- Rixecker

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Schwerpunktbereich Deutsches und Europäisches Privatversicherungsrecht
Sommersemester 2015
Wahlpflichtklausur
Prof. Dr. Roland Rixecker
Aufgabe:
Die A, Fachärztin für das öffentliche Gesundheitswesen, stand seit 1989 als
verbeamtete Medizinalrätin im amtsärztlichen Dienst des Saarlandes. In dieser
Funktion oblag es ihr, neben der täglich etwa drei Stunden umfassenden ärztlichen
Untersuchung von Patienten und der Besprechung der Untersuchungsergebnisse mit
Kolleginnen und Kollegen etwa fünf Stunden Berichte und Gutachten zu schreiben und
Fachliteratur zu studieren. Von Februar 2001 bis Mai 2002 war sie „wegen Depression“
dienstunfähig erkrankt. In einem daraufhin eingeleiteten dienstrechtlichen, der Prüfung
der Dienstfähigkeit dienenden Verwaltungsverfahren wurde die A im März 2004 durch
einen psychiatrischen Sachverständigen untersucht, der keine Anzeichen für eine
psychiatrische – depressive – Erkrankung (mehr) feststellen konnte.
Die A beantragte bei der C-Versicherungs-AG, einem Direktversicherer, am
12.10.2005 den Abschluss eines Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrages mit einer
Laufzeit von 30 Jahren. In dem von der A aufgerufenen online-Antragsformular, dem
alle weiteren Verbraucherinformationen einschließlich der Bedingungen für die
Berufsunfähigkeitsversicherung – B-BU – beigefügt waren, fragte C sie:
1.
Bestanden in den letzten 5 Jahren Krankheiten, Störungen oder Beschwerden
(des Herzens, anderer Organe, der Wirbelsäule oder der Nerven)?
2.
Sind Sie in den letzten 5 Jahren ambulant oder stationär untersucht, beraten
oder behandelt worden?
A bejahte die Frage 1 mit der Bemerkung (Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen
nach Trennung von meinem Lebensgefährten, kein weiteres Auftreten seit Mai 2002)
und antwortete auf die Frage 2 „gelegentliche hausärztliche Verordnung von
Johanniskraut“. Im Antragsformular war den Fragen folgender – eingerahmter –Text
vorangestellt:
Wichtig!
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Bitte beantworten Sie die nachfolgenden Fragen zutreffend und richtig. Stellt sich
später heraus, dass das nicht der Fall war und Sie vorsätzlich oder grob fahrlässig
falsche oder unzulängliche Angaben gemacht haben, können wir den
Versicherungsvertrag anfechten oder von ihm zurücktreten. Dann wären wir in einem
Versicherungsfall nicht zur Leistung verpflichtet. Wir können aber auch selbst dann,
wenn Sie lediglich fahrlässig gehandelt haben, den Versicherungsvertrag kündigen
und nachträglich den Eintritt des von Ihnen verschwiegenen Risikos ausschließen.
Es ist also in Ihrem Interesse, die Fragen korrekt zu beantworten.
C policierte daraufhin den Vertrag mit Versicherungsschein vom 12.11.2005.
Im April 2009 traten bei A erneut Symptome des depressiven Formenkreises auf. Ein
Facharzt für Psychiatrie bescheinigte ihr „Arbeitsunfähigkeit“ seit April 2009 wegen
einer mittelschweren depressiven Episode. Das zeigte A der C am 2.5. 2009 an und
beantragte die Zahlung der versprochenen Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von
monatlich 1500 € ab April 2009.
Im Verlauf ihrer Leistungsprüfung erfuhr C im Juni 2009, dass der Hausarzt der A in
der Zeit von Februar 2001 bis Mai 2002 „wg. persönl. Krise“ eine „Depression“
diagnostiziert und tatsächlich Johanniskraut, ein Naturheilmittel auf pflanzlicher Basis,
verordnet, einmal jedoch auch 12 Tabletten eines Psychopharmakons, A jedoch
dienstunfähig „geschrieben“ hatte, und dass sie im Jahr 2004 ein psychiatrischer
Sachverständiger untersucht hatte. Daraufhin focht sie den Versicherungsvertrag mit
Schreiben vom 25.06.2009 wegen arglistiger Täuschung an und trat von ihm zurück.
In dem in der Folge von der (mittlerweile wegen ihrer Erkrankung in den Ruhestand
versetzten) A eingeleiteten Rechtsstreit holte das Landgericht S ein psychiatrisches
Sachverständigengutachten ein, das – unangegriffen von den Parteien – zu dem
Ergebnis kam, die A sei ab April 2009 bis April 2010 an einer mittelschweren
depressiven Episode erkrankt gewesen. Ihre Disposition zu einer solchen Erkrankung
habe sich offenbar schon 2001/2001 gezeigt, die psychiatrische Untersuchung aus
dem Jahr 2004 habe dies möglicherweise verkannt. Die Behandlung einer solchen
Erkrankung dauere bis zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit typischerweise
zwischen mindestens 6 und 12 Monaten, könne aber auch (vor allem unbehandelt)
Jahre des Leidens nach sich ziehen. Leider habe sich A der ansonsten schon früher
Erfolg versprechenden psychotherapeutischen Behandlung erst ab Oktober 2009
unterzogen. Die Erkrankung habe A zwar nicht an der mit jeder amtsärztlichen
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Tätigkeit verbundenen Anfertigung von Berichten und Gutachten gehindert. A sei es
jedoch nachweislich nicht möglich gewesen, Kontakt zu anderen Menschen
aufzunehmen. A sei allerdings ab Mai 2010 ohne Weiteres wieder in der Lage
gewesen, einer amtsärztlichen Tätigkeit in geringfügig reduziertem Umfang
nachzugehen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht S am 12.05.2014 beantragt A die
Verurteilung der C zur Zahlung von 1500 € ab April 2009 bis längsten November 2035.
C hält sich schon wegen der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht für
leistungsfrei und trägt ergänzend vor: Hätte A ihr die wahre Natur ihrer Erkrankung und
vor allem die psychiatrische Untersuchung im Jahr 2004 offenbart, hätte sie
nachträglich einen Risikoausschluss („Vom Versicherungsschutz nicht umfasst und
ohne Einfluss auf den Grad der Berufsunfähigkeit sind psychische Erkrankungen des
depressiven Formenkreises“) vorgenommen; das hole sie nunmehr nach.
Davon abgesehen, sei A gar nicht berufsunfähig gewesen, weil sie lediglich drei
Stunden ihres achtstündigen Arbeitstages an ihrer Tätigkeit gehindert gewesen sei.
Auch hätte es der A oblegen, sich sofort einer psychotherapeutischen Behandlung zu
unterziehen, die (was zutrifft) innerhalb von maximal sechs Monaten zur
Wiederherstellung der Berufsfähigkeit geführt hätte. In jedem Fall sei sie nicht
verpflichtet, Leistungen über den Mai 2010 hinaus zu erbringen, weil „A ja nunmehr
gesund“ sei und sie, hätte sie über die erforderlichen Informationen zur Erkrankung
der A nach dem 02.05.2009 verfügt, allenfalls befristete Leistungen bis Mai 2010
zugesagt hätte. Vorsorglich befriste sie ihre Leistungen von April 2009 bis Mai 2010
rückwirkend.
Die A hält dem entgegen, sie habe bei der Beantwortung der „Gesundheitsfragen“ des
Antragsformulars nicht arglistig und auch nicht schuldhaft gehandelt. Der nachträgliche
Risikoausschluss schon formell nicht ordnungsgemäß erfolgt. Sie sei schon deshalb
berufsunfähig, weil sie die Arbeit einer Amtsärztin im Wesentlichen nicht mehr habe
fortführen können. Eine – viel zu spät erfolgte – nachträgliche hilfsweise Befristung von
Leistungen sei vom Gesetz nicht vorgesehen. Außerdem sei sie aufgrund ihrer
Erkrankung in den Ruhestand versetzt worden; eine – beamtenrechtlich an sich
zulässige – Wiederberufung in ihr letztes Amt sei auch nicht erfolgt.
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Erstellen Sie ein Gutachten zu der Frage, wie das – zuständige – Landgericht S
entscheiden wird. Gehen Sie dabei auf alle von der Aufgabe angesprochenen
Rechtsfragen und Argumente – notfalls hilfsweise – ein.
Die von C A bei Antragstellung übermittelten B-BU lauten – soweit möglicherweise erheblich –:
§ 1 Welche Leistungen erbringen wir?
Wird die versicherte Person während der Dauer dieser Versicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig,
so zahlen wir die versicherte Berufsunfähigkeitsrente
§ 2 Was verstehen wir unter Berufsunfähigkeit?
(1)Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit,
Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall voraussichtlich auf Dauer ihren
zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, nicht mehr
ausüben kann und außerstande ist, eine andere Tätigkeit auszuüben, zu der sie aufgrund ihrer
Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
(2)Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur in einem
bestimmten Grad voraussichtlich dauernd erfüllt sind.
(3)Ist die versicherte Person voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit,
Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall vollständig oder teilweise
außerstande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung
ausgestaltet war, oder eine andere Tätigkeit auszuüben, zu der sie aufgrund ihrer Ausbildung und
Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, gilt die Fortdauer dieses
Zustandes als fort vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.
§ 12 Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab)?
(1)Nach Prüfung der uns eingereichten sowie der von uns beigezogenen Unterlagen erklären wir in
Textform, ob und für welchen Zeitraum wir eine Leistungspflicht anerkennen.
(2)Wir können einmalig ein zeitlich befristetes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Frage
aussprechen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 ausüben kann.
Bis zum Ablauf der Frist ist das zeitlich befristete Anerkenntnis für uns bindend
§ 13 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?
Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der
Berufsunfähigkeit und ihren Grad nachzuprüfen. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte
Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ausüben kann, wobei neu erworbene berufliche
Fähigkeiten zu berücksichtigen sind.
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Schwerpunktbereich Deutsches und Europäisches Privatversicherungsrecht
Sommersemester 2015
Wahlpflichtklausur
Prof. Dr. Roland Rixecker
Vorbemerkung:
Die Aufgabe hat einen gehobenen Schwierigkeitsgrad.
Sie verlangt von der Bearbeitung zunächst eine Prüfung der Anfechtung eines
Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung, des Rücktritts von einem
Versicherungsvertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht sowie der
nachträglich-rückwirkenden Einfügung eines Risikoausschlusses. Insoweit ist
Schwerpunkt die Erkenntnis, dass A weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt
hat (BGH 07.03.2007 – IV ZR 133/06 – VersR 2007, 821) und C von seinem
Vertragsänderungsrecht zu spät Gebrauch gemacht hat.
Sodann soll erkannt werden, dass A zwar in zeitlicher Hinsicht ihren bisherigen Beruf
stets zu mehr als der Hälfte ihrer Arbeitszeit ausüben konnte, jedoch aufgrund ihrer
Krankheit gehindert war, prägende Tätigkeiten wahrzunehmen, also zu 100 %
berufsunfähig war. Bedacht werden muss dabei, dass das (prognostische)
tatbestandliche Merkmal des Versicherungsfalls „auf Dauer“ durch die AVB (§ 2 Abs.
3 B-BU) durch das (prognostische) tatbestandliche Merkmal „voraussichtlich sechs
Monate“ ersetzt wird. Auch wird erwartet, dass die Bearbeitung auf die Bedeutung der
ausgebliebenen Behandlung eingeht.
Die Bearbeitung muss sich sodann fragen, ob C ihre Leistungen hilfsweise
nachträglich befristen kann. Das ist diskutierbar, mit der zur Zeit überwiegenden
Meinung jedoch abzulehnen (LG Dortmund 04.12.2014 – 2 O 124/14 – zfs 2015, 343;
LG Berlin 19.03.2014 – 23 O 87/12 VersR 2014, 1196). Insoweit kommt es jedoch
keinesfalls auf die Kenntnis der instanzgerichtlichen Rechtsprechung an, sondern auf
die Fähigkeit zu erkennen, dass ein VR sich widersprüchlich verhält, wenn er einerseits
für einen – eingetretenen – Versicherungsfall grundsätzlich unbeschränkt und allein
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Leistungen verspricht, sie dann aber durch eine
nachträgliche Befristung zeitlich beschränken will.
Schließlich sollte erkannt werden, dass eine Einstellung im Wege der Nachprüfung
schon an ihren formellen Erfordernissen scheitert.
Die nachfolgende Skizze soll lediglich den von dem Aufgabensteller für sinnvoll erachteten Aufbau des
Gutachtens und die anzusprechenden Probleme wiedergeben.
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Skizze einer Lösung
A verlangt von C die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente von monatlich 1500 € ab
April 2009 bis längsten November 2035. Anspruchsgrundlage kann nur ein Vertrag
über eine Berufsunfähigkeitsversicherung sein.
I.Zustandekommen eines Versicherungsvertrages
Zwischen A und C ist mit der Policierung vom 12.11.2005 ein Versicherungsvertrag über eine
Berufsunfähigkeitsversicherung zustande gekommen.
II.Wirksamkeit des Versicherungsvertrages
Fraglich ist, ob der Vertrag durch die von C am 25.06.2009 erklärte Anfechtung rückwirkend unwirksam
geworden ist (§ 22 VVG i.V.m. §§ 142 Abs. 1, § 123 Abs. 1 BGB).
Das würde indessen eine (von C zu beweisende) arglistige Täuschung durch A voraussetzen. Von einer
arglistigen Täuschung kann indessen nur ausgegangen werden, wenn der VN bei Antragstellung
wissentlich und willentlich falsche Angaben gemacht hat und zugleich dadurch auf die
Vertragsabschlussbereitschaft des VR einwirken wollte.
A hat die Antragsfragen von C nicht vollständig/richtig beantwortet. Das gilt zumindest für das
Verschweigen der sachverständigen psychiatrischen Untersuchung, wohl aber auch – angesichts ihres
fachärztlichen Wissens – für die Diminuierung ihrer psychischen Beschwerden. Ungeachtet dessen
kann von einer „arglistigen“ Täuschung nicht ausgegangen werden, weil der psychiatrische
Sachverständige 2004 keine psychische Erkrankung feststellen konnte, A davon ausgehen durfte, dass
keine psychische Erkrankung mehr vorlag und damit C nicht zum Abschluss durch die falschen Angaben
bewegen wollte.
III.Leistungsfreiheit wegen Rücktritts vom Versicherungsvertrag
Fraglich ist, ob C leistungsfrei ist, weil C vom Versicherungsvertrag nach § 19 Abs. 2 VVG, § 21 Abs. 2
VVG zurückgetreten ist.
a.
Das setzt zunächst die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht voraus.
(Die Bearbeitung sollte darauf eingehen, ob Fragen in Textform gestellt worden sind (§ 19 Abs. 1 VVG
i.V.m. § 126b BGB), die A falsch beantwortet hat. Dazu können – je nach Interpretation des
Sachverhalts, unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, obwohl viel dafür spricht, dass A die
Fragen speichern konnte).
b.
Fraglich ist allerdings, ob das Rücktrittsrecht nach § 19 Abs. 3 Satz 1 VVG ausgeschlossen ist, weil
weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Dafür spricht viel, weil aufgrund der psychiatrischen
Untersuchung im Jahr 2004 bei A der Eindruck entstanden sein kann, eine relevante psychische
Erkrankung liege nicht mehr vor.
c.
Sodann wäre (ggf. hilfsweise) darauf einzugehen, ob eine Belehrung ordnungsgemäß erfolgt ist (§ 19
Abs. 5 VVG). Die – abgedruckte – Belehrung ist evident unzulänglich, weil sie zwar formal korrekt ist
(wozu Ausführungen zu erwarten sind), materiell jedoch die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung nicht
vollständig darstellt.
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IV.Leistungsfreiheit aufgrund einer rückwirkenden Vertragsänderung
Bearbeitungen, die darauf eingehen, ob überhaupt eine rückwirkende Vertragsänderung (§ 19 Abs. 4
Satz 2 VVG) in Fällen einer fahrlässigen oder nicht schuldhaften Verletzung der vorvertraglichen
Anzeigepflicht statthaft ist, verdienen sich besondere Punkte. Das gilt vor allem, wenn sie § 194 Abs. 1
Satz 3 VVG erwähnen.
Ungeachtet dessen muss erkannt werden, dass C die rückwirkende Vertragsänderung erst in der
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht S ausgesprochen hat. das ist zu spät (§ 21 Abs. 1 Satz
1 VVG).
V.Eintritt des Versicherungsfalls
Die Bearbeitungen müssen die Voraussetzungen des Versicherungsfalls darstellen (§ 172 Abs. 1 VVG
i.V.m. §§ 1, 2 B-BU), feststellen, dass A von April 2009 bis April 2010 an einer Krankheit gelitten hat,
und dass diese Krankheit sie daran gehindert hat, prägende Teiltätigkeiten ihres amtsärztlichen Berufs
auszuüben.
Sie sollten erkennen, dass der Versicherungsfall möglicherweise durch eine psychotherapeutische
Behandlung vermieden worden wäre. Dabei können sie bemerken, dass keine
Behandlungsobliegenheit vereinbart ist, also lediglich zu fragen ist, ob die Berufsunfähigkeit „infolge“
einer Krankheit oder „infolge“ einer eigenverantwortlichen, den Zurechnungszusammenhang
„unterbrechenden“ eigenen Entscheidung der A eingetreten ist.
Sie sollten erkennen, dass die Prognose der Dauerhaftigkeit nicht zu stellen war, jedoch die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 B-BU vorlagen.
VI.Wegfall der Leistungspflicht aufgrund rückwirkend befristeten Anerkenntnisses
Fraglich ist sodann, ob C sich darauf berufen darf, bei richtiger Erkenntnis der Sachlage habe er seine
Leistungspflicht befristet anerkennen dürfen. Dann bestünde – nach der Aufgabe – kein weiterer
Anspruch mehr, ohne dass es auf die Voraussetzungen der Nachprüfung ankäme.
Insoweit wird von den Bearbeitungen erwartet, dass sie sich mit § 173 Abs. 1 VVG und § 12 Abs. 2 BBU auseinandersetzen, (ggf. aber nicht zwingend etwas zur Rechtsnatur des Anerkenntnisses sagen,
und dass sie sich der Frage stellen, ob ein zeitlich befristetes Anerkenntnis nachträglich und auch dann
ausgesprochen werden darf, wenn der Versicherungsfall „endgültig“ eingetreten ist. Sehr gut (aber nicht
unbedingt zu erwarten) wäre es, wenn die in den AVB vorgenommene Beschränkung der Befristung auf
die Frage der Verweisbarkeit gesehen würde.
VII.Wegfall der Leistungspflicht aufgrund einer Nachprüfung
Die Bearbeitungen sollten auf die Idee kommen, dass eine einmal (aufgrund eines Versicherungsfalls)
eingetretene Leistungspflicht nach § 174 Abs. 1 VVG entfallen kann. Sie sollten wissen, dass das
bestimmte formelle Erfordernisse hat, nämlich den Vergleich zwischen dem gesundheitlichen und
funktionellen Zustand zum Zeitpunkt des (fiktiven) Anerkenntnisses und jenem zum Zeitpunkt der
Leistungseinstellung.
Im Ergebnis kann das nur bedeuten, dass C zu weiteren Leistungen („bis längstens“) verpflichtet ist.
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