Konzept Psychosoziale Gesundheit im schulischen Kontext 18. August 2015 / Version 2.4 (Intranet) Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Impressum Herausgeber Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Autoren A. Papandreou, Projektleiterin Gesundheitsförderung C. Hunold, Direktor Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Vorwort Das vorliegende Konzept zur «psychosozialen Gesundheit im schulischen Kontext» blickt auf eine längere Entstehungsgeschichte zurück. Angesichts der Tatsache, dass psychische Störungen heute weltweit zu den am weitest verbreiteten Gesundheitsproblemen gehören und auch Kinder und Jugendliche darunter leiden, arbeitete eine interne Projektgruppe der Schulgesundheitsdienste bereits im Jahr 2011 einen entsprechenden Massnahmenplan aus. Der Abschluss des Projektes verzögerte sich, ehe im September 2013 der unter Leitung von Ralph Wettach (Fachbereichsleiter Schulpsychologischer Dienst) entstandene Schlussbericht vorlag. Er umfasste nebst einer theoretischen Auslegeordnung und einem breiten Konzeptbeschrieb eine zusammenfassende Darstellung der wichtigsten recherchierten Früherkennungs- und Frühinterventionsprojekte. Bereits im Juni 2013 hatte die Präsidentinnen- und Präsidentenkonferenz vom «Massnahmenplan 2014 – 2018» zustimmend Kenntnis genommen, der sechs inhaltliche Schwerpunkte vorsah. Als ich im September 2013 die Leitung der Schulgesundheitsdienste übernahm, erkannte ich bald, dass es sich bei den beiden als prioritär bezeichneten «Querschnittaufgaben» um grundsätzliche Verbesserungspotenziale an der Schnittstelle zwischen den Schulen und den Schulgesundheitsdiensten handelte. Diese wollte ich prioritär angehen, mich dabei aber nicht auf das Thema «psychische Gesundheit» beschränken. Bei den vier «inhaltlichen Schwerpunkten» entschied ich mich aus Ressourcengründen für eine Fokussierung auf ausgesuchte Aspekte. Bis zum vorliegenden Bericht sollte es jedoch noch mehr als ein Jahr dauern. Die angespannte finanzielle Lage der Stadt Zürich führte zu empfindlichen Korrekturen am Budget. Das Projekt «psychosoziale Gesundheit» war davon mitbetroffen, sodass es heute über deutlich weniger Mittel für eine externe Unterstützung verfügt. Es muss in erster Linie mit den vorhandenen internen Personalressourcen auskommen. Anfang 2014 veröffentlichten die Schulgesundheitsdienste die Resultate der «Schülerbefragung 2012/13 zu Gesundheit und Lebensstil von Jugendlichen in der Stadt Zürich». Der Bericht enthielt eine Reihe interessanter Ergebnisse zur körperlichen und psychischen Gesundheit, für deren vertiefende Analyse jedoch bis zur Publikation zu wenig Zeit blieb. Da ich das Potenzial in den vorhandenen Grunddaten erkannte, entschied ich mich für eine zusätzliche Auswertung. Mit dieser beauftragte ich meine Mitarbeiterin Alexandra Papandreou, der ich anschliessend die Leitung für das Projekt übertrug und die den vorliegenden Bericht geschrieben hat. Die Fachdienste haben diesen geprüft und in einigen Punkten ergänzt. Die wichtigen Resultate der vertiefenden Datenanalyse sind als Grundlage in diesen Bericht eingeflossen und bilden das empirische Rückgrat für die ausgewählten drei Themenbereiche. Der erste Bereich widmet sich «Angststörungen und Depressionen», da diese unter Kindern und vor allem Jugendlichen relativ häufig vorkommen, im Gegensatz zu exter- -3- Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich nalisierenden Störungen weniger deutlich wahrnehmbar sind und in der Schule deshalb einen entsprechend geringeren Stellenwert besitzen. Ihr oft kombiniertes Auftreten und ihre Persistenz bis ins Erwachsenenalter, welche hohe soziale und wirtschaftliche Folgekosten nach sich ziehen, machen deren Bewältigung zu einem besonders wichtigen Anliegen. Der zweite Bereich befasst sich mit dem «eigenen Körperbild» der Jugendlichen. Wie die Befragungsresultate zeigen, fühlen sich viele, vor allem weibliche Jugendliche zu dick, obwohl sie gemäss ihrem BMI normal- oder sogar untergewichtig sind. Konzentrierten sich die bisherigen Bemühungen der Schulgesundheitsdienste im Zusammenhang mit Übergewicht und Adipositas vor allem auf Ernährung und Bewegung, soll in diesem Teilprojekt die «Selbstwahrnehmung» thematisiert werden, die eng mit dem Selbstwertgefühl zusammenhängt. Der dritte Bereich geht ein Thema an, welches nicht direkt ein bestimmtes psychisches Leiden fokussiert, das aber Ausdruck eines solchen sein kann und / oder zu einem solchen werden kann, nämlich «Schulabsentismus». Das Phänomen wird häufig unterschätzt, hat aber erhebliche Folgen für die Zukunft von Kindern und Jugendlichen. Je später Massnahmen ergriffen werden, desto schwieriger wird ihre soziale und schulische Reintegration. Die drei ausgewählten Bereiche nehmen somit «Themen» auf, die in der Prävention und Gesundheitsförderung verstärkter Beachtung bedürfen, weil deren Existenz nicht nur für die Betroffenen selber, sondern ebenso für Schulen, Behörden und Gesellschaft eine Herausforderung darstellen. Claude Hunold Direktor Schulgesundheitsdienste -4- Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Inhaltsverzeichnis 1 Psychische Gesundheit – psychische Krankheit .......... 6 2 Epidemiologie im Kindes- und Jugendalter .................. 7 2.1 Psychisches Wohlbefinden ................................................................................................. 7 2.2 Psychische Störungen ......................................................................................................... 9 2.3 Risiko- und Schutzfaktoren ............................................................................................... 11 2.4 Folgen................................................................................................................................ 13 3 Handlungsansätze ...................................................... 15 3.1 Interventionsebenen .......................................................................................................... 15 3.2 Bestehende Massnahmen in der Stadt Zürich .................................................................. 16 4 Handlungsschwerpunkte............................................. 20 4.1 Handlungsbedarf ............................................................................................................... 20 4.2 Schwerpunkte .................................................................................................................... 22 5 Umsetzung .................................................................. 30 5.1 Projektorganisation ............................................................................................................ 30 5.2 Projektzeitplan ................................................................................................................... 30 6 Literaturverzeichnis ..................................................... 31 -5- Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 1 Psychische Gesundheit – psychische Krankheit Gesundheit wird von der World Health Organization (WHO) als ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens definiert. Die psychische Gesundheit ist ein Teil dieser Definition und beinhaltet Aspekte wie persönliches Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit, Selbstbewusstsein, Beziehungsfähigkeit, die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen und einer Arbeit nachgehen zu können, wie auch die Fähigkeit zu gesellschaftlicher Partizipation (Health Education Authority, 1999). Psychische Gesundheit wird als Resultat komplexer dynamischer Interaktionen zwischen biologischen, psychologischen, sozioökonomischen, soziokulturellen und institutionellen Faktoren verstanden. Psychische Gesundheit ist somit kein Zustand, der sich lediglich als Folge von persönlicher Disposition und individuellem Verhalten manifestiert, sondern ein vielschichtiger, dynamischer Prozess, der neben individuellen Aspekten auch massgeblich von exogenen Faktoren beeinflusst wird (WHO, Mental Health Report, 2001). Da eine gesunde psychische Verfassung nicht nur durch das Individuum, sondern auch durch seine Umwelt mitbegründet ist, wird in diesem Konzept vorwiegend von «psychosozialer» statt «psychischer» Gesundheit gesprochen. So wie die psychische Gesundheit von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird, wird auch für die Entstehung von psychischen Problemen und Störungen ein multifaktorielles Entstehungsmodell angenommen, bei dem genetische, individuelle und Umgebungsfaktoren zusammenspielen (Hölling et al., 2008). Psychische Störungen sind Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit des menschlichen Erlebens und Verhaltens. Sie können sich in emotionalen, kognitiven, behavioralen, interpersonalen und/oder körperlichen Einschränkungen äussern. Und sie gehen mit akutem Leiden oder mit einem deutlich erhöhten Risiko, Schmerz und einen tief greifenden Verlust an Freiheit oder Lebensqualität zu erleiden, einher (Bastine, 1998; Sass et al., 1996). Eine psychische Störung bei Kindern und Jugendlichen liegt vor, wenn das Verhalten und/oder das Erleben bei Berücksichtigung des Entwicklungsalters von der Norm abweichend ist und/oder zu einer Beeinträchtigung führt (Steinhausen, 2002). Die meisten Störungen und Auffälligkeiten lassen sich vom Normalzustand lediglich quantitativ hinsichtlich des Schweregrades und der begleitenden Beeinträchtigung abheben. Eine leichtere Ausprägung oder Variation des jeweiligen Phänomens lässt sich meist auch bei ganz normalen Kindern finden (Steinhausen, 2002). -6- Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 2 Epidemiologie im Kindes- und Jugendalter 2.1 Psychisches Wohlbefinden 1 Die Schülerbefragungen von 2007 und 2012 zu Gesundheit und Lebensstil von Jugendlichen der Stadt Zürich liefern Informationen über den Gesundheitszustand und das Gesundheitsverhalten der Jugendlichen sowie über beeinflussende Faktoren und wichtige Veränderungen der letzten Jahre (Pini, 2009; Schulgesundheitsdienste Stadt Zürich, 2013). Gemäss den Resultaten der Schülerbefragung 2012 schätzen 85 % der Jugendlichen ihre momentane Gefühlslage als gut bis ausgezeichnet ein. 94 % sind mit ihrem Leben insgesamt mittel bis sehr zufrieden, was eine leichte Zunahme seit der Befragung von 2007 (91 %) darstellt. Ebenfalls zugenommen hat die Zufriedenheit mit der familiären Situation, mit der schulischen Situation, mit der Wohnsituation sowie mit der eigenen Gesundheit. Diese Ergebnisse sind ein starker Hinweis auf ein gutes psychisches Wohlbefinden. Bei der Schulsituation ist der Anteil der sehr zufriedenen Jugendlichen mit 30 % (2007: 27 %) am niedrigsten. Dies kann mit der psychischen Belastung zu tun haben, die der schulische Leistungsdruck vor allem für die schwächeren Schülerinnen und Schüler mit sich bringt. Eine Mehrheit von 58 % (2007: 59 %) bezeichnet sich als ‚mittel‘ zufrieden mit der schulischen Situation, 13 % (2007: 14 %) als ‚wenig‘ oder ‚gar nicht‘ zufrieden. Die Zufriedenheit in unterschiedlichen Lebensbereichen ist ein wesentlicher Faktor für die psychische Gesundheit der Jugendlichen. Je höher das psychische Wohlbefinden, desto grösser ist auch die «Lebenszufriedenheit» bei den befragten Schülerinnen und Schülern und umgekehrt. Die Ergebnisse zeigen weiter, dass Knaben ihre momentane Gefühlslage positiver beurteilen als Mädchen (gut/sehr gut/ausgezeichnet: 90 % vs. 79 %). Ebenfalls positiver beurteilen Sek B-Schüler/innen ihre momentane Gefühlslage im Vergleich zu Sek ASchüler/innen (gut/sehr gut/ausgezeichnet: 88 % vs. 84 %). Psychische Gesundheit und körperliche Beschwerden In der Schülerbefragung konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen den psychischen Auffälligkeiten und der Einschätzung der eigenen Gesundheit gezeigt werden. Jugendliche, die Auffälligkeiten in der psychischen Gesundheit zeigen, schätzen ihre eigene Gesundheit deutlich schlechter ein. Zusätzlich zeigte die Befragung, dass Ju- 1 2007 wurden 1‘652 Schülerinnen und Schüler der 2. Sekundarstufe (8. Schuljahr) zu ihrem Gesundheitsverhalten und ihrem Lebensstil in der Stadt Zürich befragt; 2012 wurden 1‘757 Schülerinnen und Schüler der 2. Sekundarstufe (8. Schuljahr) dazu befragt -7- Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 2 gendliche mit auffälligen Werten in der psychischen Gesundheit (SDQ : Gesamtproblemwert, Verhaltensprobleme, Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen, emotionale Prob3 leme; PHQ-4 : Depression, Angststörung) auch mehr Medikamente konsumieren und häufiger unter Kopf-, Bauch- und Rückenschmerzen leiden. Psychische Gesundheit und Körpergewicht Im Weiteren zeigt sich, dass Gewichtsprobleme im Kindesalter nicht nur mit körperlichen, sondern auch mit psychischen Faktoren zusammenhängen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem BMI und dem SDQ-Gesamtproblemwert (starker Zusammenhang) sowie internalisierenden Störungen (schwacher Zusammenhang). Übergewichtige und adipöse Jugendliche weisen häufiger auffällige Werte bezüglich ihrer selbsteingeschätzten psychischen Gesundheit auf als normal- und untergewichtige Jugendliche. Übergewichtige und adipöse Jugendliche schätzen auch ihre Gesundheit im Allgemeinen schlechter ein und sind weniger zufrieden mit ihrer Gesundheit. Mädchen, die sich als zu dick oder zu dünn wahrnehmen und/oder ihr Gewicht verändern möchten, zeigen auffälligere Werte bezüglich Depression und Angststörungen (PHQ-4) sowie emotionalen Problemen (SDQ) als Mädchen, die mit ihrem Körpergewicht zufrieden sind. Zusätzlich geben Jugendliche, die mit ihrem Gewicht unzufrieden sind, an, sich deutlich weniger zu bewegen. Es kann daraus geschlossen werden, dass Jugendliche, die sich regelmässig und häufig bewegen, sich in ihrem Körper wohler fühlen als Jugendliche, die selten körperlich aktiv sind. Umgekehrt ist aber auch anzunehmen, dass sich eher die Jugendlichen bewegen, welche sich in ihrem Körper wohl fühlen. Psychische Gesundheit und Schulklima Lehrerinnen und Lehrer sind in ihrer Berufstätigkeit einer Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen und Belastungen ausgesetzt. In der Forschung wird übereinstimmend berichtet, dass die quantitative Arbeitsbelastung im Lehrerberuf hoch ist und mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Lehrpersonen eingehen kann (vgl. Baeriswyl et al., 2014; Bauer et al., 2007; Bradley 2007). Im Weiteren werden soziale Faktoren als für Lehrpersonen zentrale Einflussfaktoren auf die Gesundheit und das Wohlbefinden diskutiert. V.a. Störungen im Unterricht (z.B. bedingt durch verhaltensauffällige Kinder) stellen eine Quelle sozialer Stressoren dar (vgl. Baeriswyl et al., 2014; Bauer et al., 2006; Pyhältö et al., 2011). Die Belastungen können sich u.a. negativ auf den Unterricht und das Klassenklima auswirken. Sie zeigen sich z.B. in verminderter Unterrichtsqualität, Depersonalisierung, Zynismus gegenüber Schüler/innen und wirken sich auch auf das Kollegium und die Schule als Ganzes aus (vgl. Bürgisser, 2009; Herzog, 2008). Es kommt vermehrt zu Konflikten, Rückzug und Mobbing, was das Klima einer Schule wie auch die Schüler/innen stark belasten kann (vgl. Bürgisser, 2009). 2 «Strengths and Difficulties Questionnaire, Self-Report» von Goodman et al. Der Fragebogen ist ein Screeningistrument zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten und -stärken bei Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 16 Jahren. Er besteht aus fünf Einzelskalen mit jeweils fünf Merkmalen: Emotionale Probleme, Verhaltensprobleme, Hyperaktivität, Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen, Prosoziales Verhalten. Die Rohwerte der vier erstgenannten Skalen werden zu einem Gesamtproblemwert zusammengefasst. Auffällige Werte bei den SDQ-Skalen Verhaltensprobleme und Hyperaktivität wurden in diesem Bericht mit externalisierenden Auffälligkeiten gleichgesetzt. Emotionale Probleme sowie Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen wurden mit internalisierenden Auffälligkeiten gleichgesetzt (Goodman et al., 2010). 3 PHQ-4 ist ein Kurzfragebogen bestehend aus den beiden diagnostischen Kernkriterien für depressive Störungen (PHQ-2) und generalisierte Angststörungen (GAD-2). Er dient als Screeninginstrument zur Erfassung einer möglichen Depression und/oder Angststörung. Auffällige Werte wurden in diesem Bericht mit internalisierenden Auffälligkeiten gleichgesetzt. -8- Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 2.2 Psychische Störungen Weltweit leiden 10 % bis 20 % aller Kinder und Jugendlichen an einer psychischen Störung (Kieling et al., 2011), wenn die üblichen Diagnosemanuale ICD oder DSM angewendet werden. Die häufigsten Störungen sind Angststörungen (10.4 %), aggressivdissoziale Störungen (7.5 %) und depressive sowie hyperkinetische Störungen (jeweils 4.4 %), wobei komorbide Störungen häufig sind (Ihle et al., 2002). Bei Kindern im Vorund Primarschulalter gibt es keine Hinweise darauf, dass sich die psychische Gesundheit in den letzten zehn Jahren verschlechtert hat. Studien zeigten allerdings eine Zunahme internalisierender Störungen bei jugendlichen Mädchen. Die Häufigkeit externalisierender Störungen blieb gemäss Bor et al. (2014) stabil. Der Grossteil der psychischen Störungen tritt bereits in Kindheit und Jugend erstmals auf (Kessler et al., 2005). Die Tabelle 1 zeigt das Alter beim erstmaligen Auftreten psychischer Störungen. Bei den Angststörungen beginnen beispielsweise die Hälfte aller Krankheitsfälle vor dem 11. Lebensjahr. Bei den Zwangsstörungen treten 50 % der Fälle erstmals bis zum Alter von 19 Jahren auf (Kessler et al., 2005). Störung 25% treten auf bis zum Alter von… 50% treten auf bis zum Alter von… 75% treten auf bis zum Alter von… Angststörungen 6 Jahren 11 Jahren 21 Jahren ADHS 7 Jahren 7 Jahren 8 Jahren Störung des Sozialverhaltens 10 Jahren 13 Jahren 15 Jahren Zwangsstörungen 14 Jahren 19 Jahren 30 Jahren Affektstörungen (Depression u.a.) 18 Jahren 30 Jahren 43 Jahren Tabelle 1: Alter bei Erstmanifestation aller psychischen Störungen der Bevölkerung (Kessler et al., 2005) In der Gesundheitsbefragung der Schülerinnen und Schüler in der Stadt Zürich von 2012 hat eine Teilstichprobe den SDQ-Fragebogen ausgefüllt, der diverse Aspekte der psychischen Gesundheit thematisiert. 83 % der Jugendlichen erzielen dabei einen unauffälligen Gesamtwert, 11 % sind eher auffällig und 6 % haben einen auffälligen Gesamtwert. Im internationalen Vergleich ist dies ein gutes Ergebnis. Der oben erwähnte Fragebogen geht von einer Normverteilung von 80 %, 10 %, 10 % aus. Im Weiteren erzielen 76 % der Stadtzürcher Jugendlichen einen unauffälligen Wert bezüglich internalisierender Störungen (PHQ-4). 16 % der Jugendlichen weisen klinisch relevante Hinweise auf eine Angststörung auf und 17 % geben depressive Symptome in einem klinisch relevanten Ausmass an. Ein aggressiv-dissoziales Verhalten (SDQ: Verhaltensprobleme) zu haben, geben 10 % der Jugendlichen an. 5 % der Jugendlichen haben das Gefühl ein/e Aussenseiter/in zu sein und von Gleichaltrigen nicht geschätzt oder akzeptiert (SDQ: Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen) zu werden. Gegenseitige Beeinflussung externalisierender und internalisierender Störungen Externalisierende (SDQ: Hyperaktivität, Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen) und internalisierende Störungen (PHQ-4: Gesamtwert, Depression und Angststörung) treten -9- Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich bei denselben Jugendlichen gehäuft auf. Van Lier et al. (2010) haben das gleichzeitige Auftreten von externalisierenden und internalisierenden Verhaltensstörungen und die gegenseitige Beeinflussung im Entwicklungsverlauf untersucht. Die Resultate zeigen, dass Kinder, welche bei Eintritt in den Kindergarten externalisierende Verhaltensauffälligkeiten zeigen, von den anderen Kindern verstärkt abgelehnt werden und dies dazu führt, dass sich die Verhaltensauffälligkeiten verstärken. Negative Peer-Erfahrungen (Ablehnung, Diskriminierung, wenig Freundschaften) und damit verbunden ein geringer sozialer Austausch wird als Grund diskutiert, dass zusätzlich zu den externalisierenden Störungen über die Zeit auch internalisierende Störungen auftreten. Laucht et al. (2000) konnten zeigen, dass externalisierende Verhaltensstörungen sich früher manifestierten, auf jeder Altersstufe häufiger vorkamen und eine größere Stabilität als internalisierende Störungen aufwiesen. Substanzmissbrauch und psychische Störungen Suchtproblematiken und psychische Störungen hängen oft eng zusammen. Studien belegen (Moggi et al., 2004), dass 29 % aller Personen, die an einer psychischen Störung leiden, auch an einer Sucht erkranken. D.h. deren Wahrscheinlichkeit, an einer Sucht zu erkranken ist 2.7 Mal höher als bei Menschen ohne psychische Störung. Umgekehrt hat sich gezeigt, dass rund die Hälfte aller Personen mit einer Suchtproblematik irgendwann im Leben auch unter einer psychischen Störung leiden. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, bei einer Substanzabhängigkeit zusätzlich an einer psychischen Störung zu erkranken, um den Faktor 4.5 erhöht. Auch in der Schülerbefragung der Stadt Zürich konnte dieser Zusammenhang festgestellt werden. Bei den Jugendlichen mit einem auffälligen SDQ-Gesamtproblemwert rauchen 14 % täglich und 12 % trinken regelmässig Alkohol, wohingegen nur 2 % bzw. 3 % der Jugendlichen mit einem unauffälligen SDQ-Gesamtproblemwert angeben, täglich zu rauchen bzw. regelmässig Alkohol zu konsumieren. Ebenfalls rauchen und trinken Jugendliche mit Hinweisen auf eine Angststörung bzw. Depression häufiger (mind. 1x / Woche rauchen: 25 % vs. 6 %; gelegentlich Alkohol trinken: 39 % vs. 10 %). Risikogruppen Die Häufigkeit psychischer Auffälligkeiten ist bei Mädchen und Knaben unterschiedlich. Mädchen geben deutlich häufiger depressive Verstimmungen und Angststörungen an als Knaben. Hingegen zeigt sich bei den externalisierenden Störungen (SDQ: Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen, Hyperaktivität) kein Unterschied zwischen Mädchen und Knaben. Ihle et al. (2002) kamen bei einer internationalen Analyse von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen auf ähnliche Resultate: Bis zum Alter von 13 Jahren stellten sie durchgehend höhere Gesamtprävalenzen psychischer Störungen bei Jungen fest, wogegen im Zuge der Adoleszenz eine Angleichung der Raten erfolgte. Bei Jungen zeigten sich höhere Raten externalisierender Störungen, während Mädchen höhere Raten von Essstörungen und psychosomatischen Störungen aufwiesen. In der Stadt Zürich konnte kein Zusammenhang zwischen dem Klassentyp (Sek A, Sek B) und den internalisierenden Störungen (PHQ-4, Depression, Angststörungen) festgestellt werden. Hingegen besteht ein Zusammenhang zwischen dem SDQGesamtproblemwert und dem Klassentyp. Sek-B-Schüler/innen weisen beim SDQ eher einen auffälligen Gesamtproblemwert und auffälligen Wert bei Verhaltensproblemen auf als Sek-A-Schüler/innen. Kein Zusammenhang zeigt sich zwischen der psychischen Gesundheit und den Schulkreisen. Dies kann darauf hindeuten, dass keine Unterschiede hinsichtlich der Schichtzugehörigkeit bestehen. Allerdings zeigen Studien aus - 10 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Deutschland einen Einfluss des sozioökonomischen Status auf die psychische Gesundheit von Kindern. In der KIGGS-Studie war der Anteil der Unauffälligen bezüglich des SDQ-Gesamtproblemwerts der oberen Sozialschicht gegenüber der unteren Sozialschicht um mehr als 15 Prozentpunkte niedriger, der Anteil der auffälligen Kinder und Jugendlichen in der unteren Sozialschicht war dagegen in der Gesamtbetrachtung um den Faktor 3,5 gegenüber der oberen Sozialschicht erhöht (Hölling et al., 2008). Depressive Verstimmungen und Ängste treten gemäss der Stadtzürcher Schülerbefragung bei den Jugendlichen, die zu Hause körperlich bestraft werden, schon mehrmals die Schule geschwänzt haben, sich absichtlich selbst verletzen, regelmässig Alkohol konsumieren oder zu- oder abnehmen möchten, gehäuft auf. Bei rund 5 % der Jugendlichen kommen solche und ähnliche Belastungen gleichzeitig vor. Jugendliche, bei welchen mehrere Belastungen kombiniert auftreten, bilden eine Risikogruppe: Bezogen auf ihre Gesundheit und gesunde Entwicklung, aber auch bezogen auf ihre schulische und soziale Integration. Solche stark belasteten Schüler/innen finden sich gehäuft in der Sek B und unter übergewichtigen Jugendlichen. Es ist davon auszugehen, dass sich kumulierte Risiken während der Adoleszenz nicht auswachsen, sondern ins Erwachsenenalter mitgeführt werden. Oft bedeutet das auch, dass diese Risiken einem gelingenden Start ins Berufsleben im Weg stehen. 2.3 Risiko- und Schutzfaktoren Die exakte Ätiologie (Lehre von den Ursachen der Krankheiten) psychischer Erkrankungen ist bis heute nicht vollständig geklärt. Für die Verursachung und Entwicklung der meisten psychischen Störungen wird derzeit ein multifaktorielles Entstehungsmodell angenommen. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass psychische Störungen ihre Ursache in einem vielschichtigen Zusammenspiel von biologischen (wie z.B. genetischen, neurochemischen und entwicklungsbiologischen) sowie psychosozialen (z.B. Lernerfahrungen, Traumatisierungen, Stressoren) Faktoren haben. Dabei haben die genannten Faktoren je nach Individuum, Entwicklungsstufe des Kindes und Erkrankung ein unterschiedliches Gewicht (Müller et al., 2013). Bereits besser erforscht sind die Risiko- und Schutzfaktoren von psychischen Störungen. Risiko- und Schutzfaktorenmodelle versuchen, Entstehung und Verlauf von Belastungen, Beeinträchtigungen und bestimmten Krankheiten vorherzusagen sowie präventive und rehabilitative Massnahmen zu planen. Ein Risikofaktor ist in der Regel nicht der alleinige Auslöser für eine Erkrankung. Risikofaktoren tragen vielmehr dazu bei, dass die Belastungen grösser sind als die Ressourcen eines Kindes, sodass die Anfälligkeit für eine psychosoziale Störung steigt. Es wird angenommen, dass das Zusammentreffen von mehreren Risikofaktoren stärkere negative Auswirkungen hat als ein einzelner Risikofaktor (Bengel et al., 2009). Die nachfolgende Tabelle gibt einen umfassenden Überblick über Risiko- und Schutzfaktoren bezüglich der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. - 11 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Protective factors Risk factors biological Age-appropriate physical development Good physical health Good intellectual functioning Ability to learn from experiences Good self-esteem High level of problem solving ability Social skills Exposure to toxins (eg. tobacco, alcohol) in pregnancy Genetic tendency to psychiatric disorder Head trauma Hypoxia at birth and other birth complications HIV infection Malnutrition Substance abuse Other illnesses psychological Learning disorders Maladaptive personality traits Sexual, physical, emotional abuse and neglect Difficult temperament social Family: Inconsistent care giving Family conflict Poor family discipline / management Death of a family member School: Academic failure Failure of schools to provide appropriate environment to support attendance and learning Inadequate and inappropriate provision of education Bullying Community: Transitions (eg. Urbanisation) Community disorganisation Discrimination and marginalisation Exposure to violence Family attachment Opportunities for positive involvement in family Rewards for involvement in family Opportunities for involvement in school live Positive reinforcement from academic achievement Identity with school or need for educational attainment Connectedness to community Opportunities for leisure Positive cultural experiences Positive role models Rewards for community involvement Connection with community organisations Tabelle 2: Risiko- und Schutzfaktoren bezüglich der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen (Patel et al., 2007) In der Befragung der Stadtzürcher Schülerinnen und Schüler wurde der Zusammenhang zwischen der Schule, der Familie, den Peer-Erfahrungen und der psychischen Gesundheit untersucht. Jugendliche, die sich in der Schule und/oder auf dem Schulweg nicht sicher fühlen oder aus Angst nicht zur Schule gehen, haben häufiger auffällige Werte in der Einschätzung ihrer psychischen Gesundheit. Im Weiteren geben diese Jugendlichen an, schon häufiger die Schule geschwänzt zu haben und sind mit ihrer Schulsituation deutlich unzufriedener. Die psychische Gesundheit der Jugendlichen wirkt sich auch auf den Einsatz der Jugendlichen für ihren Lernerfolg aus. Jugendliche - 12 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich mit Anzeichen von Hyperaktivität (SDQ) sowie Angststörungen geben an, weniger Stunden bzw. häufiger gar keine Hausaufgaben zu machen. Neben dem Einfluss der Schule bestätigte die Stadtzürcher Befragung auch einen Zusammenhang zwischen Peer-Erfahrungen und der psychischen Gesundheit. Bei Jugendlichen, die von ihren Mitschülern/-innen häufig ausgeschlossen bzw. diskriminiert werden, zeigen häufiger Hinweise auf internalisierende wie auch externalisierende Störungen. Zusätzlich fühlen sich Jugendliche mit belastenden Ängsten und depressiven Verstimmungen weniger wohl in ihrer Klasse, haben weniger Freunde, erfahren weniger Anerkennung durch ihre Mitschüler/innen, geben an, sich auf die Mitschüler/innen nicht verlassen zu können und fühlen sich in der Schule weniger sicher. Bezüglich Elternhaus geben Jugendliche mit depressiven Verstimmungen häufiger an, nur mit einem Elternteil zusammen zu wohnen. Hingegen haben Jugendliche, die mit beiden Elternteilen zusammenwohnen, seltener Auffälligkeiten bezüglich des SDQ-Gesamtproblemwerts und der Subskalen «Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen» und «emotionale Probleme» und bei den Anzeichen für eine Depression. Jugendliche mit Anzeichen für eine Angststörung geben an, dass die Eltern stärker mitbestimmen, mit wem sie sich treffen dürfen. 2.4 Folgen Die Global-Burden-of-Disease-Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO, 2008) bringt enorme Folgekosten psychischer Störungen zu Tage. Die WHO schätzt, dass sich die Kosten durch psychische Störungen in den EU-Staaten auf 3-4 % des Bruttoinlandproduktes belaufen (WHO, 2003). Wendet man diesen Ansatz auf die Schweiz an, verursachten psychische Störungen im Jahr 2010 bei einem Bruttoinlandprodukt von CHF 551 Mia. Kosten von über CHF 22 Mia. Für den Kanton Zürich schätzt das Institut für Sozial- und Präventivmedizin die Kosten auf CHF 3 Mia. pro Jahr (Minder et al., 2012) (vgl. auch Wettach et al., 2013, unveröffentlichter Bericht). Psychische Störungen sind bei den 0- bis 14-Jährigen für 30‘607 DALY’s (durch vorzeitigen Tod verlorene Lebensjahre bzw. mit Behinderung gelebte Lebensjahre) weltweit verantwortlich, bei den 15- bis 59-Jährigen für 152‘035 DALY’s (WHO, 2008). Diese entsprachen im Jahr 2010 11 % aller DALY’s (Murray et al., 2012). Damit liegen psychische Störungen hinter den kardiovaskulären Erkrankungen, aber noch vor den Krebserkrankungen an zweiter Stelle der nicht übertragbaren Krankheiten (Murray et al, 2012). Bislang liegen nur wenige Kostenstudien zu psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen vor. Eine Studie von Scott et al. (2001), die sich mit dem Zusammenhang zwischen psychischen Gesundheitsproblemen in der Kindheit und verschiedenen Folgekosten im Erwachsenenalter befasste, zeigte, dass im Falle eines Kindes, bei dem im Alter von 10 Jahren die Diagnose «Verhaltensprobleme» gestellt wird, im Alter von 10 bis 27 Jahren voraussichtlich zusätzliche Kosten in Höhe von £ 16‘000 (umgerechnet ca. 21‘000 Euro) verursachen. Ein Kind mit der Diagnose «Verhaltensstörung» wird hingegen schätzungsweise zusätzliche Kosten von über £ 60‘000 (umgerechnet ca. 80‘000 Euro) verursachen. Sowohl bei Verhaltensproblemen als auch bei Verhaltensstörungen entfällt der größte Anteil der zusätzlichen Kosten auf die Inanspruchnahme der Strafjustizbehörden, gefolgt von besonderen Erziehungsmaßnahmen, Unterbringung in Pflegefamilien oder Heimen und staatlichen Unterstützungsleistungen; geringer zu Buche schlugen die Kosten der medizinischen Versorgung. Zusätzlich zu den bereits - 13 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich genannten Kosten wären noch die Kosten verpasster Lebenschancen zu berücksichtigen (z.B. der entgangenen Möglichkeit eines Hochschulstudiums oder der Folgen eines höheren Risikos von Teenager-Schwangerschaften). Die wissenschaftliche und gesellschaftliche Relevanz von psychischen Störungen des Kindes- und Jugendalters ergibt sich nicht nur daraus, dass sie häufig und kostenintensiv sind. Vielmehr beeinträchtigen sie die Betroffenen aufgrund ihrer Beständigkeit über die Zeit der wesentlichen Entwicklungsabschnitte hinaus, verringern ihre Lebensqualität und ihre Entwicklungschancen. Besonders ungünstige Verläufe zeigen sich v. a. für dissoziale Störungen sowie für hyperkinetische Störungen die noch im Jugendalter anhalten. Esser et al. (2000) konnten zeigen, dass mehr als die Hälfte der 8-Jährigen mit dissozialen Störungen auch 17 Jahre später eine psychische Störung aufwiesen. Diese Störungen weisen neben einer hohen diagnosespezifischen Stabilität auch eine große Bedeutung als Vorläufer von Störungen durch Substanzgebrauch auf (Esser et al., 2000). Etwa 5 % aller Kinder müssen aufgrund besonders ungünstiger Entwicklungsverläufe als chronisch psychisch beeinträchtigt eingestuft werden (Ihle et al., 2006). - 14 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 3 Handlungsansätze 3.1 Interventionsebenen Gesundheitsförderung und Prävention von psychischen Störungen im schulischen Kontext kann auf verschiedenen Interventionsebenen und bei unterschiedlichen Zielgruppen ansetzen. Um die psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen zu verbessern und eine Wirkung zu erzielen, braucht es auf mehreren Ebenen Interventionen. Mögliche Interventionsebenen sind: ► Sensibilisierung: Negative Einstellungen und Vorurteile in der Bevölkerung gegenüber Menschen mit psychischen Krankheiten und gegenüber psychiatrischen Institutionen erschweren Fachpersonen die Arbeit und Betroffenen den Zugang zu professioneller Hilfe. Voraussetzung und Bestandteil fachlichen Wirkens ist deshalb die gesellschaftliche Sensibilisierung und Information über psychische Gesundheit (Schweizer Manifest für Public Mental Health, 2014). Im Setting Schule kann eine Sensibilisierung des Schulpersonals (Lehrpersonen, Betreuungspersonal, Schulsozialarbeiter/innen) und bei Jugendlichen stattfinden. ► Gesundheitsförderung: Gesundheitsförderung im Schulsetting verfolgt bezüglich psychischer Gesundheit einerseits das Ziel, bei gesunden wie auch bei beeinträchtigten Kindern und deren Lehrpersonen persönliche Ressourcen und Schutzfaktoren wie Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Bewältigungsstrategien, Problemlösefähigkeiten, soziale Kompetenzen, Beziehungsfähigkeit etc. zu stärken. Gesundheitsförderung zielt andererseits darauf ab, ein positives Schulklima zu schaffen, dank welchem sich die genannten psychischen Ressourcen bestmöglich auf- bzw. ausbauen lassen. Gesundheitsförderungsmassnahmen haben den Vorteil, dass sie geringe Stigmatisierungseffekte aufweisen, «alle» Gefährdeten erreicht werden und auf Probleme reagiert wird bevor sie entstehen. ► Prävention: Prävention beabsichtigt Belastungen (schädlichen Stress, soziale Abwertung und Ausschluss etc.) und Beeinträchtigungen (Depression, Sucht, Angststörungen und weitere psychische Störungen) zu verringern bzw. Folgekrankheiten zu verhindern. Sowohl die spezifisch orientierte Prävention wie auch die allgemeine Gesundheitsförderung können sich einerseits an einzelne Personen (Verhaltensansatz), andererseits auch an die Strukturen richten (Verhältnisansatz). Projekte und Interventionen, welche beide Ansätze berücksichtigen, sind besonders wirkungsvoll. ► Früherkennung und Frühintervention: Bei der Früherkennung und Frühintervention geht es darum, gesundheitsgefährdete Schülerinnen und Schüler frühzeitig zu erkennen und ihnen eine passende Unterstützung oder eine geeignete Intervention anzubieten. Die Frühintervention orientiert - 15 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich sich dabei nicht nur an den gegebenen Risiken, sondern auch an den vorhandenen Ressourcen. D.h. das Ziel der Intervention ist nicht lediglich das Reduzieren von Risiken, sondern auch das Stärken des Individuums durch Unterstützung und Förderung sowie Nutzung der Ressourcen zur persönlichen Entwicklung (RADIX, 2010). Gefährdete Kinder und Jugendliche können durch Lehrpersonen, Schulsozialarbeitende, Betreuungsfachleute, aber auch durch die Eltern erkannt werden. Je früher Betroffene und ihr Umfeld psychische Schwierigkeiten erkennen und Unterstützung erhalten, umso geringer die Folgen. ► 3.2 Behandlung und psychosoziale Unterstützung: Wie in Kap. 3.2 erwähnt wird, ist in der Stadt Zürich ein ausgebautes Versorgungssystem für die Behandlung psychosozialer Auffälligkeiten vorhanden. Die im Rahmen der Schule auftretenden psychosozialen Auffälligkeiten sind durch das Angebot des Schulpsychologischen Dienstes abgedeckt. Allerdings wird angenommen, dass psychische und psychosoziale Probleme bei Kindern häufig nicht erkannt werden (vgl. Bericht der Europäischen Kommission, 2000). Bestehende Massnahmen in der Stadt Zürich Um die psychosoziale Gesundheit der Kinder und Jugendlichen zu stärken, aber auch psychosoziale Auffälligkeiten zu verringern bzw. zu erfassen und die richtige Behandlung sicher zu stellen, gibt es in den Schulen der Stadt Zürich bereits verschiedene Angebote unterschiedlicher Fachdienste. Schulpsychologischer Dienst: Im Kanton und insbesondere in der Stadt Zürich ist ein ausgebautes Versorgungssystem für die Behandlung psychosozialer Auffälligkeiten vorhanden (Wettach et al., 2013, unveröffentlichter Bericht). Für die im Rahmen der Schule auftretenden psychosozialen Auffälligkeiten ist der Schulpsychologische Dienst (SPD) zuständig. Dieser führt Abklärungen von Lernschwierigkeiten und psychosozialen Auffälligkeiten sowie Beratungen von Schülern/-innen, Eltern und Lehrpersonen, psychotherapeutische Interventionen, Schulhaussprechstunden u.a.m. durch. Im Weiteren bietet der SPD Gruppentherapien für kriegstraumatisierte Kinder sowie Multifamiliengruppen und das Baghira-Training an. ► Gruppentherapien kriegstraumatisierter Kinder: In einem geschützten Rahmen werden kriegstraumatisierten Kindern die Möglichkeit geboten werden, sich der neuen Realität anzunähern und die traumatisierenden Erfahrungen zu verarbeiten. Den beruflichen und persönlichen Belastungen von Lehrpersonen im Kontakt mit traumatisierten Kindern/Jugendlichen wird durch regelmässige Standortbestimmungen zwischen Lehrpersonen, Eltern, Hortleitenden und betreuenden Therapeuten/-innen eine Entlastungsmöglichkeit geboten. Im Weiteren ermöglichen eine dreiteilige Weiterbildung im Bereich Trauma und Schule für die betroffenen Lehrpersonen und Interessierten einen Informationsaustausch und Reflexion. ► Multifamiliengruppe in der Situativen Unterstützung im Schulkreis Glattal: Bei der Multifamiliengruppe handelt es sich um eine therapeutisch geleitete Gruppe, bestehend aus mehreren Familien mit Kindern mit erhöhtem Förderbedarf, insbesondere im Bereich des Verhaltens. Im Rahmen der «Situativen Unterstützung» (SU), einem - 16 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich bestehenden Time-Out-Schulprojekt im Schulkreis Glattal, finden solche wöchentliche Multifamiliensitzungen statt, in welchen Erziehungsanliegen gemeinsam mit den Familien bearbeitet werden. ► Baghira-Training (findet zurzeit nicht statt): Gruppentraining für 9- bis 12-jährige Schüler/innen mit externalisierenden Verhaltensauffälligkeiten sowie begleitend Interventionen bei Eltern und Lehrpersonen Suchtpräventionsstelle: ► Gesundheitsfördernde Schule: Gesundheitsfördernde Schulen definieren ihren Handlungsbedarf und setzen zwei Schwerpunkte für jeweils drei Jahre fest mit dem Ziel Gesundheitsrisiken in der Schule zu reduzieren und beste Voraussetzungen für eine gute Leistungserbringung zu schaffen. Dabei werden sie von der Suchtpräventionsstelle begleitet und beraten. Sie unterstützen die Schulen bei Standortbestimmungen im Team sowie der Entwicklung und Umsetzung von Programmen zu Themen wie Ernährung und Bewegung, psychosoziale Gesundheit von Schülerinnen, Schülern und Lehrpersonen, Sucht- oder Gewaltprävention etc. ► Stärkung der Schutzfaktoren auf Stufe Kindergarten, Primarschul- und Sekundarstufe mit Hilfe von unterschiedlichen Ansätzen (u.a. theaterpädagogische Angebote). ► Früherkennung und Frühintervention bei auffälligem Verhalten von Kindern und Jugendlichen im Schulkontext: Die Suchtpräventionsstelle unterstützt Schulen und Lehrpersonen darin, Auffälligkeiten und problematische Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen früh zu erkennen und unterstützende Massnahmen in die Wege zu leiten. Dies findet meist in Form einer Prozessbegleitung zur Erstellung eines Konzepts für Früherkennung und -intervention in Schulen statt. Im Rahmen des Angebots BEKLA (Bedarfsorientierte Klassenintervention) erhalten Sekundarschülerinnen und –schüler mit einem riskanten Substanzkonsum bedarfsorientierte Unterstützung. ► LIMIT: LIMIT ist ein Kurs in Lebenskompetenz für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe, die im schulischen Kontext wiederholt Grenzen überschreiten und ein anhaltendes Problemverhalten zeigen. LIMIT kommt zum Zug, wenn schulinterne Massnahmen ausgeschöpft sind und die schulische Integration der Schülerin/des Schülers, auf längere Sicht gefährdet ist. Im Kurs setzen sich die Jugendlichen mit ihrem Verhalten auseinander und entwickeln Lösungsansätze, um problematische Situationen im Schulalltag besser meistern zu können. ► Unterstützung für Eltern: Die Suchtpräventionsstelle unterstützt Schulen bei der Organisation und Durchführung von Elternbildungsanlässen zu Themen rund um den Konsum, Umgang und Prävention von ungesundem Substanzkonsum. Zum spezifischen Angebot für Eltern gehören Elternabende zu unterschiedlichen Themen oder zu Präventionsangeboten an der Schule, im Quartier oder in Vereinen, Coachings von Elterngremien zu Suchtprävention, Familienprojekte sowie Angebote für Mütter und Väter mit Migrationshintergrund. Schulärztlicher Dienst: ► Die schulärztliche Vorsorgeuntersuchung erfolgt im Kindergarten, in der 4. Primarklasse sowie in der 2. Sekundarstufe. Die Untersuchung in der Sekundarstufe umfasst neben einer Kontrolle der Sinnesorgane und des Impfzustandes auch ein Gesundheitsgespräch, in dem Fragen jedes/r Jugendlichen zu seiner/ihrer Gesundheit, - 17 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich seinem/ihrem Wohlbefinden und seiner/ihrer Entwicklung vertraulich besprochen werden. Auffälligkeiten u.a. auch der psychischen Gesundheit können erfasst und wenn nötig Frühinterventionen eingeleitet werden. Im Rahmen der Gewichts- und Wachstumskontrolle werden im Weiteren wichtige Interventionen zur Akzeptanz des eigenen normalen Körperbildes durchgeführt. Schulamt: ► PFADE: Das Programm PFADE (Programm zur Förderung alternativer Denkstrategien) ist ein Lehrmittel zur nachhaltigen Förderung von sozialen Kompetenzen bei Kindern im Primarschul- und Kindergartenalter. In PFADE wird an sieben inhaltlichen Schwerpunktthemen gearbeitet, die sich durch das ganze Lehrmittel ziehen und in verschiedensten Lektionen immer wieder aufgenommen werden. Folgende Schwerpunktthemen werden verfolgt: Gefühle, Gesundes Selbstwertgefühl, Selbstkontrolle, Soziale Problemlösefertigkeiten, Umgang mit Freundschaften, Beziehungen, Fragen des Zusammenlebens, Regeln und Manieren, Lern- und Organisationstrategien. PFADE wird in der Stadt Zürich von total 600 Schulklassen in 56 Schuleinheiten durchgeführt. Fachstelle für Gewaltprävention: ► Interventionen in Schulen: Die Fachstelle für Gewaltprävention unterstützt Schulen bei belastenden Klassensituationen, bei der Bewältigung von Konflikten, bei der Auflösung destruktiver Dynamiken (z.B. Bullying-Phänomene, gravierende Disziplinprobleme usw.) und ähnlichen Problemstellungen. Die Interventionen finden in Form von Beratungen und Coachings meist vor Ort statt. ► Konfliktlotsen (Mediation): Konfliktlotsen sind Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen einer gezielten Ausbildung und Betreuung befähigt sind, angehende Konflikte im schulischen Kontext – wie zum Beispiel während den Pausen – zu lösen. Die Konfliktlotsen werden von den Schulsozialarbeitern/-innen betreut. 18 Schuleinheiten der Stadt Zürich haben bislang Konfliktlotsen eingeführt. Schulsozialarbeit: Bei sozialen Fragen und Problemen in der Schule und/oder in der Familie stehen Kindern, Jugendlichen, ihren Familien und dem Schulpersonal in über 80 Schulhäusern der Stadt Zürich Schulsozialarbeiter/innen zur Verfügung. Die Schulsozialarbeitenden sind in der Regel fest in einem Schulhaus zugeteilt und mit den Gegebenheiten des Quartiers eng vertraut. Aktivitäten zur psychischen Gesundheit im Kanton Zürich: Im Kanton Zürich existieren verschiedene Aktivitäten zum Thema psychische Gesundheit, welche von verschiedenen kantonalen Stellen in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren umgesetzt werden. ► Schwerpunktprogramm Suizidprävention: Zurzeit arbeitet das Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich das Schwerpunktprogramm aus. Vorgesehen sind 16 bis 20 Projekte, die Massnahmen zur Einschränkung der Verfügbarkeit von suizidalen Mitteln (Waffen, Medikamente, Hotspots usw.), Massnahmen zur Prävention bei Risikogruppen, Massnahmen zur Prävention von Imitationshandlungen, Massnahmen zur Einbindung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sowie Massnahmen zur Hilfe in Krisensituationen umfassen. - 18 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich ► Plakatkampagne «Wie geht’s Dir?»: Die Kampagne «Wie geht’s Dir?» will zur Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten beitragen und für das Thema sensibilisieren. Kern der Kampagnenwebsite sowie der zugehörigen Broschüre sind konkrete Gesprächstipps für Betroffene und für ihr Umfeld. Die Kampagne wurde im Herbst 2014 lanciert. Im Herbst 2015 wird sie aller Voraussicht nach mit zusätzlichen Sujets und Angeboten zum Thema «Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt» umgesetzt. Im Herbst 2016 stehen «Kinder und Jugendliche» im Zentrum. ► Projekt wikip für Kinder psychisch kranker Eltern: Die Integrierte Psychiatrie Winterthur – Zürcher Unterland (ipw) und das Sozialpädiatrische Zentrum (SPZ) der Kinderklinik am Kantonsspital Winterthur setzten zwischen 2010 und 2013 ein Projekt zur Verbesserung der psychiatrischen und sozialen Versorgung von Familien um. Ziel des Projekts war es, Hilfs- und Behandlungsangebote für Kinder, Jugendliche und psychisch kranke Elternteile zu erarbeiten, die Öffentlichkeit und die Fachpersonen in Bezug auf die Bedürfnisse der betroffenen Kinder zu sensibilisieren sowie die Netzwerkzusammenarbeit zu fördern. Nach Projektabschluss wurde die «Schweizerische Stiftung und Institut zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen» (IKS) gegründet, welche die Kontinuität der bereits geleisteten Arbeit gewährleisten soll. Zielgruppe dieses Projekts sind Kinder und Jugendliche mit psychisch kranken Elternteilen sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und die in der Betreuung involvierten Institutionen. Ob ein ähnliches Projekt für die Stadt Zürich in Planung ist, konnte bisher nicht ausfindig gemacht werden. Die Stiftung IKS bietet im Weiteren Weiterbildungen und Informationen sowie eine Anlaufstelle mit Kurzberatungen für das Schulpersonal im Raum Winterthur an. - 19 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 4 Handlungsschwerpunkte 4.1 Handlungsbedarf Der Bericht der Europäischen Kommission (2000) stellte fest, dass 1. psychische und psychosoziale Probleme in der Jugend häufig nicht erkannt und nicht ausreichend behandelt werden (diese Feststellung trifft mit grösster Wahrscheinlichkeit auch in der Schweiz zu) und 2. die Inzidenz vieler Erkrankungen (Depressionen, Sucht, suizidales Verhalten, Essstörungen, psychotische Störungen) deutlich von der Kindheit bis zum Jugendalter ansteigt. So ist inzwischen wissenschaftlich belegt, dass die meisten psychischen Störungen des Erwachsenenalters ihren Ursprung in Störungen des Kindesund Jugendalters haben und damit diesem Lebensabschnitt die größte Bedeutung für Prävention und Intervention und damit auch für die Ersparnis von Folgekosten zukommen sollte (Ihle et al., 2007). Der OECD-Forschungsbericht «Psychische Gesundheit und Beschäftigung: Schweiz» (2014) weist darauf hin, dass psychische Erkrankungen der Schweizer Wirtschaft enorme Kosten verursachen, u.a. durch Arbeitsausfälle, Sozial- und Gesundheitsausgaben. Nebst den Herausforderungen für die Arbeitswelt und die Invalidenversicherung macht es auf die gefährdete Situation von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen während der Schullaufbahn und beim Übergang in den Arbeitsmarkt aufmerksam. Die OECD empfiehlt dazu unter anderem, die psychischen Probleme bei Schulabbrechern anzugehen, da in der Bevölkerungsgruppe ohne abgeschlossene Schulausbildung die Prävalenz von psychischen Erkrankungen hoch sei. Der Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder und Jugendlicher lag 2012 gemäss Indikatorenmonitoring des Bundesamtes für Gesundheit (2014) bei 19%. Gleichzeitig zeigen die Resultate unserer Schüler/innenbefragung 2012, was viele internationale Studien schon länger bestätigen: Viele Jugendliche fühlen sich zu dick und wollen abnehmen, obwohl sie normal- oder sogar untergewichtig sind. Inwieweit zwischen diesen beiden Phänomenen Zusammenhänge bestehen, kann aufgrund des derzeitigen Forschungsstandes nicht abschliessend beantwortet werden. Gleichwohl gibt es Hinweise: So etwa führen viele Diäten zwar kurzfristig zu einer Gewichtsreduktion, längerfristig aber wieder zu einer Zunahme sogar bis über den Ausganswert (sog. Jojo-Effekt). Die positive Wahrnehmung des eigenen Körpers geht mit mehr Bewegung und gesundem Essen einher, während eine negative Körperwahrnehmung Folge oder Ursache psychischer Schwierigkeiten sein können. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über bereits bestehende Fachstellen und deren Ansätze mit Bezug zur psychosozialen Gesundheit und möglichen Synergien mit weiteren Partnern und zeigt auf wo noch Handlungsbedarf besteht. - 20 - bereits Bestehendes / Anschlussfähiges Synergien mit weiteren Partnern Neu zu entwickeln bzw. neue Kooperationen Schulgesundheitsdienste: EBPI – Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention: Kenntnisse und Handlungssicherheit des Schulpersonals erweitern und fördern bezüglich: Kindern mit internalisierenden Störungen (insbesondere depressive Verstimmungen & Angststörungen) Kindern mit externalisierenden Störungen Kindern und Jugendlichen mit kumulierten Risiken (bspw. psychisch kranke Eltern, Substanzkonsum etc.) ihrer eigenen Gesundheit gesundes Klassenklima Handreichung für Schulpersonal Thema Suizidprävention Schülerbefragung zu Gesundheit und Lebensstil in der 2. Sekundarstufe Schulpsychologischer Dienst: Abklärungen und Beratungen von Schülern/-innen, Eltern und Lehrpersonen Psychotherapeutische Interventionen Schwerpunktprogramm Suizidprävention Plakatkampagne «Wie geht’s Dir?» Iks – Schweizerische Stiftung & Institut zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Weiterbildungen und Informationen sowie Anlaufstelle mit Kurzberatungen für das Schulpersonal Schulärztlicher Dienst: Vorsorgeuntersuchung und biopsychosoziales Gesundheitsgespräch in der 2. Sekundarstufe Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst: Kinder- und Jugendpsychiatrische Grundversorgung Suchtpräventionsstelle: Stärkung der Schutzfaktoren auf untersch. Klassenstufen Prozessbegleitung beim Erstellen von Konzepten für Früherkennung und -intervention in Schulen Elternbildungsveranstaltungen Eltern-Kind-Beziehung stärken Förderung der Erziehungskompetenz RADIX (schweiz. Gesundheitsstiftung): Feel-ok.ch Früherkennung und -intervention in Schulen Mind Matters (Programm zur Förderung der psychischen Gesundheit) Fachstelle für Gewaltprävention: Stärkung der Kompetenzen der Eltern: Prävention, Intervention, Kooperation und Stärkung der Schulen und Freizeitorganisationen zum Thema Gewalt Stärkung der Schutzfaktoren der Kinder und Jugendlichen bezüglich: Körper- und Selbstwertgefühls sozialen Kompetenzen Erschliessung von Ressourcen Fachpersonen: Früherkennung und Frühintervention von psychosozialen Risikofaktoren Zusammenarbeiten und Wissensaustausch der internen Fachpersonen stärken Zusammenarbeiten mit externen Fachpersonen und Schulen stärken Kreisschulpflegen: Projekt Back to school (Schule und Arbeitseinsätze für Sekundarschüler/innen im Rahmen eines Time-out) Schulamt: Anknüpfung an Bestehendes: Aufbau-Modul zum Thema «psychosoziale Gesundheit» im Projekt «Purzelbaum» anbieten Schwerpunkt psychosoziale Gesundheit bei den Gesundheitsfördernden Schulen stärken femmesTISCHE Lehrmittel PFADE (Förderung sozialer Kompetenzen bei Kindern) Präventionsverantwortliche für Schulen Projekt QEQS (Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung) Projekt SIS (Stärkung Integrationskraft Schule) - 21 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 4.2 Schwerpunkte Für die Volksschule in der Stadt Zürich werden unter Berücksichtigung der nachfolgenden Kriterien und der Fachliteratur folgende Schwerpunkte vorgeschlagen, an denen Massnahmen zur Förderung der psychosozialen Gesundheit ansetzen können: 1. Depression und Angststörungen 2. Gesundes Körperbild 3. Schulabsentismus Bei der Wahl der Schwerpunkte und der möglichen Massnahmen waren folgende Kriterien wegleitend: ► der aktuelle Handlungsbedarf ► Angebotslücken ► Möglichkeiten im schulischen Kontext ► die vorhandenen Ressourcen Die drei Schwerpunkte setzen an unterschiedlichen Ebenen an. Der Schwerpunkt «Depression und Angststörungen» setzt bei bereits vorhandenen psychischen Auffälligkeiten bzw. Störungen von Jugendlichen an. Fokus ist dabei die Sensibilisierung des Schul- und Fachpersonals zur Früherkennung und frühe präventive Interventionen, um negative Folgen möglichst frühzeitig abzuwenden. Beim Schwerpunkt «gesundes Körperbild» liegt der Fokus auf universellen Präventionsmassnahmen, bei welchen auf die Stärkung von Ressourcen und Schutzfaktoren bei allen Jugendlichen gezielt wird. Der Schwerpunkt «Schulabsentismus» wiederum kann u.a. als Indikator für ebenfalls bereits vorhandene Schwierigkeiten von Jugendlichen auf sozialer und psychosozialer Ebene genutzt werden. Fokus ist bei diesem Schwerpunkt in einem ersten Schritt Grundlagen zu Häufigkeit, Schweregrad und Verlauf von Schulabsentismus zu erarbeiten und den Handlungsbedarf für die Stadt Zürich zu definieren. Die jeweiligen psychischen Auffälligkeiten hinter den drei Schwerpunkten hängen zusammen und können sich gegenseitig beeinflussen. Dies bringt es erfreulicherweise mit sich, dass die Massnahmen zu einzelnen Schwerpunkten sich auch auf den Outcome der anderen Schwerpunkte positiv auswirken können und deren Zielerreichung unterstützen. - 22 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 1. Schwerpunkt: Depression und Angststörungen Ausgangslage und Handlungsbedarf Die Häufigkeit depressiver Störungen bei Kindern wird auf 1 bis 2 % geschätzt. Zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr steigt die Prävalenz der Depression deutlich an und erreicht eine Verbreitung zwischen 2 und 8 % (Costello et al., 2006; Groen et al., 2011; Merikangas et al., 2010). Die Prävalenz von Angststörungen wird auf 10.4 % geschätzt (Ihle et al., 2002). In der Stadtzürcher Befragung zeigen 16 % der Jugendlichen Hinweise auf eine Angststörung und 17 % geben depressive Symptome in einem klinisch relevanten Ausmass an. Mädchen geben dabei deutlich häufiger depressive Symptome und Angststörungen an als Knaben. Im Kindes- und Jugendalter sind depressive Störungen oft komorbide mit Angststörungen. 50 % der Stadtzürcher Jugendlichen, welche ängstlich sind, neigen auch zu depressiven Verstimmungen und umgekehrt. Im Weiteren können internalisierende Störungen zusammen mit Störungen des Sozialverhaltens und hyperkinetischen Störungen auftreten. Bei depressiven Jungendlichen liegen darüber hinaus häufig Störungen durch Substanzkonsum und Essstörungen vor (Birmaher et al., 2007; Angold et al., 1999; Fergusson et al., 2011). Depressive Störungen treten häufig zum ersten Mal zwischen dem frühen und mittleren Jugendalter auf. Die Dauer einer Depression kann im Einzelfall sehr unterschiedlich sein und von einigen Wochen bis zu mehreren Jahren reichen (Birmaher et al., 2002; Groen et al., 2005). Die mittlere Länge liegt zwischen einigen Monaten und einem dreiviertel Jahr. Im Vergleich zu Erwachsenen scheinen Jugendliche oft schneller von einer Depression zu genesen. Nach ein bis zwei Jahren hat sich bei über 90 % die Stimmung wieder gebessert (Groen et al., 2013). Die Entwicklung einer Angststörung bzw. einer Depression ist sehr komplex und wird von unterschiedlichen Risiken beeinflusst. Dabei spielen biologische (z.B. hormonelle Veränderungen der Pubertät, erhöhte Stressempfindlichkeit, genetische Übertragung von einem depressiv erkrankten Elternteil) sowie vor allem soziale (z.B. geringe soziale Kompetenzen, geringe Bindungsqualität zwischen Eltern und Kind, Trennungen und Verlusterlebnisse) und psychische Faktoren (z.B. mangelnde Problemlösefertigkeiten, ungünstige Emotionsregulation) eine Rolle. In Bezug auf die Schule kann das Schulklima die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen positiv wie auch negativ beeinflussen. Es ist heute unbestritten, dass eine Depression im Kindes- und Jugendalter ein erhebliches Langzeitrisiko darstellt. Im Vergleich zu gesunden Altersgenossen haben ehemals depressive Kinder und Jugendliche bis ins Erwachsenenalter hinein ein deutlich erhöhtes Risiko für einen ungünstigen Verlauf: Sie sind auch später im Leben häufiger depressiv, leiden unter anderen psychischen Störungen, haben Schwierigkeiten in Beruf oder Partnerschaft, nehmen häufiger Medikamente, weisen häufiger problematischen Substanzkonsum auf und haben in mehr Fällen Suizidgedanken oder begehen tatsächlich Suizidversuche bzw. Suizid (Birmaher et al., 2007; Birmaher et al., 2002; Dekker et al., 2007; Moggi et al., 2004). Nach Einschätzungen der WHO zählt die Depression unter Erwachsenen und Jugendlichen weltweit zu den schwerwiegendsten Erkrankungen, in dem durch psychosoziale Beeinträchtigungen und vorzeitigen Tod Lebenszeit verloren geht (Gore et al., 2011; WHO, 2008). - 23 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Ziele und Massnahmen Im Vergleich zu anderen Gesundheitsthemen hat die psychische Gesundheit in der Institution Schule und im Unterricht bislang weniger Beachtung gefunden. Während Kinder mit externalisierenden Störungen wie Hyperaktivität oder regelverletzendem Verhalten in der Schule rasch auffallen, erscheinen Kinder mit internalisierenden Störungen wie Ängsten oder depressiven Verstimmungen äusserlich ruhig und angepasst. Ihnen fällt es oft schwerer, Eltern und Lehrpersonen auf ihre Not aufmerksam zu machen. Umgekehrt ist es auch für Lehrpersonen und Eltern schwierig ihr Leiden zu erkennen und zu lindern bzw. Folgeerkrankungen vorzubeugen. Sensibilisierung und Wissen über Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der psychischen Gesundheit sind noch wenig verbreitet. Aus diesem Grund setzten die Ziele und Massnahmen in einem ersten Schritt bei der Sensibilisierung sowie der Stärkung der Schutzfaktoren an. Ziel Sensibilisierung: Durch Sensibilisierung von Fachpersonen, Schulpersonal (Lehrpersonen, Betreuungspersonal, Schulsozialarbeiter/innen) und Jugendlichen verbessert sich das Verständnis und der Umgang mit Angststörungen bzw. Depressionen und trägt zur Entstigmatisierung bei. Gesundheitsförderung und Prävention: Durch die Förderung des Wohlbefindens und die Stärkung von persönlichen Schutzfaktoren sinkt der Anteil der Jugendlichen mit klinisch relevanten Hinweisen auf eine Angststörung bzw. Depression. psychosoziale Unterstützung: Durch Wissensvermittlung und Erschliessung von Ressourcen (z.B. Hilfsstellen) sollen psychische Auffälligkeiten früher erkannt und betroffene Kinder und Jugendliche besser unterstützt werden. Sensibilisierung der Fachpersonen, des Schulpersonals und der Jugendlichen: Massnahmen Mögliche Partner Bekanntmachung der Plakatkampagne zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bei Schulen EBPI – Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention (ehem. ISPM) Pro Mente Sana Weiterbildung und Information der Mitarbeitenden von Fachdiensten und der Schule, damit diese gefährdete Kinder und Jugendliche möglichst früh erkennen und im schulischen Rahmen gezielt individuelle Risiken minimieren bzw. persönliche Schutzfaktoren und Stärken fördern können. Iks – Schweizerische Stiftung & Institut zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen Trialogisches Schulprojekt: Das Projekt-Team besucht eine Sekundarklasse. Der 1. Teil dient dem Vermitteln theoretischer Grundlagen zu einem / mehreren psychischen Krankheitsbildern. Im 2. Teil erzählen eine Fachkraft aus dem Bereich der Psy- Pro Mente Sana - 24 - SPD Schulamt SPD Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich chiatrie / Psychotherapie, eine von einer psychischen Krankheit betroffene Person und eine Angehörige offen aus ihrer eigenen Perspektive. Die Schüler/innen haben die Chance alle ihre Fragen zu stellen und qualifizierte Antworten zu erhalten. Stärkung der persönlichen Schutzfaktoren der Kinder und Jugendlichen: Massnahmen Mögliche Partner Zusammen mit den Weiterbildungen sollen den Lehrpersonen auch Kurzfilme, Websites und weitere Lehrmittel zur Verfügung gestellt werden, um das Thema Depression und Angststörungen im Unterricht aufzugreifen und die persönlichen Schutzfaktoren der Kinder und Jugendlichen zu stärken. Iks – Schweizerische Stiftung & Institut zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen feel-ok.ch SPD SUP Den Jugendlichen werden ressourcenorientierte Apps und Websites zur Stärkung ihrer Schutzfaktoren angeboten. Iks – Schweizerische Stiftung & Institut zur Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen feel-ok.ch Pro Mente Sana SPD SUP Aufbau-Modul zum Thema «psychosoziale Gesundheit» im Projekt «Purzelbaum – bewegter Kindergarten» / «Purzelbaum KiTa» anbieten Radix SPD Psychosoziale Unterstützung betroffener Kinder und Jugendlicher: Massnahmen Mögliche Partner Infoblatt zu inner- und ausserschulischen Unterstützungssystemen für Fach- und Lehrpersonen SPD - 25 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 2. Schwerpunkt: gesundes Körperbild Ausgangslage und Handlungsbedarf Medien, Modewelt und Industrie vermitteln heutzutage häufig Idealbilder zu Aussehen und Körper, die nicht der Realität entsprechen. Noch nie war der Druck auf Jugendliche, «körperlich perfekt» zu sein, so gross wie heute. Sie setzen einen grossen Teil ihrer Energie dafür ein, dem heutigen, oft unerreichbaren Schönheitsideal zu entsprechen. Dies führt in hohem Mass dazu, dass Jugendliche mit ihrem Körper unzufrieden sind und diesen nicht mehr richtig wahrnehmen. In der Stadt Zürich geben 40 % der weiblichen Jugendlichen an, sich zu dick zu fühlen, obschon sie aufgrund ihres Body-Mass-Index normal- oder sogar untergewichtig sind. Bei den männlichen Jugendlichen liegt der entsprechende Anteil bei 18 %. Insgesamt wollen 54 % der weiblichen Befragten abnehmen. Bei den männlichen Befragten will ungefähr ein Drittel abnehmen und jeder Fünfte zunehmen. Mädchen und Knaben, die sich zu dünn bzw. zu dick fühlen oder ihr Körpergewicht verändern möchten, berichten überdurchschnittlich häufig, an depressiven Verstimmungen und Ängsten zu leiden. Das Körperbild hängt eng mit dem Selbstwertgefühl einer Person zusammen, vor allem in der Adoleszenz können sich durch ein negatives Körperbild psychische Probleme entwickeln. Amerikanische Forscher zeigen, dass Jugendliche mit einem negativen Körperselbstbild häufiger an Angststörungen und Depressionen leiden und vermehrt Suizidversuche unternehmen. Dyl et al. (2006) fanden im Weiteren heraus, dass diese Jugendlichen auch mehr sexuelle Störungen und/oder Anzeichen einer Posttraumatischen Belastungsstörung haben sowie Dissoziationssymptome zeigen. Die Anwendung gewichtsregulierender Massnahmen und die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körpergewicht können potentiell auch zur Entwicklung von Essstörungen führen. Expertinnen und Experten (Schulte et al., 2013) machen darauf aufmerksam, dass Jungen und Mädchen ihren Körper anders wahrnehmen und andere Vorstellungen von einem idealen Körper haben. Bei Jungen kann ein negatives Körperbild vielmehr mit sozialem Rückzug einhergehen und wirkt sich vielleicht weniger auf das Essverhalten aus. Jungen und Mädchen sprechen auch in anderer Art und Weise darüber. Diese Unterschiede sind relevant. In der Praxis ist es deshalb notwendig, geschlechtsspezifische Massnahmen zu definieren und umzusetzen. Eine positive Einstellung zum eigenen Körper ist ein wichtiger Schutzfaktor vor psychischen Störungen und problematischem Substanzkonsum und ist deshalb auch Voraussetzung für eine gesunde psychische Entwicklung. In der Stadt Zürich bestehen bislang jedoch keine gezielten Massnahmen zur Stärkung des Körper- und Selbstwertgefühls der Kinder und Jugendlichen mit dem Fokus eines gesunden Körperbilds. Im Hinblick auf die Tagesschulen 2025 wird dieses Thema für die Schulen der Stadt Zürich immer wichtiger, da die Betreuung aller Schüler/innen in der Schule stattfindet. Ziele und Massnahmen Ziel Durch die gezielte Förderung gesunder Körperbilder und Lebensstile und der Akzeptanz für die Vielfalt von Körperbildern sinken der Anteil der Jugendlichen, der ungesunde gewichtsregulierende Massnahmen anwendet und der Anteil der Jugendlichen, der mit seinem Körpergewicht/Körperbild unzufrieden ist. - 26 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Sensibilisierung der Fach-, Lehr- und Betreuungspersonen sowie Eltern / Prävention von Essstörungen: Massnahmen Mögliche Partner Weiterbildung Betreuungspersonal zum Umgang mit Übergewicht und zur Prävention von Essstörungen im Hort Fachbereich Bewegung / Ernährung SAD Nutzen der bestehenden Erfahrung von Schulärzten/-innen und Weiterbildung der Schulärzte/-innen zur Sensibilisierung und Früherkennung von ungesundem Körperbild und beginnenden Essstörungen bei Jugendlichen Fachbereich Bewegung / Ernährung SAD Sensibilisierung der Eltern im Rahmen von Elternabenden Fachbereich Bewegung / Ernährung SAD Abt. Tagesstrukturen SAM SPD SUP Stufen- und zielgruppenspezifische Infoblätter zur Förderung eines gesunden Körperbilds und zur Prävention von Essstörungen sowie Bereitstellen von Informationen zu Anlaufstellen für Jugendliche mit Essstörungen Kommunikation SG Überprüfung interner Präventionsmassnahmen und Interventionen auf eine allfällige Begünstigung von Essstörungen sowie Berücksichtigung der Bandbreite des gesunden Körpergewichts in den Kommunikationsmitteln Kommunikation SG Sensibilisierung der Anbieter von Bewegungs- und Sportaktivitäten in den Schulen bezüglich Stigmatisierung von übergewichtigen und untergewichtigen Kindern Sportamt Fachbereich Bewegung / Ernährung SAD SPD SUP Fachbereich Bewegung / Ernährung SAD Fachperson für Essstörungen Stärkung des Körper- und Selbstwertgefühls der Kinder und Jugendlichen: Massnahmen Mögliche Partner Genderspezifische Workshops an Schulen zu selbstbewusstem und kritischem Umgang mit Schönheitsnormen und körperorientierten Leistungsidealen Fachstelle PEP Fachbereich Bewegung / Ernährung SAD SPD SUP - 27 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 3. Schwerpunkt: Schulabsentismus Ausgangslage und Handlungsbedarf Schulabsentismus ist ein Oberbegriff für das unentschuldigte und absichtliche Fernbleiben vom Unterricht aus einem gesetzlich nicht vorgesehenen Grund. Entweder handelt es sich um die Weigerung des Kindes, die Schule zu besuchen oder dessen Unvermögen, den Schulalltag zu absolvieren. Im Extremfall führt dies bis hin zum Schulabbruch. Eine Studie zum Schulabsentismus in der Schweiz (Stamm et al., 2007) belegt, dass fast jede/r zweite Schüler/in (49 %) im Verlaufe der Schulkarriere schon die Schule geschwänzt hat und fast jede/r dritte im Verlaufe der letzten sechs Monate (33 %). Massiv die Schule geschwänzt, d.h. mehr als fünfmal einen halben Tag, haben in diesem Zeitraum 4.7 % der Schüler/innen. Die Gründe, welche von den Jugendlichen für ihre Absenzen genannt werden, sind ebenso vielfältig wie unterschiedlich in ihrer Häufigkeit: Zu den häufigsten Motiven zählen die Abneigung gegenüber einzelnen Schulfächern und die Vermeidung von Leistungskontrollen (10 % bis 40 %), die Ablehnung der Schule als Ganzes (33 % bis 66 %), Konflikte mit Lehrpersonen (15 % bis 27 %) oder Gewalterfahrungen durch Mitschüler/innen (Bullying, 1 % bis 19 %). Insgesamt belegen die Studienresultate, dass weit mehr Schüler/innen die Schule schwänzen als gemeinhin angenommen wird. Insbesondere die Lehrkräfte unterschätzen die Schwänzerhäufigkeit und Intensität häufig, vermuteten doch in dieser Studie nur 33 %, dass in ihren eigenen Klassen ab und zu und 8 %, dass massiv geschwänzt wird. In der Schülerbefragung der Stadt Zürich geben 78 % der Jugendlichen an, noch nie die Schule geschwänzt zu haben. Nur gerade 5.4 % sind bereits mehrmals absichtlich der Schule ferngeblieben. Im Weiteren geben 5.5 % der Jugendlichen an, aus Angst schon ein oder mehrere Male nicht in die Schule gegangen zu sein. Zu beachten ist, dass die Resultate der beiden Studien aufgrund unterschiedlich gestellter Fragen nur eingeschränkt miteinander vergleichbar sind. Schulabsentismus hat negative Auswirkungen für die schwänzenden Schüler/innen einerseits und für die Gesellschaft andererseits. Psychosoziale Auswirkungen sind zum Beispiel eine negative Selbsteinschätzung als Verlierer/in, Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, geringe Frustrationstoleranz, Suche nach alternativen Bestätigungsmöglichkeiten ausserhalb der Schule und somit die Gefahr für Delinquenz sowie Rückzug mit möglicherweise folgenden internalisierenden Problemen. Gesellschaftliche Auswirkungen beinhalten u.a. eine verlängerte Schulzeit, die Inanspruchnahme von ausserschulischen Bildungseinrichtungen, keine Arbeit aufnehmen und als mögliche Folge der Ausstieg aus der Gesellschaft und die Belastung der staatlichen Unterstützungssysteme. Wirtschaftliche Kosten von Schulabsentismus entstehen zum Beispiel in den Bereichen des Bildungssystems durch Klassenwiederholung, Kosten für nachschulische Qualifizierung, verspäteten Eintritt in den Arbeitsmarkt und das Beziehen von lebenslanger staatlicher Hilfe durch Schulabbruch sowie Kosten von Delinquenz für Staat und Opfer (Geschäftsführung des Rates für Kriminalitätsverhütung in Schleswig-Holstein, 2011; Wettach et al., 2013, unveröffentlichter Bericht). Empirische Beobachtungen zeigen, dass Schulabsentismus und mögliche Folgen von den Lehrpersonen häufig nicht als solcher erkannt und unterschätzt wird. Je später jedoch Massnahmen ergriffen werden, desto schwieriger wird es, die jungen Menschen wieder in den Schulalltag zu integrieren. - 28 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Ziele und Massnahmen Die Datenlage zu Schulabsentismus in der Stadt Zürich ist ungenügend. Zu Häufigkeit, Schweregrad, Verlauf und Interventionen bestehen nur wenige verlässliche Daten. Ziel 1 Grundlagen zu Häufigkeit, Schweregrad und Verlauf von Schulabsentismus sind erarbeitet und der Handlungsbedarf sowie nötige Massnahmen sind geprüft und definiert. Massnahmen 1 Mögliche Partner Weiterführende Grundlagen zu Häufigkeit und Schwere von Schulabsentismus erarbeiten SPD erforderliche Massnahmen definieren und umsetzen SPD Schulpräsidien SUP SAD Schulen Schulsozialarbeit Ein von der PK beschlossener Geschäftsprozess zum Vorgehen der Schulen und zum Einbezug der unterstützenden Dienste bei Schulabsentismus besteht für die Stadt Zürich nicht. Ein vorgegebener Handlungsplan könnte jedoch für die Schulen hilfreich sein. Ziel 2 Das Schulpersonal kennt die unterschiedlichen Formen von Schulabsentismus und leitet frühzeitig wirkungsvolle Massnahmen ein. Massnahmen 2 Mögliche Partner Infoblatt zum Thema Schulabsentismus und Handlungsempfehlungen für Eltern und Lehrpersonen SPD Handlungsplan/Geschäftsprozess für Schulen zum Vorgehen bei Schulabsentismus SPD Schulen Schulamt Schulsozialarbeit - 29 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 5 Umsetzung 5.1 Projektorganisation Die Koordination der Massnahmen wird durch die Stabsstelle «Projekte» sichergestellt. Für die Umsetzung der Massnahmen ist eine enge Zusammenarbeit und Absprache mit den jeweiligen Fachdiensten notwendig. Pro Schwerpunkt wird eine Projektgruppe mit einer Vertretung aus den betreffenden Fachdiensten sowie den Partnerorganisationen vorgeschlagen, welche für jeden Schwerpunkt einen Projektantrag z.Hd. der Direktion verfasst sowie bei der Umsetzung der Massnahmen mitarbeitet. Der Projektantrag soll folgende Elemente beinhalten: ► ► ► ► ► ► Ausgangslage / Handlungsbedarf Projektorganisation Projektziele Vorgehen & Massnahmen Projektzeitplan Projektkosten Die Genehmigung und Steuerung des Massnahmenplans obliegt der Direktion der Schulgesundheitsdienste. Einige Massnahmen müssen zusätzlich durch die Konferenz der Schulpräsidenten/-innen bewilligt werden. 5.2 Projektzeitplan Das vorliegende Konzept wurde anfangs Juli 2015 von der Geschäftsleitung der Schulgesundheitsdienste gutgeheissen. Für die einzelnen Schwerpunkte ist eine gestaffelte Umsetzung geplant: 1. Schwerpunkt: Angststörungen und Depression: Beginn Sommer 2016 2. Schwerpunkt: gesundes Körperbild: Beginn Sommer 2015 3. Schwerpunkt: Schulabsentismus: Beginn Herbst 2015 - 30 - Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 6 Literaturverzeichnis Angold A, Costello EJ, Erkanli A. Comorbidity. J Child Psychol Psychiatry, 40(1):57-87, 1999 Baeriswyl S, Krause A, Kunz Heim D. Arbeitsbelastungen, Selbstgefährdung und Gesundheit bei Lehrpersonen – eine Erweiterung des Job Demands-Resources Modells. Empirische Pädagogik, 28(2):128-146, 2014 Bastine RHE. Klinische Psychologie. Stuttgart: Kohlhammer, 1998 Bauer J, Stamm A, Virnich K, Wissing K, Müller U, Wirsching M, Schaarschmidt U. Correlation between burnout syndrome and psychological and psychosomatic symptoms among teachers. Int Arch Occup Environ Health, 79:199–204, 2006 Bauer J, Unterbrink T, Hack A, Pfeifer R, Buhl-Grießhaber V, Müller U, Wesche H, Frommhold M, Seibt R, Scheuch K, Wirsching M. Working conditions, adverse events and mental health problems in a sample of 949 German teachers. 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Switzerland: World Health Organization, 2008 - 34 - Art der Publikation oder Zielgruppe Die Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich Die Schulgesundheitsdienste sind das Kompetenzzentrum für Gesundheit und Prävention im Schulbereich. Mit innovativen Projekten und einem umfassenden Grundangebot setzen sie sich für eine gesunde Schuljugend mit guten Entwicklungsmöglichkeiten ein. Zu den Schulgesundheitsdiensten gehören der Schulärztliche Dienst, der Schulzahnärztliche Dienst, der Schulpsychologische Dienst, die Suchtpräventionsstelle sowie eine Projektstelle zur Gesundheitsförderung. Die Schulgesundheitsdienste sind dem Schul- und Sportdepartement angegliedert. Stadt Zürich Schulgesundheitsdienste Parkring 4, Postfach 8027 Zürich Telefon 044 413 88 98 www.stadt-zuerich.ch/schulgesundheitsdienste © Schulgesundheitsdienste der Stadt Zürich 2015