistrierungsmethoden zu vergleichen. Die Lage der Kondylenposition in den drei Raumrichtungen wurde gemessen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen Unterschiede in der Kondylenposition zwischen den beiden Methoden. Neuromuskuläre Phänomene scheinen sowohl bei geführten als auch ungeführten Bissregistrierungsmethoden einen großen Einfluss auf die Ergebnisse zu nehmen. Auch die Erfahrung des behandelnden Arztes ist für die geführte Bissregistrierung ausschlaggebend. Um genaue Aussagen zu den untersuchten Bissregistrierungsmethoden treffen zu können, ist eine Nachfolgestudie mit einer größeren Probandenzahl empfehlenswert. 31 8. Literaturverzeichnis Fanghänel J., Pera F., Anderhuber F., Nitsch R. „Waldeyer Anatomie des Menschen“ 17.Auflage, Walter de Gruyter Verlag 2003 S. 203ff, 222ff. Grunert I. „Die Kiefergelenke des Zahnlosen – eine anatomische und klinische Untersuchung.“ Habilitationsschrift, Quintessenz Verlags GmbH, Berlin 1995 Gsellmann B. „Okklusionsebene und Vertikaldimension- eine Nachuntersuchung“ Stomatologie 2/1995 Mack H. „Der Mandibular - Positions- Indikator“ Dtsch. zahnärtzl. Z. 35, 611 (1980). Parmeijer J.H.N., D.M.D “Parodontale und okklusale Aspekte der Kronenund Brückenprothetik” bearbeitet und ins deutsche übersetzt von R. Bratschko und K. König, Univ. Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Graz, ADEVA, 1985 Piehslinger E. „Grundlagen der zahnärztlichen Prothetik”, Universimed Verlags- und Service GmbH, 2006, S.32ff- 300. Schweigreiter J. et al. „Die HKN bei Bezahnten und Totalprothesenträgern“ Supplement 6/1994 bzw.4/1995 Stomatologie Schwenzer N., Ehrenfeld M. „Zahnärztliche Chirurgie, Lehrbuch zur Ausund Weiterbildung.“ Georg Thieme Verlag 2000, Stuttgard, New York Slavicek R. „Das Kauorgan: Funktionen und Dysfunktionen“ Klosterneuburg: Gamma, Med.- Wiss. Fortbildungs- GmbH, 2000. 32 Slavicek R. u. Lugner P. „Der schädelbezügliche teiladjustierbare Artikulator” Öst. Z. Stom. 73, 122-142 (1976). Sonntagbauer H., Sassen H. „Reproduzierbarkeit zentrischer Registrate bei der Remontage totaler Prothesen" Dtsch. zahnärztl. Z. 37, 269-272 (1982). Utz K-H., Bernard N., Wegmann U., Huntebrinker W. „ Reproduzierbarkeit der Pfeilwinkelregistrierung bei der Remontage von Totalprothesen.“ Schweiz. Monatsschr. Zahnmed. 101:438-444 (1991) Utz K-H., Bernard N., Hültenschmidt R., Wegmann U., Kurbel R. „ Reproduzierbarkeit der Handbissnahme bei Totalprothesenträgern.“ Schweiz. Monatsschr. Zahnmed. 103: 561-566 (1993) Utz K-H., Wegmann U. „Die interokklusale Tastensensibilität bei Vollprothesenträgern.“ Dtsch. zahnärztl. Z. 41: 1174-1177 (1986) Wegscheider W.A. Aus der Übung für Totalprothetik von Univ. Prof. Dr. W.A. Wegscheider (11/2008) an der Abteilung für Zahnersatzkunde der Univ. Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde Graz. 33 9. Lebenslauf Name: Geburtsdatum/Ort: Eltern: Familienstand: Christina Teresa Beck 25. Juni 1972 in Graz Mutter: Pharmazeutin, Vater: Kinderarzt in Partnerschaft, 2 Kinder (Viktor 11, Wendelin 10) 1992 Matura Berufsausbildung: 1992-1993 Kinderkrankenpflegeschule, LKH Graz 1993-1996 Lehranstalt für Heilpädagogische Berufe, Graz Abschluss: Diplomierte Heilpädagogin 2001-2010 Diplomstudium Zahnmedizin Diplom für Akupunktur an der kontrollierte Akupunktur Graz Ausbildung 2011) Gesellschaft für (Abschluss der Berufliche Tätigkeiten: 1996-1998 Berlin Heilpädagogin in einem Wohnheim der Lebenshilfe für Erwachsene mit schwerer Mehrfachbehinderung 1992-2007 Schwimmlehrerin für mehrfach behinderte Kinder 1994-2005 Freie Mitarbeiterin des „kinderärztlichen mobilen Notdienstes“ in Graz 34 35