Europas Jugend braucht ein Recht auf Mobilität

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Wirtschaft
SE IT E 10 · D O N N E R S TAG , 2 0 . F E B RUA R 2 0 1 4 · NR . 43
F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G
Wirtschaft kämpft für Steuerselbstanzeige
Deutschland erwägt,
strafbefreiende
Selbstanzeigen für
Steuerhinterzieher zu
erschweren. Das passt
der Wirtschaft nicht.
Griechenland geht
jetzt den umgekehrten
Weg.
mas./tp. BERLIN/ROM, 19. Februar. Acht
Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft befürchten, dass die geplante Verschärfung der strafbefreienden Selbstanzeige zu einer massenhaften Kriminalisierung üblicher Änderungen führt. „Wegen
der hohen Komplexität des Steuerrechts,
der kurzen Anmeldefristen, häufig vorgenommener kurzfristiger Rechtsänderungen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung sowie sich laufend ändernder Verwaltungsauffassungen lassen sich nachträgliche Korrekturen von Steuererklärungen und Steueranmeldungen im Unternehmensbereich auch bei größter Sorgfalt
nicht völlig vermeiden“, heißt es warnend
in einem gemeinsamen Brief an die Finanzstaatssekretäre von Bund und Ländern. Diese werden am 6. März über die
Reform beraten. Ihre Empfehlung soll
Grundlage der Beratung der Finanzminister Ende März werden. Die Korrektur solcher Fehler müsse sanktionsfrei möglich
sein, mahnen die Wirtschaftsverbände.
Sie dringen darauf, die Voranmeldung
etwa zur Umsatzsteuer und Lohnsteuer anders zu behandeln als eine unvollständige
Einkommensteuererklärung.
Aktuell ringen Bund und Länder um
eine Verschärfung des geltenden Rechts.
Befeuert wird die Diskussion durch die
wachsende Zahl von Selbstanzeigen infolge aktueller Fälle prominenter Steuersünder. So haben die Selbstanzeigen der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer und die Verurteilung des ehemaligen „Zeit“-Herausge-
Arbeit im Verborgenen: Steuerfahnder
bers Theo Sommer für Schlagzeilen gesorgt. Als vor einem Jahr der Fall des FCBayern-Präsidenten Uli Hoeneß bekannt
wurde, haben die Finanzminister eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Sie hat sich zwar
grundsätzlich für eine Beibehaltung der
Selbstanzeige ausgesprochen, aber zugleich Ansatzpunkte für eine Verschärfung herausgearbeitet.
Die Wirtschaftsvertreter stufen diese
Vorschläge aus Unternehmenssicht als
problematisch ein. Damit werde zum einen die strafbefreiende Selbstanzeige ausgehöhlt. Zum anderen sehe man die Gefahr, dass es für Unternehmen noch
schwieriger werden könnte, Steuererklä-
Foto dpa
rungen zu korrigieren, ohne in das Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden zu geraten. „Wir sehen mit Sorge, dass die strafbefreiende Selbstanzeige in Teilen so erschwert werden soll, dass sie Gefahr läuft,
in der Praxis kaum noch angewendet zu
werden“, sagte Matthias Lefarth, Steuerabteilungsleiter beim Zentralverband des
deutschen Handwerks.
Insbesondere dringt die Wirtschaft darauf, dass Voranmeldungen mehrfach korrigiert werden können. In diesem Punkt haben sich die Vertreter der Finanzminister
schon auf die Unternehmen zubewegt. Sie
erwägen, eine eigenständige Regelung für
die Umsatzsteuervoranmeldung und Lohn-
steueranmeldung zu schaffen. „Die dazu
von der Facharbeitsgruppe unterbreiteten
Lösungsvorschläge gehen in die richtige
Richtung“, meinte Lefarth. Doch brauche
man hier noch einige Klarstellungen und
Ergänzungen.
Der Präsident des Deutschen Steuerberaterverbands, Harald Elster, lobte diesen
Vorschlag der Arbeitsgruppe: „Es ist
höchste Eisenbahn, dass für diesen Bereich eine gesetzliche Ausnahme geschaffen wird“, sagte er dieser Zeitung. Derzeit
müssten Unternehmer latent ein Steuerstrafverfahren fürchten, weil den eng getakteten Voranmeldungen unzählige Geschäftsvorfälle zugrunde lägen. Bei der
Korrektur versehentlicher Fehler sei es unklar, ob es sich um eine einfache Berichtigung oder eine Selbstanzeige handele.
Deutschland ist mit dem Angebot an
Steuersünder, sich nachträglich steuerehrlich zu machen, keine Ausnahme unter
den Industrieländern. Eine Selbstanzeige
mit strafbefreiender oder strafmildernder
Wirkung gibt es auch in Frankreich, Großbritannien, der Schweiz und Österreich.
Auch andere Länder, die das nicht kennen, haben wiederholt zu einer Amnestie
gegriffen, um eine Brücke in die Steuerehrlichkeit zu schlagen.
Der griechische Justizminister Charalambos Athanasiou kündigte derweil an,
er wolle im Parlament einen Entwurf vorlegen, der reuigen Sündern Strafmilderung verspricht. Bisher können Untreue
und Korruption zu Lasten des griechischen Staates mit lebenslanger Haft geahndet werden. Nun plant der Justizminister für reuige Sünder Strafmilderung, zum
Teil eine nur auf Bewährung ausgesetzte
Bestrafung. Das Gesetzesvorhaben soll
sich nicht nur mit Steuersündern befassen, sondern auch mit Korruption und unterschlagenen öffentlichen Geldern. Vor
wenigen Tagen sorgte die Nachricht für
Aufsehen, dass ein namentlich nicht genannter griechischer Geschäftsmann für
Steuerhinterziehung von 11,9 Millionen
Euro zu einer Gefängnisstrafe von sechseinhalb Jahren verurteilt worden war. In
Griechenland wird das Volumen der hinterzogenen Steuergelder auf rund 40 Milliarden Euro geschätzt, gegenüber offiziellen Einnahmen von 53 Milliarden Euro.
Gleichzeitig zum erleichterten Weg in
Richtung Steuerehrlichkeit versucht die
griechische Regierung, mit umfassenden
Datensammlungen die Möglichkeiten der
Steuerhinterziehung einzuschränken. Für
2013 wird bereits versucht, alle Informationen über Ausgaben der griechischen
Bürger in einer zentralen Datenbank zusammenzuführen, vom Schulgeld bis zur
Kreditkartenzahlung. Der Anreiz, Nebenjobs zu verheimlichen, soll dadurch verringert werden, dass den Griechen bereits
ein vorab ausgefülltes Steuerformular mit
den aus dem Vorjahr bekannten Einnahmen zugestellt wird.
Amerika bremst Deutsche Bank aus
Notenbank verschärft Auflagen für Auslandsbanken / Amerikanische Banken fürchten „Vergeltung“ in der EU
ham./hmk./nks. FRANKFURT/BRÜSSEL
NEW YORK, 19. Februar. Die Notenbank
der Vereinigten Staaten hat neue Auflagen für Auslandsbanken verabschiedet,
die die Geschäfte der Deutschen Bank
und bis zu 20 weiterer internationaler
Großbanken erschweren und verteuern
werden. Analysten beziffern die zusätzlichen Kosten allein für die Deutsche Bank
auf 220 bis 650 Millionen Euro. Außerdem werde die Deutsche Bank 7 bis 8 Milliarden Euro mehr Eigenkapital in Amerika
vorhalten müssen.
Banker an der Wall Street hatten den
seit mehr als einem Jahr diskutierten und
am Dienstag von der Fed verabschiedeten
Plänen schon einen Spitznamen verpasst.
„Das heißt hier Anti-Deutsche-Bank-Regel“, sagte Frederick Cannon, Chef der Aktienanalyse bei der New Yorker Investmentbank Keefe, Bruyette & Woods, kürzlich vor Journalisten. Der Grund: Die
Deutsche Bank spielt unter den europäischen Banken mit die größte Rolle an der
Wall Street. Ebenfalls stark betroffen dürften Institute wie die britische Barclays
und die Schweizer UBS und Credit Suisse
sowie die französische BNP Paribas sein.
Die Deutsche Bank hielt sich am Mittwoch bedeckt zu den Folgen. Man werde
den Regeln „vollständig entsprechen“.
„Wir sind überzeugt, dass sich unser amerikanisches Geschäft weiter positiv entwickeln wird“, sagte ein Sprecher. Für die
Bank sollen die Vereinigten Staaten, wo
sie ein Viertel ihrer Erträge erwirtschaftet, ein Kernmarkt bleiben. Nach den
jüngsten verfügbaren Zahlen hat sie 130
Milliarden Euro an Krediten, rund ein
Drittel ihres gesamten Kreditvolumens,
in Nordamerika vergeben. Das ist mehr
als im Heimatmarkt Deutschland. 9900
Mitarbeiter der Deutschen Bank, rund
zehn Prozent ihrer gesamten Belegschaft,
arbeiten in Nord- und Südamerika, davon
der überwiegende Teil in den Vereinigten
Staaten.
Die anderen deutschen Banken sind in
Amerika dagegen deutlich kleiner. Die DZ
Bank, das Spitzeninstitut der Volks- und
Raiffeisenbanken, hat eine Filiale in New
York mit 85 Mitarbeitern, die Landesbank
Hessen-Thüringen beschäftigt 90 Mitarbeiter. Auch die Commerzbank hat in Amerika ein Geschäftsvolumen von weniger als
50 Milliarden Dollar.
keinen vergleichbaren Anforderungen unterliegen“, sagte Kemmer.
Eine Kapitalerhöhung wird bei der
Deutschen Bank durch die verschärften
Auflagen vermutlich nicht notwendig.
Aber sie könnten bedeuten, dass die Bank
schneller an ihre Wachstumsgrenzen
stößt. Amerikanische Banken, die davon
profitieren dürften, scheinen über die neuen Auflagen aber auch nicht glücklich zu
sein. „Banken an der Wall Street rechnen
mit Vergeltung durch die europäischen Behörden“, berichtete Analysechef Cannon
von Keefe, Bruyette & Woods.
EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier hatte in der Vergangenheit schon Gegenmittel angekündigt. Am Mittwoch ließ
er aber offen, ob er Vergeltungsmaßnahmen gegen die Amerikaner ergreifen wolle.
Die EU-Kommission werde die neuen Regeln zunächst genau darauf untersuchen, inwieweit sie den internationalen Wettbewerb verzerrten, und zu gegebener Zeit reagieren, sagte die Sprecherin von Barnier.
Es sei zwar positiv, dass die Federal Reserve die Regeln für die Auslandsbanken noch
ein wenig entschärft habe. Die Fed hat den
Auslandsbanken bis Juli 2016 ein Jahr
mehr Zeit für die Befolgung der neuen Vorschriften gegeben. Zudem wurde die
Schwelle der Bilanzsumme, ab der die Regeln gelten, angehoben. Die schon im vergangenen April angesprochenen Hauptkritikpunkte der Europäer hätten die Amerikaner aber ignoriert. So werde in den Regeln
nicht berücksichtigt, welchen Auflagen
und welcher Aufsicht ausländische Banken
im eigenen Land unterworfen seien. Zudem verursache die Verpflichtung, eine
Zwischenholding für das amerikanische
Geschäft zu schaffen, zusätzliche Kosten.
Und schließlich würden die Aufsichtsbehörden des Heimatlandes nicht eingebunden.
Das widerspreche dem Ziel, die globale Aufsicht über Banken in der zuständigen Behörde des Heimatlandes zu konzentrieren. Außerdem ignorierten die
Amerikaner die Absprache, in Fragen
der Bankenaufsicht international eng zu
kooperieren. Der für Regulierung zuständige Fed-Gouverneur Daniel Tarullo
sieht das anders. „Der wichtigste Beitrag
zum internationalen Finanzsystem, den
wir leisten können, ist es, die Stabilität
des amerikanischen Finanzsystems zu sichern.“ (Kommentar, Seite 16)
Standpunkt: Béatrice Angrand und Markus Ingenlath
Mindestlohn in Amerika
kostet Arbeitsplätze
pwe. WASHINGTON, 19. Februar. In den
Vereinigten Staaten gewinnt der Streit
um eine Erhöhung des Mindestlohnes an
Lautstärke. Das unabhängige Budgetbüro
des Kongresses, das oft als Schiedsrichter
in politischen Streitfragen akzeptiert
wird, hat berechnet, dass eine Erhöhung
des Mindestlohns um fast 3 Dollar auf
10,10 Dollar je Stunde rund 500 000 Arbeitsplätze oder 0,3 Prozent der Beschäftigung kosten würde. Der Regierung passt
dieses Ergebnis nicht. Sie hält dem Büro
vor zu vernachlässigen, dass höhere Löhne die Arbeitszufriedenheit und damit die
Produktivität steigerten. Der Vorsitzende
des Rats der Wirtschaftsberater, Jason
Furman, verwies auf Studien, denen zufolge ein höherer Mindestlohn keine Arbeitsplätze koste.
Präsident Barack Obama hat eine Erhöhung des bundeseinheitlich gesetzten
Mindestlohnes von derzeit 7,25 Dollar
auf 10,10 Dollar je Stunde zu einem der
Kernthemen vor der Kongresswahl im November gemacht. In 21 Staaten und in der
Hauptstadt Washington liegt der regional
gesetzte Mindestlohn höher als der Mindestlohn, der für alle Staaten verpflichtend ist. Die Republikaner warnen vor
dem Verlust von Arbeitsplätzen. Die Ökonomen des Kongressbüros bedienen dabei beide Seiten des politischen Streits.
Auf der einen Seite prognostizieren sie einen Verlust von 500 000 Stellen, der aber
auch fast null oder eine Million betragen
könne. Auf der anderen Seite würde eine
Erhöhung des Mindestlohnes auf 10,10
Dollar die Einkommen von 16,7 Millionen Amerikanern steigern und rund
900 000 Menschen aus der Armut befreien. Die Folgen für das Staatsdefizit halten
die Fachleute für gering und im Gesamtergebnis für unklar.
Auf diese Bilanzsumme hat die Fed die
Schwelle gelegt, von der an sie künftig von
Tochtergesellschaften ausländischer Großbanken mehr Eigenkapital und mehr flüssige Mittel verlangt. Bislang genügte es,
wenn die im Ausland sitzende Muttergesellschaft genügend Kapital nachweisen
konnte, um mögliche Verluste abzufedern.
Dazu müssen die Institute ihre Wertpapieraktivitäten zukünftig unter einer zwischengeschalteten Dachgesellschaft zusammenfassen. Die Fed will mit den Regeln vermeiden, dass ausländische Banken im Krisenfall von amerikanischen
Steuerzahlern vor der Insolvenz bewahrt
werden müssen. Während der Finanzkrise
hatten Auslandsbanken, darunter die
Deutsche Bank, in großem Stil auf Notkredite der Fed zurückgegriffen.
Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des privaten deutschen Bankenverbandes, kritisierte den Zwang, eine Zwischenholding einzurichten und auf dieser Ebene zusätzliche Kapital- und Liquiditätsvorgaben erfüllen zu müssen. „Das ist ein
deutlicher Wettbewerbsnachteil für europäische Banken, da ihre amerikanischen
Wettbewerber in der Europäischen Union
Europas Jugend braucht ein Recht auf Mobilität
er als Schüler, Auszubildender,
Student oder Berufsanfänger in
der Europäischen Union mobil
sein will, muss immer noch zahlreiche
Hürden überwinden. Angesichts der in
einigen EU-Staaten immens hohen Jugendarbeitslosigkeit müssen diese rasch
eingerissen werden, damit die betroffene Generation noch die Chancen erhält,
die sie verdient. Als starke Nachbarn
müssen Deutschland und Frankreich dabei die treibenden Kräfte sein.
Dem im vergangenen Jahr gegebenen
Versprechen der EU-Staats- und -Regierungschefs, jedem arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren künftig binnen vier
Monaten ein Angebot für einen Arbeits-,
Ausbildungs- oder Praktikumsplatz zu unterbreiten, müssen schnell Taten folgen.
Es geht darum, die Zusagen mit Leben zu
erfüllen und konkrete Schritte zum Abbau von Hindernissen zu gehen.
Für die Jugendgarantie sind im EUHaushalt 6 Milliarden Euro bis zum Jahr
2020 veranschlagt. Zusätzlich wurden
Erasmus+, das neue EU-Programm für
Bildung, Jugend und Sport, sowie eine
europäische Ausbildungsallianz gestartet. Deutschland will zudem mit der Aktion „Job of my Life“ junge Arbeitslose
aus anderen EU-Staaten anwerben, um
den Fachkräftemangel zu bekämpfen.
Mit 140 Millionen Euro sollen unter anderem Sprachkurse finanziert werden.
Die Initiativen sind begrüßenswert,
doch lange nicht ausreichend. Das
Deutsch-Französische
Jugendwerk
(DFJW) fordert daher, das EU-Grundrecht auf Freizügigkeit durch ein Recht
auf Mobilität für alle jungen Menschen
in Ausbildung oder am Berufsbeginn
W
fassbarer zu machen und dem bestehenden Recht auf Bildung an die Seite zu
stellen. Die Nationalstaaten müssen so
verpflichtet werden, Hürden abzubauen,
um den Jugendlichen freie Bahn zu geben.
Béatrice Angrand ist Generalsekretärin des Deutsch-Französischen
Jugendwerks.
Für Praktikanten schufen Deutschland und Frankreich im zurückliegenden
Jahr einen gemeinsamen rechtlichen Status, den das Jugendwerk vorbereiten
half und heute in seinem Austauschprogramm Praxes nutzt. Das erleichtert die
berufliche Mobilität. Es verspricht zudem, junge Menschen im Anschluss an
die Praktika in eine Anstellung zu bringen. Eine solche Initiative sollte auf die
gesamte EU ausgeweitet werden.
Es liegt an den Regierungen, aber
auch an der Wirtschaft, sich mit dem
Angebot solcher Möglichkeiten den
Herausforderungen der Jugendarbeitslosigkeit zu stellen. Ein gutes Beispiel
gibt der deutsch-französische Luft- und
Raumfahrtkonzern EADS, der seit Januar je 50 Praktikanten in beiden
Ländern beschäftigt – mit Perspektive
auf anschließende Anstellung. Das Jugendwerk und seine Partner schlagen
die jungen Menschen vor und begleiten
Markus Ingenlath ist Generalsekretär des Deutsch-Französischen JuFotos Laurence Chaperon
gendwerks.
sie bei der interkulturellen Lernerfahrung.
Die Anerkennung von Schul- und Ausbildungsabschlüssen sollte zwischen den
EU-Mitgliedsländern ebenfalls selbstverständlich werden. Darüber hinaus müssen in den nationalen Bildungssystemen
mehr Anreize gesetzt werden, über das
obligatorische Englisch hinaus auch weitere europäische Sprachen zu lernen. Allzu oft werden Auslandsaufenthalte eher
als vermeidbare Unterbrechungen der
Schullaufbahn denn als wichtiger Bestandteil der Ausbildung gesehen.
Das Mobilitätsrecht darf schließlich
nicht nur jungen Menschen in Ausbildung oder Praktikanten vorbehalten blei-
ben. Gerade für Berufseinsteiger ist es
häufig hochkompliziert, sich in einem
EU-Mitgliedstaat selbständig zu machen. Wenn aber Unternehmensgründungen eine Antwort auf die Beschäftigungskrise sein sollen, muss der Karrierestart im EU-Ausland signifikant vereinfacht werden. Auch hier helfen keine
Sonntagsreden, sondern nur ein entschlossener Abbau von Hindernissen.
Die größte Herausforderung im
Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit
bleibt, sozial benachteiligte junge Menschen zu erreichen. Sie erwägen den
Schritt ins EU-Ausland häufig schon deshalb nicht, weil Sozialleistungsansprüche wegfallen. Hier müssen im Ausland
erworbene Kompetenzen anerkannt werden. Den Anreiz, sich etwa auf eine
neue Sprache einzustellen, erhalten sie
durch die Mobilitätserfahrungen von
selbst – viele Beispiele aus acht Millionen jungen Menschen in 50 Jahren zeigen dies.
Mobilitätserfahrung außerhalb des eigenen Landes als fester Bestandteil der
Ausbildung war zu Zeiten der fahrenden
Gesellen einst selbstverständlich in Europa. Heute gilt es, die Chancen dieser
Mobilitätserfahrung neu zu beleben. Sie
ist ein Schlüssel bei der Bekämpfung der
Jugendarbeitslosigkeit. Die EU kann
und muss jungen Menschen eine Perspektive geben, wenn sie das große Projekt der Einigung unseres Kontinents in
Frieden und Freiheit weiter überzeugend vermitteln will.
Das DFJW ist eine internationale Organisation im
Dienst der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Seit 1963 ermöglichte es acht Millionen
jungen Deutschen und Franzosen die Teilnahme
an rund 300 000 Austauschprogrammen.
EZB-Urteil erst
in zwei Jahren
erwartet
jja. BERLIN, 19. Februar. Die Rechtsvertreter des Bundestags rechnen damit, dass der Europäische Gerichtshof
erst im Jahr 2016 über den Ankauf von
Staatsanleihen durch die Europäische
Zentralbank (EZB) entscheiden wird.
Das verlautete aus einer nichtöffentlichen Sitzung des Rechtsausschusses
vom Mittwoch. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehr als 3000 Klagen ausgesetzt und bei den Luxemburger Richtern angefragt, ob sie die Ankündigung eines unbegrenzten Kaufs
durch EZB-Präsident Mario Draghi für
vereinbar mit dem Europarecht halten.
Die Karlsruher Richter haben beim
EuGH allerdings kein beschleunigtes
Verfahren beantragt (F.A.Z. vom
13. Februar). Die drei Staatsrechtslehrer, die den Bundestag vor dem Verfassungsgericht vertreten, erwarten nicht,
dass der EuGH von sich aus ein Eilverfahren ansetzen wird.
Umso fraglicher ist damit aus ihrer
Sicht, welche Folgen am Ende das Urteil aus Karlsruhe haben wird. Das
Bundesverfassungsgericht hat dem
EuGH in seiner Vorlage zu verstehen
gegeben, dass es die Ankäufe für unzulässig hält und sich das letzte Wort darüber vorbehält. Zugleich machte es
aber deutlich, dass es sich dem Votum
der Luxemburger Kollegen beugen würde, wenn diese gewisse Grenzen für
ein Ankaufprogramm markieren würden. Nach Ansicht der Prozessbevollmächtigten des Parlaments könnte das
Karlsruher Gericht im Extremfall die
Regierung zu Neuverhandlungen über
die EU-Verträge zwingen, nicht aber
der EZB Vorschriften machen.
Gabriel legt Entwurf
zur EEG-Reform vor
ami. BERLIN, 19. Februar. Das Bundeswirtschaftsministerium hat den
„Entwurf eines Gesetzes zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften des Energiewirtschaftsrechts“ fertiggestellt. Er soll
nun unter den Ressorts abgestimmt
werden, bevor das Kabinett ihn sich
am 8. April als Gesetzentwurf zu eigen
machen will. Allerdings sind besonders kontroverse Themen in dem dieser Zeitung vorliegenden 222 Seiten
starken Papier weiterhin ausgeklammert: So fehlen Details für die geplante Belastung der Eigenstromerzeugung
mit der EEG-Umlage ebenso wie das
künftige Procedere zur Befreiung besonders stromintensiv produzierender
Unternehmen von der Umlage.
EU-Hausbank fördert
mehr Firmen denn je
wmu. BRÜSSEL, 19. Februar. Die Europäische Investitionsbank (EIB) lobt sich
für ihren Beitrag zur Bewältigung der
Krise. EIB-Präsident Werner Hoyer sagte am Mittwoch in Brüssel, die
EU-Hausbank habe den Auftrag der
EU-Staaten „voll erfüllt“, der mit der
vor einem guten Jahr erfolgten Kapitalerhöhung um 10 Milliarden Euro einherging. 2013 stieg das Kreditvolumen der
EIB-Gruppe, die aus der Bank und dem
Europäischen Investitionsfonds besteht,
im Vergleich zum Vorjahr um 37 Prozent auf etwa 75 Milliarden Euro. Die
Steigerung gehe auf die zusätzlichen
Aufgaben zurück, die der EIB in der Krise zugewachsen seien. Vorrang habe die
Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen gehabt. Die restlichen Kredite entfielen auf die Förderung von Klimaschutzprojekten, die Forschungsund Innovationsförderung und Infrastrukturprojekte. Die EU-Staats- und
-Regierungschefs hatten der EIB im Juni
eine zentrale Rolle in der Bekämpfung
der Jugendarbeitslosigkeit zugewiesen.
Die Bank legte ein eigenes Programm
von 6 Milliarden Euro auf. Sie hat diese
Zielgröße schon im zweiten Halbjahr
2013 deutlich überschritten und Kredite
von 9 Milliarden Euro vergeben.
Weidmann zu mehr
Liquiditätshilfe bereit
ppl. FRANKFURT, 19. Februar. An
den Finanzmärkten wird weiterhin
über neue Liquiditätshilfen der Europäischen Zentralbank (EZB) spekuliert. Eine Möglichkeit wäre, dass die
EZB darauf verzichtet, das Geld, das
sie mit den Anleihekäufen von 2010
bis 2012 in den Markt gegeben hat – davon sind noch gut 175 Milliarden Euro
übrig –, Woche für Woche wieder aus
dem Markt herauszuziehen („absorbieren“). Bundesbank-Präsident Jens
Weidmann zeigt sich relativ aufgeschlossen dafür. Die grundlegenden
Problematiken des Staatsanleihekaufs
der Zentralbank würden durch die Absorption ohnehin nicht geheilt. „Wenn
ein Aussetzen dieser Geschäfte in der
aktuellen Lage als hilfreich angesehen
wird, um Schwankungen am Geldmarkt zu verhindern und die expansive
Ausrichtung der Geldpolitik zu unterstreichen, wäre dies aus meiner Sicht
mit wesentlich weniger Nebenwirkungen verbunden als viele der derzeit
sonst diskutierten Maßnahmen“, sagte
Weidmann dieser Zeitung.
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