In Esslingen wird das Alter neu berechnet

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In Esslingen wird das Alter neu berechnet
Wie alt ein Mensch tatsächlich ist, hängt nicht nur von seinem Geburtsdatum ab. Das für die
Lebenserwartung wesentlich bedeutsamere biologische Alter lässt sich bislang aber nur
erahnen – nicht berechnen. An einer Lösung des Problems arbeitet jetzt das europäische
Forschungsprojekt MARK-AGE. Dass Esslingen im Rahmen dieses Projektes eine Hauptrolle
spielt, hat zwei entscheidende Gründe: die Struktur der Stadt und die dort ansässige Firma
BioTeSys.
Die einen machen mit 80 Jahren noch das Sportabzeichen, die anderen sind bereits an ihrem
50. Geburtstag nicht mehr wirklich gut zu Fuß. Es ist ganz offensichtlich, dass der
Alterungsprozess bei dem Einzelnen unterschiedlich schnell voranschreitet. Doch welche
Faktoren sind verantwortlich, wenn das biologische Alter eines Menschen vom kalendarischen
Alter deutlich abweicht.
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Dr. Jürgen Bernhardt, Geschäftsführer der BioTeSys © privat
Sind es ausschließlich die Erbanlagen oder spielen Umwelteinflüsse und die persönliche
Lebensführung die wesentlich bedeutendere Rolle? Mit diesen und anderen Fragen beschäftigt
sich seit kurzem das von der Europäischen Union geförderte Forschungsprojekt MARK-AGE, an
dem 26 Arbeitsgruppen aus 14 Ländern beteiligt sind. Zu dem erlesenen Team von
Altersforschern gehört neben den Universitäten Konstanz und Hohenheim auch die Esslinger
Firma BioTeSys GmbH.
Angesichts der steigenden Lebenserwartung rückt der Prozess des Alterns auch aus
wissenschaftlicher Sicht immer stärker in den Mittelpunkt des Interesses. „Das Ziel von MARKAGE ist es jetzt, Kriterien zu definieren, mit denen sich das biologische Alter eines Menschen
zuverlässig bestimmen lässt“, erklärt Dr. Jürgen Bernhardt, Geschäftsführer von BioTeSys.
Anhand dieses Wissens könnten Personen, bei denen altersbedingte Veränderungen früher
auftreten als normal, in Zukunft eine viel gezieltere medizinische Vorsorge erhalten – mit der
Aussicht, dass das Auftreten bestimmter Erkrankungen nicht nur verzögert, sondern im
Idealfall sogar komplett verhindert werden kann.
Stadt im Blickfeld der Altersforscher
Um MARK-AGE durchführen zu können, werden aktuell europaweit 3.700 Personen im Alter
von 35 bis 75 Jahren rekrutiert – 400 davon allein in Deutschland. Das Projekt schließt hierbei
ganz bewusst auch Menschen mit alterstypischen Erkrankungen wie Diabetes oder
Bluthochdruck ein. „Wir wollen nicht nur vollkommen gesunde Personen untersuchen, sondern
möchten einen repräsentativen Querschnitt durch die Bevölkerung erhalten“, erläutert die
Ernährungswissenschaftlerin Christiane Schön, die bei BioTeSys für die Durchführung der
Studie verantwortlich ist. Lediglich Menschen mit einer akuten Krebserkrankung, einer
chronischen Leberentzündung (Hepatitis) oder einer HIV-Infektion dürften aus
wissenschaftlichen Gründen nicht teilnehmen. „Dieser breite Ansatz ermöglicht es, genau jene
mit dem Altern assoziierten Biomarker zu identifizieren, die für die Allgemeinheit gültig sind“,
betont Bernhardt.
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Eine der Aufgaben von BioTeSys ist unter anderem die Rekrutierung der deutschen
Untersuchungsgruppe. „Das ist sowohl organisatorisch als auch technisch eine enorme
Herausforderung“, weiß Bernhardt. Schließlich müssen sowohl Blut- als auch Urinproben sowie
ein Abstrich der Mundschleimhaut entnommen und für die weiteren Analysen entsprechend
aufbereitet werden. Zudem gilt es, einen Fragebogen zu den alltäglichen Lebensgewohnheiten
sorgfältig auszuwerten und zu kodieren.
Doch BioTeSys führt bereits seit Jahren mit großem Erfolg klinische Studien in den Bereichen
Ernährung und Kosmetik durch. „Dadurch haben wir viel Erfahrung sammeln können, die uns
jetzt bei MARK-AGE zugute kommt“, sagt Bernhardt. Als Rekrutierungszentrum wurde der
Standort der Firma, Esslingen am Neckar, ausgewählt. „Das Studienprotokoll verlangte nach
einer Stadt mittlerer Größe, in der sämtliche Wirtschaftszweige vertreten sind – von Industrie
und Handel bis hin zu Hochschulen und Landwirtschaft. Esslingen erfüllt diese Anforderungen
nahezu perfekt“, berichtet die Projekt-Koordinatorin Schön. Die Resonanz bei den Bürgern sei
ausgesprochen erfreulich. „Nach einem Artikel in der Lokalzeitung haben sich spontan 100
Menschen gemeldet“, berichtet Bernhardt, der keine Sorge hat, auch noch die restlichen 300
Freiwilligen zu finden: „Die Stadt Esslingen unterstützt uns dabei nach Kräften - schließlich
sind die Ergebnisse des MARK-AGE-Projektes von großem öffentlichen Interesse.“
Präventiv-Medizin steht vor einer neuen Zeitrechnung
Doch BioTeSys ist nicht nur für die Rekrutierung und die Probenentnahme zuständig, sondern
auch in die Analyse der verschiedenen Biomarker eingebunden. Eine Vielzahl von Parametern
müssen bei jedem einzelnen Studienteilnehmer bestimmt werden – vom klassischen Blutbild
bis hin zu oxidativen Stressmarkern. Aus Gründen der Vergleichbarkeit spezialisiert sich jede
Arbeitsgruppe auf einige wenige Marker. BioTeSys ist bei allen 3.700 MARK-AGE-Probanden für
die Bestimmung des intrazellulären Vitamingehalts in der Mundschleimhaut zuständig. Der
Test ist eine Eigenentwicklung von BioTeSys und in seiner Art bislang einzigartig. „Mit Hilfe
dieses Tests können wir nun erstmals eine Aussage über die tatsächliche Vitamin-Versorgung
der Zellen treffen“, erklärt Bernhardt. Denn nicht immer korreliert die Konzentration im Blut
mit dem intrazellulären Status. „Dass hier große, zum Teil genetisch bedingte Unterschiede
existieren, haben wir bereits in einer Studie mit mangelernährten Personen unter Beweis
stellen können“, so Bernhardt.
Alle im Rahmen von MARK-AGE analysierten Biomarker wurden bereits in vorherigen
wissenschaftlichen Untersuchungen in irgendeiner Form mit Alterungsprozessen in
Verbindung gebracht. Doch die Variabilität der einzelnen Marker ist in der Regel so groß, dass
bisher noch kein verlässlicher Test für die Bestimmung des biologischen Alters entwickelt
werden konnte. Die Aufgabe von MARK-AGE ist es jetzt, die vielen unterschiedlichen Parameter
in einem gemeinsamen Kontext zu untersuchen. „Dadurch eröffnet sich zum ersten Mal die
Chance, mit Hilfe der Biostatistik ganz neue Zusammenhänge in den komplexen Mechanismen
des Alterns zu erkennen“, erläutert Bernhardt. Das langfristige Ziel von MARK-AGE geht sogar
noch einen Schritt weiter: Anhand der Biomarker soll in den nächsten Jahren eine Formel
entwickelt werden, mit der sich das biologische Alter eines Menschen möglichst genau
ermitteln lässt. Für die Präventiv-Medizin wäre das der Beginn einer neuen Zeitrechnung.
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Fachbeitrag
03.12.2008
Quelle: sb/BIOPRO
Weitere Informationen
BioTeSys GmbH
Dr. rer. nat. Jürgen Bernhardt
Schelztorstraße 54 – 56
73728 Esslingen
Tel.: 0711 310 57-150
Fax: 0711 310 57-151
E-Mail: j.bernhardt(at)biotesys.de
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