Besonders energieeffizienter, motorintegrierter Umrichter mit SiC-MOSFETs Prof. Dr.-Ing. Jens Onno Krah, Fachhochschule Köln Rolf Richter, EBV Elektronik, Poing Loic Toubin, STMircoelectronics, Geneva Andreas Wiese, Fertig Motors, Marktheidenfeld 1. Einleitung Klassische Servoumrichter werden meist im sogenannten Buchformat zur Montage in einem Schaltschrank angeboten. Die 3~ Netzspannung wird über eine B6-Diodenbrücke gleichgerichtet und mit einem Zwischenkreiskondensator gepuffert, Bild 1. Zur Einhaltung der EMV-Grenzwerte wird ein zusätzlicher Filter benötigt, der oft in das Gerät integriert wird. Die Elektronik wird mit Varistoren gegen netzseitige Überspannungen geschützt. Der Spannungsabfall an den Gleichrichterdioden des Gleichrichters bestimmt hauptsächlich den Wirkungsgrad. Diese Verluste können mit ca. 1% abgeschätzt werden. Bei einem 3 kW Antrieb entspricht das bei Nennlast 30 W Verlustleitung im Netzteil. 3 3~ C 1 2 M 4 Bild 1: Blockschaltbild eines Standard-Servoumrichters: 1 Überspannungsschutz mit EMV-Filter und Gleichrichter, 2 Endstufe, 3 Ladeschaltung, 4 Ballastschaltung, C Zwischenkreiskondensator, M Motor Heute werden meist IGBT-Sixpacks in Kombination mit der Raumzeigermodulation genutzt, um aus der DC-Spannung die gewünschte Motorspannung zu generieren. Wenn ein Motor abgebremst wird, wird die zurückgewonnene Energie zunächst im Zwischenkreiskondensator gespeichert. Überschreitet dessen Spannung einen Maximalwert, schaltet ein Ballastwiderstand zu, wodurch weitere kinetische Energie in Wärme umgewandelt wird. Kurzzeitig (für bis zu 100 ms) sind das typischerweise 10 kW Spitzenleistung. Die thermisch wirksame Dauerleistung der eingesetzten Ballastwiderstände beträgt z.B. 200 W. Bei vielen Anwendungen in der Automatisierungstechnik werden mehrere Servoantriebe eingesetzt. Es ist dann üblich, die DC-Zwischenkreise der Antriebe zu koppeln. Dadurch kann Leistung, die ein Antrieb in den Zwischenkreis zurückspeist, sofort von einem anderen Antrieb genutzt werden, Bild 2. Die Antriebshersteller bieten deshalb modulare Antriebssysteme an, bei denen ein Netzmodul mehrere Antriebswechselrichter mit der DC-Spannung versorgt. SPS / IPC / Drives 2013 349 Krah, Richter, Toubin, Wiese 2 3~ AC DC 1 C DC AC M DC AC M 2 Bild 2: Blockschaltbild eines modularen Mehrachs-Servoumrichters: 1 Netzmodul, 2 Achsmodul Anwenderseitig wird heute insbesondere auf drei Kriterien geachtet: Kosten, Baugröße und Energieeffizienz. Noch vor wenigen Jahren bestimmte hauptsächlich die Leistungselektronik die Kosten. Heute ist das nur noch bei größeren Antrieben – ab ca. 2 kW – der Fall. Montagekosten, Kabel und Steckverbinder spielen inzwischen insbesondere bei kleineren Antrieben eine wichtige Rolle. Die Baugröße der Wechselrichtermodule wird bestimmt von der Leistungselektronik mit den zugehörigen Kühlkörpern und den eingesetzten Steckverbindern. Die Steuerelektronik kann heute sehr kompakt mit nur einem FPGA realisiert werden, insbesondere wenn die Strommessung mit Shunts in Kombination mit Sigma-Delta-ADCs erfolgt [1]. Die in der Servoantriebstechnik üblichen permanenterregten Synchronmotoren (PMSM) weisen verglichen mit Asynchronmotoren (ASM) einen viel besseren Wirkungsgrad auf. Bei der Energieeffizienz ist es deshalb meist ausreichend, wenn marktübliche Wirkungsgrade erreicht werden. Es gilt als sehr schwierig, effizientere Umrichter anzubieten, die deshalb in der Anschaffung teurer sind. Welche Widerstände diesbezüglich überwunden werden müssen, kann man bei der Einführung der energieeffizienten ASM beobachten. 2. Anschluss des Motors über geschirmte Leitungen Zur Einhaltung der EMV-Grenzwerte werden Servomotoren üblicherweise mit geschirmten Leitungen an den Umrichter angeschlossen [2]. Die geschirmten Leitungen besitzen einen Wellenwiderstand Z0 von ca. 100 . Jedoch wird aufgrund der damit verbundenen Verluste weder der Umrichter optimal mit Wellenwiderstand eingekoppelt noch der Motor mit Wellenwiderstand terminiert, Bild 3a. Umrichterseitig wird die Spannung uE sehr niederohmig mit RE ≈ 1 eingekoppelt. Würde die Leitung motorseitig abgeschlossen, fände dort keine Reflexion statt. Die Spannung uA wäre lediglich um eine Laufzeit von 25 ns verzögert, Bild 3b. Motorseitig ist aber kein Abschlusswiderstand vorhanden (RA →∞), da die Motorinduktivität bei hohen Frequenzen eine sehr hohe Impedanz aufweist. Damit lassen sich die Reflexionsfaktoren der Leitungsenden wie folgt abschätzen: Reflektion am Motor: Reflektion am Umrichter: SPS / IPC / Drives 2013 350 Krah, Richter, Toubin, Wiese RE uE uE RA uA uA 100ns a) b) uA uA uE uE 100ns 100ns c) d) Bild 3: a) Die Spannung des (idealen) Umrichters wird über RE eingekoppelt b) Im Fall einer mit Z0 abgeschlossenen Leitung entsteht nur eine Verzögerung c) Ohne Abschluss entsteht eine Schwingung mit Spannungsverdopplung d) Mit einer zusätzlichen Drossel sinkt die Spannungsüberhöhung Die Pulsweitenmodulation bewirkt, dass sich die Spannung am Umrichter nahezu sprungförmig verändert. Der Sprung bewegt sich mit ca. 5 m/ns durch die Leitung. Durch die Reflektion am Leitungsende mit rA wird der Betrag der Spannung für kurze Zeit fast verdoppelt. Der reflektierte Sprung wird eine Laufzeit später eingangsseitig mit rE reflektiert. Bild 3c zeigt einen solchen gemessenen Spannungsverlauf an einer 5 m langen Leitung und einer nahezu idealen Schaltflanke (Anstiegszeit ta < 10 ns). Durch Verluste der Leitung und weil hohe Frequenzen stärker gedämpft werden, wird aus dem nahezu idealen rechteckförmigen Sprung ein abklingendes Sinussignal, dessen Frequenz umgekehrt proportional zur Leitungslänge ist: Sind die Kabel vergleichsweise kurz (< 10m), ist die Laufzeit der Signale auf der Leitung kürzer als die reale Anstiegszeit der Spannungsflanke (typisch bei IGBTs sind 5 kV/µs → ta ≈ 120 ns bei 600 Vdc). Eine Spannungsüberhöhung tritt in diesem Fall kaum auf. Das Laden und Entladen der Kabelkapazität verursacht pro Motorphase zusätzliche Schaltverluste in der Endstufe von ca. . Bei 3 Phasen, 700 V Zwischenkreisspannung, einem Kapazitätsbelag von 150 pF/m und 8 kHz Schaltfrequenz ergeben sich zusätzliche Schaltverluste in Höhe von ca. 2 W pro Meter Anschlusskabel. Bei längeren Kabeln werden üblicherweise zusätzliche Motordrosseln (Induktivitäten) zur Spannungsanstiegsbegrenzung genutzt. Die Zeitkonstante berechnet sich aus Induktivität L und Wellenwiderstand Z0: Bei geeigneter Auslegung von Motordrossel und Kabel – mit ausreichender Dämpfung – wird der Betrag des Reflexionsfaktors umrichterseitig deutlich kleiner und die SPS / IPC / Drives 2013 351 Krah, Richter, Toubin, Wiese Anstiegszeit wird wieder länger als die Kabellaufzeit. Wichtig ist, dass der Schwingkreis – bestehend aus Motordrossel (L), Kabelkapazität (C) und Leitungswiderstand (R) – ausreichend gedämpft ist, Bild 3d. Die kabelkapazitätsbedingten Verluste von ca. 2 W / m fallen nach wie vor an, jedoch nur noch zu einem Teil in der Endstufe, der Rest in Motordrossel und Kabel. Wenn ein Sinusfilter eingesetzt wird, sind keine abgeschirmten Kabel erforderlich. Gerade bei Servoantrieben ist diese Option jedoch problematisch, weil der Sinusfilter die Regeldynamik deutlich verringert. Die zusätzlichen Verluste und Kosten sind auch nicht unerheblich. 3. Motorintegrierte Servoumrichter Bei den angebotenen Klemmkastenumrichtern für Asynchronmaschinen ist üblich, dass vollständige Frequenzumrichter – mit Netzteil etc. – jedoch ohne Ballastschaltung eingesetzt werden. Dadurch sind die Umrichter vergleichsweise groß und oft auch mit einem Lüfter ausgestattet. Besonderer Vorteil ist die einfache Montage ohne abgeschirmte Kabel – oft auch ohne Schaltschrank. Wenn man dieses Konzept hinsichtlich der Anforderungen der Servoantriebstechnik betrachtet, fällt folgendes auf: Vierquadrantenbetrieb ist ohne Ballastwiderstand bzw. Rückspeisung nicht möglich, vergleichsweise große Umrichter erschweren die Montage und eventuelle Bewegungen des Antriebs innerhalb einer Maschine und Motoren mit Lüfter werden nur sehr ungern verwendet. Gerade bei Leistungen unter 10 kW ist eine Netzrückspeisung relativ groß und teuer. Ausgehend von modularen Servoumrichtern wird deshalb vorzugsweise nur der Wechselrichter in den Motor integriert und mit der gemeinsamen DC-Spannung versorgt, Bild 4. Statt der drei Motorphasen und der Feedbacksignale (Resolver oder Encoder) werden jetzt von dem Anschlusskabel DC-Zwischenkreisspannung und Feldbus (z.B. EtherCAT) übertragen. AC DC 3~ C 1 du/dt = 0 Si=0 DC AC M DC AC M 2 Bild 4: Blockschaltbild eines Systems mit motorintegr. Umrichtern: 1 Netzmodul, 2 Motor mit Umrichter Ein motorintegrierter Umrichter kann ohne viele Optionen an den Motor angepasst werden: Schon bei der Herstellung steht fest, ob ein Resolver oder ein Encoder als Feedback verwendet wird. Die Stromskalierung des Umrichters kann genau auf den Motor abgestimmt werden. Mit einer konfigurierbaren Hardware (FPGA) können alle relevanten Real-TimeEthernet Feldbusse (EtherCAT, ProfiNet, …) abgedeckt werden. SPS / IPC / Drives 2013 352 Krah, Richter, Toubin, Wiese Insbesondere bei EtherCAT kann z.B. ein an der Last montierter zweiter Encoder oder digitales I/O (Endschalter etc.) kostensparend über den sehr schnellen Feldbus angekoppelt werden. EMV-technisch ist die DC-Versorgung vorteilhaft, da im Betrieb keine Spannungsflanken (du/dt) auftreten und die Summe der fließenden Ströme immer gleich null ist. Die Stromanstiegsgeschwindigkeit kann mit einem DC-Filmkondensator im motorintegrierten Umrichter begrenzt werden. Dieser Kondensator arbeitet gleichzeitig als Snubber-Kondensator zur Begrenzung von Überspannungen an den MOSFETs. Weil ein Leitungsbruch in der Zwischenkreisversorgung nicht ausgeschlossen werden kann, darf die in den Wicklungsinduktivitäten gespeicherte Energie nicht zu gefährlichen Überspannungen führen: ( ) ( ) Alternativ können gefährlich hohe Spannungen mit einem Varistor verhindert werden. Gerade bei geringen Drehzahlen bzw. im Stillstand ist der Strom durch die DC-Bus Zuleitung wesentlich geringer als der Motorstrom. Wenn ein Servomotor beispielsweise mechanisch blockiert mit ca. 1 A betrieben wird, fließen über die DC-Zuleitung nur wenige mA statt des vollen Stroms bei einem konventionellen Antrieb. Insbesondere für den Bereich der Solarwechselrichter werden Silizium (Si) MOSFETs der 600 V Klasse mit schnellen Body-Dioden angeboten [3]. Si-MOSFETs mit einer Spannungsfestigkeit von 1200 V weisen erstens einen deutlich höheren Kanalwiderstand auf und werden zweitens nicht mit einer schnellen Body-Diode angeboten. Deshalb sind Si-MOSFETs für Umrichter mit ca. 600 V Spannungszwischenkreis – und damit für den direkten Betrieb am 3~ 400 V Netz – ungeeignet. 4. Silizium Carbid Seit einigen Jahren werden leistungselektronische Bauelemente basierend auf SiliziumCarbid (SiC) angeboten. Im Vergleich zu Si weisen SiC-basierte Bauteile – durch die vergleichsweise große Bandlücke – besondere Eigenschaften auf. Bei SiC-Dioden ist beispielsweise die Sperrverzögerungszeit (reverse recovery time) deutlich kleiner als bei Si-Dioden. Das verringert die Schaltverluste der Freilaufdioden im PWM-Betrieb deutlich. Bisher hat es sich nur bei Freilaufdioden bewährt, Si-Komponenten durch vergleichbare SiC-Bauteile ohne größere Schaltungsänderung zu ersetzen. Sobald SiC-basierte Transistoren eingesetzt werden sollen, ist meist auch eine Anpassung von Schaltung und Layout erforderlich. Am wenigsten aufwendig sind die Schaltungsänderungen bei der Verwendung von SiC-MOSFETs. Hier können oft sogar bewährte Gate-Treiber eingesetzt werden, die eigentlich zur Ansteuerung von Si-IGBTs entwickelt wurden. Wenn nun bei einem Umrichter IGBTs durch SiC-MOSFETs ersetzt werden, sind folgende Eigenschaften kennzeichnend: Die immer vorhandene MOSFET Body-Diode kann als Freilaufdiode genutzt werden und besitzt bei SiC eine sehr geringe Sperrverzögerungszeit. Das verringert die Schaltverluste. Der Kanal des MOSFETs kann im eingeschalteten Zustand den Strom in beide Richtungen führen (synchronous rectifier). Das verringert nach der Verriegelungszeit den SPS / IPC / Drives 2013 353 Krah, Richter, Toubin, Wiese Spannungsabfall über der Freilaufdiode und damit auch die Durchlassverluste. Controllerseitig ist bei Motorsteuerungen zum Überbrücken der Body-Diode kein Zusatzaufwand erforderlich. MOSFETs weisen nicht den IGBT-typischen Tailstrom beim Abschalten auf. Auch das verringert die Schaltverluste. MOSFETs sind im Gegensatz zu den meisten IGBTs nicht für bis zu 10 µs kurzschlussfest. Damit die Stromsensoren zur sicheren Abschaltung genutzt werden können, muss die Stromanstiegsgeschwindigkeit begrenzt sein. Wird bei einem Umrichter die Si-IGBT-Endstufe durch SiC-MOSFETs ersetzt, können sich höhere Spannungsanstiegsgeschwindigkeiten ergeben. Das verschärft die Überspannungsproblematik von abgeschirmten Motorleitungen. Wenn die Spannungsanstiegsgeschwindigkeit verringert wird, erhöhen sich die Schaltverluste. SiC-Halbleiter sind bisher deutlich teurer als vergleichbare Si-Typen. Daraus folgt, dass man die Vorteile von SiC-MOSFETs nur dann sinnvoll nutzen kann, wenn ein Sinusfilter eingesetzt wird oder der Umrichter in den Motor integriert wird. 5. Si-IGBT versus SiC-MOSFET Silizium-Carbid (SiC) erlaubt die Herstellung schneller und verlustarmer Leistungshalbleiter, mit Sperrspannungen und Stromtragfähigkeiten, die in Siliziumtechnologie nicht möglich sind. Die neuen SiC-MOSFETs von ST sind mit 1200 V spezifiziert und werden typischerweise mit ca. 600 V Zwischenkreisspannung betrieben. Durch die vorteilhaften Eigenschaften von SiC können jetzt auch netzbetriebene Umrichter mit MOSFETs realisiert werden. Für eine motorintegrierte Lösung ist auch ein Vorteil, dass SiC-Halbleiter bei sehr hohen Temperaturen betrieben werden können. Die verwendeten SiC-MOSFETs von ST sind für eine Sperrschichttemperatur bis max. 200°C spezifiziert [4]. Um die Verluste der neuen SiC-MOSFETs von ST zu beurteilen, wurden die Datenblattangaben mit vergleichbaren Infineon IGBTs verglichen, Tab 1. Betrachtet wurde eine Halbbrücke. Angenommen wurden 600 V Zwischenkreisspannung, eine Sperrschichttemperatur von 125 °C und ein Strom von 6,3 A. Gate Widerstand Eon Eoff Err Schaltverluste Infineon Si-IGBT 4 [5] 20 0,67 mJ 0,5 mJ 0,88 mJ 16 W ST SiC-MOSFET [4] 6,8 0,118 mJ 0,1 mJ 0,03 mJ 2W Usat Trans. Usat Diode 1) Durchlassverluste 1,5 V 1,2 V 8,5 W 0,5 V 0,5 V 3,15 W Gesamtverluste 24,5 W 5,2 W Tab. 1: Vergleich von IGBT und SiC-MOSFET Verluste für eine Halbbrücke nach Datenblattangaben UZK = 600 V, 125 °C, I = 6,3 A, 8 kHz [4, 5] 1 ) beim MOSFET wird die Diode durch den leitenden Kanal überbrückt (synchronous rectifier) Die Schaltverluste des SiC-MOSFETs sind 8-mal kleiner als die des Si-IGBTs. Die Durchlassverluste gehen um etwa die Hälfte zurück. Bei 8 kHz Schaltfrequenz sinken SPS / IPC / Drives 2013 354 Krah, Richter, Toubin, Wiese die Gesamtverluste der Endstufe – ohne Gate-Treiber und Steuerung – auf weniger als ein Viertel. In den meisten Antriebsanwendungen ist es nicht notwendig, die Schaltfrequenz über die üblichen 8 - 20 kHz hinaus zu steigern. Bei der Ansteuerung von Motoren ist fast immer die stromglättende Wirkung der Wicklungsinduktivität ausreichend. Die geringeren Schaltverluste führen dadurch direkt zu einem verbesserten Wirkungsgrad. Weil klassisch aufgebaute Servoumrichter für einen Betrieb mit abgeschirmten Kabeln ausgelegt sind, müssen bei der Dimensionierung des Endstufenkühlkörpers die zusätzlichen Schaltverluste durch die Kabelkapazität berücksichtigt werden. Bezieht man eine typische Kabellänge von 5 m in die Rechnung mit ein, ergeben sich zusätzliche 10 W Verlustleistung. Ein SiC-basierter motorintegrierter Umrichter muss vergleichsweise nur ¼ der Verlustleistung abführen und kann dadurch deutlich kompakter aufgebaut werden. 6. Integration des Umrichters Der klassische Aufbau von Klemmkastenumrichtern – als Rucksack seitlich auf dem Motor – hat in der Servoantriebstechnik entscheidende Nachteile: Servomotoren werden meist ohne Lüfter betrieben. Eisenverluste des Stators und die Kupferverluste der Wicklung wärmen den Motor seitlich auf Höhe des Rotors besonders stark auf. Ein Derating von ca. 20 % ist die Folge. Seitlich auf dem Motor ist kein „ungenutzter Raum“, der noch für den Umrichter erschlossen werden kann. Die Symmetrie des Motors geht verloren. Stattdessen wird der SiC-Umrichter hinter dem Feedbacksystem in den Motor integriert. Im Folgenden wird die Integration des Umrichters in den Motor AM 8052 betrachtet [6]. Der 8-polige Motor weist ein Stillstandsmoment von 8,2 Nm bei einem Strom von 6,3 A auf. Das Nennmoment bei 4000 min-1 beträgt 6,9 Nm, was ca. 3 kW entspricht. Maximal zulässig ist ein Spitzenstrom von 33,6 A. Der Wicklungswiderstand (Klemme-Klemme) beträgt RW = 2,3 Ohm, die Wicklungsinduktivität ist mit LW = 14,1 mH spezifiziert. Das Flanschmaß beträgt: 100 • 100 mm² Bild 5: Die schematische Darstellung zeigt, wie der SiC-Umrichter hinter dem Feedbacksystem im Motor AM 8052 montiert wird. Die parasitäre Kapazität der Motorwicklung gegen Gehäuse – gemessen bei 200 kHz – beträgt ca: pro Strang. SPS / IPC / Drives 2013 355 Krah, Richter, Toubin, Wiese Der Umrichter besteht im Wesentlichen aus zwei in den Motor integrierten Platinen: Steuer- und Leistungsleiterkarte, Bild 5. Der Umrichter verlängert den Motor um ca. 40 mm, ähnlich wie eine optionale Haltebremse, Bild 6. Bild 6: Die Integration des Umrichters verlängert den Motor AM 8052 um ca. 40 mm 7. Ergebnisse Bild 7 zeigt den Laboraufbau von der SiC-Umrichter-Leistungsleiterkarte [7]. Verwendet wurden die neuen SiC-MOSFETs SCT30N120 (1200V 80 mvon STMicroelectronics. In dem Testaufbau wurden 10 Gate-Widerstände eingesetzt. Die MOSFETs werden mit +20 V eingeschaltet, und mit –4 V ausgeschaltet. Die gemessene Spannungsanstiegsgeschwindigkeit der Schaltflanken beträgt 10 kV/µs. Der Strom wird über drei 5 m-Shunts in Kombination mit Sigma-Delta-Modulatoren 2-ter Ordnung erfasst [8]. Bild 7: Laboraufbau der Leistungsleiterkarte des SiC-MOSFET Umrichters [7]. Bei der Betrachtung der Verlustleistung dominieren die Kupferverluste (i²·R) der Motorwicklung mit ca. 137 W bei Raumtemperatur (20°C) bzw. ca. 200 W, wenn die Wicklung die maximal zulässige Temperatur von 140°C erreicht hat. Falls der Motor mit Haltebremse ausgestattet wird, so fallen weitere 18 W zum Lüften der Bremse an. Bei der FPGA-basierten Steuerkarte (Altera Cyclone EP4CE55) beträgt die Leistungsaufnahme 2,0 W. Die Steuerkarte basiert auf der EBV-Altera Motor-Control-Platform „FalconEye FPGA“ und wurde auf die notwendigen Komponenten reduziert [9, 10]. Die Ressourcen des FPGAs werden nur zu Hälfte genutzt, wodurch alternativ das etwas SPS / IPC / Drives 2013 356 Krah, Richter, Toubin, Wiese kleinere, für den Automotive-Temperaturbereich spezifizierte FPGA (EP4CE40) eingesetzt werden kann. Insgesamt vier Schaltnetzteile stellen die benötigten, galvanisch getrennten Versorgungsspannungen für Gate-Treiber und Sigma-Delta-Modulatoren bereit. Bei einer Taktfrequenz von 8 kHz beträgt die aufgenommene Leistung 1,7 W. Die gemessene Leistungsaufnahme der mit 8 kHz getakteten Endstufe (IMOTOR = 0 A) beträgt (600 V • 10 mA) 6 W. Das entspricht den Verlusten von drei Metern abgeschirmter Leitung. Beim Nennstrom kommen noch 15,6 W (3 • 5,2 W) entsprechend Tab. 1 dazu. In Summe beträgt die Verlustleistung bei dem SiC-Umrichter knapp 10 W bei einem unbestromten Motor bzw. 25 W bei Nennstrom. Bei einer IGBT-Endstufe mit 5 m Motorleitung würden bei Nennstrom 94 W (10 W + 3 • 24,5 W + 10 W) Verluste auftreten. Bei diesem Vergleich ist der höhere Grundschwingungsstrom durch die Anschlussleitung bei einem Standard-Umrichter noch nicht berücksichtigt. Die Verluste des SiC-Umrichters sind damit kleiner als 1% von der Motornennleistung, bzw. betragen nur ca. ein Achtel der Motorkupferverluste. Mit einem Derating von nur 2 % entspricht die Gesamtverlustleistung des Motors mit integriertem SiC-Umrichter der eines Standard-Servomotors mit Haltebremse. 8. Zusammenfassung Durch den Einsatz von Silizium-Carbid-MOSFETs können besonders energieeffiziente Umrichter realisiert werden. Das gilt insbesondere, wenn man den Umrichter direkt in den Motor integriert. Einerseits müssen die Kapazitäten der abgeschirmten Kabel nicht unnötig geladen bzw. entladen werden, anderseits ermöglicht der hohe Wirkungsgrad eine besonders kompakte Bauweise. Die Ströme über die Versorgungsleitung sind geringer und verursachen dadurch weniger Verluste. Der Umrichter wird über Echtzeitethernet, z.B. EtherCAT in eine übergeordnete Steuerung eingebunden. 9. Literatur 1. J.O. Krah, Ch. Klarenbach, J. Achterberg: „Modulare Antriebsregelung für Servoantriebe in der Automatisierungstechnik“, SPS/IPC/Drives Kongress, Nürnberg, Nov. 2010, S 111-120. 2. Beckhoff Motorleitung, 4x1,5 + 2x(2x0,75) mm², verzinntes Kupfergeflecht mit ≥ 85 % optischer Bedeckung, www.Beckhoff.com 3. N-channel 600 V, FDmesh™ II Power MOSFET (with fast diode), STMicroelectronics, www.st.com 4. Datasheet: SCT30N120: 1200V 20A N-channel SiC MOSFET, STMicroelectronics, www.st.com 5. Datasheet: IGBT4, 1200V 25A, FS25R12W1T4, Infineon, www.infineon.com 6. Dokumentation Synchron Servomotor AM8000 und AM8500, www.Beckhoff.com 7. A. Boulassouak, „Aufbau und Inbetriebnahme eines SiC-MOSFET Wechselrichters“, Bachelor-Arbeit, FH Köln, 2013. 8. Datasheet: ACPL 796, 2nd order Sigma-Delta-Modulator, Avago Technologies, www.avagotech.com 9. FalconEye Motor Control Platform, EBV/Altera, www.altera.com/endmarkets/industrial/motor-control/falconeye/ind-falconeye.html 10. Y. Önder: „FPGA-basierte Steuerung für einen MOSFET-Wechselrichter“, Bachelor-Arbeit, FH Köln, 2012. SPS / IPC / Drives 2013 357 Krah, Richter, Toubin, Wiese