Ökonomie am 2.11.2005 - Webarchiv ETHZ / Webarchive ETH

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Entwicklungsländer in der
Weltwirtschaft 19.04.2006
Wirtschaftswachstum
1
Programm
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Wachstumsbegriff
Grundlegendes zur Erklärung von
Wachstum
Harrod-Domar-Modell
Neoklassisches Modell (Solow-Modell)
Neuere Wachstumstheorien
Zusammenhang Wachstum - Armut
2
Wachstumsbegriff
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
Wachstum: Veränderung des BIP über die
Zeit
Oder: Veränderung des Pro-KopfEinkommens über die Zeit (trägt auch dem
Bevölkerungswachstum Rechnung)
Empirie 1960-1996: unterschiedliche
Wachstumsraten; Japan/Hong
Kong/Korea/Singapur wachsen mit 5,5% p.K.;
in Tchad und Madagascar halbiert sich das
PKE
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Grundlegendes zur Erklärung von
Wachstum
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Wachstumsrate bzw. Höhe des BIP (pro Kopf)
hängt ab von Menge und Qualität der
volkswirtschaftlichen Produktionsfaktoren
Produktionsfaktoren: Humankapital,
Sachkapital, Naturkapital, Sozialkapital
Die Art des Zusammenhangs wird durch die
volkswirtschaftliche Produktionsfunktion
bestimmt
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Grundlegendes zur Erklärung von
Wachstum
5
Grundlegendes zur Erklärung von
Wachstum
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Preise, Institutionen und
Produktionsfunktion spielen also
wichtige Rolle
In Wachstumsmodellen wurde zunächst
die Produktionsfunktion in den
Mittelpunkt gestellt
Traditionell wurden nur Humankapital L
und Sachkapital K beachtet
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Grundlegendes zur Erklärung von
Wachstum
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(1) Y = F (K,L)
Unterschiedliche Wachstumsmodelle
unterscheiden sich in den Annahmen über F
Wachstum ist also möglich durch Zunahme
von K (Firmen, Maschinen, Strassen,
Infrastruktur) oder von L oder von beidem
Modelle enthalten weiter Aussagen über die
Ursachen der Veränderung von K oder L
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Grundlegendes zur Erklärung von
Wachstum
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Zunächst Veränderung von K betrachtet
(2) S = s · Y
(3) S = I (für geschlossene Volksw.)
(4) ∆K = I - d·K (d: Abschreibungsrate,
konstant)
Bzw.: (4a) ∆K = s · Y - d·K
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Grundlegendes zur Erklärung von
Wachstum
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
Nun Veränderung von L betrachtet
(5) ∆L = n·L (n: Wachstumsrate von
Bevölkerung und Arbeitsmenge (“labor
force”, konstant)
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Harrod-Domar-Modell
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Annahme: Arbeit und Kapital werden in
konstantem Verhältnis zueinander eingesetzt
Produktionsfaktoren sind also limitational; die
Produktions-Isoquanten sind rechteckig
In der Regel auch konstante Skalenerträge
angenommen (wenn K und L sich
verxfachen, verxfacht sich der Output auch)
Dann bleiben auch K/Y und L/Y konstant
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Harrod-Domar-Modell
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Harrod-Domar-Modell
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Roy Harrod und Evsey Domar
entwickelten ca.1940 ihr Modell
Das Modell betont vor allem die
Bedeutung von Kapitalakkumulation für
Wachstum
Es wurde viel in Entwicklungsländern
angewendet
Modell arbeitet mit linearer
Produktionsfunktion
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Harrod-Domar-Modell
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Produktionsfunktion: (6) Y = 1/v · K
Also: v = K/Y (Kapitalkoeffizient); je
höher v, desto mehr K wird für 1
Output-Einheit benötigt
Kapitalintensive Produktionen haben
grösseres v als arbeitsintensive (z.B.
Textilbereich, Basis-Landwirtschaft)
Ineffiziente Produktionen haben
grösseres v als effiziente
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Harrod-Domar-Modell
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Wachstum: (7) ΔY = 1/v · ΔK
Wachstumsrate: (8) g = ΔY/Y =
1/v·ΔK/Y
Nun (4a) einsetzen (ΔK = sY – dK)
g = 1/v · (sY – dK)/Y = 1/v (s – dK/Y) =
1/v (s-dv)
(9) g = (s/v) – d (g; Wachstumsrate des
Einkommens)
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Harrod-Domar-Modell
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Interpretation: Investition in Sachkapital ist
wesentlicher Wachstumsmotor; Sparen als
zentrale Voraussetzung
Kernaussage: Mehr Sparen und mehr
produktive Investtionen lassen die Wirtschaft
wachsen
Wichtig für die Politik: man muss v und d
schätzen; man setzt für g ein Ziel; dann kann
man das notwendige Niveau von Sparen
bzw. Investieren bestimmen
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Harrod-Domar-Modell
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

Oder: man kann das wünschenswerte
oder mögliche s bestimmen und dann –
bei bekanntem v und d – das zu
erwartende g errechnen
Anwendung auf Volkswirtschaft
insgesamt oder auf Sektoren
Beispiel: für Korea gab das Modell für
1991-95 bzw. 1996 eine gute Prognose:
d=0,03; v = 3,5; s = 0,345; g = 0,071
und g in 1996: 0,07
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Harrod-Domar-Modell
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Vorteil des Modells: Einfachheit
Gute Prognosen für viele Länder über
einen kurzen Zeitraum hin
Daher auch in EL häufig als
Planungsmodell benutzt
Kritische Annahme aber: Volkswi. bleibt
im Gleichgewicht, mit vollbeschäftigtem
K und L
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Harrod-Domar-Modell
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Wenn K und L in der gleichen Rate wachsen sollen,
muss n = g = (s/v) – d sein; das ist unwahrscheinlich
Falls n grösser g: L ist grösser als K; es wir nicht
genügend gespart, um alle Arbeiter mit genügend K
auszustatten; es gibt Arbeitslose
Falls n kleiner g: es hat nicht genügend Arbeiter für
das zusätzliche Kapital; Kapital liegt brach; die
Wachstumsrate der Volkswi. sinkt auf n
“Knife-edge-problem”: falls n=g ist alles im GG;
andernfalls sind K oder L unterbeschäftigt
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Harrod-Domar-Modell
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
Ursache des Problems: K/Y und K/L sind als
konstant angenommen; Modell ist nicht
flexibel, falls g und n auseinander fallen
In der Realität finden doch gewisse
Substitutionen zwischen L und K statt
In kurzer Frist können die Annahmen eher
erfüllt sein als in langer Frist
Weiterer Kritikpunkt: technologischer
Fortschritt kann nicht angemessen
berücksichtigt werden
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Robert Solow versuchte in seinem Modell
1956 die Kritikpunkte an Harrod-Domar
aufzugreifen
Keine fixen Koeffizienten mehr, sondern eine
neoklassische Produktionsfunktion, die
Substitutionen zwischen K und L zulässt
K/Y ist dann variabel und kann von
Wirtschaftspolitik beeinflusst werden
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
Neoclassical (Variable Proportions) Production Function. Instead of requiring fixed
factor proportions, output can be achieved with varying combinations of labor and
capital. This is called a neoclassical production function. The isoquants are curved, rather
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than L-shaped
Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Alle Gleichungen in Pro-Kopf-Grössen
(10) Y/L = F (K/L, 1) bzw.
(11) y = f(k) (k=K/L: Kapitalintensität)
Annahme: abnehmende
Grenzproduktivität des Kapitals (bei
fixem L)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Kapitalakkumulation hängt nun von s, n und d
ab
(4a) ΔK = sY – dK
ΔK/K = sY/K – d
Δk = (ΔK · L - ΔL · K) / L · L = (I-dK)/L – nk =
sY/L - dk – nk = sy - (n+ d)k
(12) Δk = s f(k) - (n+ d)k
Interpretation: Veränderung der
Kapitalausstattung pro Arbeiter hängt von drei
Dingen ab:
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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

1. wenn sy (Ersparnis pro Arbeiter) wächst,
wächst auch k
2. wenn L wächst , nimmt k (Kapital pro
Arbeiter) ab
3. aufgrund der Abschreibungen nimmt k ab
4. Wenn sy grösser ist als der zusätzliche
Kapitalbetrag pro Arbeiter, der zur
Kompensation des L-Wachstums und der
Abschreibung benötigt wird, nimmt k zu
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Neoklassisches Modell (SolowModell)


Steigendes k wird als „capital
deepening“ bezeichnet, konstantes k als
„capital widening“
Auch: (n+k)d als „capital widening“
(dasjenige sy, das k konstant hält); dann
in (12) „capital deepening“ = sy –
„capital widening“
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Beispiel 1: Singapur mit s=0,4 konnte k vergrössern
(Wachstumsrate 5,6% 1960-1996)
Beispiel 2: Kenia mit s=0,15 konnte k kaum
vergrössern (Wachstumsrate knapp 1%)
Vergleich mit Harrod-Domar Modell: In beiden
Modellen ist S bzw. s wichtig; wegen abnehmender
Grenzerträge des Kapitals ist bei Solow die
Beziehung zwischen Sparen und Wachstum aber
nicht linear
Ausserdem: Substitution K,L zulässig und n explizit
berücksichtigt
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Wichtig sind also drei Kurven: y=f(k), sy und (n+d)k
In Punkt A ist gemäss (12) Δk = 0
Links von A ist die Ersparnis pro Person grösser als
der Kompensationsbedarf; k wächst und y wächst
Rechts von A ist die Ersparnis pro Person kleiner als
der Kompensationsbedarf; k fällt und y auch
A ist ein stabiles Gleichgewicht (steady state) des
Solow-Modells
In A sind alle Pro-Kopf-Grössen konstant; die
absoluten Grössen wachsen aber wegen positivem n
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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
Anwendung auf EL: in einem armen Land sind k und
y niedrig; es ist wahrscheinlich, dass s gross genug
ist, so dass k und y wachsen
Weil die Steigung von f(k) bei kleinen k gross ist,
nimmt y im linken Bereich bei gegebenem Anstieg
von k relativ stark zu
Je näher man A kommt, desto langsamer bzw.
geringer wird das Wachstum
Haben ein EL und ein IL dasselbe A (dasselbe steady
state y), so wird EL schneller/stärker wachsen als IL
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Neoklassisches Modell (SolowModell)

Wenn s steigt, geht das steady state auf B.
Die Wachstumsrate nimmt vorübergehend,
nicht dauerhaft zu (wird durch n bestimmt;
höhere Kapitalausstattung pro Person)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Wenn n steigt, geht das steady state auf C.
Die Kapitalausstattung und das Einkommen
pro Arbeiter ist kleiner; die steady state
Wachstumsrate ist aber – wegen dem
höheren n – grösser (die Wirtschaft muss
schneller/stärker wachsen, um y konstant zu
halten)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Wachstumsrate in 2 Ländern kann sich also
aus 2 Gründen unterscheiden
1. das aktuelle y kann gleich sein, aber das
steady state y unterscheidet sich (wegen
Unterschieden in s,f,n)
2. das steady state y kann identisch sein,
aber das aktuelle y unterschiedlich (wegen
unterschiedlicher Steigung von f(k) ist dann
auch die Wachstumsrate im Übergang zum
steady state anders)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Nun noch: Berücksichtigung von technologischem
Fortschritt
Technologischer Fortschritt bedeutet, dass mehr
Output mit derselben K- bzw. L-Menge hergestellt
werden kann
Alternative Produktionsfunktion
(10a) Y = F (K, T x L) (arbeitsvermehrender
technischer Fortschritt; TxL als effektive
Arbeitseinheiten)
T als exogene Variable eingeführt, mit ΔT/T = θ
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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
Wachstumsrate der effektiven Arbeitseinheiten ist
dann n+θ
Alle Variablen werden dann nicht mehr pro Arbeiter
sondern pro effektivem Arbeiter dargestellt, z.B. ye =
Y/(TxL) usw.
Dementsprechend lautet die Gleichung (12) dann in
effektiven Einheiten
(12a) Δke = sye – (n+d+θ)ke
Grafische Darstellung im Grunde wie bisher
Im steady state ist ye konstant; y wächst aber mit der
Rate θ (weil Y mit n+ θ wächst)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)
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Ein Blick auf die empirische Evidenz
Das Solow-Modell suggeriert eine Konvergenz der
Pro-Kopf-Einkommen der Länder, die ein gleiches
steady-state y haben (gleiches potentielles
Einkommen).
Konvergenz ist empirisch nicht zu beobachten
Allerdings: nicht alle Länder weltweit haben das
gleiche steady-state y
Würde man für die Rahmenbedingungen
konvergieren (natürliche Ressourcen, geographische
Lage, governance Strukturen), hätte man wohl solche
Konvergenz
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Neoklassisches Modell (SolowModell)


Auflistung von Variablen, die eng mit
Wachstum verbunden sind und Unterschiede
in den Wachstumsraten erklären können
(Xavier Sala-i-Martin, AEA 1997)
Einkommensniveau/Lebenserwartung/
Bildungsniveau/Geographie/Art der
Investitionen/staatliche Budgetüberschüsse/Handel/Wechselkurspolitik/Ausstattu
ng mit natürlichen Ressourcen/Politische
Variable (polit.Stabilität, Menschenrechte,
good governance)
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Neoklassisches Modell (SolowModell)


Regressionen, mit deren Hilfe man den
Erklärungsbeitrag von K, L und Effizienz
(bzw. Faktorproduktivität) abschätzt
Kapitalakkumulation scheint hier
wesentliche Rolle zu spielen
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Neuere Wachstumstheorien




Das Solow-Modell vereinfacht zu stark, weil s, n, θ
und Fähigkeiten der Arbeiter als gegeben
angenommen werden. Man müsste diese Variablen
selbst im Modell erklären
Man sollte „increasing returns to scale“ annehmen,
d.h. eine Verxfachung des Input führt zu mehr als
einer Verxfachung des Outputs
Vor allem Investitionen in Forschung und Bildung
haben positive externe Effekte
Endogenisierung des technischen Fortschritts ist
sinnvoll
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Neuere Wachstumstheorien



Bei increasing returns to scale haben wir kein
steady state, sondern ein Anstieg von s kann
die Wachstumsrate permanent steigern
In diesem Fall können IL auch schneller
wachsen als EL und es muss keine
Konvergenz erwartet werden
Für EL sind dann Investitionen in
Humankapital und Technologietransfer aus
Ländern mit höheren Forschungskapazitäten
besonders wichtig
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Neuere Wachstumstheorien


Ausserdem sind auch Effekte vom
Naturkapital zu beachten
Und weitere Rahmenbedingungen wie
Qualität der Infrastruktur,
Vorhandensein finanzieller Infrastruktur
etc.
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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
Zu beachten ist, dass bei kleinem k die
Kapitalproduktivität sehr klein ist, weil
es z.B. an essentieller Infrastruktur aber
auch an genügend gut ausgebildeten
Arbeitern fehlt
Es gibt eine Schwelle für k, die erst
einmal überschritten werden muss,
damit Solows Überlegungen gelten
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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

Weiter ist zu beachten, dass die Sparquote
der Armen (bei kleinem k) sehr klein oder
sogar negativ ist
Sparen ist höchstens aus Einkommen
möglich, das nach Befriedigung der
Grundbedürfnisse übrig bleibt
Diese „Sparfalle“ führt zu einem anderen
Verlauf von sy; sy ist zunächst flacher als
(n+d)k
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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

Das Problem von einem Schwellenwert für k
bzw. einem sehr kleinen s ist, dass für den
Bereich kleiner k-Werte k sinkt (die Ersparnis
bzw. Investition pro Kopf ist kleiner als der
Kompensationsbedarf pro Kopf)
Die Volkswirtschaft landet dann „im
Nullpunkt“
Wegen zu geringer Kapitalakkumulation und
Bevölkerungswachstum werden die Armen
immer ärmer
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Zusammenhang Wachstum - Armut


Erst wenn der Schwellenwert von k
überwunden werden kann, kann die
Wirtschaft wachsen und das steady
state Ein kommen erreichen
Dies kann als „Armutsfalle“ bezeichnet
werden (Argumentation im SolowModell)
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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
Im Harrod-Domar-Modell: Unterhalb des
Schwellenwerts ist 1/v klein (Infrastruktur
fehlt) und folglich (n+d) grösser als die ProKopf-Ersparnis, so dass das Pro-KopfEinkommen schrumpft
Erst wenn 1/v einen gewissen Wert
übersteigt, kann die Wirtschaft wachsen und
die Armutsfalle überwunden werden
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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
Weiterer Grund für Armutsfalle: Bei kleinem k
wächst die Bevölkerung sehr stark (sehr
hohes n); mit grösserem k und y sinkt n
Gründe hierfür: Einkommen, Gesundheit,
Bildung
(n+d)k ist dann keine Gerade, sondern hat
einen degressiven Verlauf
Auch dann reicht (bei kleinem k) sy nicht zur
Kompensation von (n+d)k, so dass k sinkt
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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Zusammenhang Wachstum - Armut
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Fazit bezüglich Armutsfalle: Kapitalschwelle,
anfänglich tiefes s und hohes n können alle
zusammen die Armutsfalle begünstigen
Überwinden der Armutsfalle bei schnellem
technologischen Wandel leichter
Problem von Afrika: k ist unter dem
Schwellenwert, s ist klein, n ist hoch und der
technologische Fortschritt ist gering
Sind hierfür strukturelle Aspekte oder
governance Aspekte ausschlaggebend?????
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