Qualität: Verleiht IT wirklich Flügel?

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Meierhofer-Rundtischgespräch: Experten griffen nach heissen
Kartoffeln
Qualität: Verleiht IT wirklich
­Flügel?
Eigentlich ist das Thema ganz schön alt, mindestens so alt wie das vor 16 Jahren revidierte KVG. Dort
nämlich machte der Gesetzgeber die Messung und Förderung der Qualität zur Chefsache. Eigenartig –
oder typisch schweizerisch? – ist allerdings, dass die Chefs, sprich: der Bundesrat, bisher einfach keine
Zeit zu haben schienen, ihre Hausaufgaben zu erledigen. Das wiederum heisst nun aber keineswegs, dass
das breite Spektrum der Qualität nicht im Zentrum des Interesses stünde. Spital-, Versicherungs- und ITExperten gingen deshalb der Sache auf den Grund: Kann IT die Qualität im Spital positiv ­beeinflussen?
Der Begriff «Qualität» muss zuerst definiert werden.
Jeder Arzt denkt ja von sich, er bringe selbstverständlich Topqualität. Deshalb sei Qualität nichts, worüber
man speziell reden müsste, meinte die Runde
­einhellig. Qualität zu erfassen, ist jedoch von grosser
Bedeutung, um Nutzen und Effizienz der eingesetzten Mittel zu beurteilen. Das Erfassen und Messen
ist aber äusserst aufwändig und kostet viel Zeit und
Geld. Das Grundproblem liegt darin, dass der Patient
nicht standardisierbar ist. Vorteilhafte Voraussetzungen zur Qualitätserfassung liefern somit einzig
­Disziplinen wie die Orthopädie, die aufgrund der
leichteren Ergebnismessung gewissermassen zur
Pionierdisziplin der Quailtätsmessung geworden ist.
Prof. Christoph Gehrlach von der Fachhochschule
Bern hielt fest: «Ich unterscheide drei Dimensionen
von Qualität:
– fachliche Qualität (medizinisch, pflegerisch),
– organisationelle Qualität (zwischen Berufsgruppen, Schnittstellen etc.) und
– Qualität in Form der Auseinandersetzung mit dem
Patienten (Patienten als Koproduzenten von Leistung).
Die IT kann vor allem an den Schnittstellen Qualität
gestalten.»
Qualität und «Nicht-Qualität»
Dr. Harry Telser, GL-Mitglied Polynomics AG, sieht
Zusammenhänge zwischen fachlicher und organisationeller Qualität: «Qualität darf nicht nur im
Zusammenhang mit Kosten betrachtet werden.
­Kliniken müssen entscheiden, wie viel Qualität sie
sich leisten können und ebenso wie viel «Nicht-
Qualität». Was wird vom Patienten akzeptiert und
für was ist er eventuell auch bereit, mehr zu zahlen?»
Dabei gehe es auch um den Einsatz der zur Leistungserbringung nötigen IT.
IT war das Stichwort für Matthias Meierhofer, CEO
MEIERHOFER Unternehmensgruppe: «IT hat zwei
Möglichkeiten, Qualität zu leisten: erstens als Qualitätsdokumenteur, der eine pflichtgemässe Dokumentation bestimmter Indikatoren liefert. Soll die
Dokumentation der Behandlung ‹wasserdicht› sein,
geht es nicht ohne leistungsstarke IT. Sie ist übrigens
in Deutschland seit der DRG-Einführung Basis zur
Definition und Überwachung bestimmter Qualitätsmerkmale für pauschalierte Leistungen. Zweitens ist
IT ein Qualitätserbringer. Durch Vernetzung und
Verdichtung von Informationen entsteht Mehrwert.
Von solchen Informationen könnten auch Patienten
Qualität stand im Zentrum (v.l.n.r.): Dr. Christoph Bangerter, Dr. Harry Telser und Prof. Christoph Gehrlach.
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Dazu meinte Dr. Harry Telser: «Das ist kein grosses
Problem in der Schweiz. Es gibt Studien, die gezeigt
haben, dass Qualität für die Bevölkerung äusserst
wichtig ist und diese durchaus bereit ist, höhere
Versicherungsprämien dafür zu bezahlen. Zudem
wird im Gegensatz zu Deutschland ein grösserer Teil
der anfallenden Kosten direkt aus der eigenen Tasche
bezahlt.»
Anreize zur besseren Qualität und
Produktivität
Matthias Meierhofer und Prof. Dr. Stefan Eggli (rechts) sehen viele Möglichkeiten, mit IT die Qualität zu steigern.
profitieren. In Deutschland wird der Patient aber
leider für ‹dumm› gehalten, was die Kosten seiner
Behandlung tendenziell erhöht. Die Schweizer haben die grosse Chance, es bei der DRG-Einführung
besser zu machen.»
Bei effizienten Prozessen beginnt’s
Dr. Christoph Bangerter, CEO der KPT, hat zwei Hüte
auf, als Arzt und als Kassenvertreter. Für ihn ist Qualitätssicherung eine Erkenntnis aus der industriellen
Fertigung. Dieses Denken gelte es, im Gesundheitswesen verstärkt umzusetzen. Kritisch äussert er sich
zu Patientenbefragungen: «Sie stellen subjektive
Erkenntnisse dar und sind als solche sehr wertvoll
– als Kundenrückmeldungen aus der Sicht des Leistungserbringers oder aus der der Kostenträger, aber
sie sind keine objektiven Qualitätsindikatoren. Voraussetzung für mehr Qualität sind hingegen optimierte Prozesse: Schlecht entworfene Prozesse
sollten gar nicht erst digitalisiert werden. Man sollte sich vielmehr auf wenige Hauptprozesse konzentrieren, die müssen allerdings erstklassig entworfen
sein. Bei diesem Vorgehen darf man den gesunden
Menschenverstand nicht aussen vor lassen.»
Wie aber bringt man dieses Denken an die Basis?
Wie sind Kosten- und Qualitätsbewusstsein in die
Köpfe von Ärzten und Patienten zu bringen?
Ziele setzen:
Pflege, Bildung, Management
Prof. Christoph Gehrlach meinte: «Man darf Qualitätsmanagement nicht bloss als Vehikel für die Effizienzsteigerung sehen!» – «Effizienzsteigerung
heisst aber keineswegs Qualitätsverschlechterung»,
replizierte Telser, «denn man darf Effizienzsteigerung
nicht mit Kostenreduktion gleichsetzen. Die Effizienz
ist die Summe von Qualität und Kosten. Mit DRG
steigt nun aber der Druck, Qualität abzubauen, wenn
keine anderweitigen Anreize gesetzt werden. Auch
die Patientenzufriedenheit ist nicht zu unterschätzen:
Wenn die Pflegekräfte mehr Zeit haben, sind die
Patienten zufriedener und die Qualität wird besser
beurteilt.»
Hohen Standard gewöhnt
Bangerter sieht das Spitalwesen als Fixkosten-­
Business. Das heisse, Kostendruck könne nur durch
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Qualität- und Produktivitätssteigerungen und
­Fokussierung aufgefangen werden. Er sieht in entsprechenden Leistungsverträgen noch viel Effizienz­
potenzial. Zu beachten sei auch, dass generell 20%
der Versicherten etwa 80% der Kosten verursachen,
davon sind rund 50% Spitalkosten. Hier gelte es
anzusetzen.
Professor Stefan Eggli, Leitender Arzt Knie­
chirurgie, Department für Orthopädische Chirugie,
Inselspital Bern, stellte einen Vergleich an: «In
Deutschland steht drei Mal weniger Pflegepersonal
pro Bett zur Verfügung als in der Schweiz. Hier liesse
sich theoretisch sparen. Kostenoptimierung hat aber
klare Grenzen: So ­wenig Pflegepersonal würden
Schweizer Patienten nicht akzeptieren; sie sind hohe
Standards ­gewöhnt.»
Meierhofer wies dabei auf einen interessanten
Aspekt hin: «Pflegeleistungen sind in Deutschland
erst seit Kurzem und auch nur teilweise ins DRGSystem integriert, sie hatten davor also keine Erlösrelevanz. Die Frage lautet deshalb: Was macht die
Klinikleitung mit nicht erlösrelevanten Leistungen?
Es dürfte spannend werden, wie das in der Schweiz
umgesetzt wird.» Bei Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung ist ein weiteres Merkmal auffällig:
«Wir sehen bei unserer Zusammenarbeit mit Klinikketten, wie schwierig es ist, standardisierte Prozesse durchzusetzen: Was in einem Haus gut läuft,
lassen sich die Ärzte aus einem anderen Haus noch
lange nicht ‹aufzwingen›.»
Qualität steuern
Bangerter ergänzte: «Trotzdem müssen wir Prozesse optimieren und die Qualität steuern. Hier haben
wir Versicherer Möglichkeiten. Mit entsprechenden
Incentives können wir Patienten dazu ermutigen, in
günstige und gute Spitäler zu gehen. Aber auch hier
zeigt sich eine Krux: Wenn die Qualität nämlich nicht
stimmt, müssen die Versicherer wiederum die
­Folgekosten zahlen. Gespart ist dann überhaupt
nichts, ganz abgesehen von der schlechten Leistung.»
Meierhofer fragte: «Aber wo liegt denn die
­ ualitätsverantwortung?
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Eggli schlug vor, mit Leistungserbringern Verträge
abzuschliessen, dass sie in einer zu definierenden
Art für entstandene Komplikationen aufkommen
müssen, die sie verursacht haben. «Bisher ist es ja
so, dass Ärzte an ihren Fehlern noch verdienen, dann
nämlich, wenn bei Komplikationen nachbehandelt
werden muss.»
Meierhofer bleibt misstrauisch:«Wie immer wird
es letztendlich auf das Kleingedruckte ankommen;
man wird sich gegen jeden möglichen Einzelfall
absichern.» Und Bangerter räumte ein: «So etwas
sollte man vorsichtig in einzelnen Bereichen wie
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Rundtisch zum Zweiten
Er ist schon fast eine kleine Tradition, der Rundtisch bei Meierhofer. In guter Laune, kritischer Analyse und kreativen
Ideen trafen sich in Bern:
– Dr. Harry Telser
– Dr. Christoph Bangerter
– Prof. Dr. Stefan Eggli
– Prof. Christoph Gehrlach
– Matthias Meierhofer
Das diskutierte Thema ist im Vorfeld der Swiss DRG brennend heiss: «Kann IT die Qualität wirksam unterstützen?»
Dr. Harry Telser, GL-Mitglied Polynomics AG (Unternehmensberatung), Olten
Das Unternehmen berät in den Breichen Gesundheit, Telekom, Finanzdiestleister, Analyse Kundenverhalten, Bewertung
und Effizienzmessung. Dr. Telser absolvierte ein Ökonomiestudium an der Universität Zürich, Dissertation zur Nutzenmessung im Gesundheitswesen an der Universität Zürich, Mitentwickler einer Planspielsoftware für ManagementTrainings, Informatikkoordinator und Senior Research Fellow am Sozialökonomischen Institut der Universität Zürich,
Stiftungsrat im Spital Einsiedeln.
Dr. Christoph Bangerter, Vorsitzender der Geschäftsleistung KPT
Von 1985 bis 2000 war er als praktizierender Arzt und Grundversorger tätig. Während dieser Zeit übte er zudem
verschiedene Aktivitäten im Bereich Medizininformatik aus, beteiligte sich aktiv am Aufbau eines Managed Care
Systems in Netzwerken und war in strategischen Führungsaufgaben im Spitalbereich tätig.
Im Rahmen einer umfassenden beruflichen Neuorientierung trat ins Management der Galenica Gruppe ein, wo er
zuletzt als Geschäftsleiter zweier Medizininformatik-Firmen des Geschäftsbereichs «Health Care Information» erfolgreich tätig war. Im Mai 2008 trat Christoph Bangerter in die KPT Versicherungsgruppe ein, wo er seit Juni 2008
Vorsitzender der Geschäftsleitung ist.
Prof. Dr. med. Stefan Eggli, Leiter Kniechirurgie, Orthopädische Chirurgie, Inselspital Bern
Seine Spezialgebiete sind komplexe Sportverletzungen, neue Kreuzbandtechniken, Knieprothetik und Knieprothesenrevisionseingriffe.
Ausbildungsstationen bildeten renomierte Kliniken wie das Inselspital, Institut für Biomechanik der Universität Bern,
das Laboratory of Biomedical Engeneering, Clemson University, South Carolina, die Mayo Clinic, Rochester ­Minnesota,
das New York Hospital for Special Surgery und das Hopital d’enfants Armands Trosseau Paris.
Neben Forschungstätigkeiten auf seinem Spezialgebiet befasst sich Prof. Eggli auch mit Fragen des Qualitätsmanagements und der Arzneimittelsicherheit.
Prof. Christoph Gehrlach, Berner Fachhochschule, Fachbereich Gesundheit
Dozent und Projektleiter, Kompetenzzentrum Qualitätsmanagement, Abteilung Weiterbildung & Dienstleistung. Die
Berner Fachhochschule befasst sich intensiv mit Fragen rund um die Qualität und das Qualitätsmanagement im
­Gesundheitswesen.
Matthias Meierhofer
Matthias Meierhofer ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der MEIERHOFER Unternehmensgruppe. Zusätzlich zu
seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender verantwortet er die Bereiche Produkt- und Personalentwicklung sowie den
Ausbau strategischer Partnerschaften bei MEIERHOFER. Seit Februar 2008 ist Meierhofer Vorstandsmitglied des
Branchenverbandes VHitG (Verband der Hersteller von IT-Lösungen für das Gesundheitswesen e.V.).
beispielsweise der Orthopädie angehen. Ausserdem
sind in den Swiss DRGs diese Dinge ja mit eingebunden. Bei einem kurzfristigen Wiedereintritt unter
gleicher Diagnose verdient das Spital nichts.»
Managed Care-Modelle
Meierhofer doppelt nach: «Damit dies möglichst
wenig passiert, müsste das Ziel darin bestehen, dass
die gesamte Behandlungskette einer Gesamtverant-
wortung unterliegt. Das bedeutet Managed CareModelle.».
Gehrlach sieht noch einen weiteren Aspekt: «Bei
der ganzen DRG-Diskussion kommt die volkswirtschaftliche Perspektive immer zu kurz, ausserdem
wird der ambulante Bereich gegenüber dem stationären vernachlässigt.» – «Untersuchungen haben
gezeigt, dass DRG keine Kosten sparen, sondern
lediglich Kosten verlagern», warf Telser mit ein.
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Beantworten
Sie Ihre ITFragen selber?
«Aber einen deutlichen Gewinn an Transparenz und
Vergleichbarkeit von Leistungen bringen sie sehr
wohl. Und das ist positiv.»
ihre Daten zu erfassen («bei facebook haben sie ja
auch keine Hemmungen»), denn «sobald dies freiwillig passiert, hat niemand mehr etwas dagegen.»
Bangerter sieht vor allem auch einen Effekt nach
innen im Spital: «Es wird saubere Kostenstellen- und
-trägerrechnungen geben müssen; Quersubventionierungen innerhalb des Spitals werden nur noch in
sehr beschränktem Umfang möglich sein, die interne Organisation wird dadurch verbessert und optimiert.»
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Durch DRGs entsteht mehr Transparenz. Und um das
zu bewerkstelligen, sind IT und standardisierte
­Formen des Datenaustauschs wie auch der Archivierung unumgänglich. Prof. Eggli sieht darin wesentliche Vorteile für den Spitalalltag: «Medizin ist heute zu 80 Prozent Datenverarbeitung: Röntgenbilder
auswerten, Befunde analysieren, Diagnosen finden,
Therapien zuordnen. Es geht immer darum, sich aus
vielen Puzzlesteinen ein Bild zusammenstellen. Dieser Prozess wurde durch IT revolutioniert und kann
auch heute noch deutlich verbessert werden. IT
beginnt jetzt sogar, intelligent einzugreifen, indem
sie Vorschläge macht, Warnhinweise gibt. Ein Beispiel: Es gibt heute etwa 30’000 Arzneisubstanzen.
Medikamentensicherheit – IT-unterstützt – wird
lebenswichtig. Ein weiteres Beispiel kluger IT ist das
Überbrücken interdisziplinärer Schnittstellen­
probleme.»
Datenschutz – ein hemmender Faktor?
Wo digital erfasst, archiviert, ausgewertet und verglichen wird, steht auch immer das Stichwort Patientenidentifikation, gepaart mit Datenschutz, im
Fokus. Dazu Matthias Meierhofer: «Datenschutz ist
kein technisches Thema, Lösungen dafür gibt es
schon lange, es ist ein gesellschaftliches Thema. Der
Datenschutz als Risikofaktor wird auch gerne als
IT-Problem vorangestellt. Meistens ist es aber eine
blosse Ausrede, Reformen zu vertagen.» – «Dabei
sind die heute noch vielerorts herumliegenden Papierakten viel eher gefährdet, in falsche Hände zu
geraten. In der Datenschutz-Diskussion werden zu
oft realitätsferne ‹Was wäre wenn›-Probleme kreiert», doppelte Eggli nach.
Bangerter ergänzte: «Eine rasche Patientenidentifikation wird vielleicht auch aus folgendem Grund
als nicht so wichtig erachtet: Es gibt eben keine
Zahlen darüber, wie viele Patienten schon Schaden
genommen haben, weil ihre Daten nicht verfügbar
waren, als sie ins Spital eingeliefert wurden. Auf
diese Weise sind Datenschutz oder nicht verfügbare
Daten eben keine Sicherheit – im Gegenteil: Sie
werden zum Patientenrisiko, von den Kostenfolgen
mal ganz zu schweigen.»
Meierhofer sieht eine Lösung darin, Angebote zu
schaffen, bei denen Patienten freiwillig zustimmen,
Prozesse zu analysieren und einen optimalen ITEinsatz zu implementieren, um die Qualität zu fördern, sei eine Sache. «Es gibt aber noch weit mehr
Einflüsse, welche bei allen guten Vorsätzen zur
Qualitätsförderung zu beachten sind», argumentierte Prof. Gehrlach. «Nicht vergessen werden sollten
nämlich auch die ‹weichen› Faktoren, welche die
Qualitätsverbesserung beeinflussen oder eventuell
auch erschweren: Unternehmenskultur und Hierarchisierung in Spitälern. Hierbei kann IT nicht helfen.
Vielmehr ist eine Neuorientierung gefragt.» – «Auch
das typische Mittelstandsdenken im Spitalwesen
bietet nicht die geeigneten Strukturen, um eine managementgesteuerte Änderung der Unternehmenskultur zu forcieren. Gerade in Deutschland spricht
zudem die Qualifikation eines typischen Spital-­
Geschäftsführers dagegen. Er hat oft nicht das Prozessdenken gelernt, das eine zeitgemässe Betriebsführung erfordert.»
Die «Industrialisierung» steht noch bevor
Bangerter zog ein Fazit: «Gesundheitswesen ist eben
strukturell in Teilen noch eine ‹Cottage Industry›. Es
besteht heute noch ein behäbiges, vorindustrielles
Stadium. Die Industrialisierung steht hier noch bevor.
Im Gegensatz zu anderen Branchen und Bereichen
steht das Gesundheitswesen strukturell erst am
Anfang. Das schafft aber auch viele Chancen, weil
ein grosses Potenzial zur Effizienzsteigerung und
Qualitätsverbesserung vorhanden ist.»
Text: Inga Twarok und Dr. Hans Balmer
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