Das ,,zellulare Prinzip1` in der heutigen Biochemie1

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Netter: Das zellulare Prinzip in der heutigen Biochemie
Dtsch. med. Wschr., 83. Jg.
Au dem Physiologisch-Chemischen Institut der Universität Kiel (Direktor: Prof. Dr. H. Netter)
Das ,,zellulare Prinzip1' in der heutigen Biochemie1
Von Hans Netter
Nach der Auffassung von Jakob Burckhardt hat nur derjenige als Genius gewirkt, dessen Leistung die Umwelt
verwandeln und prägen konnte. Die Gestalter unseres naturwissenschaftlichen und speziell des biologischen Weltbildes
bleiben jedoch häufig für die große Offentlichkeit anonym,
und wenn schon ihre Namen bekannt werden, so wird und
kann doch selten das eigentlich Umwälzende ihrer Tat von
insofern ersetzbar zu sein scheinen, als die Erkenntnisse so
oder so ähnlich doch zu richtiger Zeit in jener überindividuellen Gemeinschaft aufgetaucht wären. Und dennoch kann
ihre Leistung nicht fortgedacht werden, und sie ist auch nicht
von dem Wirken der Persönlichkeit zu lösen, ja sie ist nach
Ablauf eines gemessenen Zeitabschnittes erst wirklich im
Rahmen unserer jetzigen weiter gegangenen Einsicht voll
ihr empfunden oder ihr bewußt werden. Ihr Name endet zu würdigen.
in der Ruhmeshalle des Nachschlagebuches" (GoldschmitZellularpathologie als Naturwissenschaft
Jentner). Wenn aber ihr Ruhm nicht auf den Lippen, gesteuert durch das Gedächtnis wissender Menschen weiterDas große Geschenk des vergangenen Jahrhunderts an die
lebt, so tut er es unausgesprochen durch die Kraft ihrer Biologie war die Erkenntnis von der grundsätzlichen vitalen
Werke und ausgedrückt durch das Leben, das sie in jene Bedeutung der Zelle. Virchows Zellularpathologie erschloß
Form gebracht haben, in der wir es durchschreiten. Ihr sie für die Medizin, und zwar mit rein naturwissenschaftGenius hat an dem Intellekt einer kongenialen kontinuier- licher Methode, wobei er, wie er sagt, ohne Mystik sich
lich wirkenden menschlichen Schöpfergemeinschaft teil, die bemüht, die Vorgänge des Lebens innerhaTh der letzten
den sich entwickelnden und vorwärtsströmenden Geist zur Formelemente zu deuten. Damit wurde nicht nur die ZelluHöhe trägt. So gesehen mutet es willkürlich an, einzelne larpathologie geschaffen und als solidare den humoralen
erklommene Steilhänge dieses Weges zu kennzeichnen, pathologischen Theorien gegenübergestellt. Vielmehr wurde
schon weil die einzelnen Glieder in der Kette der Genien durch Virchows Tat auch eine Rückwirkung eingeleitet,
welche umgekehrt den Sieg des zellularen Prinzips - aus
1 Vorgetragen in der Sitzung der Berliner medizinischen Gesellder Pathologie und der theoretischen Medizin zurü&strahschaft Hundert Jahre Zellularpathologie".
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Netter: Das ,,zellulare Prinzip" in der heutigen Biochemie
lend - für das Gesamtgebiet der Biologie festigte. Die Pathologie aber selbst wurde so zu einer biologischen Wissenschaft. Diese selbst kannte lange Zeit nur das Hilfsmittel mor-
phologischer Forschung doch betonten die Biologen schon
früh, und auch Virchow äußerte sich in diesem Sinne, daß
Physik und Chemie in gleicher Weise wie die Morphologie
zur Analyse der Lebensvorgänge erforderlich seien.
Aber zu Virchows Zeit waren diese Fächer noch nicht so
weit entwickelt, daß der Biologe schon ein richtiges Verhältnis zu ihnen hätte gewinnen können. Niemand hätte z. B.
damals die Tatsache verstehen können, daß die mikroskopisch erfaßbaren Strukturen unseres Leibes einem dauernden stofflichen Wechsel unterliegen und daß vor allem die
gelösten Stoffe innerhalb der Zellen sich wandeln. Der Begriff des dynamischen Zustandes der Körperbausteine ist
erst vor wenig mehr als einem Jahrzehnt in scharfer Form
geprägt worden (Schönheimer) und die von Du Bois Reygewählte Bezeichnungsweise eines dynamischen
Gieichgewiichtes konnte ebenfalls erst vor kurzem als Fließgleichgewicht exakte mathematische Formulierungen erfahren (y. Bertalanffy).
mond
Energetische Bedeutung des Zellstoffwechsels
Die Frage nach der Bedeutung des ruhelosen Stofflusses
konnte nicht gelöst werden, ehe man einsah, daß nur durch
ihn die Energie zum Betrieb der Zelimechanismen im Zustande des Leerlaufs und der Leistung bereitgestellt wird.
Dazu mußten es nämlich erst die Chemiker und die Biolologen gelernt haben, mit dem physikalischen Begriff der
Energie umzugehen. Insbesondere aber mußte man etwas
über di.e Größe der Energiebeträge wissen, welche durch
die chemischen Reaktionen erschlossen werden. Heute
weiß man, daß diese Energie zweierlei Aufgaben erfüllt,
nämlich sie hält 1. die Mechanismen aller Lebewesen in
einem arbeitsfähigen Zustand oder stellt ihn nach Abgabe
der Arbeit, d. h. nach der Arbeitsleistung, wieder her. Wir
symbolisieren diesen Vorgang durch ein Pendel, welches
aus der Elongation unter Leistung von Arbeit die Ruhelage,
d. h. die stabile Gleichgewichtslage anstrebt. Es wird durch
Entfernung von dieser Lage mit einem entsprechenden zusätzlichen Aufwand von Energie auch wieder in den Zustand
der Arbeitsbereitschaft versetzt, welcher im steady state,
d. h. in dem dynamischen Gleichgewicht der Ruhe, vorliegt.
Nahe verwandt mit dieser allgemein gekennzeichneten
Funktion ist 2. jene, welche darin besteht, die Struktur der
Zelle zu erhalten. Dem Arbeits- und dem Arbeitsbereitschaftsumsatz ist der Strukturerhaltungsumsatz gegenüberzustellen (Opitz). Denn die Anordnung und Verteilung der
Molekeln in der Zelle kann nur unter Aufwendung von
Energie beibehalten werden. Jene ist biologisch gewachsen.
Physikalisch betrachtet ist sie äußerst unwahrscheinlich. Sie
entspricht keiner einfachen Stoffmischung, sondern die Mole-
kein bestimmter Stoffarten sind an verschiedenen Orten
konzentrierter angeordnet als an anderen. Außerdem befinden sich auch die komplizierteren Molekeln selber, speziell die der Eiweiße, in einem gezwungenen d. h. ebenfalls
unwahrscheinlichen Zustand. Ihrer spontanen Veränderung
oder Abnutzung - einer Proteindenaturierung verwandt folgt die Neubildung anderer.
Daß alle diese Vorgänge sich im Bereich der Zelle abspielen, wurde von Virchow gesehen, und diese Erkenntnis
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ist von ihm wirksam verbreitet und unterbaut worden. Daß
aber die Energie nur der chemischen Spannkraft der Nahrungsstoffe entstammt, wurde bald nach ihm erkannt. Doch
erst heute lassen sich die Wege und Mittel, die ihren Umsatz ermöglichen und lenken, im Zusammenhang schildern.
Unsere modernen Erkenntnisse beweisen die Richtigkeit des
zellularen Prinzips, denn sie sind nur auf seiner Grundlage
zu verstehen.
Daß der Stoffwechsel in den Organen, und nicht im Blut,
erfolgt, ist eine Erkenntnis, deren Sicherung man dem Physiologen Pflüger verdankt. Der gleichartige Aufbau der Zellen, welche in der Gewebekultur lebensfähig sind, legt die
Einheitlichkeit auch der Stoffwechselvorgänge für die einzelnen Zellen nahe.
Gemeinsame Endstrecke biochemisch?r Reaktionswege
Die Wege, welche die Stoffe bei ihrer Verwandlung durchlaufen, sind nach den Untersuchungen von Meyerhof, War-
burg, Thunberg, Krebs, Martius und Lynen nunmehr im
Grundzug geklärt; sie überraschen den Kundigen durch ihre
grundsätzliche Einfachheit. Obwohl die feinere Analyse eine
noch wachsende Zahl von Zwischenstufen kennen lehrt und
obwohl mehrere in ihrer Bedeutung noch nicht voll abgesteckte Nebenwege möglich sind, ergeben sich wenige
Hauptreaktionszüge. Sie umfassen insgesamt einige hundert Teilreaktionen, soweit es den Abbau und den Umbau
der drei Gruppen organischer Bau- und Betriebsstoffe betrifft. Diese selber umgreifen mit den gut zwanzig Aminosäuren, der Glukose, Fruktose, Galaktose, den Fettsäuren
und dem Glycerin etwa dreißig Stoffe, welche direkt abge-
baut werden. Dabei hat es sich ergeben, daß alle diese
Körper unter eroben Verhältnissen nur ein einziges Produkt liefern, welches in die oxydative Endreaktion einbezogen wird: die aktive Essigsäure oder das Acetyl-Coenzym A. Es ist der Knotenpunkt des Stoffwechsels (K). Von
ihm aus führt nach
dem Prinzip der gemeinsamenEndstrecke
nur ein Weg zu den
der
Endprodukten
Oxydation, d. h. zu
CO2 und H20. Ersteres wird im Zitronensäurezyklus (Z) aus
Carboxylgruppen geeigneter Zykluspartner (OxalbernsteinKetoglutarsäure,
säure) gebildet, nach-
1f)
dem schon aus Kohlenhydrat und aus
Aminosäuren zuvor
entfernt
ein CO2
wurde, beim Kohlen-
hydrat durch oxydative
íï 67y4oIyce; I Ki7o/cflfium/;
Z ZyÁ-/u;
B Bre,rns/of/
4 A/mungcke/Ie
KIi' 4 gemc/'i,came [nd,th'eçkc
Abb. 1
Decarboxylie-
rung der Brenztraubensäure (BTS). Der Zyklus kann aber
nur aufrechterhalten werden, wenn der in ihm ebenfalls
aktivierte Wasserstoff als Brennstoff (B) in der sog. Atmungskette auf 02 übertragen wird, wobei das Endprodukt
Wasser entsteht. Aber nicht aller Wassefstoff entstammt
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Nr. lO, 7, März 1958
Netter: Das ,,zelluiare Prinzip in der heutigen Biochemiu
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Dtsch. med. Wschr., 83. Jg
dem Zyklus, sondern sowohl die oxydative Decarboxylierung der Brenztraubensäure wie die Dehydrierung der Fettund der Aminosäuren liefern solchen Wasserstoff, welcher
der Atmungskette ebenfalls, aber jetzt unter Umgehung des
Nach den besonders von Lipmann präzisierten neueren
Einsichten dient der Energiestoffwechsel primär der Erzeugung energiereicher Nukleosidtriphosphate vom Typ des
ATP, in erster Linie des ATP selber. Grundsätzlich können
Zitronensäurezyklus, übergeben wird (Abb. 1 und 2).
nun nur solche Schritte ATP bilden, deren freie Energie
mindestens gleich oder größer als die der Phosphatbindung
mit den genannten 10 Kcal ist. Die Unterteilung des abbauenden Stoffwechsels in viele Einzeischritte wird in diesem Zusammenhang sinnvoll. Sie wird besonders an den
Stellen mit großem Energieumsatz in Erscheinung treten,
nämlich bei der Endoxydation und auch schon bei der
Gärung. Da bei ersterer vom Energieniveau des an DPN
Einheitlichkeit energieübertragender Verbindungen
Nicht alle, jedoch weitaus die meisten der zugrundeliegenden Einzeischritte des Abbaues vollziehen sich freiwillig,
d. h. ihr Ablauf gibt Energie frei. Summarisch betrachtet tut
es aber jeder Reaktionszug, speziell die
Gärung und die At- gebundenen Wasserstoffs bis zum Sauerstoff ca. 50 Kcal pro
"<1ac/
ru.'
L --
'Is,'
f/a,
¡' ,
,"I
,
in verwertbarer Form
für die Leistungen der
'
I,
\ 'Ox4c. tTh
\
mung. Doch steht nicht
die gesamte Energie,
welchehierbeifreiwird,
Harns/oft
4J
-
Ac oA
"
Zelle zur Verfügung.
Es hat sich vielmehr
Kdo
J
p
gezeigt, daß der Zellstoffwechsel - soweit
er der Lieferung ver-
p.
V(
wertbarer
ATP
(4a)
41,
O A/nzfepm.(f--//O
Abb. 2
chemischer
könnte sie vier Phosphatbindungen
liefern. Tatsächlich sind es aber maximal, d. h. unter
Mol frei werden,
optimalen Bedingungen, nur drei, deren Bildung den Stufen
beim Ubergang zum Flavin, zum Cytochrom und zum Atmungsferment entspricht (Abb. 2). Der PlO-Quotient hätte
dann den Wert 3. Das bedeutet eine Energieausnutzung von
30/50, d. h. 600/o, für die Bildung des wahren und unmittelbaren Betriebsstoffes aus den Energievorräten der Zelle.
Etwas ungünstiger steht es mit der Ausnutzung der Ener-
gie bei der Gärung. Bei der Bildung von Milchsäure aus
Energie dient - darauf
Zucker werden nur 2 Mole ATP pro Mol vergorener Glukose
geschaffen, also 20 Kcal in der Phosphatbindung gefangen,
abgestellt ist, sie in
einer einheitlichenForm
den energieverzehrenden Mechanismen der
während ca. 50 Kalorien bei der Gärung frei werden. Das
bedeutet einen Energiegewinn von 400/o. Da der Betrieb
durch die ATP-Energie aufrechterhalten wird, scheint es
zunächst von der energetischen Seite aus betrachtet einerlei,
Zellen zu übergeben. Dabei wird sie durch Spaltung aus aus welchem Vorgang sie entnommen wird. Es muß aber
einer energiereichen Phosphatverbindung, nämlich letzten beachtet werden, daß die Dehydrierung der Nahrungsstoffe
Endes der Pyrophosphorsäure bzw. eines Phosphorsäure- sehr viel Wasserstoff frei macht und der Atmungskette überanhydrides, in immer gleichmäßigen Energiebeträgen des gibt, so daß pro Mol Glukose z. B. ca. 38 Phosphatbindungen
relativ kleinen Wertes von ca. 10 Kcal pro Mol gespaltener bei der Oxydation im Vergleich zu den beiden bei der
Bindung übertragbär. Das Prinzip der gemeinsamen End- Gärung gewonnen werden. Die Oxydation der Fettsäuren
strecke gilt also auch für die Energieanlieferung. Denn es geschieht etwa mit einem Nutzeffekt von 65°/o für die Phosist jener Bindung nicht anzusehen, ob sie mit Hilfe der phatbindung. Aus der Energie einer Pahmitinsäure können
Energie des Abbaus der Fette, der Eiweiße, der Kohlen- 138 Phosphatbindungen gebildet werden. Das sind, um ihre
hydrate erzeugt wurde und auf welcher Stufe dieses Ab- Zahl mit der bei der Glukoseoxydation vergleichen zu könlaufes es geschah. Die Herstellung dieser Bindung, welche im nen, bezogen auf 6 Kohlenstoffatome ca. 52 Phosphatbinwesentlichen in der Adenosintriphosphorsäure (ATP) vor- dungen.
liegt, geschieht durch energiebindende Anlagerung von anorganischem Phosphat an die Adenosindiphosphorsäure
(ADP). Doch wird das anorganische Phosphat dabei stets
H
c-o-Pc
H-/
COQ-
OII
3
/ N-Pc»
¿-o-Por CNH
NC!-!?
DPGS
Ph-co,bQ'säure-
anlydrid
PEP
Ph-Enoipyruvat
O
II
-P-O--P-OI
t
O
O-
CI-!2 C00
Kre afin -
oat
Pyrop'Iasriafres(
Energiereiche Phosphate
Kapazität und Steuerbarkeit der Reaktionswege
Jede Zelle ist in der Lage, den energieliefernden Abbau
in ihrem Bereich selbständig durchzuführen. Die Nahrungsstoffe könnten theoretisch spontan unter Abgabe geringer
Energiebeträge in die monomeren Grundkörper, die Aminosäuren, Monosaccharide und Fettsäuren zerfallen. Doch vollzieht sich dieser Vorgang unendlich langsam. Die polyme-
ren Stoffe sind extra corpus kinetisch stabil. In der Zelle
jedoch stoßen sie auf katalytisch gebahnte Abbaustraßen
und werden so in den Strom des auf ihnen ablaufenden
stofflichen Verkehrs einbezogen. Je nach ihrer stofflichen
Natur werden die monomeren Produkte den einzelnen, im
Abb. 3
vorangehenden kurz skizzierten Stoffwechselbahnen zugeordnet. Diese Einordnung bestimmt sich von selbst durch
zunächst in eine ebenfalls energiereiche organische Bindung
(Carbonsäurephosphorsäureanhydrid, Enoiphosphat, Guanidinphosphat) überführt. Erst von einer derartigen Stufe aus
erfolgt die Ubertragung auf das ADP durch die entsprechenden Phosphohinasen.
die Spezifität der Fermente. ist der katalytische Apparat,
d. h. das Fermentsystem der Zelle, vollständig, dann werden die sonst kinetisch stabilen Nahrungsstoffe ihrem thermodynamischen Zwange folgend die Gleichgewichtskonzentration der Endprodukte anstreben; ohne ihnen auch
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4/P
Netter: Das ,,zellulare Prinzip" in der heutigen Biochemie
nur andeutungsweise praktisch je näher kommen zu können
Man würde riesenhafte, physikalisch niemals zu realisierende Konzentrationen, z. B. von Kohlensäure und Wasser,
benötigen, um allein durch Massenwirkung aus beiden
Substanzen auch nur Spuren von Kohienhydrat aufzubauen.
Umgekehrt wird immer dann, wenn die Konzentration der
Endprodukte niedrig gehalten wird, z. B. durch Abführung
für ihre Niedrighaltung gesorgt wird, der Stoffstrom in jener
Richtung verlaufen müssen, welche zu den Endprodukten
führt. Hierin liegt die eigentliche chemische Triebkraft der
Zellen begründet, welche sich immer dann auswirken muß,
wenn das katalytische Milieu in Ordnung ist. Sie ermöglicht das Leben der Zelle solange, wie die Geleise der Fermentlinien die Bewegung der Stoffe auf ihren Endpunkt zu
gestatten. Wenn sie nicht auf Nebengeleisen umgangen
werden kann, ist der Ausfall oder die Einschränkung auch
nur einer Stufe in der Linie zum Endprodukt mit der Unterbrechung oder Reduzierung des Stoffumsatzes verknüpft.
Die Wirkung selektiver Vergiftungen oder die Umschaltung
des aeroben auf den anaeroben Stoffwechsel, der sog. Pasteur-Effekt, belegen diese Gesetzmäßigkeit.
Die Kapazität der Fermentapparate gestattet im allgemeinen die Katalyse mehrfach größerer Stoffmengen, ais sie
während des Ruhestoffwechsels über die einzelnen Wege
umgesetzt werden. Die Fermente werden also gewöhnlich
keineswegs voll ausgenutzt. So erklärt es sich, daß zugefügte Stoffwechselzwi;schenprodukte 4m allgemeinen schnell
verschwinden, indem sie auf der Rollbahn des Stoffwechsels
der Endoxydation zugetragen werden. Im Gegensatz zur
Krebszelle, welche noch über eine wenig eingeschränkte
Atthungsgröße verfügen mag, kann eine gesunde Körperzelle im allgemeinen die Atniungsgröße um ein vielfaches
der Norm steigern. Die Atmungsfermente liegen aber in der
Ruhe nicht etwa in einem z. T. inaktivierten Zustand vor.
Im Gegenteil, das Strombett für die Elektronen, welche dem
Sauerstoff zueilen, besitzt immer die gleiche Kapazität. Dann
aber kann der geschwindigkeitsbestimmende, und damit der
steuerbare oder pharmakologisch leicht beeinflußbare Schritt
auch nicht an dieser Stelle gelegen sein.
Seibstregulierung des Zellstoffwechsels
Wie die aus einer umgestülpten Flasche ausfließende Flüs-
sigkeitsmenge in der Zeiteinheit um so kleiner wird, je
enger der Flaschenhals ist (,,bottleneck"), so wird auch der
Energiestrom durch die Zelle von den Bedingungen für die
Geschwindigkeit einzelner Reaktionen im Stoffwechsel bestimmt. Es handelt sich dabei oft um solche Schritte, deren
Ablauf außer von dem Ferment auch von der Menge von Zusatz- und von Hilfsstoffen abhängt, welche selber an andere-n
Stellen im Metabolismus entstehen oder verschwinden. Die
den Geleisen entsprechenden Fermentlinien sind ungestört,
aber der Durchgangsverkehr bat auf Anschlußzüge, auf Pen-
delverkehr, auf die Zeit zur Anfüllung der Wagen Rücksicht zu nehmen Dieser Vergleich vermag schon die ersten
Schritte im Kohlenhydratwechsel der Zelle zu erläutern.
Die Insulinwirkung reguliert die Geschwindigkeit, mit der
Insulin steigert
die Zelle sich mit Kohienhydrat anfüllt
sie -, und die Hexokinasereaktion dient -dem Pendelverkehr (Abb: 4). Denn durch die Energie einer ATP-Bindung
wird dabei unter gleichzeitiger Ubernahme von Phosphat
der Robison-Ester gebildet, welcher den Verkehr zwischen
367
der Abbaukette des Glykogens und der freien Glukose des
Blutes vollzieht und di-ese bei direkter Verwertung unmittelbar z. B. der Glykolyse zuführt. Wenn der Abbau aber gering
im Vergleich zum Glukoseangebot oder ihrem Eintritt in die
Zelle ist, dann wiird vom Robison-Ester ausgehend über den
Cori-Ester das Glykogen unter Abgabe von anorganischem
Membran
Glykogen
Pç-Energie
\/
ATPTÀDP
Blut
Jnsulin.
¡nase
Glukose-6-Ph (Robison-Ester)
Glukose
5:;
G (ukase
Ph
Gäpjri
Oxyriatickr,
Guse-6-foaf als Verzweigungsstel(e für Einschlejsun g,
Aufbau und Abbau der Glukose
Abb. 4
Phosphat aufgebaut. Glukose-6-Phosphat ist also ein Knotenpunkt der Glukoseverarbeitung, an dem sich die Wege
der Zuführung und der Abführung der Glukose (über Glukose-6-Phosphatase) mit denen ihres Abbaues und Aufbaues
zu Glykogen treffen.
Wodurch aber bestimmt sich die Größe des glykolytischen
Abbaus selbst? Für ihn ist die Reaktion der Wasserstoffabgabe aus einem phosphorylierten 1-laibzucker entscheidend. Es ist jener Wasserstoff, der bei Gärung die Reduktion
der Metabolite zum Alkohol oder zur Milchsäure bewirkt
oder der in der Aerobiose wie der aus dem Abbau der Essigsäure kommende dem Sauerstoff zuströmt. Jene Dehydrierung
des Halbzuckers vollzieht sich nur in Gegenwart von freiem
Phosphat, und ihre Geschwindigkeit ist von dessen Konzentration abhängig (Abb. 5). Damit wird der zellulare PhosGlycern aldehyd-Ph +DPN+Pi
(GAP)
OiphosphoglycerinsäuresOPNH2
(DPGS)
OPGS+ADP,4TP+PGS
*
(3.fosçJJoglyceriristiure)
Phosphogicerafkina
Regulation der Dehydrierung von TriosephospjgL
durch freies Phosp/gf (P4)
Abb. 5
phatspiegei, zu einem Regler für den glykolytischen Stoffdurchsatz. Bei jener dehydrierenden Reaktion selbst aber
wird das Phosphat an das dehydrierte Substrat, die Phosphoglycerinsäure, als Säureanhydrid gebunden und weiterhin von hier aus -als energiereiches Phosphat auf ADP unter
Bildung von ATP übertragen. Es wird also wieder in dieser
Substanz gebunden.
Die Frage nach der Geschwindigkeit der Glykolyse ist
nunmehr leicht zu beantworten, wenn man berücksichtigt, daß jegliche Leistung der Zelle nach unseren
heutigen Vorstellungen durch die Spaltung des ATP ge-
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Nr. 10, 7. März 1958
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speist wird. Dann wird die Höhe des ständigen zellularen
Energieverbrauches zu einer entsprechenden Aufspaltungs-
stehen, welche in der Höhe des TPNH2/TPN-Quotienten
geschwindigkeit von ATP und damit zur Bildung einer äquivalenten Menge am anorganischen Phosphat und ADP füh-
genug, dann wird trotz eines übernormalen Anfalles an
ren. Ersteres ermöglicht die Dehydrogenasereaktion, die
zweite Substanz fängt das durch sie aktivierte Phosphat als
ATP auf. Die Menge der in der Zeiteinheit in diesem Kreislauf umlaufenden Phosphate wird dadurch zum Regulator
der Gärung (Lynen). Das Gleiche gilt im Grundzug auch für
die Atmung der Zelle. Auch hier ist die Spaltungsgröße des
ATP der primäre Vorgang, dessen Umfang über die Heranlieferung von Phosphatbindungsenergie entscheidet. Da der
von dem Substrat kommende Wasserstoff zum Sauerstoff
und nicht auf die Gärungsprodukte getragen wirdF entstehen
letztere nicht oder nur in sehr geringem Umfange. Weil aber
die Bildung von ATP pro veratmete Molekel Glukose
l9fach größer ais bei ihrer Vergärung ist, wäre ebenfalls
ihren Ausdruck findet und mit ihm wächst. ist er nicht hoch
Ac-CoA, wie er bei herabgesetzter Umlaufgröße des Zitratzyklus statt hat, dieses liegen bleiben, bzw. nur zum Ac-AcCoA bzw. zur Acetessigsäure, also zur Muttersubstanz der
Ketonkörper, aufgebaut werden. Die Steuerung der synthetischen Leistung in der Zelle hängt demnach von mehreren
Größen ab, die ihrerseits z. T. wiederum nur ein summaFettsäuren
Kohienhydrat
CO2B TS+ TPNH2
L
Ac-CoA +
OxaIessigs-.Zitronens.
CO2H4O
ein 19fach geringerer Glukoseumsatz bei der Atmung als
bei der Gärung zu erwarten, wenn nur die Lieferung einer
TPNH2
TPN
gleichen Menge von ATP pro Zeiteinheit entscheidend wäre.
Das ist im allgemeinen nicht der Fall. Der Umsatz Ist bei
der Aerobiose nämlich meistens größer, im Durchschnitt
rund zweifach, als dieser Forderung entspricht.
Der Mehrumsatz an Phosphatbindungsenergie in der
Aerobiose kann grundsätzlich auf zweierlei Art verstanden
werden: 1. Der Energieverbrauch zur Strukturerhaltung und
Bestreitung des Leerlaufs ist größer als in der Anaerobiose.
2. Die oxydativ frei gemachte Energie ist weniger gut ausnutzbar.
Tatsächlich muß entsprechend der ersten Möglichkeit da-
Fett und Acetonkärper- Bildung....
Bei emiedrigter K. H.-Verwertuog oder niedrigem TPN
Qtsotienten findet e,neBiockierijnp an den p'.t*tierfen
Linien und ein bevcrzugter Ablaif ¡n derichtung der
punktierten FYelle statt.
Abb. 6
rischer Ausdruck für die Intensität des Ablaufs bestimmter
Typen von Reaktionen, insbesondere solcher der Wasserstoffübertragung, sind (Abb. 6).
Nun ist der Energieverbrauch für die Synthesevorgäiige
mit gerechnet werden, daß bei Aerobiose einige Leistungen relativ gering. Wenn man von ihnen absieht und auch keine
vollbracht werden, welche in Abwesenheit von Sauerstoff anderen zusätzlichen Leistungen der ruhenden Zelle annicht ablaufen können. Es handelt sich vornehmlich um die nimmt, dann muß der erhöhte Umsatz in der Aerobiose
Vorgänge der Strukturerhaltung durch Bau- und Betriebs- gegenüber der Anaerobiose zur Hauptsache entsprechend
stoffsynthese. Sie benötigt nicht nur einen zusätzlichen Be- der unter 2. genannten Möglichkeit auf schlechterer Energiedarf an Energie, d. h. an ATP, sondern sie gebraucht auch ausnutzung unter Sauerstoff beruhen. Sie kann sich bei der
bestimmte Grundstoffe, welche nur durch aerobe Prozesse Bildung oder bei der Verwendung von Phosphatbindungsgebildet werden. Zu ihnen gehören in erster Linie die energie äußern. Wenn zuvor davon gesprochen wurde, daß
Ketoglutarsäure und die Oxalessigsäure, mit deren Hilfe bei dem Durchschreiten der Atmungskette von DPNH2 bis
primär nicht essentielle Aminosäuren und über these auch zum °2 pro gebildete H20-Molekel drei Phosphatbindungen
andere aufgebaut werden. Besonders wichtig ist in diesem aufgerichtet werden, dann gilt dieser Befund zunächst nur
Zusammenhang die Brenztrauhensäure, welche allerdings unter den für die Untersuchung dieser Frage optimalen Beauch anaerob entsteht. Aus ihr wird aber aerob die aktive dingungen des Arbeitens mit isolierten Mitochondrien. Man
Essigsäure. Von dieser aus werden die Sterine, Fettsäuren hat Anhaltspunkte dafür, daß die Ausbeute der oxydativen
und der Blutfarbstoff, um die wichtigsten Stoffe zu nennen, Phosphorylierung in der intakten Zelle geringer ist. Für die
synthetisiert. Für derartige Synthesen, spez. für die der Hefe beträgt sie praktisch nur 2/3 dijeses Wertes. Das bedeuFette, ist zur Hydrierung Wasserstoff in geeigneter Form tet, daß nur 2/* der Oxydationsenergie als Phosphatbinerforderlich. Er wird dabei vornehmlich aus dem hydrierten dungsenergie erscheint, 3/5 gehen als Wärme verloren. DieTriphosphopyridinnukleotid (TPNH2) entnommen, Wie als ser Prozentsatz läßt sich durch ,,Kupplungsregler", wie z. B.
Maßstab für die Güte der Veratmung anfallenden Substrat- durch Thyroxin, verändern (Martius).
wasserstoffes der Quotient DPNHz/DPN angesehen werden
Nach Lynen findet man bei einem überschüssigen Glukose-
kann, muß der Quotient TPNH2/TPN als Pegel für die
angebot eine sehr viel schlechtere Okonomie der oxydativen Phosphatbindung (Pto = 1) als bei an Nährstoff verarmter Hefe (PlO - 2,3). Im ersteren Fall wird reichlich
für das Baumaterial gibt die relative Konzentration von Substrat zur Stoffsynthese verfügbar', im zweiten erfolgt
Acetyl-CoA Auskunft, d. h. der Quotient Ac-CoA/CoA. Je keine Baustofflieferung, aber die zur Erhaltung der statioHydriertendenz bei Synthesen betrachtet werden.
tJber die Intensität der Anlieferung von Kohlenstoffketten
mehr Ac-CoA anfällt. d.h. je mehr BTS entsteht und dehydrierend decarboxyliert wird, um so mehr Baumaterial steht zur
nären Zellzustände notwendige Energie kann durch wesentlich bessere Ausnutzung der spärlichen Energiequellen
Verfügung. Damit es aber zu diesem Zweck ausgenutzt - nunmeihr weitgehend auch zelleigene Aminosäuren wird, muß auch die entsprechende Hydrierungstendenz be- noch bereitgestellt werden. Der Mechanismus dieser sinn-
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Netter: Das zellulare Prinzip' in der heutigen Biochemie
vollen Umstellung des Quotienten der oxydativen Phosphorylierung ist noch nicht bekannt.
Chemische Arbeitsteilung im Bereich der Zelistruktur
Auch die Verwendbarkeit der Phosphatbindungsenergie,
speziell der des ATP, kann in der Oxybiose herabgesetzt sein.
Da es sich dabei aber immer um ein und dieselbe Substanz
handelt, bleibt dann nur die Möglichkeit, daß sie verschieden gut gebunden, bzw. verschieden auf einzelne Zellorte
verteilt ist. Tatsächlich entsteht das ATP bei der oxydativen
Phosphorylierung in den Mitochondrien, welche sowohl als
Ort des 'Ablaufs der Atmungskette als auch des Zitronensäurezyklus anzusehen sind. Demgegenüber vollzieht sich
die Gärung im Zyptoplasma mit Hilfe der dort gelösten Fermente. Das hierbei gebildete ATP steht also dem Zeliraum
unmittelbar zur Verfügung. Das trifft jedoch nicht für das
ATP der Mitochondrien zu. Es verlagert sich bei der
Aerobiose nicht nur mengenmäßig das Schwergewicht der
Vorgänge vom Plasma auf den Mitochondrienraum. Das gebildete ATP verläßt die Mitochondrien schwer, es kann aber
in ihm mit jenen Stoffen reagieren, welche ihn erreichen
können. Offenbar trifft das aber für Glukose nicht zu. Daher
ist das mitochondriale ATP nur in geringem Ausmaß zur
Phosphorylierung der Zucker zu verwenden, welche ihrerseits ihren Abbau einleitet. Damit wird verständlich, warum
bei der Umschaltung von Atmung auf Gärung nicht ein
derartig hoher Gärungsumsatz gefunden wird, wie er
der ursprünglichen Atmungsgröße energetisch entsprechen
würde.
Diese Vorstellung kann aber nur das Verhalten während
der Umschaltperiode erklären. Da jedoch der Effekt auch
im stationären Zustand besteht, muß gefolgert werden, daß
der Uebergang der ATP-Energie von den Mitochondrien auf
das Zeliplasma nicht ohne Energieverlust erfolgt. Welcher
Art die dann notwendigerweise hier zwischengeschalteten
Vorgänge sind, ist z. Z. nicht zu übersehen. Es ist jedoch
damit zu rechnen, daß sie mit der Aufspaltung eines Teiles
der energiereidhen Phosphatverbindungen einhergehen.
Diese tJberlegungen beleuchten das Problem der Bedeutung intrazellularer Strukturen für den Ablauf biochemischer Reaktionen. Beispiele hierzu lassen sich beliebig vermehren. Sie basieren alle auf dem Studium der enzymati-
tische
369
Material, welches im Muster seiner Desoxyribo-
nukleinsäuren niedergelegt ist. Es wirkt sich zunächst
immer in biochemisch erfaßbaren Leistungen aus.
Aktiver Transport und zellulares Prinzip
Neben den enzymatischen Fähigkeiten und den Konzentrationen der katalytischen Hilfsstoffe wird die chemische
Funktions'einheit der Zelle durch die Durchlässigkeitseigenschaften und Trennfähigkeiten der Membranen bestimmt,
welche den Kern, die Mitochondrien und die gesamte Zelle
umkleiden. Ihre Selektivität entscheidet über die chemischen
Vorgänge, welche sich beiderseits solcher Membranen abspielen können, wie es soeben am Beispiel der Mitochondrienmembran gezeigt wurde und wie es sich möglicherweise auch auf die durch das endoplasmatische Retikulum
gebildeten Zelikammern ausdehnen läßt. Ihre Selektionsfähigkeit wacht somit über der stofflichen Zusammensetzung
des Milieus, welches die Membran abtrennt. Das gleiche
trifft für die äußere Zellmembran zu. Sie umgrenzt den
Hoheitsbereich jener biologischen Funktionseinheit. Uber
ihre Funktionen schrieb Virchow, daß die Membranen der
Tier- und Pflanzenzellen die gleichen Aufgaben besäßen.
Erst wenn man an diesem Standpunkt festhält, gewinnt
man das einfache, gleichartige, scheinbar monotone Gebilde,
welches sich mit vollständiger Konstanz in allen lebenden
Organismen wiederholt. Diese Konstanz ist das beste Kriterium dafür, daß wir in ihm das wirklich Elementare vor
uns haben, dasjenige Gebilde, welches alles Lebendige
charakterisiert, ohne dessen Präexistenz keine lebenden
Formen entstehen" - usw.
Für uns Ist heute die dünne Membran, welche nur aus
wenigen Moleküllagen deckender Filme besteht, nicht nur
ein passives Filter mit auswählender Durchlässigkeit. Sie
ist dazu ein Gebilde, an dem sich aktive Vorgänge auswirken, welche einen Transport von Stoffen bewerkstelligen.
So regeln sie den Import von Zucker und fördern Aminosäuren aktiv gegen das Gefälle der Konzentrationen in das
Zellinnere hinein. Die Vornahme von Konzentrierungen ist
die Grundlage jeder sekretorischen Tätigkeit und sie ist
weniger grob aufgeteilte Zellfraktionen besitzen. Ganz all-
eine Grundeigenschaft der Zeilmembran. Um sie vollziehen
zu können, muß ein energieverzehrender Transportmechanismus vorliegen, für dessen Betätigung der Ausdruck
aktiver Transport" in Gebrauch gekommen ist. Dieser
gemein besteht eine Arbeitsteilung zwischen den Strukturen. So bezieht der Kern das ATP, d. h. die Energie für
Wege über das Hineinsthaffen der Materie und Energie nach-
schen Potenzen, welche charakteristische und mehr oder
seine chemischen Leistungen, aus dem Plasma der Zelle. Er
selber vollzieht mit ihrer Hilfe die Bildung hochspezifischer
Fermente, welche an das Plasma abgegeben werden und
hier wirken. Oder sie veranlassen an den im Plasma vorhandenen Mikrosomen die Bildung weiterer Eiweißmolekeln, deren spezifischen Aufbau sie dabei kontrollieren. Er
erfolgt hier mit Hilfe der Nukleinsäuren in wahrscheinlich
ähnlicher Weise, wie sich die Abformung des spezifischen
Transport erhält die Struktur der Zellé nicht nur auf dem
liefernden Bau- und Betriebsstoffe. Nur er allein hält cUe
Struktur in noch mehr direkter Weise dadurch aufrecht, daß
er den Wasser- und Salzgehalt aller Zellen kontrolliert.
Der Grundmechanismus besteht nach unseren heutigen
Kenntnissen darin, daß die Zellmembran das Innere prak-
tisch frei von Na-Ionen hält. Sie würden ohne die Na-
Pumpe" ständig eindringen. Nur ein aktiver energieverzehrender Vorgang entfernt sie und gibt sie dem Milieu intéMusters der Desoxyribonukleinsäure im Kern vollzieht.
rieur, d. h. dem Zwischenzellraum zurück. Bei Schädigung
Die Kontrolle der Eiweiß- und Fermentbildung durch den und bei Erregung versagt dieser Mechanismus bzw. wird er
Kern ist eine übergeordnete Aufgabe, deren Durchführung ausgeschaltet, der sonst wie che Lenzpumpe eines leck geschlagenen Schiffes das eindringende Material, hier das Na
die Zelle mehr als alle speziellen Leistungen zu einem einheitlichen Funktionssystem zusammenfaßt; Dabei empfängt zusammen mit dem ebenfalls hereinkommenden Wasser,
der Kern die Direktiven zu seiner Tätigkeit durch das gene- herausschafft. Auf diese Weise wird die osmotische Schwel-
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Nr. 10, 7. März 1958
Doerr: Die Pathologie Rudolf Virchows und die Medizin unserer Zeit
lung der Zelle aktiv verhindert und die ionale Zusammensetzung ihres Innern gewahrt. Diese Grundfunktion allein
ermöglicht im ständigen Betrieb die Aufrechterhaltung der
Zelistruktur und ihrer Funktion. Sie charakterisiert aber
damit auch die Einheitlichkeit der Zelle In der von Virchow
vorgezeichneten Linie, jedoch in einem tieferen Sinne, als
er es ahnen konnte. Der eigentliche Mechanismus des zellerhaltenden aktiven Stofftransportes ist aber auch heute
noch unbekannt. Sicher jedoch ist, daß wir in ihm eine der
wichtigsten Leistungen der Zellen überhaupt zu sehen
haben. Denn sie allein ermöglicht die Erhaltung ihres Aufbaus, die ohne den ständigen Energiewechsel, der sie durchzieht, unmöglich wäre.
Dtsch. med. Wschr., 83. Jg.
Alle weiteren Leistungen der Zelle basieren auf ihr oder
können ais ihre Modifikationen angesehen werden. Sie
geben alle unseren analytischen Bestrebungen in dem Maße
neue Anregungen, wie uns neue Ebenen zeilchemischer Einsichten erschlossen werden. Diese aber lassen schon jetzt
die Hoffnung wachsen, daß es gelingen kann, den Stoffwechsel erkrankter Zellen auf Grund biochemischer Erkennt-
nisse in die Richtung zum Normalen zurückzulenken und
damit den tieferen Sinn tätig zu erfüllen, aus dem heraus
Virchow zur Aufstellung des zellularen Prinzips in der
Krankheitslehre gebracht wurde.
(Anschr.: Prof, Dr. H. Netter, Institut für physiologische Chemie,
Kiel, Neue Universität, Rudolf-Höber-Haus)
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