Philipp Bornkessel · Jupp Asdonk (Hrsg.) Der Übergang Schule – Hochschule Schule und Gesellschaft Band 54 Herausgegeben von Franz Hamburger Marianne Horstkemper Wolfgang Melzer Klaus-Jürgen Tillmann Philipp Bornkessel Jupp Asdonk (Hrsg.) Der Übergang Schule – Hochschule Zur Bedeutung sozialer, persönlicher und institutioneller Faktoren am Ende der Sekundarstufe II Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar. 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Laux VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18273-5 Inhalt Vorwort................................................................................................................................. 7 Jupp Asdonk und Philipp Bornkessel Einleitung: Der Übergang Schule – Hochschule .......................................................... 9 Philipp Bornkessel, Jupp Asdonk, Sebastian U. Kuhnen und Johanna Lojewski Methodische Grundlagen und Design der Studie ..................................................... 19 Philipp Bornkessel und Sebastian U. Kuhnen Zum Einfluss der sozialen Herkunft auf Schulleistung, Studienzuversicht und Studienintention am Ende der Sekundarstufe II ............. 47 Philipp Bornkessel, Brigitte Holzer und Sebastian U. Kuhnen Differentielle Schulmilieus: Zur Bedeutung sozialer Schulklimafaktoren für die fachbezogene Studienzuversicht .............................. 105 Hans-Georg Pütz, Sebastian U. Kuhnen und Johanna Lojewski Identität, Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit: Der Einfluss von Schulklima und sozialer Herkunft auf Persönlichkeitsmerkmale ....................... 139 Jupp Asdonk und Carmen Sterzik Kompetenzen für den Übergang zur Hochschule .................................................... 191 Johanna Gold Entscheidungsfindung nach dem Abitur: Die Capability-Perspektive ............... 251 Johanna Lojewski Geschlecht und Studienfachwahl – fachspezifischer Habitus oder geschlechtsspezifische Fachkulturen?........................................................................ 279 Autorinnen und Autoren ............................................................................................... 349 Vorwort Zu dem vorliegenden Sammelband haben Autorinnen und Autoren mit sehr unterschiedlichen fachlichen und beruflichen Hintergründen beigetragen: Zum einen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der wissenschaftlichen Einrichtung OberstufenKolleg, die Teil der Fakultät für Erziehungswissenschaften der Universität Bielefeld ist, zum anderen Lehrerinnen und Lehrer des Oberstufen-Kollegs, der (einzigen) Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen für die gymnasiale Oberstufe. Gemeinsam sind sie in dem Forschungsprojekt Krise und Kontinuität in Bildungsgängen: Der Übergang Schule – Hochschule tätig. Sie verbinden in diesem Projekt die Perspektive der ‚Lehrerforschung‘, die ausgehend von der systematischen Reflexion der eigenen Praxis neue Lösungen für Unterricht, Schulentwicklung und den Transfer von Erfahrungen und Erkenntnissen in andere Schulen sucht, und die Perspektive der erziehungswissenschaftlichen bzw. bildungssoziologischen Forschung, für die das wissenschaftlich Neue im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht. Die unterschiedlichen fachwissenschaftlichen und beruflichen Erfahrungen motivieren die Autorinnen und Autoren, einen jeweils anderen thematischen Fokus auf den Untersuchungsgegenstand zu richten. Sie beschreiben und analysieren die Situation der Abiturientinnen und Abiturienten aus verschiedenen theoretischen Blickwinkeln, mit unterschiedlichen Konzeptionen, Modellen und statistischen Methoden. Damit eröffnen sie den Lesern die Chance, vielfältige Ansichten auf den Übergang Schule – Hochschule zu gewinnen. Bielefeld, im September 2011 Philipp Bornkessel Jupp Asdonk Sebastian U. Kuhnen Einleitung: Der Übergang Schule – Hochschule Jupp Asdonk und Philipp Bornkessel Übergänge sind Gelenkstellen im Bildungssystem, die von den handelnden Akteuren, den Lernenden, Eltern und Lehrenden, folgenreiche Entscheidungen verlangen – dies vor dem Hintergrund erhoffter Karrieren in Schule, Hochschule oder Beruf. Das Abitur ist im deutschen Bildungssystem eine Gelenkstelle herausragender Bedeutung, eröffnet es doch den Weg in das Studium und zu anderen Ausbildungsgängen für hochqualifizierte, angesehene und gut dotierte Berufe. Bildungspolitik (KMK, 2006) und Wissenschaft (Huber, 1997, 2009) weisen dem Abitur als Abschluss der gymnasialen Oberstufe drei Ziele zu: Vertiefte Allgemeinbildung, wissenschaftspropädeutische Vorbereitung auf das Studium und Sicherstellung der Studierfähigkeit. Wenn wir uns mit dem Abitur in seiner Funktion, den Übergang zur Hochschule1 vorzubereiten, auseinandersetzen, fällt – auf der Makroebene des Bildungssystems – der Blick auf zwei immer noch sehr unterschiedliche Lehr- und Lernwelten, die einem tiefgreifenden Wandel unterworfen waren und sind. Bildungspolitische Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene haben in den letzten Jahren zu wesentlichen Veränderungen sowohl des Schul- als auch des Hochschulsystems geführt, die hier nur angedeutet werden können: Der Bologna-Prozess mit der Einführung des Bachelor-Master-Systems auf der Hochschulseite und die Re-Reformierung der gymnasialen Oberstufe mit dem Zentralabitur und verbindlichen Bildungsstandards auf der Schulseite stehen für umfassende Strukturreformen, deren gemeinsamer strategischer Nenner die Umorientierung der staatlichen und institutionellen Steuerung der Lernprozesse auf das „outcome“ (Tillmann et al., 2008) ist. Auf der Mikroebene ist zu beobachten, dass für die Abiturientinnen und Abiturienten mit dem erfolgreichen Erwerb der Hochschulreife eine Lebensphase mit meist klar definierten Zielen in überschaubaren räumlichen, familiären und schulischen Strukturen endet. Sie stehen nun vor der Notwendigkeit, eine eigenverantwortliche, zu ihrer individuellen Lebenskonzeption passende Entscheidung zu treffen. Das Abitur eröffnet ihnen dabei zwei grundlegende Alternativen: zum einen die Aufnahme eines Hochschulstudiums, zum anderen den Beginn einer nicht-akademischen, beruflichen Ausbildung in einem mehr oder weniger an- 1 Dass parallel dazu das Abitur auch den Weg in eine Berufsausbildung eröffnet, wurde in den Erhebungen, die diesen Beiträgen dieses Bandes zu Grunde liegen, entsprechend berücksichtigt, hier konzentrieren wir uns thematisch aber auf den Übergang an die Hochschule. P. Bornkessel, J. Asdonk (Hrsg.), Der Übergang Schule – Hochschule, DOI 10.1007/978-3-531-94016-8_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 10 Jupp Asdonk und Philipp Bornkessel spruchsvollen Berufsfeld. Beide Alternativen haben weitreichende Konsequenzen für die zukünftigen kulturellen, sozialen und beruflich-ökonomischen Lebenschancen der Individuen (Becker & Lauterbach, 2008; Geißler, 2006). Sie ermöglichen die Teilnahme und Integration in einer Gesellschaft (Palentien, 2004) gleichzeitig sind sie jedoch auch – bei allen Optionen, die sie eröffnen – mit Risiken und Unsicherheiten behaftet (Meulemann, 1985; Becker & Hecken, 2007). Abiturientinnen und Abiturienten können sich angesichts des institutionellen Wandel des tertiären Bildungssektors immer weniger auf Erfahrungswerte aus der Vergangenheit verlassen. So unterliegen die Studienstrukturen und -bedingungen einem stetigen Wandel, die beruflichen Perspektiven, die durch einen Bachelorabschluss eröffnet werden, sind weiterhin unklar und die Chancen, in ein Masterstudium übergehen zu können, eine Hoffnung, die eine große Mehrheit der Studienanfängerinnen und Studienanfänger in Bachelorstudiengängen hegt, bleiben im Ungewissen (Heine, Spangenberg & Sommer, 2006).2 Angesichts dieser Entwicklung müssen die Abiturientinnen und Abiturienten in der Übergangsphase nicht nur für den gesamten weiteren Lebensweg wichtige Entscheidungen treffen, sie müssen zudem unter großer Unsicherheit entscheiden (Becker & Hecken, 2007; Esser, 1999). Auf diese Entscheidungen übt die soziale Herkunft der Schülerinnen und Schüler einen wesentlichen Einfluss aus. Informationen über das vielfach beobachtete Phänomen sozialgruppenspezifischer Bildungs- und Entscheidungsprozesse am Ende der Oberstufe liefern zahlreiche Veröffentlichungen (Köller et al., 2004; Maaz, 2006; Maaz & Watermann, 2007; Trautwein et al., 2007; Watermann & Maaz, 2004, 2006; Müller & Pollack, 2008), insbesondere auch die Erhebungen, die das Hochschul-Informations-System (HIS) seit 1990 durchführt. Angehende Studienberechtigte werden ein halbes Jahr vor dem Abitur zu ihren Studien- und Berufsausbildungsplänen befragt, wobei vorrangig die Studierneigung, die Studienfachwahl, die Berufsausbildungspläne sowie ausgewählte Faktoren, die die Entscheidung am Übergang Schule – Hochschule beeinflussen, im Mittelpunkt stehen (Heine & Quast, 2009: 1ff.). Wichtige Ergebnisse sind u. a.: Die Studierneigung der Studienberechtigten 2008 bewegt sich in einer Bandbreite von minimal 51 Prozent und maximal 72 Prozent, 27 Prozent der Schülerinnen und Schüler werden voraussichtlich auf ihre Studienoption verzichten, zwei Prozent haben ein halbes Jahr vor dem Verlassen der Schule noch keine konkreten Vorstellungen über ihren weiteren Bildungsweg. Der in früheren Studien nachgewiesene geschlechtsspezifische Unterschied für die Studierquote wird bestätigt. 2 Die nur als allgemeine Tendenz absehbaren Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind nach wie vor ein Hauptproblem bei der Studien- und Berufswahl und erschweren den Schülerinnen und Schülern die konkrete Entscheidung. Einleitung: Der Übergang Schule – Hochschule 11 Die soziale Selektion greift auch beim Übergang von der Sekundarstufe II in die Hochschule bzw. in den Beruf: Bei den zukünftigen Studienberechtigten aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil über einen Hochschulabschluss verfügt, ist die Studierneigung deutlich größer als bei denjenigen, die aus einer Familie ohne akademischen Abschluss stammen. Befragte, deren Eltern über keinen Hochschulabschluss verfügen, sehen sich deutlich häufiger mit Schwierigkeiten in der Finanzierung eines Studiums konfrontiert. Diese kurzen Hinweise auf die vorliegenden Befunde empirischer Untersuchungen macht auf zwei grundlegende Probleme quantitativ-empirischer Forschung am Übergang Schule – Hochschule aufmerksam. Danach wird zum einen meist nur eine geringe Bandbreite an Faktoren genannt bzw. in den jeweiligen Analysen berücksichtigt, die für die Entscheidungsfindung von Abiturientinnen und Abiturienten relevant sind. Dominierend sind hier üblicherweise soziale Herkunftsmerkmale wie der sozioökonomische Status oder das schulisch-berufliche (Aus-)Bildungsniveau der Eltern. Zum anderen bleibt sowohl unter theoretischen wie auch empirischen Gesichtspunkten in der Regel ungeklärt, welche Wirkung die einzelnen in die Untersuchung einbezogenen Faktoren aufeinander und auf die Entscheidung für oder gegen den Beginn eines Hochschulstudiums bzw. einer berufliche Ausbildung zukommt. Anders formuliert: Es werden zwar einzelne Indikatoren bestimmt, die es erlauben, Bildungswahlen und spezifische Verteilungen auf unterschiedliche Bildungswege sinnvoll zu beschreiben, die Frage nach den Mechanismen, Prozessen, Wirkungs- und Zusammenhangsstrukturen aber, die das spezifische Bildungsverhalten erklären könnten, wird hingegen häufig ausgeblendet.3 Dementsprechend ist der vorliegende Sammelband ein Beitrag, die Forschungslücke der empirischen Bildungsforschung auf dem Feld des Übergangs Schule – Hochschule weiter zu schließen. Die einzelnen Artikel untersuchen dazu detailliert, wie sich institutionelle Lernbedingungen und -strukturen, sozioökonomische und soziokulturelle Lebensbedingungen sowie individuelle Ressourcen und Persönlichkeitsmerkmale auf die Lern-, Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe II auswirken. Das erste Thema, das im Folgenden diskutiert wird, sind die unverändert wirksamen Effekte sozialer Ungleichheit beim Hochschulzugang. (vgl. OECD, 2008). Die Entscheidung zur Aufnahme eines Studiums und die Wahl eines bestimmten Studienfaches hängen, wie wir festgestellt haben, mit der sozialen Herkunft zu3 Erst unter Kontrolle einer möglichst großen Anzahl theoretisch fundierter Einflussgrößen ist eine gesicherte Wahrscheinlichkeitsaussage über die tatsächliche Einflussstärke eines Faktors auf die Studienbereitschaft bzw. -intention oder -entscheidung möglich.