ARBEITSRECHT Fakultät für Betriebswirtschaft Skript: www.ra-modlinger.de/skripten Dr. Florian Modlinger Rechtsanwalt, Diplom-Betriebswirt und Fachanwalt für Steuerrecht Sommersemester 2017 1. Teil GLIEDERUNG Grundlagen Arbeitsrecht in der Rechtsordnung Gliederung des Arbeitsrechts Abgrenzung zu Werkvertrag und freiem Dienstvertrag nach § 611 BGB Zustandekommen des Arbeitsvertrages Erfüllung des Arbeitsvertrages Haftungserleichterung des Arbeitnehmers; Beendigung des Arbeitsverhältnisses / Kündigungsschutzprozess Mitbestimmungsrecht im Betrieb Arbeitsrecht 2 GRUNDLAGEN Arbeitsrecht 3 ISBN-10: 3482652333 ISBN-13: 978-33482652332 Preis: 9,90 Euro Arbeitsrecht 4 JURISTISCHE ARBEITSMITTEL Recherche • VORRANG: GESETZ • Kommentare werten Gerichtsentscheidungen und wissenschaftliche Literatur umfassend aus, zB „Palandt“ Handbücher werten Gerichtsentscheidungen und wissenschaftliche Literatur in unterschiedlichem Umfang aus • Juristische Zeitschriften behandeln aktuelle Entwicklungen z.T. nur Aufsätze und/ oder nur Rechtsprechung, zB „NJW“ • Urteilsanmerkungen bewerten Rechtsprechung, stellen Urteil in Kontext von anderer Rechtsprechung und Literatur • Lehrbücher führen in Rechtsgebiet ein, vermitteln es systematisch, kein Anspruch auf Vollständigkeit • Andere Typen von Studienliteratur, z.B. Fallsammlungen, Studienkurse, Sammlungen von Rechtsproblemen Arbeitsrecht 5 JURISTISCHE ARBEITSMITTEL Online-Recherche Datenbanken: • JURIS, LEGIOS, Beck-Online, Jurion, • Europäische juristische Datenbank: CELEX • Ausländische juristische Datenbanken: Westlaw.com, LexisNexis.com Arbeitsrecht 6 SYSTEMATISIERUNG DES RECHTS Privatrecht Öffentliches Recht Gleichordnung Über- und Unterordnung Staat Bürger Bürger Bürger Arbeitsrecht 7 RECHTSORDNUNG Privatrecht • Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen gleichgeordenten Beteiligten Bürgerliches Recht = allgemeines Privatrecht z. B. BGB Arbeitsrecht 8 Öffentliches Recht • Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen Staat und Bürger • Meist im Über- und Unterordnungsverhältnis Sonderprivatrecht = Geltung für besondere Rechtsgebiete z. B. ArbR, HandelsR z. B. VerfassungsR, SteuerR, StrafR, ProzessR AUSLEGUNG VON GESETZEN Wortlaut teleologisch Auslegung historisch Arbeitsrecht 9 Systematik AUSLEGUNG VON GESETZEN Nach dem Wortlaut: Darlegung nach vom Gesetzgeber angewandten Grammatik Nach der Systematik: bezieht sich auf den inneren Zusammenhang, Kontext Nach der Historie: Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers, der Entstehungsgeschichte Teleologisch: Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm Arbeitsrecht 10 METHODENLEHRE Struktur der Rechtsnorm Eine Rechtsnorm besteht aus Tatbestand (das „Wenn“ - Voraussetzungen für den Eintritt der Regelungswirkung) und Rechtsfolge (das „Dann“ – Regelungswirkung der Norm). Der Tatbestand besteht regelmäßig aus mehreren Tatbestandsmerkmalen. § 611 I 1: Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. § 134: Gesetzliches Verbot Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Arbeitsrecht 11 METHODENLEHRE Subsumtion Ziel einer juristischen Prüfungen ist es, herauszufinden, ob die Rechtsfolge eintritt. Dazu ist es notwendig zu überprüfen, inwieweit der Tatbestand der Rechtsnorm im konkreten Fall erfüllt ist. Diese Untersuchung nennt man Subsumtion. Tatbestandsmerkmal § Norm § Tatbestandsmerkmal Tatbestandsmerkmal Arbeitsrecht 12 Konkretisierung durch Defintion Lebenssachverhalt METHODENLEHRE Subsumption 1. 2. 3. 4. Hypothese Obersatz Untersatz Ergebnis Anfangsfrage beim Gutachtenstil: „Wer (=Anspruchsteller, Kläger) will was (= Anspruch, Streitgegenstand) von wem (= Anspruchsgegner, Beklagter) woraus (= Anspruchsgrundlage)?“ Arbeitsrecht 13 METHODENLEHRE Schrittfolge Subsumption 1. 2. 3. 4. Vorraussetzung aufzeigen Voraussetzung definieren Sachverhalt mit Definition vergleichen = Subsumption Ergebnis Wichtig: Ergebnis positiv (+) oder negativ (-) formulieren! Für jedes einzelne Tatbestandsmerkmal subsumieren! Achtung: Wenn ein TBM (-) gesamte Prüfung beendet! Arbeitsrecht 14 METHODENLEHRE Prüfungsreihenfolge • 1. Vertragliche Ansprüche • 2. Vertragsähnliche Ansprüche (zB § 311 II, § 677) • 3. Deliktische Ansprüche (zB § 823 I) • 4. Dingliche Ansprüche (zB § 985) • 5. Bereicherungsrechtliche Ansprüche (§ 812 I S. 1 1. Alt.) Arbeitsrecht 15 JURISTISCHE ARBEITSTECHNIK Gutachten 1. Bilden eines Gesamtobersatzes. Keine Frage, sondern Konjunktiv 2. Prüfung des ersten Tatbestandmerkmals Schritt 1 von oben ausführen: Tatbestand in einzelne Tatbestandsmerkmale aufteilen und für jedes einzeln folgende Schritte durchführen. a) Benennen des einzelnen Tatbestandsmerkmals b) Definieren des Tatbestandsmerkmals c) Feststellung des konkreten Sachverhalts d) Anwendung des Sachverhalts auf Tatbestandsmerkmal = Subsumtion e) Ergebnis für einzelnes Tatbestandsmerkmal 3. Prüfung für nächstes Tatbestandsmerkmal … 4. Ergebnis gesamt: Muss Gesamtobersatz beantworten! Wichtig: wenn ein TBM (-) Prüfung mit Schlusssatz abschließen. Arbeitsrecht 16 JURISTISCHE ARBEITSTECHNIK Zitierweise von Gesetzen §1 Paragraphenangabe „§§“ bezeichnet eine Kette von Paragraphen. Abs. 2 Angabe des Absatzes Nr. 1 Satznummer Kleine Ziffer zu Beginn des Satzes, z.B.: „³Der …“ Satz 2 Nummernangabe bei Aufzählungen Nr. 1 (Amtliche) Kurzbezeichnung Arbeitsrecht 17 KSchG 17 ARBEITSRECHT IN DER RECHTSORDNUNG Arbeitsrecht 18 DEFINITION: RECHT = verbindliche Regeln des menschlichen Zusammenlebens Subjektives Recht • Ansprüche, Berechtigungen des Einzelnen ein solches Recht auszuüben • z. B. Anspruch auf Arbeitslohn Arbeitsrecht 19 Objektives Recht • Gesamtheit der Vorschriften, die das Zusammenleben regelt • Summe der Rechtsquellen • z. B. GG, BGB, StGB RECHTSQUELLEN Gesetze iSv Art. 20 III GG Gesetze im formellen Sinn Gesetze im materiellen Sinn sind Hoheitsakte, die von einem Parlament (zB Bundestag), in dem hierfür durch die jeweilige Verfassung vorgesehenen Verfahren (auf Bundesebene: Art. 76 ff. GG), als Gesetz erlassen werden. sind Regelungen, die ein Träger hoheitlicher Gewalt für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen (abstrakt) und Personen (generell) erlassen hat und die Rechte oder Pflichten für den Bürger oder sonstige Rechtspersonen begründen, ändern oder aufheben. Beispiele: Die meisten Gesetze im formellen Sinn sind auch solche im materiellen Sinn wie BGB, StGB, VWVfG. Rechtsverordnungen (StVO) und Satzungen, die nicht von einem Parlament, sondern von einer Executive erlassen werden, sind Gesetze nur im materiellen Sinn. Arbeitsrecht 20 STUFENAUFBAU DER RECHTSORDNUNG Normenhierachie EU• Europarecht Recht Grundgesetz • Bundesrecht Formelle Gesetze Rechtsverordnungen Satzungen Landesverfassung Formelle Gesetze Rechtsverordnungen Satzungen Arbeitsrecht 21 • Landesrecht RECHTSNORMEN Anwendungsregeln Kollisionsregeln: Stehen zwei Vorschriften im Widerspruch, so gilt „lex superior derogat legi inferiori“ = die höherrangige Norm verdrängt die niederrangige Norm. Geltungsvorrang Folge: die rangniedrigere Rechtsvorschrift ist nichtig, dh unwirksam. Beispiel: Art. 31 GG:“ Bundesrecht bricht Landesrecht.“ Arbeitsrecht 22 RECHTSNORMEN Anwendungsregeln Konkurrenzregeln: Die speziellere Rechtsnorm verdrängt die allgemeine; „lex specialis derogat legi generali“ Anwendungsvorrang Beispiel: § 113 BGB ist eine besondere Vorschrift über Geschäftsfähigkeit im Zusammenhang mit Dienst- oder Arbeitsverhälnissen; wohingegen der §§ 105 ff. BGB die allgemeinen Vorschriften bei beschränkt Geschäftsfähigen im Rechtsverkehr sind. Arbeitsrecht 23 Die spätere (jüngere) Rechtsnorm verdrängt die frührere (ältere); „lex posterior derogat legi priori“ Beispiel: Art. 72 III S. 3 GG: "Auf den Gebieten des Satzes 1 (sog. Abweichungsbefugnis der Länder) geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor." AUSGANGSPUNKT BGB Bücher des BGB BGB 1. Buch 2. Buch 3. Buch 4. Buch 5. Buch Allgemeiner Teil §§ 1 - 240 Schuldrecht §§ 241 - 853 Sachenrecht §§ 854 - 1296 Familienrecht §§ 1297 - 1921 Erbrecht §§ 1298 - 2358 Arbeitsrecht 24 SPEZIALGESETZE Arbeitsrecht 25 GLIEDERUNG DES ARBEITSRECHTS Arbeitsrecht 26 INDIVIDUALARBEITSRECHT Rechtsbeziehung zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und Arbeitgeber; Recht des Arbeitsvertrages; Arbeitsschutz; KOLLEKTIVARBEITSRECHT Rechtsbeziehung von Belegschaften (Arbeitnehmervertreter) zum Arbeitgeber; Rechtsbeziehungen zwischen den Koalitionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern; Mitbestimmungsrecht im Unternehmen; Mitbestimmungsrecht im Betrieb; Tarifrecht; Arbeitskampfrecht; Arbeitsrecht 27 RANGPRINZIP Europarecht (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen) Grundgesetz Zwingendes Gesetzesrecht (auch RVO) Tarifvertrag Betriebsvereinbarung Arbeitsvertrag Vertrauenstatbestände (z.B. Betriebliche Übung) Gesetze, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen können Gestaltungsmöglichkeiten für nachrangige Rechtsgrundlagen einräumen. Arbeitsrecht 28 DEFINITION: BETRIEB Das Arbeitsrecht bietet für den Begriff Betrieb keine einheitliche gesetzliche Definition. Die Rechtsprechung hat folgende Definition entwickelt: Der Betrieb ist die organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln, mit deren Hilfe jemand allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt. Arbeitsrecht 29 ARBEITNEHMERSCHUTZRECHT Schutz der Arbeitnehmer gegen Nachteile und Gefährdungen, die mit seiner unselbständigen Stellung verbunden sind, z.B. • Arbeitszeitschutz • betrieblicher Gesundheitsschutz • Mutter- und Schwerbehindertenschutz • Kündigungsschutz Arbeitsrecht 30 GÜNSTIGKEITSPRINZIP Arbeitsrecht als Arbeitnehmer-Schutzrecht • Sicherung durch zwingenden Charakter der höheren Rechtsnorm. • Abweichungen nur soweit diese ausdrücklich gestattet sind. • Beispiel § 13 BUrlG (Öffnung für tarifvertragliche Regelung). Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) • Gilt im Verhältnis arbeitsvertraglicher zu tarifvertraglicher Regelungen. • Abweichende „Abmachungen“ nur, soweit zugunsten des Arbeitnehmers. Arbeitsrecht 31 BEISPIEL 1 ZU RANG- UND GÜNSTIGKEITSPRINZIP BUrlG TV BV AV Ergebnis 20 30 - 33 33 § 4 Abs. 3 TVG 20 30 - 28 30 § 13 Abs. 1 S. 3 BUrlG 20 30 33 - 30 § 77 Abs. 3 BetrVG Arbeitsrecht 32 BEISPIEL 2 ZU RANG- UND GÜNSTIGKEITSPRINZIP Der Arbeitgeber bietet seinen Mitarbeitern die Aufnahme folgender Regelung in den Arbeitsvertrag an: „Der Arbeitnehmer hat jährlich einen Anspruch auf 30 Tage Urlaub. Der Urlaub kann auch noch in den beiden auf das Jahr der Anspruchsentstehung folgenden Jahre genommen werden.“ Ist die Regelung wirksam ? Arbeitsrecht 33 LÖSUNG ZU BEISPIEL 2 30 Tage Urlaub? Die Vereinbarung von 30 Tagen Urlaub weicht von § 3 Abs. 1 BUrlG zugunsten des Arbeitnehmers ab und ist daher wirksam. Übertragung auf Folgejahre? § 7 Abs. 3 BUrlG. Es gelten die gesetzlichen Regelung zur Übertragung von Urlaubsansprüchen. Die Verlängerung des Übertragungszeitraums weicht jedoch zuungunsten des Arbeitnehmers von § 7 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BUrlG ab und ist deshalb unwirksam. Arbeitsrecht 34 ABGRENZUNG DIENSTVERTRAG ZU WERKVERTRAG Arbeitsrecht 35 ABGRENZUNG Ein Blick ins Gesetz: § 675 BGB (1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung. • Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für andere, sofern das Gewerbe nicht handwerksmäßig betrieben wird; • die Bankier- und Geldwechslergeschäfte; • die Übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See, die Geschäfte der Handelsvertreter oder der Handelsmakler; • die Verlagsgeschäfte sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- oder Kunsthandels; Arbeitsrecht 36 ABGRENZUNG Ein Blick ins Gesetz: § 611 BGB (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein. § 631 BGB (1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Arbeitsrecht 37 ABGRENZUNG § 611 BGB § 631 BGB Leistung der Dienste Herstellung des Werks Vergütung Vergütung Dienste jeder Art Herstellung oder Veränderung einer Sache Oder ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Arbeitsrecht 38 BEISPIELE Architektenvertrag - Erstellung Bauplan …………..….. - Bauüberwachung …………..…… Arzt (Behandlung) …………..………………. Beratervertrag …………..………..…………. EDV, Wartung, Programmierung …………. Gutachten …………..………………….……. Reparaturvertrag (KFZ) ..…..………………. Rechtsanwalt …………..……………………. Steuerberater - Erstellung Jahresabschluß ……. - allg. Beratung …………..………. Arbeitsrecht 39 Werkvertrag Dienstvertrag Dienstvertrag Dienstvertrag Werkvertrag Werkvertrag Werkvertrag Dienstvertrag od. Geschäftsbesorgung Werkvertrag Dienstvertrag ZUSTANDEKOMMEN DES ARBEITSVERTRAGS Arbeitsrecht 40 VERTRAG = mehrseitiges Rechtsgeschäft Angebot zwei übereinstimmende Willenserklärungen Vertrag Rechtsfolge Arbeitsrecht 41 Annahme VERTRAGSSCHLUSS Angebot und Annahme Wirksamkeitsvoraussetzungen: I. Angebot (§ 145): empfangsbedürftige WE • Angebot erst mit Zugang (§ 130 I 1) beim Empfänger wirksam, bis dahin Widerruf möglich (§ 130 I 2) • Hinreichend bestimmt bzgl. Inhalt (verkehrswesentliche Punkte des Vertrags, sog. essentialia negotii) Annahme muss durch eine bloße Zustimmung erfolgen können Arbeitsrecht 42 II: • • • • Annahme (§ 147) Zugang (§ 130 I 1) Kein Widerruf (§ 130 I 2) Inhalt: ja (sonst § 150 II) Rechtzeitigkeit VERTRAGSSCHLUSS IM ARBEITSRECHT Grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln (Angebot und Annahme): Besonderheit: Ein Arbeitsvertrag kann danach auch ohne Vereinbarung der Arbeitszeit, Dauer und Vergütung durch bloße Tätigkeitsaufnahme des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers zustande kommen. Dies gilt, wenn der Arbeitgeber die Tätigkeitsaufnahme gekannt und zumindest geduldet haben, dass die Arbeitsleistung von anderen nicht vertretungsberechtigten Mitarbeitern entgegengenommen wird. Arbeitsrecht 43 VERTRAGSSCHLUSS IM ARBEITSRECHT Beispiel: Der A sucht nach Arbeit. Dazu fragt er bei verschiedenen Unternehmen nach. Bei einem Unternehmen bemerkt er, dass im Hof noch jede Menge Laub liegt. Er nimmt sich einen auf dem Gelände befindlichen Rechen und fängt zu arbeiten an. Die macht er an den Folgetagen auch. Am 3. Tag wird der Firmeninhaber auf ihn aufmerksam. Er freut sich über so viel Engagement und lässt dem A einen Kaffee bringen. Am 5. Tag lobt er ihn, wie fleißig er den Innenhof bereits gereinigt hat. Am Ende des 5. Tages steht der A im Lohnbüro und fordert seinen Lohn für die Woche. Weiterhin stellt er die Frage, wie man gedenkt ihn weiterzubeschäftigen, nachdem er mit dem Laubkehren fertig ist. Arbeitsrecht 44 VERTRAGSSCHLUSS IM ARBEITSRECHT Besteht ein Arbeitsverhältnis und ein Gehaltsanspruch? Angebot (?) Annahme (?) Essentialia negotii (?) => Hier keine Regelung zum Gehalt => § 612 BGB Formerfordernis? => § 2 NachwG => Folge Arbeitsrecht 45 FORMEN UND INHALT EINES RECHTSGESCHÄFTS Formvorschriften Arten: • Textform (§ 126b) • Schriftform • gesetzlich (§ 126) • vertraglich (§ 127) • elektronische Form (§ 126a) • öffentliche Beglaubigung (§ 129) • notarielle Beurkundung (§ 128) Rechtsfolgen bei Formmängeln: RG ist im Zweifel nichtig (§ 125) • Nichteinhaltung des gesetzlichen Form • RG ist grundsätzlich nichtig (§ 125) • Ausnahme: „Heilung“ des Formmangels, wenn RG von allen Parteien übereinstimmend erfüllt wurde. • Z. B. Schenkung: Formmangel durch Leistung geheilt (§ 518 II) • Nichteinhaltung der vereinbarten Form • gewillkürte Schriftform (§ 127) Arbeitsrecht 46 VERTRAGSSCHLUSS IM ARBEITSRECHT Besteht ein Arbeitsverhältnis und ein Gehaltsanspruch? Angebot (+) AN bietet konkludent an, zu arbeiten Annahme (+) Der AG hat Kenntnis und billigt die Tätigkeit Essentialia negotii (?) => Hier keine Regelung zum Gehalt => § 612 BGB => Gehalt ist kein wesentlicher Bestandteil => Anspruch besteht Formerfordernis? => § 2 NachwG => Nur für Beweiszwecke => keine Formvorschrift => Arbeitsverhältnis besteht => § 14 IV TzBfG Arbeitsrecht 47 ABGRENZUNG ARBEITSVERTRAG ZUM DIENSTVERTRAG Ein Dienstvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Dienstverpflichtete die geschuldete Tätigkeit – selbstständig, – eigenverantwortlich, – wirtschaftlich und sozial unabhängig ausführt. Somit handeln Unternehmer dienstvertraglich und Arbeitnehmer arbeitsvertraglich. Arbeitsrecht 48 ABGRENZUNG ARBEITSVERTRAG ZUM DIENSTVERTRAG Beispiel: Eine Reinigungskraft hat den Auftrag, in einem Betrieb regelmäßig die Büroräume zu reinigen. Er darf selbst entscheiden und trägt die Verantwortung dafür, wie und mit welchen Hilfsmitteln er die Reinigungsarbeiten ausführt und auf wie viele seiner eigenen Mitarbeiter er zurückgreift. => selbständig, eigenverantwortlich, wirtschaftlich und sozial unabhängig? => Dienstvertrag Arbeitsrecht 49 ABGRENZUNG ARBEITSVERTRAG ZUM DIENSTVERTRAG Ein freier Dienstvertrag liegt auch vor, wenn der/die Dienstverpflichtete einen freien Beruf ausübt. Beispiel: Tätigkeit von selbständigen Rechtsanwälten, Steuerberatern und frei praktizierenden Ärztinnen/Ärzten. Arbeitsrecht 50 ABGRENZUNG ARBEITSVERTRAG ZUM DIENSTVERTRAG Abhängiges Dienstverhältnis (Arbeitsvertrag) Bei einem Arbeitsvertrag erbringt der Dienstverpflichtete in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit Dienste von einer gewissen Dauer. Anhaltspunkte: – Weisungsgebundenheit, – Eingliederung des Dienstverpflichteten in die Arbeitsorganisation – Pflicht, regelmäßig zu bestimmten Arbeitszeiten an einem festen Arbeitsort zu erscheinen. (Wer bestimmt Zeit und Ort) – Arbeitsmaterial oder –gerätschaften werden gestellt Arbeitsrecht 51 ABGRENZUNG ARBEITSVERTRAG ZUM DIENSTVERTRAG Praxisproblem Scheinselbständigkeit Probleme: – Arbeitsrecht – Steuerrecht => § 371 AO – Sozialversicherungsrecht => § 266a StGB Praxisbeispiel: Notärzte Arbeitsrecht 52 ERFÜLLUNG DES ARBEITSVERTRAGS Haupt- und Nebenleistungspflichten Leistungsstörungen Arbeitsrecht 53 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein. Arbeitsrecht 54 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AG Gewährung der vereinbarten Vergütung (Lohn/Gehalt) Bei Nichtzahlung: Verzug (keine Unmöglichkeit von Geldleistungen => „Geld hat man zu haben“) Häufig: Annahmeverzug bzgl. der Arbeitsleistung => Vergütungsanspruch bleibt bestehen => § 615 BGB Erfüllbares Dienstverhältnis (insbes. keine Kündigung) Angebot der Arbeitsleistung (tatsächlich, wörtlich) Möglichkeit der Arbeitsleistung Nichtannahme Nichtannahme Bereitschaft nur andere als vereinbarte Arbeiten anzunehmen Nichtvornahme von Mitwirkungshandlungen oder Schutzpflichten Arbeitsrecht 55 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AG Praxisproblem bei Nichtzahlung: => § 23 SGB IV (Fälligkeit 15. des Folgemonats) => Risiko des § 266a StGB Folgeproblem Insolvenz => § 283c StGB: Gläubigerbegünstigung => § 266a StGB: Nichtabführen von Soz.Vers. Lösung: AN-Anteil ist abzuführen, AG-Anteil darf nicht abgeführt werden. Arbeitsrecht 56 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AG Beschäftigungsanspruch des AN AG hat den AN gemäß der vertralichen Vereinbarungen zu beschäftigen – Angemessene Beschäftigung – Recht auf Beschäftigung (Arbeitsvertrag und allg. Persönlichkeitsrecht (Art. 2 GG)) Arbeitsrecht 57 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Leistung der versprochenen Dienste Unterscheidung Nichterfüllung • AN kann nicht leisten • AN erscheint nicht zur Arbeit • AN erscheint zu spät zur Arbeit Arbeitsrecht 58 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Leistung der versprochenen Dienste Nichterfüllung • AN kann nicht leisten (Unmöglichkeit) § 275 BGB => Arbeitsverhältnis bleibt zunächst bestehen => Kündigung => Anfechtung => Wirkung § 142 BGB => Hier: „ex nunc“ => Schadensersatz => Rücktritt Arbeitsrecht 59 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Leistung der versprochenen Dienste Nichterfüllung • AN erscheint nicht zur Arbeit Einklagbarer Anspruch auf Arbeitsleistung. Faktisch aber wertlos, da der Anspruch gem. § 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckbar ist. Aber: Gericht kann Entschädigung des Arbeitgebers anordnen, wenn der AN die Arbeit nicht aufnimmt. Arbeitsrecht 60 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Leistung der versprochenen Dienste Nichterfüllung • AN erscheint zu spät zur Arbeit Verzug oder Unmöglichkeit? => § 286 BGB => § 275 BGB Arbeitsrecht 61 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Fall: Die Arbeitszeit des AN beginnt täglich um 9 Uhr. Aufgrund eines Staus erscheint AN am Montag den 03.04.2017 erst um 10 Uhr an seinem Arbeitsplatz. Kann AN die verlorene Stunde nachholen? Absolutes Fixgeschäft => Arbeit nicht mehr nachholbar Kein Verzug, sondern Unmöglichkeit § 326 Abs. 1 BGB Arbeitsrecht 62 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Grundsatz des § 326 Abs. 1 BGB => „Kein Lohn/Gehalt ohne Arbeit“ Spezialregelungen: - Feiertag § 2 EFZG - Krankheit § 3 Abs. 1 EFZG - Mutterschutz § 11 MuSchG - Urlaub § 11 BUrlG - Freistellung Betriebsrat § 37 BetrVG - Annahmeverzug § 615 S. 1 BGB - Betriebsstörung § 615 S. 3 BGB - kurzfristige Verhinderung § 616 BGB Arbeitsrecht 63 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Kurzfristige Verhinderung § 616 BGB Voraussetzungen: – wegen eines in der persönlichen Sphäre des AN liegenden Grundes – für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit – ohne sein Verschulden. Beispiele (jedoch Einzelfallprüfung erforderlich): – – – – Erkrankung naher Angehöriger Pflege naher Angehöriger Ereignisse im Familien- und Verwandtenkreis (Hochzeit, Geburt) Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten (Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter, Ladung als Zeuge etc.) – Sonstige Fälle (Umzug, Arztbesuche, Einbruch, Brand, …) Arbeitsrecht 64 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Fall (Fortsetzung): Die Arbeitszeit des AN beginnt täglich um 9 Uhr. Aufgrund eines Staus erscheint AN am Montag den 03.04.2017 erst um 10 Uhr an seinem Arbeitsplatz. Kann AN die verlorene Stunde nachholen? § 326 Abs. 1 BGB Ausnahme durch Spezialregelung? § 616 BGB ? Hier (-), objektiver Hinderungsgrund, nicht in der Person d. AN Arbeitsrecht 65 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Höhe der Lohnfortzahlung Gehaltsbestanteile: • Grundlohn (+) • Erschwernis- und Leistungszuschläge (+) • Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (+) • Provisionen (+) • Sachbezüge (+) • einmalige Zuwendungen (Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Prämien, Jubiläumszuwendungen, ...) (-) • Reisekostenersatz (-) • Überstunden; Wenn unregelmäßig (-); Wenn regelmäßig (+) Arbeitsrecht 66 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Schlechtleistung? Fall: AN ist bei AG beschäftigt. Bislang hat AN zufriedenstellend gearbeitet. Aufgrund der Einführung einer neuen Software macht AN trotz Schulung und Einarbeitung ständig Fehler. Kann AG das Gehalt kürzen? Wie wäre die Lage, wenn AN absichtlich schlecht arbeitet? Arbeitsrecht 67 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Überlegungen: - Gehaltsanspruch aus § 611 BGB - Regelungen zur mangelhaften Leistung in § 611 ff.? - Hilft § 326 I 1 BGB? - Minderungsvorschriften in analoger Anwendung Voraussetzungen für eine Analogie: => planwidrige Regelungslücke Was nun? Arbeitsrecht 68 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Anspruch entstanden? Anspruch erloschen? Anspruch durchsetzbar? Erlöschensgründe? Hier § 389 BGB Aufrechnung Voraussetzungen: - Gegenseitige Forderungen - Gleichartigkeit - Fälligkeit - Kein Aufrechnungsverbot Arbeitsrecht 69 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Hier § 389 BGB Aufrechnung - Gegenseitige Forderungen => Schadensersatz (Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Schaden, Kausalität, Verschulden (-) ) - Gleichartigkeit unproblematisch - Fälligkeit unproblematisch - Kein Aufrechnungsverbot => § 394 BGB „Existenzminimum“ Arbeitsrecht 70 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN AN Abwandlung: Hier § 389 BGB Aufrechnung - Gegenseitige Forderungen => Schadensersatz (Schuldverhältnis, Pflichtverletzung, Kausalität, Verschulden (+) ) - Gleichartigkeit unproblematisch - Fälligkeit unproblematisch - Kein Aufrechnungsverbot => § 394 BGB „Existenzminimum“ Schaden, Aber: Rspr. lässt Anspruch gar nicht entstehen => Rechtsmissbrauch => § 242 BGB (ggf. auch § 138 BGB) bzw. § 326 BGB Arbeitsrecht 71 VERTRAGSSTRAFE Für den Fall der Nichtleistung kann eine Vertragsstrafe geregelt werden. Regelung in § 339 ff. BGB Problem: Arbeitsverträge sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert => § 305 BGB (Beachte § 310 Abs. 3 BGB) Problem: § 309 Nr. 6 BGB Lösung: § 310 Abs. 4 S.2 BGB (Besonderheit d. Arbeitsrechts: § 888 Abs. 3 ZPO) Arbeitsrecht 72 NEBENLEISTUNGSPFLICHTEN AG Insbesondere Schutz- und Mitwirkungspflichten - Arbeitsschutz - Mutterschutz - Zur Verfügungstellung von Arbeitsmitteln • Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers • Bei nicht unwesentlichen Pflichtverletzungen: Zurückbehaltungsrecht gem. §§ 273, 320 BGB => Beachte § 320 Abs. 2 HGB • Ggf. Schadensersatz Arbeitsrecht 73 NEBENLEISTUNGSPFLICHTEN AN Pflichten des Arbeitnehmers – Sorgsamer Umgang mit dem Eigentum des Arbeitgebers – Verschwiegenheitspflicht (Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gem. § 17 UWG) – Wettbewerbsverbot (vgl. §§ 60, 61 HGB). Rechte des Arbeitgebers: – – – – Arbeitsrecht 74 Lohnkürzung Abmahnung Kündigung Schadensersatz FÄLLE ZUSTANDEKOMMEN UND ERFÜLLUNG DES ARBEITSVERTRAGS Arbeitsrecht 75 FALL AN ist seit 2001 als Schwerbehinderter (Behinderungsgrad 50%) anerkannt. Er bewirbt sich bei AG als Hausmeister. Auf dem Einstellungsbogen läßt er die Frage nach einer Schwerbehinderung unbeantwortet. Auf Nachfrage erklärt er wahrheitswidrig, dass er nicht schwerbehindert sei. Daraufhin wird er eingestellt. Nach Arbeitsbeginn wird die Schwerbehinderung ersichtlich, obwohl die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt wird. AG erklärt unter diesen Umständen sei er nicht an den Arbeitsvertrag gebunden und werde somit kein Gehalt bezahlen. Besteht das Arbeitsverhältnis weiterhin? Arbeitsrecht 76 LÖSUNG I. Arbeitsverhältnisses entstanden? (1) Einigung (§§ 145 ff. BGB) (+) (2) Inhalt, § 611 BGB (Arbeitsleistung gegen Entgelt) (+) Arbeitsrecht 77 LÖSUNG II. Nichtigkeit? Wirksame Anfechung? §§ 142, 143 BGB? (1) Anwendbarkeit auf Arbeitsverhältnis? h. M. (+) (2) Anfechtungserklärung (§ 143 I BGB) (3) Anfechtungsgrund, § 142 I BGB a) Gemäß § 119 II BGB • Irrtum der B über Behinderung (+) bzw. Schwerbehindertenstatus (+) • Eigenschaft => Behinderung (+) bzw. Schwerbehindertenstatus (+) Arbeitsrecht 78 LÖSUNG • Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaft Behinderung: Nur, wenn sie der Arbeitsleistung entgegensteht. Hier (-) Schwerbehindertenstatus: Nur, wenn Interessen des Arbeitgebers schwer beeinträchtigt sind; hier (-) b) Gemäß § 123 I BGB • Arglistige Täuschung Schwerbehindertenstatus (+) Behinderung: wohl (-) Arbeitsrecht 79 LÖSUNG • Rechtswidrigkeit der Täuschung? Nein, wenn kein entsprechendes Fragerecht des Arbeitgebers besteht Verstoß der Frage gegen Art. 3 II GG (-) Aber: Eingriff in Persönlichkeitssphäre; allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Artt. 1 I, 2 I GG Rechtfertigung durch Interessen der B? BAG: Einstellung eines Schwerbehinderten bringt so erhebliche Belastungen mit sich, daß Frage gerechtfertigt Arbeitsrecht 80 LÖSUNG Verstoß gegen § 81 II Nr. 1 SGB IX (Benachteiligungsverbot)? Streitig, nach h.M. ist Frage nicht mehr zulässig Somit keine Rechtswidrigkeit der Täuschung (Recht zur Lüge) (4) Anfechtungsfrist, § 124 I BGB: eingehalten Ergebnis: Anfechtung nach h.M. unwirksam => Arbeitsverhältnis besteht Arbeitsrecht 81 FALL AN ist seit wegen Diebstahl (120 Tagessätze) vorbestraft. Er bewirbt sich bei AG als Lagerist. Auf dem Einstellungsbogen läßt er die Frage nach einer Vorstrafe unbeantwortet. Auf Nachfrage erklärt er wahrheitswidrig, dass er nicht vorbestraft sei. Daraufhin wird er eingestellt. 2 Monate nach Arbeitsbeginn kommt die Vorstrafe ans Licht, obwohl die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt wird. AG erklärt unter diesen Umständen sei er nicht an den Arbeitsvertrag gebunden und werde somit kein Gehalt bezahlen. Besteht das Arbeitsverhältnis weiterhin? Hat der AN einen Anspruch auf das Gehalt für 2 Monate? Arbeitsrecht 82 LÖSUNG I. Arbeitsverhältnisses entstanden? (1) Einigung (§§ 145 ff. BGB) (+) (2) Inhalt, § 611 BGB (Arbeitsleistung gegen Entgelt) (+) Arbeitsrecht 83 LÖSUNG II. Nichtigkeit? Wirksame Anfechung? §§ 142, 143 BGB? (1) Anwendbarkeit auf Arbeitsverhältnis? h. M. (+) (2) Anfechtungserklärung (§ 143 I BGB) (3) Anfechtungsgrund, § 142 I BGB a) Gemäß § 119 II BGB • Irrtum der B über Vorstrafe (+) • Eigenschaft => Nicht Vorbestraft (+) Arbeitsrecht 84 LÖSUNG • Verkehrswesentlichkeit der Eigenschaft Keine Vorstrafe, wenn für die jeweilige Tätigkeit von Bedeutung Hier (+) Verkehrswesentlich bzw. zulässig sind Fragen z.B.: • Bankkassierer oder Buchhalter => Vorstrafen auf vermögensrechtlichem Gebiet • Berufskraftfahrer => verkehrsrechtlichen Vorstrafen • Lehrer oder Erzieher => Vorstrafen im Bereich der Sittlichkeitsdelikte Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Bewerber regelmäßig als nicht (mehr) vorbestraft gilt, wenn die Vorstrafe nach dem Bundeszentralregistergesetz (BZRG) nicht oder nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen ist (§ 53 BZRG; vgl. LAG Berlin, Urteil vom 22.3.1996, NZA-RR 1997, 7). Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die Verurteilung mehr als fünf Jahre zurückliegt (§ 34 Abs.1 Nr.2 BZRG) oder nicht mehr als 90 Tagessätze (§ 32 Abs.2 Nr.5a BZRG) verhängt werden. Arbeitsrecht 85 LÖSUNG b) Gemäß § 123 I BGB • Arglistige Täuschung (+) • Rechtswidrigkeit der Täuschung? Nein, wenn kein entsprechendes Fragerecht des Arbeitgebers besteht Fragerecht (+) Siehe oben. Arbeitsrecht 86 LÖSUNG (4) Anfechtungsfrist, § 124 I BGB: eingehalten Ergebnis: Anfechtung wirksam Folge ? Wirung der Anfechtung „ex tunc“ oder „ex nunc“ Arbeitsverhältnis besteht nicht mehr ab Zeitpunkt des Zugangs der Anfechtungserklärung => Ex nunc Arbeitsrecht 87 LÖSUNG Anspruch auf Gehaltszahlung? Anspruch entstanden? Anspruch erloschen? Anspruch durchsetzbar? Arbeitsrecht 88 LÖSUNG Anspruch auf Gehaltszahlung? Anspruch entstanden? Anspruchsgrundlage? Vertrag gem. § 611 BGB? Angebot und Annahme Anfechtung, Wirkung ex nunc Anspruch entstanden (+) Arbeitsrecht 89 LÖSUNG Anspruch auf Gehaltszahlung? Anspruch erloschen? Ggf. durch Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch? Anspruch gem. § 280, 311 II, 241 BGB? Vorvertragliches Schuldverhältnis (+) Pflichtverletzung (+) Vertretenmüssen (+) Schaden ? Anspruch erloschen (-), Anspruch durchsetzbar (+) Arbeitsrecht 90 FALL AN ist Forschungsingenieur bei AG. Am Stammtisch plaudert er über eine neue Erfindung des AG. Zufällig hört der B dies und gibt sämtliche Infos dem Konkurrenten (K) des AG. K nimmt sofort die Forschung auf und schafft es die Erfindung noch vor dem AG auf den Markt zu bringen. Es entsteht dem AG ein Schaden in Höhe von 10 Mio Euro. Hat der AG einen Schadensersatzanspruch gegen AN? Arbeitsrecht 91 LÖSUNG Anspruch auf Schadensersatz? Anspruch entstanden? Anspruch erloschen? Anspruch durchsetzbar? Arbeitsrecht 92 LÖSUNG Anspruch auf Schadensersatz? Anspruch entstanden? Anspruch gem. § 280 BGB? Schuldverhältnis (+), § 611 BGB Pflichtverletzung (+), § 241 BGB, § 17 UWG Vertretenmüssen (+) Schaden (+) Anspruch erloschen (-), Anspruch durchsetzbar (+) Anspruch auf Schadensersatz besteht. In voller Höhe? (Stichwort: „Haftungserleichtungen im Arbeitsverhältnis“) Arbeitsrecht 93 ERFÜLLUNG DES ARBEITSVERTRAGS Besonderheiten im Zusammenhang mit Hauptleistungspflichten des Arbeitgebers Arbeitsrecht 94 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag (1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein. Arbeitsrecht 95 HAUPTLEISTUNGSPFLICHTEN § 612 Vergütung (1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. (2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Arbeitsrecht 96 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Betriebliche Übung = Umstand, dass ein Arbeitnehmer aufgrund regelmäßiger Wiederholung eines bestimmten Verhaltens des Arbeitgebers einen Anspruch darauf erhält, dass sich der Arbeitgeber auch zukünftig bzw. dauerhaft so verhält. Besondere Relevanz hat dies bei der Gewährung von Leistungen und Vergünstigungen. Arbeitsrecht 97 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Voraussetzung: • Vorbehaltlose Gewährung einer Leistung (Umstandsfaktor) • Regelmäßig Wiederholung (Zeitfaktor) Beispiel – Weihnachtsgeld Weihnachtsgeld wird drei Jahre hintereinander ohne Freiwilligkeitsvorbehalt bezahlt. Folge: Anspruch auch im 4. Jahr Arbeitsrecht 98 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Praxis zur Vermeidung einer betrieblichen Übung: • Schriftformklausel im Vertrag „Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrags bedürfen der Schriftform.“ §§ 127, 126 BGB Aber: mündliche bzw. konkludente Vertragsänderung • Doppelte Schrifformklausel „Änderungen oder Ergänzungen dieses Vertrags bedürfen der Schriftform. Dies gilt auch für Änderungen dieser Schriftformklausel.“ Aber: mündliche bzw. konkludente Vertragsänderung Arbeitsrecht 99 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Praxis zur Vermeidung einer betrieblichen Übung: • Freiwilligkeitsvorbehalt „Die zusätzliche Gewährung vertraglich nicht geschuldeter Leistungen erfolgt freiwillig; auch bei wiederholter Zahlung besteht kein Anspruch auf zukünftige Gewähr einer solchen Leistung.“ => Wohl unwirksam => unangemessene Benachteiligung: § 307 BGB (Begr. BAG: „Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB und ist deshalb unwirksam.“) Arbeitsrecht 100 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Praxis zur Vermeidung einer betrieblichen Übung: • Freiwilligkeitsvorbehalt => Lösung: Sehr geehrte(r) Frau/Herr ______, aufgrund der guten geschäftlichen Entwicklung / Ihrer guten Leistungen im Jahr ___ sind wir in der Lage, in diesem Jahr einmalig eine Sonderzahlung in Höhe von ___ EUR brutto (in Worten: ____________) zu leisten. Diese Zahlung erfolgt freiwillig, ohne Bindung für die Zukunft. Ein Rechtsanspruch für künftige Geschäftsjahre ist ausgeschlossen. _______________________________ Ort/Datum/Unterschrift Arbeitgeber (Quelle: ETL Rechtsanwälte GmbH) Arbeitsrecht 101 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Betriebliche Übung bei neuen Mitarbeitern Anspruch gem. §§ 133, 157 BGB auf die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden betrieblichen Übungen. Möglichkeit eines individualvertraglichen Ausschlusses. Ggf. Prüfung, ob Ausschluss sachlich gerechtfertigt ist (Gleichbehandlungsgrundsatz). Arbeitsrecht 102 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Beendigung der betrieblichen Übung Ursprüngliche Ansicht des BAG: Gegenläufige betriebliche Übung. Z.B.: Drei Jahre mit Weihnachtsgeld gefolgt von drei Jahren ohne Weihnachtsgeld. Der Arbeitgeber bringt zum Ausdruck die bisherige betriebliche Übung ändern zu wollen und die Mitarbeiter widersprechen nicht. Folge: Im 7 Jahr kein Anspruch auf Weihnachtsgeld mehr. Neue Ansicht des BAG: Gegenläufige betriebliche Übung verstößt gegen § 308 Nr. 5 BGB. Folge: Beendigung nur durch Änderungskündigung möglich. Arbeitsrecht 103 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Beendigung der betrieblichen Übung Änderungskündigung: Kündigung des Altvertrags und gleichzeitiges Angebot eines neuen Vertrags. Problem: Umfassender Kündigungsschutz des AN möglich. Fazit: Eine einmal entstandene betriebliche Übung kann (einseitig) kaum mehr beseitigt werden. Arbeitsrecht 104 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Beispiele für eine betriebliche Übung: • Weihnachtsgeld • Urlaubsgeld • Jubiläumsgratifikation • Pausen • Kostenfreies Parken • Anwendung bestimmter Tarifverträge Essensgeld • Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, § 1b Abs. 1 S. 4 BetrAVG • Freizeit (Silvester, Heilig Abend,Geburtstag etc.) Arbeitsrecht 105 ANSPRÜCHE AUS BETRIEBLICHER ÜBUNG Fall zur betrieblichen Übung: Den AN wurde in 3 aufeinanderfolgenden Jahren Urlaubsgeld in Höhe von 1.000,- Euro gezahlt. Im 4 Jahr weigert sich der AG zur Zahlung. Der Arbeitsvertrag enthält eine einfache Schriftformklausel. Hat der AN einen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld. Lösung_Betr_Ü.pdf Arbeitsrecht 106 HAFTUNGSERLEICHTERUNG DES ARBEITNEHMERS Arbeitsrecht 107 ARBEITNEHMERHAFTUNG Anspruch auf Schadensersatz im Arbeitsverhältnis Anspruch entstanden Anspruch gem. § 280 BGB Schuldverhältnis, § 611 BGB Pflichtverletzung, § 241 BGB Vertretenmüssen Schaden Anspruch erloschen, Anspruch durchsetzbar Arbeitsrecht 108 ARBEITNEHMERHAFTUNG Anspruch auf Schadensersatz gegenüber Dritten Anspruch entstanden Anspruch gem. § 823 BGB Rechtsgutsverletzung Handlung Haftungsbegründende Kausalität Rechtswidrigkeit Verschulden? => Keine Besonderheiten Schaden Anspruch erloschen, Anspruch durchsetzbar Haftungsfreistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber Arbeitsrecht 109 ARBEITNEHMERHAFTUNG Vertretenmüssen: Grundsätz: § 276 BGB => Vorsatz und Fahrlässigkeit Abweichung im Arbeitsrecht: Unterschiedliche Haftungsstufen - leichteste Fahrlässigkeit => Keine Haftung - normale Fahrlässigkeit => Quotelung - grobe Fahrlässigkeit => Volle Haftung, Höchstgrenze - Vorsatz => Volle Haftung Ergebnis = Abwägung der Gesamtumstände im Einzelfall Arbeitsrecht 110 ARBEITNEHMERHAFTUNG Leichteste Fahrlässigkeit: Unerhebliches Verschulden; Unaufmerksamkeiten im Alltag. Beispiel: versehentliches Umstoßen einer Kaffetasse auf dem Schreibtisch. Keine Haftung des Arbeitnehmers Arbeitsrecht 111 ARBEITNEHMERHAFTUNG Normale (mittlere) Fahrlässigkeit: Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB). Beispiel: Abstellen der Kaffetasse auf dem Laptop und anschließendes versehentliches Umstoßen. Vorwurf ist im Abstellort zu sehen. Quotelung nach Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkten: • Gefahrgeneigtheit der Arbeit • Schadenshöhe, • ein vom AG einkalkuliertes bzw. durch Versicherung gedecktes Risiko (keine Versicherung ggf. Mitverschulden des AG), • die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, • die Höhe seines Arbeitsentgelts Arbeitsrecht 112 ARBEITNEHMERHAFTUNG Grobe Fahrlässigkeit: Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnliche hohem Maße. Offensichtliche Überlegungen werden nicht angestellt. Beispiel: Rückwärtsrangieren einer Gabelstaplers ohne Schulterblick Folge: Haftung für gesamten Schaden. Haftungseinschränkung wenn ein deutliches Missverhältnis zwischen Schaden und Verdienst des Arbeitnehmers besteht. Schadens-Grenze ab 3 Monatsbruttogehältern. Arbeitsrecht 113 ARBEITNEHMERHAFTUNG Vorsatz: Handeln mit Wissen und Wollen. Zumindest billigendes Für-MöglichHalten. Beispiel: Mutwilliges Zerstören. Grenzfall: Mit geschlossenen Augen bei Rot über die Ampel fahren. Folge: Schaden muss voll ersetzt werden. Arbeitsrecht 114 ARBEITNEHMERHAFTUNG Sonderfälle: Haftungsbeschränkung bei Personenschäden (§ 105 SGB VII) Haftungsbeschränkung gegenüber Dritten Mankohaftung Arbeitsrecht 115 ARBEITNEHMERHAFTUNG Fahrer verursacht in betrunkenem Zustand einen Schaden an einem anderen Auto. => grobe Fahrlässigkeit => Volle Haftung, ggf. Deckelung => ggf. Anteilige Haftungsfreistellung durch Arbeitgeber bei Deckelung Sekretärin bucht Flug nach Paris. Versehentlich wählt sie Paris (Texas) anstelle von Paris (Frankreich), wodurch ein wichtiger Geschäftsabschluss nicht zustande kommt. Auch bei erneuter Duchsicht fällt der Fehler nicht auf. => Leichteste Fahrlässigkeit => Keine Haftung Arbeitsrecht 116 ARBEITNEHMERHAFTUNG Wie vor, allerdings wird versehenlich New York anstelle von Paris gewählt. Eine Überprüfung der Buchung fand nicht statt. => Normale Fahrlässigkeit => Quote > 50% Maler wirft bei seiner Tätigkeit eine Vase um. => Normale Fahrlässigkeit => Quote < 50% im Arbeitsverhältnis => Anteilige Haftungsfreistellung durch Arbeitgeber Stewardess verschüttet Saft auf Passagiere bei Turbolenzen => Leichteste Fahrlässigkeit => keine Haftung im Arbeitsverhältnis => Haftungsfreistellung durch Arbeitgeber Arbeitsrecht 117 ARBEITNEHMERHAFTUNG Angestellter Steuerberater kennt die aktuelle Rechtsprechung nicht, obwohl er sich ständig fortbildet. Aufgrund der Wissenlücke berät er falsch. => Normale Fahrlässigkeit => Quote < 50% im Arbeitsverhältnis => Anteile Haftungsfreistellung durch Arbeitgeber Wie vor, allerdings hat der Steuerberater seit ca. 2 Jahren keine Fachliteratur mehr gelesen, weil er diese langweilig findet. => Grobe Fahrlässigkeit => Volle Haftung, ggf. Deckelung => ggf. Haftungsfreistellung bei Deckelung Arbeitsrecht 118 ARBEITNEHMERHAFTUNG Innenrevisor bemerkt einen Betrug zu Lasten des Arbeitgebers und meldet diesen nicht. => Vorsatz => Volle Haftung Angestellter Industriekletterer sichert seinen Auszubildenden nicht ausreichend, dieser Fällt aus einer Höhe von wenigen Metern und verletzt sich. => Grobe Fährlässigkeit => Volle Haftung, ggf. Deckelung? => Beachte § 105 SGB VII => Keine Haftung ggü. Dritten => Kein anteiliger Regress durch Arbeitgeber (§ 104 SGB VII). Arbeitsrecht 119 BEENDIGUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES Arbeitsrecht 120 BEENDIGUNG DES ARBEITSVERHÄLTNISSES Formen der Vertragsbeendigung: – Tod des Arbeitnehmers – Anfechtung – Aufhebungsvertrag – Zeitablauf bei Befristung – Erreichen des Rentenalters – Kündigung Arbeitsrecht 121 TOD DES ARBEITNEHMERS Grundsatz im Zivilrecht: Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) § 1922 Gesamtrechtsnachfolge Mit dem Tode einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Dabei gehen alle Rechte und alle Pflichten des Erblassers auf seine Erben über. Ausnahme: Höchstpersönliche Pflichten => z.B. aus Arbeitsverhältnis Arbeitsrecht 122 ANFECHTUNG Voraussetzungen: 1. Anfechtungsgrund (§ 123) – Täuschung (vgl. Folien S. 75 ff.) 2. Anfechtungserklärung (§ 143 I) 3. Anfechtungsfrist (§ 124) 4. Kein Ausschlussgrund Arbeitsrecht 123 AUFHEBUNGSVERTRAG Grundsatz: Vertragsfreiheit § 623 BGB: Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. Wirkung: Für die Zukunft Problempunkt: • Anfechtbarkeit und Widerruf Arbeitsrecht 124 ANFECHTBARKEIT UND WIDERRUF DES AUFHEBUNGSVERTRAGS • Anfechtbarkeit gem. § 123 BGB – Drohung des Arbeitgebers mit Kündigung (obwohl kein Kündigungsgrund vorliegt). • Widerruf – Widerrufsrecht gem. §§ 312 Abs. 1 Nr. 1, 355, 13 BGB, da AN Verbraucher i.S.v. § 13 BGB – Kein Widerrufsrecht, wenn Aufhebungsvertrag im Personalbüro abgeschlossen wurde. (BAG: 2 AZR 177/03) Arbeitsrecht 125 ZEITABLAUF BEI BEFRISTUNG § 14 TzBfG (1) Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist zulässig, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist… (2) Die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu dieser Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig… (4) Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Arbeitsrecht 126 BEFRISTETE ARBEITSVERHÄLTNISSE • Befristung nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig, (§ 14 Abs. 1 TzBfG => „insbesondere“ Katalog). • Ausnahme: Kalendermäßige Befristung von bis zu 2 Jahren. – bis zu dieser Gesamtdauer ist eine max. 3-malige Verlängerung zulässig, vgl. § 14 Abs. 2 TzBfG. – Problempunkt: Vorbeschäftigungen (z.B. Praktika) • Schriftformerfordernis (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Arbeitsrecht 127 127 ANERKANNTE SACHGRÜNDE • Elternzeitvertretung • Vertretung im Rahmen von Wehr-, Zivil- und Ersatzdienst • Vertretung von Arbeitnehmern bei langer Arbeits- oder Erwerbsunfähigkeit • Nur vorübergehender betrieblicher Bedarf, z.B. Projekttätigkeit (EDV), Jahresendgeschäft, Saisonbetriebe Arbeitsrecht 128 128 ERREICHEN DES RENTENALTERS § 41 SGB VI Der Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen Alters ist nicht als ein Grund anzusehen, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann. Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Arbeitnehmers ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, zu dem der Arbeitnehmer vor Erreichen der Regelaltersgrenze [§ 235 ff. SGB VI] eine Rente wegen Alters beantragen kann, gilt dem Arbeitnehmer gegenüber als auf das Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen… Sieht eine Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor, können die Arbeitsvertragsparteien durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben. Arbeitsrecht 129 KÜNDIGUNGSFORMEN • Ordentliche Kündigung – Kündigungsfrist und Zeitpunkt ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag oder § 622 BGB. • Außerordentliche Kündigung – Nur zulässig, wenn Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Auslauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar. • Änderungskündigung – Ordentliche Beendigungskündigung, lediglich verbunden mit Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags zu geänderten Bedingungen. Arbeitsrecht 130 WIRKSAMKEITSVORAUSSETZUNGEN • Kündigungsgrund • Schriftformerfordernis (§ 623 BGB) • Kündigungsfrist • Ggf. Anhörung des Betriebsrats gem. §§ 102, 103 BetrVG. Arbeitsrecht 131 KÜNDIGUNGSGRÜNDE betriebsbedingt Unternehmerische Entscheidung/Unterne hmerische Gründe, die zum Wegfall des Arbeitplatzes führen. personenbedingt Gründe, die in der Person des Arbeitnehmer liegen. „Arbeitnehmer will, kann aber nicht“ Z.B.: Krankheit Arbeitsrecht 132 verhaltensbedingt Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmersliegen. Der Arbeitnehmer kann, will aber nicht. Z.B.: sexuelle Belästigung, Straftaten, Ordnung PERSONENBEDINGTE KÜNDIGUNG Beispiele: – mangelnde Eignung – Entzug von Befähigungsnachweisen, z.B. Anwaltszulassung, Führerschein – Hohe Ausfallzeiten (Krankheit). 3 Stufen-Prüfung: • Negativprognose über zukünftigen Gesundheitszustand. • Beeinträchtigung betrieblicher / wirtschaftlicher Interessen durch Ausfallzeiten • Interessenabwägung Arbeitsrecht 133 VERHALTENSBEDINGTE KÜNDIGUNG Beispiele: – Beleidigung oder Tätlichkeiten, Begehung von Straftaten – Unentschuldigte Fehlzeiten – Alkoholkonsum/Trunkenheit während der Arbeitszeit – Dauerhafte Minder- und Schlechtleistung Störungen im Leistungsbereich oder Vertrauensbereich. I.d.R. vorherige Abmahnung (nachdrücklicher Hinweis für den Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber auf nicht zu tolerierendes Fehlverhalten => Vorstufe zur Kündigung) notwendig. Arbeitsrecht 134 EXKURS: ABMAHNUNG • Hinweisfunktion – Feststellen des beanstandeten Verhaltens. – Beschreibung des Sachverhalts (Datum, Zeit und Ort, Beteiligte). • Rügefunktion – Eindringliche Aufforderung zu vertragsgerechtem Verhalten bei vergleichbaren Situationen in Zukunft. • Warnfunktion – Ankündigung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Falle der Arbeitsrecht Wiederholung des Verhaltens. 135 BETRIEBSBEDINGTE KÜNDIGUNG • Dringende betriebliche Erfordernisse stehen einer Beschäftigung entgegen. • Beachtung sozialer Gesichtspunkte (sog. „Sozialauswahl“), vgl. § 1 Abs. 3 KSchG. – Betriebszugehörigkeit – Alter – Unterhaltspflichten – Schwerbehinderung • Ausnahmen nur bei „Leistungsträgern“ möglich, vgl. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG. Arbeitsrecht 136 PERSONEN MIT BESONDEREM KÜNDIGUNGSSCHUTZ • Schwerbehinderte, §§ 85 ff. SGB IX. • Vertrauensmann der Schwerbehinderten, § 96 Abs. 3 KSchG. • Werdende Mütter und Mütter, unmittelbar nach der Geburt (bis vier Wochen nach der Entbindung), § 9 MuSchG. • Eltern, acht Wochen vor Beginn der Elternzeit und während der Elternzeit, § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). • Wehr- und Ersatzdienstleistende, ab Zustellung des Einberufungsbescheides, § 2 Arbeitsplatzschutzgesetz (ArbPlSchG). • Mitglieder des Betriebsrats §§ 15 KSchG, 103 BetrVG. • Datenschutzbeauftragte §§ 4f, 4g BDSG Arbeitsrecht 137 137 AUßERORDENTLICHE KÜNDIGUNG • Vorliegen eines „wichtigen Grundes“ gemäß § 626 Abs. 1 BGB • Unzumutbarkeit der Fortführung des Arbeitsverhältnisses bis Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist – Berücksichtigung aller Umstände – Interessenabwägung • Kurze Erklärungsfrist, 2 Wochen ab Kenntnis des zur Kündigung berechtigenden Sachverhalts, § 626 Abs. 2 BGB. • Ggf. Anhörung gem. § 102 BetrVG ! Arbeitsrecht 138 138 EXKURS PROBEZEIT • Regelmäßig wird bei neuen Arbeitsverhältnissen eine Probezeit vereinbart • Grund: Ermöglichung gegenseitigen Kennenlernens. Überprüfung ob eine Fortführung des arbeitsverhältnis gekündigt werden kann. • Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden; § 622 Abs. 3 BGB. In der Praxis häufig andere Regelungen üblich. • Ein Kündigungsgrund ist nicht notwendig, vgl. § 1 Abs. 1 KSchG. • Maximale Dauer: sechs Monate Arbeitsrecht 139 139 KÜNDIGUNGSSCHUTZPROZESS Arbeitsrecht 140 VORAUSSETZUNGEN KÜNDIGUNGSSCHUTZPROZESS • Arbeitnehmer (persönlicher Geltungsbereich). Vgl. § 1 Abs. 1 KSchG • Arbeitsverhälnis besteht länger als 6 Monate (Wartezeit/Wartefrist). Vgl. § 1 Abs. 1 KSchG • Unternehmen mit mehr als 10 Arbeitnehmern (Beachte: Übergangsvorschrift des § 23 KSchG) = betrieblicher Geltungsbereich Arbeitsrecht 141 141 KÜNDIGUNGSSCHUTZPROZESS • • • • Anrufung des Arbeitsgerichts Vgl. § 4 KSchG => Feststellungsklage, dass Kündigung sozial ungerechtfertigt ist oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam. Sozial ungerechtfertigt, wenn nicht – Personenbedingte Kündigung – Verhaltensbedingte Kündigung – Betriebsbedingte Kündigung Klagefrist = 3 Wochen ab Kündigung, Folge: Wirksamkeit der Kündigung Ziele: Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses, Abfindung (§ 9 KSchG oder § 1a KSchG), Abfindung durch gerichtlichen Vergleich. Besonderheit: § 2 KSchG => Änderungskündigung Arbeitsrecht 142 142