Fall 05 - Uni Potsdam

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Universität Potsdam
Juristische Fakultät
Prof. Dr. Tilman Bezzenberger
Sachenrecht
Sommersemester 2017
Fall 5 (Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB)
Bei Bauarbeiten stürzt der Baukran des Bauunternehmers B auf das benachbarte Hausgrundstück des A und zerstört das Dach des Hauses. Die Bauarbeiter des B haben den Kran überlastet. Kann A von B nach § 1004 BGB die Entfernung des Krans und den Wiederaufbau des
Daches verlangen?
Lösung
Anspruch des A gegen B nach 1004 BGB auf Entfernung des Krans und Wiederaufbau
des Dachs
A könnte nach § 1004 BGB von B die Entfernung des Krans (oder was davon übrig ist) von
seinem Grundstück sowie den Wiederaufbau des Dachs verlangen.
I.
Eigentumsbeeinträchtigung
Durch den herübergestürzten Kran und insbesondere durch die Zerstörung des Dachs
ist die Benutzbarkeit des dem A gehörenden Hauses eingeschränkt. Dies ist eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB.
II.
Der Bauunternehmer B als Störer
B müsste für diese Eigentumsbeeinträchtigungen als Störer verantwortlich sein. Hier
gibt es verschiedene Störertypen als Zurechnungsfiguren.
a)
Unmittelbarer Handlungsstörer
Das ist derjenige, der die beeinträchtigende Handlung selbst vorgenommen, also vorliegend den Kran überlastet hat. Dies waren die Bauarbeiter des B und
nicht B persönlich. B ist daher nicht unmittelbarer Handlungsstörer.
b)
Mittelbarer Handlungsstörer
Das ist derjenige, der ein beeinträchtigendes Verhalten dritter Personen veran-
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lasst oder in dem Sinne geschehen lässt, dass er es nicht unterbindet, obwohl er
dazu in der Lage wäre. Aufgrund seines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts hätte B dafür sorgen können, dass seine Bauarbeiter den Kran nicht überladen.
Dies hat er nicht getan, so dass man ihn als mittelbaren Handlungsstörer ansehen kann.
c)
Zustandsstörer
Zustandsstörer ist der Inhaber einer Sache oder Anlage, von der die Beeinträchtigung fremden Eigentums ausgeht. Des Weiteren setzt die ZustandsstörerEigenschaft voraus, dass die betreffende Person ein risikoerhöhendes Verhalten
an den Tag gelegt hat, ja nach überwiegender Ansicht sogar ein pflichtwidrig
risikoerhöhendes Verhalten.
Vorliegend war B Eigentümer oder zumindest Betreiber und in diesem Sinne
Inhaber des Baukrans. Von dessen Betrieb ging ein gesteigertes Risiko für die
umliegenden Gebäude aus. Ob das allein den B schon zum Zustandsstörer
macht, kann vorliegend dahinstehen, denn B hat es jedenfalls versäumt, auf den
ordnungsgemäßen Einsatz des Krans hinzuwirken und sich damit pflichtwidrig
über Sicherungsgebote hinweggesetzt. Man kann B daher auch als Zustandsstörer ansehen.
Ob man auf die Zustandsstörerschaft des B abstellt oder die Eigentumsbeeinträchtigung dem B nach der Rechtsfigur der mittelbaren Handlungsstörung zurechnet (vgl. oben zu b), macht im Ergebnis keinen Unterschied und kann daher offenbleiben.
d)
Zwischenergebnis
B ist als Störer für die Eigentumsbeeinträchtigung auf Seiten des A verantwortlich
III.
Rechtswidrigkeit der Eigentumsbeeinträchtigung
Für eine Duldungspflicht (§ 1004 II BGB) des A ist nichts ersichtlich. Die Eigentumsbeeinträchtigung ist daher rechtswidrig.
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IV.
Rechtsfolge
Nach § 1004 BGB kann A von B "Beseitigung der Beeinträchtigung" verlangen. Der
Begriff wird heute meistens sehr weit ausgelegt und bedeutet nach herrschender Auffassung, dass die Benutzbarkeit der beeinträchtigten Sache wiederhergestellt werden
muss ("Wiederbenutzbarkeitstheorie"). Der Störer muss die Sache wieder in den Zustand versetzen oder auf seine Kosten versetzen lassen, in dem sie künftig ohne Beeinträchtigung benutzt werden kann, genauso wie vor der Störung.
Das ist schon etwas bedenklich, weil sich so der Beseitigungsanspruch nach § 1004
BGB immer mehr einem Schadensersatzanspruch angleicht. Wenn allerdings der Anspruchsgegner nicht nur allgemein eine Gefahrenlage geschaffen, sondern hierbei auch
gegen Sicherungspflichten verstoßen hat, wie im vorliegenden Fall, ist die einschneidende Rechtsfolge der Benutzbarkeits-Wiederherstellung gerechtfertigt. A kann deshalb von B nicht nur den Abtransport des umgestürzten Krans verlangen, sondern auch
den Wiederaufbau des Dachs.
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