Ganzheitliche Evaluation der Nachhaltigkeit von Finanzanlagen VON PROF. VOLKMAR LIEBIG Das Thema Nachhaltigkeit bei Finanzanlagen findet seinen medialen Niederschlag, die Umsetzung ist jedoch eher verhalten. Viele Anleger zögern vielleicht auch wegen der Begriffsvielfalt und Verschieden­ artigkeit der Ansätze. Prof. Volkmar Liebig von der avesco AG widmet sich in diesem Beitrag der Eva­ luierung von Nachhaltigkeit bei Anlagen. Dabei beschreibt er, wie ein ganzheitliches Bewertungsmodell aussehen könnte, und zeigt beispielhaft, wie eine an diesem Ansatz ausgerichtete Nachhaltigkeits­ prüfung durchgeführt werden sollte. report 01 2015 © Copyright 2015, Absolut Research GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Die Vervielfältigung, Veränderung und/oder ­Ver­breitung von Inhalten des A ­ bsolut Report ist nur mit schriftlicher Genehmigung der Absolut Research GmbH gestattet. | esg-faktoren 49 Einführung Die als nachhaltig bezeichneten Investments haben ein enormes Wachstum. In der SRI-Study 2014 von Eurosif wird aufgeführt, dass zwischen den Jahren 2011 und 2013 nachhaltige Themenfonds um 23 % und Investitionen unter dem Begriff „Impact Investment“ in Europa um etwa 130 % gewachsen sind, wobei der Gesamtmarkt lediglich um 22 % wuchs.1 Ausschlusskriterien, wie zum Beispiel Streumunition, spielen mit über 40 % die dominierende Rolle für nachhaltig bezeichnete Anlagestrategien. Es drängt sich die Frage auf, ob bei aller Euphorie hinsichtlich des Wachstums nachhaltiger Anlagen wirklich nachhaltig investiert wird. Durch Ausschlusskriterien werden bestimmte Investitionen vermieden, aber die nicht ausgeschlossenen Investitionen sind deshalb nicht ohne nähere Prüfung als nachhaltig einzustufen. Um dieses Dilemma aufzulösen, bedarf es einer anderen Perspektive der Evaluation der Nachhaltigkeit, die im Folgenden dargestellt wird. 1 Überblick Nachhaltigkeitsfonds lassen sich entsprechend der gängigen Kategorisierung in generelle und spezielle Fonds einteilen. Abbildung 1 zeigt diese Einteilung und macht deutlich, dass zwischen strikter Auslegung aller SRI-Kriterien, der Berücksichtigung einzelner SRI-Kriterien und Themen bzw. Spezialitäten unterschieden wird. Generell sind Geldanlagen gemeint, die neben den wirtschaftlichen Anlagezielen Rendite, Sicherheit und Verfügbarkeit auch ethische Wertvorstellungen des Anlegers berücksichtigen (Socially Responsible Investment). Grundlegend dafür sind die Aspekte Ökologie, Soziales und Unternehmensführung (Environment, Social, Governance), die sog. ESG-Kriterien, die jedoch nicht mit nachhaltigen Geldanlagen gleichzusetzen sind, weil vor allem Kriterien für den ökonomischen Erfolg von Unternehmen und Anlagen angesetzt werden. Die United Nations Principles for Responsible Investment (UN-PRI), die globale Investoreninitiative, die mit der United Nations Environmental Programme Finance Initiative (UNEP) und dem Global Compact kooperiert, haben etwa 1.300 Großinvestoren, Vermögensverwalter und Finanzdienstleister unterzeichnet und sich damit zu „Grundsätzen für nachhaltiges Investment“ bekannt.2 Der Leitfaden des UN-PRI soll die Umsetzung nachhaltiger Anlagestrategien bewirken und umfasst u.a. den Einbezug von ESG-Themen in den Investmentprozess und die angemessene Offenlegung dieser Themen sowie die Berichterstattung über die Umsetzung der PRI. Insoweit sind die UN-PRI ein genereller Rahmen, die Verantwortung für die Auswirkungen des Unternehmertums und der Finanzinvestitionen zu stärken. 2 Drei Stufen der Nachhaltigkeit Die Sicht- und Herangehensweise, um die Nachhaltigkeit von Investments zu ermitteln, ist sehr different. Es lassen sich zur Systematisierung der Nachhaltigkeit drei Stufen unterscheiden: 1 Klassifizierung von Nachhaltigkeitsfonds Nachhaltigkeitsfonds Generelle Nachhaltigkeitsfonds Spezielle Nachhaltigkeitsfonds Strenge Auslegung aller SRI-Kriterien (Core SRI) Strenge Auslegung einzelner SRI-Kriterien (Broad SRI) ThemenFonds SpezialitätenFonds Strikte Einhaltung aller SRI-Kriterien Strikte Einhaltung von mind. einem SRI-Kriterium Zum Beispiel Umweltfonds, Energieeffizienz, Microfinance Zum Beispiel Spendenfonds Auf der Grundlage von ESG-Kriterien UN-PRI United Nations Principles for Responsible Investment SRI = Socially Responsible Investment ESG = Environmental, Social and Governance Quelle: eigene Darstellung a Nachhaltigkeit ersten Grades: Negativ- bzw. Positivkriterien Wenn Investoren an Nachhaltigkeit denken, wird in erster Näherung das ausgeschlossen, in was nicht investiert werden soll. Diese Ausschlussstrategie greift eine Reihe von Branchen (wie Rüstungs- oder Tabakindustrie) bzw. Themen (wie Kernenergie, Kinderarbeit oder Alkohol) heraus, die als nicht nachhaltig bezeichnet werden. Das Dilemma dieser Auswahl besteht darin, dass normativ festgelegt wird, was nachhaltig und was nicht nachhaltig ist. Dieses Vorgehen impliziert im Umkehrschluss, dass alles, was nicht ausgeschlossen ist, als nachhaltig angesehen werden kann – allerdings ohne dass es auf Nachhaltigkeit untersucht wurde. Entsprechend wird bei der Auswahl durch Positivkriterien (wie Mikrokredite, Wasseraufbereitung, Solar- oder Windenergie) angenommen, dass dies nachhaltige Investmentthemen sind. Zusammengefasst kann die erste Stufe der Nachhaltigkeit als ein Ansatz verstanden werden, bei dem mit wenig Aufwand den Wünschen von Investoren entsprochen werden kann, bestimmte Investitionen zu vermeiden bzw. zu bevorzugen. b Nachhaltigkeit zweiten Grades: Kriteriologie, Scoring-Modelle, Best-in-Class-Prinzip und Kodizes Die Idee der Kriteriologie besteht darin, durch möglichst viele Kriterien ein Investment auf Nachhaltigkeit zu prüfen. Zum Beispiel hat der 1997 entwickelte Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden (FHL)3 , auf dem einige Nachhaltigkeitsratings (z.B. das von OekomResearch GmbH4) basieren, etwa 800 Kriterien, nach denen ökologische und ethische Aspekte von Investitionen eruiert werden. Eine Gewichtung von Kriterien durch ScoringModelle repräsentiert die Wesentlichkeit der Kriterien. Die akkumulierte Gewichtung kann die Transparenz und Plausibilität des Ergebnisses beeinflussen.5 Rangfolgen innerhalb von Clustern, das Best-in-Class-Prinzip, gibt die relative Beurteilung von Nachhaltigkeit wieder.6 Die genannten Kodizes sind im Kern Normen bzw. Werte, die als Leitlinien für das Verhalten und Entscheiden verstanden werden. Die Verbindlichkeit der Verpflichtung, sich an Kodizes zu halten, lässt sich mittelbar durch Selbstdeklarationen und öffentlich gemachte Compliance würdigen.7 Zusammen01 2015 report report Neue Perspektiven für institutionelle Investoren Das Abonnement ■ Absolut|report | 6 Print-Ausgaben pro Jahr | inkl. iOS App Die Fachpublikation für die institutionelle Kapitalanlage. Praxisrelevante Experten-Artikel für mehr Ertrag und Diversifikation. ■ Online-Portal | Zugang Premiumbereich Personalisierter Zugang zu: News mit Hintergrundinformationen, Datenbanken, Absolut|analyse und auf Rabatte für Veranstaltungen. ■ Absolut|report – Gesamtarchiv | personalisierter Zugang Wissen was wichtig ist! Recherchieren Sie in hunderten von Fachartikeln. Mit PDF-Download und Volltextsuche. ■ Absolut|performance | 12 ePublikation-Ausgaben Die Publikation mit Inexanalysen zu allen relevanten Asset-Klassen und Investmentstrategien für institutionelle Investoren. ■ Das Jahresabonnement ist für 4 weitere Leser gültig. I S S N 18 6 8 -18 3 2 analyse performance I S S N 16 16 - 5 3 7 3 Produkt- und Marktresearch für institutionelle Investoren Asset-Klassen-Analyse für institutionelle Investoren report Neue Perspektiven für institutionelle Investoren Absolut Research GmbH Absolut Research GmbH Asset-Klassen und Investmentstrategien I S S N 16 16 - 5 3 7 3 2015 Short-Duration-Fonds 2015 Mehrwert für Langfristinvestoren report Neue Perspektiven für institutionelle Investoren 05 | 2014 Liability-Driven Investments | Risikogesteuerte Multi-Asset-Strategien | Investments in Immobilienanlagen über einen Multi-Manager-Ansatz | Aktives Portfoliomanagement und die Bedeutung von Active Share | AIF-Verwahrstellen als Dienstleister | Auswirkungen von EMIR auf die Portfolioperformance | Vertrieb von Offshore- und kleinen EU-Spezialfonds auf die Portfolioperformance | Vertrieb von OffshoreBedeutung von Active Share | AIF-Verwahrstellen 05 | 2014 Liability-Driven Investments | Risikogesteuerte Multi-Asset-Strategien | Investments in Immobilienanlagen über einen Multi-Manager-Ansatz | Aktives Portfoliomanagement und die Bedeutung von Active Share | AIF-Verwahrstellen als Dienstleister | Auswirkungen von EMIR auf die Portfolioperformance | Vertrieb von Offshore- und kleinen EU-Spezialfonds Print auf die Portfolioperformance | Vertrieb von Offshore- und kleinen EU-Spezialfonds Bedeutung von Active Share | AIF-Verwahrstellen als Dienstleister | Auswirkungen von EMIR Neue Perspektiven für institutionelle Investoren | esg-faktoren 51 2 Drei Stufen der Nachhaltigkeit von Investments Stufe Nachhaltigkeit ersten Grades Nachhaltigkeit zweiten Grades Nachhaltigkeit dritten Grades Quellen (Auswahl) Corporate Responsibility Interface Center (CRIC), Ethisch-Ökologische Forschungsgruppe (EÖR), PwC, KPMG, Sustainability Intelligence Ltd. Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE), FNG, DKN Aktionäre, Grünes Geld, Oeko-Fair Anwender (Auswahl) Inrate, Sustainalytics, Sarasin, OekomResearch, Imug, KfW, Deutsche Bank, Allianz, DowJones Sustainability Index (DJSI), Natur-Aktien-Index (NAI), Steyler Bank RobecoSAM, KfW, Allianz, OekomResearch, Europäischer Transparenzkodex für Nachhaltigkeitsfonds, Forum Nachhaltiger Geldanlagen (FNG), Ethisch-Ökologisches Rating (EÖR) PricewaterhouseCoopers (PwC), KPMG, avesco Financial Services AG Exemplarische Beispiele Ausschluss z.B. von Alkohol, Kernenergie, Kinderarbeit, Rüstung, Tabak, Menschenrechts­ verletzungen, Steuerflucht bzw. -betrug, Gentechnik, Tierschutzmissachtung; Einschluss z.B. von regenerativer Energie, Microfinance, Nachhaltigkeitsbericht, Recyclingfähigkeit der Produkte Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden, Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DKN), Nachhaltigkeits­ matrix sozialer und ökologischer Auswirkungen, Corporate Social Responsibility (CSR), Environment-, Social- und Governance (ESG)-Kriterien Total Impact Measurement and Management (TIMM), „A New Vision of Value“, ganzheitliche Nachhaltigkeitsevaluation der Aspekte Ökonomie, Ökologie, Soziales und Ethik aus einheitlicher Fundamentalsicht (Ö²SE-Methode) Definition / Beschreibung Verwendung von Negativ- bzw. Positivkriterien zum Aus- bzw. Einschluss von Branchen oder Themen; keine erkennbare Systematik und schwache Argumentation für die Begründung der Kriterienauswahl Kriteriologie, Checklistensammlungen, Indikatorengruppen, Berücksichtigung von als wesentlich angesehenen Parametern der Nachhaltigkeit, (normative) Mindestanforderungen durch Kodizes, durch Best-in-Class-Auswahl relative Nachhaltigkeitseinordnung Ganzheitliche Betrachtung der Nachhaltigkeit aus ökonomischer, ökologischer, sozialer und ethischer Sicht, Begründung einer metho­ dischen bzw. theoretischen Basis, hohes ­ Maß an Plausibilität und Transparenz der Nachhaltigkeitsbeurteilung Quelle: eigene Darstellung gefasst beinhaltet die zweite Stufe der Nachhaltigkeit Ansätze, die möglichst umfassend eine Beurteilung der Nachhaltigkeit erreichen möchten. Eine Entwicklung zu einem Standard, der von allen Finanzmarktakteuren gefordert wird, ergibt sich aus der Vielfalt der Vorgehensweisen derzeit nicht. c Nachhaltigkeit dritten Grades: Vernunft und Verantwortung Aufgrund der historischen Entwicklung ist unser ursprüngliches Verständnis der Nachhaltigkeit primär von ethischen und ökologischen Aspekten geprägt. Die Studie des Club of Rome im Jahr 1972 brachte die Sorge um die Zukunft der Menschheit wegen ihres Wachstums bei begrenzten Ressourcen in das öffentliche Bewusstsein.8 Der dritte Grad der Nachhaltigkeit beinhaltet Ansätze, möglichst alle relevanten Aspekte einzuschließen. Als Ansätze für das Bemühen, eine ganzheitliche Betrachtung zu gewährleisten, können TIMM® von PwC9, „A New Vision of Value“ von KPMG10 und Ö²SE® von Sustainability Intelligence11 gelten. Im Folgenden beziehen wir uns auf die Ö²SE®-Methode, die zusammen mit der TU München entwickelt wurde und als einziges Verfahren mit einer einheitlichen Fundamentalsicht ganzheitlich die Nachhaltigkeit von Investments evaluiert.12 3 Ganzheitliche Nachhaltigkeitsprüfung a Grundsätzliches Nachhaltigkeit ist ein normativer Schlüsselbegriff geworden, dessen gewachsene Bedeutung und häufige Verwendung auf den erkennbaren und zahlreichen gesellschaftlichen Problemen beruhen: Armut, Umweltbelastungen, Klimawandel usw. Es ist wichtig, einen pragmatischen und plausiblen Ansatz des Verständnisses von Nachhaltigkeit zu entwickeln: Letztlich ist jedwedes Verhalten nachhaltig, das wir vernünftigerweise der Selbsterhaltung, des Vorbilds und der Verantwortung wegen an den Tag legen. Im Kern sind es folgende acht Tugenden (Prinzipien bzw. Effekte), die im Grunde dem „gesunden Menschenverstand“ entsprechen: 13 1.Nicht auf Kosten anderer leben ➝ Suffizienz 2.Mit dem Bestehenden so weit wie möglich auskommen ➝ Subsistenz 3.Nichts vergeuden ➝ Effizienz 4.Sein Tun möglichst in Kreisläufe einbinden ➝ Konsistenz 5.Die Widerstandsfähigkeit generell erhöhen ➝ Resilienz 6.Die Abnutzung generell vermindern ➝ Obsoleszenz 7.Wesentliche Informationen weitergeben ➝ Genetik 8.In der Zielerreichung effektiv sein ➝ Effektivität Diese grundlegenden Verhaltensweisen stellen den Referenzrahmen der Nachhaltigkeit dar, der von einer Fundamentalsicht aus betrachtet wird. b Fundamentalsicht auf das Wesentliche Um Wesentliches der Nachhaltigkeit zu erkennen, wird ein grundlegendes Prinzip auf unserem Planeten antizipiert: die Entropie. Dieser Begriff wird für unumkehrbare Prozesse verwendet, wie z.B. jeder Stoffwechsel-, Umwandlungs- oder Verbrennungsprozess, der mit Energiezufuhr verbunden ist. Da es hier generell um Veränderung von Potenzialen geht, wird Entropie auch auf andere Bereiche übertragen, wie im Sozialen die Entscheidungsfreiheit oder in der Ethik die Freiheit der Gesinnung. Gleichzeitig werden die auf der Welt vorgefundenen Verteilungsverhältnisse berücksichtigt – wobei der Zugang und Besitz von relevanten Ressourcen ungleich verteilt ist: Von einer Verteilung nach dem Pareto-Optimum, also einem Zustand, in dem es nicht möglich ist, eine Eigenschaft, Position oder einen Prozess zu verbessern, ohne Entsprechendes zu verschlechtern bzw. die faire Berücksichtigung von angemessenen Ansprüchen bzw. Interessen von Stakeholdern, sind die Gesellschaften zum Teil weit entfernt. Diese beiden Begriffe repräsentieren die Fundamentalsicht der Nachhaltigkeitsevaluation, mit der in einem 360-Grad-Rundumblick der ökonomische, ökologische, 01 2015 report | 52 esg-faktoren 3 Referenzrahmen, Fundamentalsicht und die vier Aspekte der Nachhaltigkeit Suffizienz Effektivität Subsistenz Ökonomie Pareto Genetik Ethik Ökologie Effizienz Entropie Soziales Obsoleszenz Konsistenz Resilienz Quelle: Sustainability Intelligence Ltd. 4 Beispielhafte Fragen für das explorative Vorgehen bei der Nachhaltigkeitsevaluation Ökonomie Entropie Pareto Ist das Geschäftsmodell langfristig tragfähig und unabhängig von Einmaleffekten? Bietet das Geschäftsmodell gesellschaftlichen Mehrwert bzw. Innovationen? Ökologie Entropie Pareto Werden natürliche Potenziale erhalten? Gibt es Kreislaufsysteme? Werden ökologische Belange austariert, Ökosysteme belastet? Soziales Entropie Pareto Werden persönliche Freiheiten erhalten bzw. geschaffen? Kann sich jemand besserstellen, ohne andere schlechterzustellen? Ethik Entropie Pareto Werden Menschen bevormundet? Gibt es Gesinnungsfreiheit? Wird Compliance eingehalten? Werden Stakeholder angemessen behandelt? Quelle: Sustainability Intelligence Ltd. 5 Schema für die acht Teilergebnisse des explorativen Vorgehens bei der Nachhaltigkeitsevaluation Fundamentale Perspektiven Fakten, Daten, Informationen, Marktforschung, Interviews … Ökonomie Entropie Ökologie Soziales Ethik Ausprägungen der Antworten soziale sowie ethische Aspekt einschließlich ihrer Wechselwirkungen evaluiert werden. Als Zusammenfassung von Referenzrahmen, Fundamentalsicht und der vier Aspekte ergibt sich die Abbildung 3. c Die ganzheitliche Sicht auf das Investment Die Ganzheitlichkeit des vorgestellten Ansatzes besteht aus den vier Aspekten Ökonomie, Ökologie, Soziales und Ethik (Akronym Ö²SE®), die aus der genannten Fundamentalsicht innerhalb des beschriebenen Referenzrahmens auf Nachhaltigkeit analysiert werden. Vom Verstehen des Geschäftsmodells des Investments ausgehend, werden in einem explorativen Vorgehen, einer Art Entdeckungsverfahren, diese vier Aspekte jeweils aus der Entropie-Sicht und der Pareto-Sicht untersucht. In Abbildung 4 sind beispielhaft Fragen für das explorative Vorgehen bei der Nachhaltigkeitsevaluation aufgeführt. Bei der Analyse von Daten und Fakten wird keine Kriteriologie benutzt oder z.B. Ausschlusskriterien verwendet, sondern aus Fragewolken werden jeweils die relevanten bzw. wesentlichen Fragestellungen durch die Analysten herangezogen. Durch eine Tandemorganisation mit Experte und Partner und einem zugeordneten Senior wird ausreichende Redundanz für die Evaluation erzeugt. Offen gebliebene Fragen werden bei jeder Analyse individuell an das Management gerichtet, bevor ein endgültiges Rating ermittelt wird. Durch die beschriebene Syste­ matik ergeben sich acht Einzelergebnisse, wie Abbildung 5 schematisch zeigt. Die Ausprägungen der gewonnenen Erkenntnisse haben nach dem Total-Quality-Management (TQM)-System vier verbal verankerte Stufen, und zwar voll, überwiegend, teilweise und nicht erfüllt. Durch die Stufen lassen sich die qualitativen Ergebnisse quantifizieren und schließlich in ein Messresultat, das Rating, überführen. Diese Resultate werden zunächst je Aspekt in Portfolios zusammengefasst, um dann in Zwischenportfolios (Ökonomie/Ökologie bzw. Soziales/Ethik) ihre Positionen zu ermitteln. Die Portfolios stellen die Zusammenführung von jeweils zwei unabhängigen Parametern dar. Die jeweiligen Positionen in den Zwischenportfolios führen schließlich zu einer Position im Ergebnisportfolio, das ein Nachhaltigkeitsrating zwischen A+++ und G ergibt, was der gelernten Skala für den Ausweis der Energieeffizienz entspricht. Abbildung 6 skizziert die beschriebene Vorgehensweise. Durch die transparente Ermittlung des Ratings kann der Weg seiner Entstehung zurückverfolgt werden. Es wird keine Gewichtung der Einzelergebnisse vorgenommen, sondern ein Investor kann ggf. Aspekte selbst gewichten. Wenn man die beiden Kriterien „Methodenorientierung“ und „Transparenz des Verfahrens und Ergebnisses“ als Merkmale von Nachhaltigkeitsanalysen heranzieht, werden die Unterschiede zu anderen Vorgehensweisen deutlich. auf wesentliche Fragen Pareto-Optimum 4 Anwendung Relativität der künftigen Nachhaltigkeitseffekte vom Standpunkt heute bewertet Quelle: Sustainability Intelligence Ltd. report 01 2015 Das skizzierte Vorgehen ist aufwendig, führt aber u. U. zu überraschenden Resultaten. Zwei evaluierte Unternehmen aus derselben Branche (Wärmedämmsysteme) stellten sich gleichermaßen als nachhaltig dar, weil Wärmeenergie einge- | esg-faktoren 53 6 Ermittlung des Nachhaltigkeitsratings durch Portfolios Entropie Ökonomie Portfolio I Pareto Entropie Ergebnisportfolio Ökologie Pareto Entropie Soziales A A+ A++ B B+ B++ C C+ D D+ E E+ F F+ A+++ G Pareto Prof. Volkmar Liebig Vorstand / CFO avesco Financial Services AG Berlin Entropie Ethik Pareto Portfolio II Quelle: Sustainability Intelligence Ltd. spart wird. Bei der explorativen Analyse zeigte sich, dass wegen der Verwendung verschiedener Rohstoffe die Nachhaltigkeit unterschiedlich ist und umso unterschiedlicher wird, je weiter die Verantwortung der Geschäftstätigkeit für die Rohstoffgewinnungs-, Wertschöpfungs-, Nutzungs- und Nachnutzungsphase ausgedehnt wird. Ein Investor, der nachhaltige Wirkung mit seiner Geldanlage bewirken möchte, kann durch die ganzheitliche Evaluation bereits erkennbare „Schwarze Schwäne“ meiden. 5 Identifizierung von Hidden Champions Die Autoren haben mit der Ö²SE-Methode® Welt- bzw. Kontinentalmarktführer für einen Nachhaltigkeitsfonds analysieren lassen. Da die Marktführerschaft häufig in schmalen Marktsegmenten besteht, sind diese mittelständischen Unternehmen in der Öffentlichkeit oft nicht bekannt, sodass sie als „geheime“ Marktführer (Hidden Champions) bezeichnet werden.14 Sie stammen überwiegend aus der DACH-Region und sind nur zum Teil börsennotiert. Diese Unternehmen, die mit ihrem Geschäftsmodell langjährig erfolgreich sind und von denen daher angenommen werden kann, dass sie Wesentliches richtig machen, sind bezüglich ihrer Nachhaltigkeit analysiert worden. Nur diejenigen mit einem gutem Rating (mindestens C) werden in einen Nachhaltigkeitsfonds aufgenommen. Dabei arbeiten wir mit der Hypothese, dass durch die duale positive Selektion der Zielinvestments, nämlich Welt- bzw. Kontinentalmarktführer in Verbindung mit ­einem guten bis sehr guten Nachhaltigkeitsrating, prinzipiell eine gute Voraussetzung geschaffen ist, um solide und dauerhaft Performance zu generieren. Dies hat sich in Backtestings im Hinblick auf die Wertentwicklung gezeigt. Fazit Die Ergebnisse der Methode sind Indiz dafür, dass die Annahme, auf Performance verzichten zu müssen, wenn nachhaltig investiert wird, nicht in jedem Fall richtig sein muss. Vielmehr kann die Ursache geringer Performance in der Art und Weise liegen, wie Nachhaltigkeit ermittelt wird. Wenn durch Ausschluss lediglich das Anlageuniversum schrumpft, kann das auf Kosten der Performance gehen. Wenn allerdings durch die Nachhaltigkeitsermittlung schwache Signale möglicher Risiken bzw. Ungewissheiten entdeckt werden, betreibt der Investor Risikomanagement, indem er bereits entdeckbare Risiken bzw. Ungewissheiten meidet. Und ein gutes Risikomanagement befördert die Performance. Fußnoten 1) http://www.eurosif.org/wp-content/uploads/2014/ 09/Eurosif-SRI-Study-20142.pdf(Zugriff 30.01.2015). 2) http://www.unpri.org/ (Zugriff 30.01.2015). 3) Veröffentlicht unter: http://www.ethisch-oekologisches-rating.org/veroeffentlichungen/frankfurt-hohenheimer-leitfaden (Zugriff 30.01.2015). 4) http://www.oekom-research.com/index.php? content=kooperationspartner (Zugriff 30.01.2015). 5) Kim, Kicheol, Methoden zur Evaluation der Nachhaltigkeit von Unternehmen, Centrum für Nachhaltigkeitsmanagement, Universität Lüneburg, Dezember 2002, Quelle: http://www2.leuphana.de/umanagement/ csm/ content/nama/downloads/download_ publikationen/28-3downloadversion.pdf (Zugriff 30.01.2015). 6) Z. B. Hiller, Christian v., Kritik an „Best in Class“, in: FAZ.net v. 15.02.2013, Quelle: http://www.faz. net/aktuell/finanzen/fonds-mehr/kritik-an-bestin-class-nachhaltigkeitsbranche-zieht-lehren-ausbp-desaster-12082125.html (Zugriff 30.01.2015). 7) Kodizes wie z.B. UN-PRI, Global Reporting Initiative (GRI), Deutscher Nachhaltigkeitskodex (DNK), ESG-Indikatoren der Europäischen Finanzanalysten-Organisation EFFAS u.a. 8) Meadows, Dennis u.a., Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit, Stuttgart 1972. 9) PwC (Hrsg.), Measuring and managing total i pact: A new language for business decisions. Quelle: http://www.pwc.com/gx/en/sustainability/publications/total-impact-measurement-management/ assets/pwc-timm-report.pdf (Zugriff 30.01.2015). 10)K PMG (Hrsg.), A New Vision of Value, Quelle: http://www.kpmg.com/ES/es/ActualidadyNovedades/ArticulosyPublicaciones/ Documents/ a-new-vision-of-value-2014.pdf (Zugriff 30.01.2015). 11)Sustainability Intelligence (Hrsg.), http://www.sustainability-intelligence.de/oe2se-methode/konzeptder-oe2se-methode.html.html (Zugriff 30.01.2015). 12)Liebig, Malve/Rody, Tala, Nachhaltige Investments: Definitorische Abgrenzung, Marktrecherche und Entwicklung eines Referenzrahmens für nachhaltige Investments. Projektarbeit am LS für Finanzmärkte und Kapitalmarktthemen an der Technischen Universität München (TUM) 2012. 13)Nachfolgende Ausführungen sind aus Dokumenten der Sustainability Intelligence Ltd. entnommen. Sie ist Inhaberin der Ö2SE®-Methode. 14)Vgl. dazu die einschlägige Literatur, z.B. Simon, Hermann, Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia. Die Erfolgsstrategien unbekannter Weltmarktführer, Frankfurt/New York 2012. 01 2015 report report Neue Perspektiven für institutionelle Investoren Inhalt 01 2015 kommentare Letzte Weichenstellung für Solvency II Dr. Axel Wehling, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des GDV Historisches Zinstief lässt Erwartungen an Immobilienrenditen weiter sinken Dr. Christoph Schumacher, Geschäftsführer Union Investment Institutional Property GmbH artikel Multi-Smart-Beta mit paritätischen Faktoreigenschaften Dr. Christian Jasperneite UND Dr. Ralf Budinsky, M.M.Warburg & CO I S S N 16 16 - 5 3 7 3 Mortgage-Backed Securities als Teil der Anleihenallokation von institutionellen Anlegern Gary Singleterry, Tom Mansley und Daniel Durrer, GAM report Neue Perspektiven für institutionelle Investoren Performance und Asset Allocation von Pensionskassen in Deutschland Manfred Mönch, GAC Gesellschaft für Analyse und Consulting mbH Wandelanleihen im institutionellen Portfolio Maria Vogt, Fisch Asset Management Ganzheitliche Evaluation der Nachhaltigkeit von Finanzanlagen Prof. Volkmar Liebig, avesco Financial Services AG Optimierung des Risikoreportings für Alternative Investmentfonds (AIF) Dr.-Ing. Lars Bernhard Schöne, LHI Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH Prof. Dr.-Ing. Josef ZimmermanN, TU München Vertrieb von ausländischen kollektiven Kapitalanlagen an qualifizierte Anleger in der Schweiz WOLFGANG LANDL UND SIRO ZANOVELLO, OpenFunds Investment Services AG LARS SCHLICHTING, KPMG 01 | 2015 Multi-Smart-Beta mit paritätischen Faktoreigenschaften | Pensionskassen in Deutschland | Wandelanleihen im institutionellen Portfolio | Mortgage-Backed Securities als Teil der Anleihenallokation | Nachhaltigkeit von Finanzanlagen | Risikoreporting für AIF | Vertrieb in die Schweiz | Die neue Anlageverordnung Die neue Anlageverordnung und ihre Auswirkungen auf Fondsanlagen Achim Pütz, Dr. Benedikt Weiser UND Martin Hüwel, Dechert LLP kompakt Der Spezialfondsmarkt in Deutschland, Clemens Schuerhoff, Kommalpha AG analyse CoCo-Bonds und Subordinated Financials drei fragen an Dr. Andreas Kretschmer, Ärzteversorgung Westfalen-Lippe Pflichtangaben: Vorname/Nachname als kostenloses Leseexemplar anfordern. Bereich/Funktion Bitte senden oder faxen an: [email protected], 0049 (0)40 303779-15 Unternehmen Absolut Research GmbH Große Elbstraße 277a, 22767 Hamburg Straße/Nr. PLZ/Ort Tel./Fax E-Mail WEB_AA Ja, ich möchte den Absolut|report 01 2015