Riport 85 Sommer 2017 Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik 4 Nephrologische Notfälle 6 Hausärztliche Notfälle 5 7 Präklinische Notfallmedizin – der Verkehrsunfall Akuter Thoraxschmerz 8 Neurologische Notfälle 9 Neues Schulungslabor in Vaduz 10 Cholesterin und Herz 12 ST2 – Der kardiale Biomarker für Prognose und Therapie-Kontrolle bei Herzinsuffizienz 14 Laborumzug von Schaan nach Buchs SG und Vaduz 16 www.risch.ch präsentiert sich neu Hämatologie · Klinische Chemie · Klinische Immunologie · Medizinische Mikrobiologie · Medizinische Genetik Impressum Verantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe: Dr. sc. nat. Gert Risch Prof. Dr. med. Lorenz Risch, MPH Dr. med. Martin Risch Dr. rer. nat. Sabine Berchtold PD Dr. med. Thomas Bodmer Dr. Alain Bregnard Dr. pharm. Susanna Bigler Dr. med. Walter Fierz, MHIM Dr. sc. nat. ETH Giuditta Filippini Cattaneo Dr. med. Paul Friderich Prof. Dr. med. Guido Funke Dr. phil. II Peter Hagemann Dr. sc. nat. Katrin Höland Farm. / chim. Paola Jelmini Dr. med. Christian Lee Dr. phil. nat. Katja Ludin Dr. rer. nat. Thomas Lung Dr. med. Pedro Medina Escobar Dr. rer. nat. Martine Michel Blanco Prof. em. Dr. med. Urs Nydegger Dr. phil. II Michael Ritzler PD Dr. rer. nat. Christoph Seger Dr. med. Philipp Würtinger Dr. sc. nat. ETH Monika Wydler Dr. phil. II Manfred Zerlauth Layout / Gestaltung IDconnect design solutions · www.id-connect.com labormedizinisches zentrum Dr Risch · Marketing · Vaduz Aarau · Bern · Biel · Brugg · Brunnen · Buchs · Delémont · Liebefeld Lugano · Pregassona · Schaffhausen * · Solothurn · St. Gallen · Vaduz * · Zürich-Nord Swiss Climate ISO 9001:2008 zertifiziert durch SQS * ISO 17025:2005 akkreditiert durch SAS * Klimaneutral gedruckt SC2017062701 • www.swissclimate.ch 2 Faxen: ja oder nein? Eine Technologie ohne Zukunft! Gemeint ist die elektronische Dokumenten-Übertragung über das Telefonnetz und nicht irgendwelche Kinderschul-Flausen. Jahrzehntelang hat man sich an diesen bequemen Übertragungsmodus gewöhnt. Besonders geschätzt wurde die Möglichkeit, von Arztberichten und Laborbefunden eine HardCopy in den Händen zu halten und eventuell mit Notizen ergänzen zu können. So lange die «Faxe» noch nicht abgelegt waren, dienten sie als Hinweis, noch etwas unternehmen zu müssen. Faxe konnten auch leicht kopiert und weitergegeben werden. Sich von dieser bewährten Kommunikations-Technologie trennen zu müssen, ist schon «harte Post». Nun teilt uns die Swisscom mit, dass die Fax-Übertragungen zwar noch weiterhin funktionieren, jedoch ab Ende Jahr nicht mehr in der gewohnten Qualität verfügbar sind. Die Netzbetreiber übernehmen keine Garantie mehr, verweisen auf das Übertragungsrisiko und empfehlen, digitale Ersatzlösungen einzusetzen. Was bei dieser Situation nicht empfohlen werden kann, ist abzuwarten, bis diese Übertragungs-Technologie ganz abgeschaltet wird. Wir haben eine Palette an zuverlässigen und effizienten Ersatzlösungen vorbereitet und empfehlen Ihnen, auf eine moderne Dokumenten-Übertragungs-Technologie umzusteigen. Jede, der von uns angebotenen Zustellmöglichkeiten für die Laborbefunde muss auf Ihre Praxis-Bedürfnisse abgestimmt werden. Vorgängig muss mit Ihrer Praxis abgeklärt werden, welches der Programme, z. B. «LabResult», «LabApp», sichere E-Mail oder eine HL7-Übermittlung, Ihnen Ihren Alltag am besten erleichtern würde. Der Fax-Technologie müssen Sie nicht unbedingt nachtrauern. Die neuen Übertragungs-Programme haben viele Vorteile. Lassen Sie sich davon überzeugen. Unsere Kundenbetreuer / Innen werden Sie gerne und unverbindlich beraten. Aber bitte warten Sie nicht zu lange mit einer Terminvereinbarung. Welche praxisrelevanten Beiträge finden Sie in dieser Ausgabe? Es sind vorwiegend Kurzfassungen der Vorträge vom XXIII. Diagnostik Symposium, vom 9. März 2017 in Schaan, zum Thema «Notfälle». So wird beim vermuteten nephrologischen Notfall auf die Wichtigkeit der Urin- und Serum-Analytik hingewiesen, die in den Praxen selbst durchgeführt werden kann. Prof. Oliver Senn weist in seinem Beitrag «Hausärztliche Notfälle» darauf hin, dass deren Organisation ein «reorganisatorischer Dauerbrenner» sei. Martin Liesch macht die ursächlichen Häufigkeiten beim «Akuten Thoraxschmerz» zu seinem Thema. Prof. Mathias Sturzenegger meint, dass «Kopfschmerzen auf der Notfallstation richtig zu interpretieren eine Herausforderung ist». In seinem Artikel empfiehlt er, wie diagnostisch vorzugehen sei. Zwei Artikel befassen sich mit der Labor-Analytik. So hat sich Peter Hagemann in einem ÜberblicksArtikel mit der 200-jährigen Cholesterin-Bestimmung und deren volksgesundheitlicher Bedeutung befasst. Auch die diagnostische Weiterentwicklung der Lipid-Analytik in diesem langen Zeitraum dürfte Ihr Interesse finden. Es liest sich sehr leicht. Ein weiterer Beitrag erläutert die bessere Risiko-Abschätzung einer Herzinsuffizienz mit einer Kombination der Bestimmungen von «BNP bzw. NT-pro BNP» mit dem neuen Test «ST2». Auf www.risch.ch sehen Sie unseren neuen Internet-Auftritt, der übersichtlicher gestaltet ist und Sie direkter durch das Info-Angebot führt. Das Neuste zu unserem Umzug von Schaan nach Vaduz bzw. nach Buchs erfahren Sie direkt von unseren Mitarbeiter / Innen. Sie äussern sich über ihre neuen Arbeitsplätze an beiden Standorten. Als weitere Neuheit verweisen wir auf ein modernstes Schulungslabor für MPAs und Schüler. Es ist betriebsbereit und vollständig eingerichtet. Die vorliegende Ausgabe des «Riport 85» erscheint in Sichtweite des grossen Ferienbeginns. Mit dem besten Dank für die sehr angenehme Zusammenarbeit wünsche ich allen einen ganz erholsamen Sommer. Freundliche Grüsse Dr. sc. nat. Gert Risch 3 Nephrologische Notfälle Dr. med. Reto Venzin Nierenleiden «schmerzen» nicht, so dass sich Patienten mit akuter Nierenschädigung mit Allgemeinsymptomen (Unwohlsein, Fieber, Hypertonie) oder bei Systemerkrankungen mit Beschwerden der gleichzeitig betroffenen Organe beim Arzt melden. Die Niere ist ausschliesslich sympathisch innerviert. Renale Schmerzfasern gibt es nur im Cortex und im Urothel, was erklärt, dass lediglich die Urolithiasis, die Pyelonephritis und selten akute Nierenerkrankungen mit Kapselspannung schmerzhaft sind. Klassische Nierenerkrankungen (Diabetes, Hypertonie, Glomerulonephritiden) sind «systemisch» und betreffen somit immer beide Nieren. Abb. 1: Meiose der Eizelle von Patientinnen verschiedenen Alters Die Unterscheidung der akuten von der chronischen Niereninsuffizienz gelingt, bis auf die Nierenhistologie, nur durch die Dynamik der Laborwerte in Serum (Kreatinin) und Urin. Die akute Niereninsuffizienz stellt immer einen Notfall dar. Time is kidney function! Mit der Sonographie kann eine postrenale Ursache gesucht und gleichzeitig die Anzahl Nieren, die Nierengrösse und die Morphologie festgehalten werden. Der Volumenstatus ist neben der Anamnese unerlässlich für die Beurteilung eines prärenalen Nierenversagens. Hinweise für eine Hypovolämie finden sich meist bereits in der Anamnese. Es gibt aber auch prärenale Situationen mit Hypervolämie, wie beispielsweise beim kardiorenalen oder hepato­renalen Syndrom. Der Urin ist das Schaufenster unserer Nieren. Es interessiert die Protein- / Albuminurie und das Urinsediment (Erythrozyturie, Leukozyturie). Wir unterscheiden ein 4 nephrotisches (Protein-/Albuminurie) von einem nephritischen (Erythrozyturie) Urinsediment, wobei letzteres meist durch eine Entzündung im Glomerulum zu Stande kommt, zur Destruktion der Glomeruli führt und somit ein akutes Nierenversagen auslösen kann. Man spricht in dieser Situation auch von «rapid progressiv Glomerulonephritis (RGPN)». Eine notfallmässige Diagnostik und Einleitung einer Therapie noch gleichentags ist unerlässlich. Die Leukozyturie ist bei gleichzeitiger Bakteriurie mit entsprechenden Symptomen diagnostisch für Harnwegsinfekte. Eine «sterile» Leukozyturie kann auf eine seltene urologische Tuberkulose hindeuten, ist aber häufiger Ausdruck einer Entzündung im Niereninterstitium. Die interstitielle Nephritis ist allergischer, meist medikamentöser, Genese. Die häufigsten Auslöser sind nicht-steroidale Antirheumatika oder Antibiotika. Grundsätzlich kann jedes Medikament, auch die häufig verwendeten Protonenpumpenhemmer, verantwortlich sein! Die Uringewinnung ist aufwändig, weshalb die Urindiagnostik im klinischen Alltag oft unterlassen wird. Sie hilft aber gerade bei unklaren systemischen, meist entzündlichen Krankheitsbildern diagnostisch weiter – auch bei normalem Serum Kreatinin! Eine Nierenhistologie kann die entsprechende Diagnose sichern. Die symptomatische Hyperkaliämie, die Hypervolämie, insbesondere die Diuretika resistente, und die urämische Perikarditis und Enzephalopathie sind Indikationen für eine notfallmässige Dialyse. Bei bestimmten Intoxikationen kann eine akute Hämodialyse hilfreich sein. Autor Dr. med. Reto Venzin Leitender Arzt und Leiter Nephrologie / Dialyse Kantonsspital Graubünden Loëstrasse 170 · 7000 Chur Präklinische Notfallmedizin – der Verkehrsunfall Dr. med. David Schurter Insgesamt sind sie zwar selten, die Verkehrsunfälle mit Verletzungsfolge, aber jeden von uns kann es unverhofft treffen: vor der Praxis, auf Hausbesuch oder während der Biketour: man ist konfrontiert mit Umständen, die ganz anders sind als sein gewohntes Alltagsumfeld. Trotzdem wird gerade von Personen in Medizinalberufen erwartet, dass sie selbstverständlich den Überblick behalten, die Situation sofort richtig einschätzen, umgehend eine korrekte Behandlung einleiten und dabei erst noch «cool» bleiben. Das Arbeitsumfeld weicht bei einem Verkehrsunfall vom uns bekannten Setting ab. Es können Gefahren bestehen. Man kann jedoch mit einfachen Möglichkeiten eine Stabilisierung des Patienten erreichen. Sehr wichtig ist die Kommunikation am Unfallort. Schon unter den Ersthelfern kann mit entsprechender Kommunikation z. B. verhindert werden, dass eine Alarmierung ausbleibt, weil jeder stillschweigend erwartet, dass dies von seinem Gegenüber gemacht wird. Insbesondere bei der Alarmierung können entscheidende Weichen für eine gute Versorgung des Patienten gestellt werden. In und um die Fahrzeuge können Gefahren lauern, die den meisten Helfern unter Umständen nicht bewusst sind. Die landläufige Meinung, dass die Hilfe an einem Verkehrsunfall abhängig ist von einer grossen Menge an Hilfsmitteln und Tools, ist nicht unbedingt richtig. Insbesondere in einer ersten Phase sind Umsicht, ein kühler Kopf und die Fähigkeit gefragt, sich nicht in den ersten Sekunden auf den nächstbesten Patienten zu stürzen und das Augenfällige zu behandeln. Es lohnt sich ein strukturiertes Vorgehen nach ABC-Schema; und letztlich sind es nicht immer diejenigen, die die Aufmerksamkeit auf sich lenken, die diese auch zuerst benötigen. Ganz abgesehen davon gelangt man als Privatperson meist mehr oder weniger unvorbereitet an eine solche Unfallsituation. In Mitteleuropa sind wir in der glücklichen Lage, über ein relativ dichtes Netz an Rettungs- und Notarztwagen mit entsprechender Besatzung zu verfügen. Zudem verfügen wir über ein ausgebautes Luftrettungs-System. Die Alarmierung ist gut etabliert und bei Verkehrsunfällen sind die Einsatzorte in aller Regel gut erreichbar. In unseren Gefilden kann innert 15 Minuten mit Rettungsmitteln gerechnet wer- den; in ländlichen Gegenden dauert dies unter Umständen bis 30 Minuten. Diese Zeit kann mit einfachen Mitteln überbrückt werden; dazu hat sich das ABC-System etabliert: tungsdienste im Bereich Verkehrsunfälle, z. B. durch Fahrzeuge mit alternativem Antrieb (Gas-, Elektro- und Hybridfahrzeuge) und entsprechenden daraus resultierenden Gefahren. A: Airway and spine control: Offenhalten der Atemwege, ggf. mit Heben des Kiefers bei verlegtem Atemweg; Schutz der Wirbelsäule durch manuelle Stabilisation B: Breathing: Überprüfen der Atmung mit nötigenfalls künstlicher Beatmung (z. B. Mund-zu-Mund / Nase) C:Circulation: Kontrolle von Blutungsquellen resp. Suche derer. Bei fehlendem Kreislauf Beginn mit Cardiopulmonaler Reanimation (CPR, Herzdruckmassage und Beatmung) Diesem ABC wird – sofern solche evident sind – eine Kontrolle von stark blutenden Wunden vorgezogen, da hier mit einfachen Mitteln ein grosser Benefit für den Patienten erreicht werden kann. Autor Dr. med. David Schurter FMH Anästhesie, Notarzt SGNOR, Leitender Notarzt Nicht zu unterschätzen sind aktuelle Herausforderungen für professionelle Ret- Schutz & Rettung Zürich Weststrasse 4 · 8036 Zürich 5 Hausärztliche Notfälle Prof. Dr. med. Oliver Senn Die medizinische Notfallversorgung ist eine wichtige ärztliche Aufgabe und ein Kern- element der hausärztlichen Tätigkeit. Der traditionelle hausärztliche Notfallkontakt findet meistens in der eigenen Praxis oder zu Hause beim Patienten statt. Auch der telefonische Notfallkontakt kann in vielen Fällen bereits wirksam sein. Aus medizinischer Sicht geht es bei der Notfallkonsultation primär um den Ausschluss eines abwendbar gefährlichen Krankheitsverlaufs («rule-out»). Anamnese, klinische «skills» und die Priorisierung von Symptomen sind Kernkompetenzen für die Risikoeinschätzung. Je nach Art und Ort des Notfallkontaktes können Praxislabor oder weitere einfache diagnostische Tests eine wertvolle Unterstützung leisten. Untersuchungen im Notfalldienst der Stadt Zürich haben gezeigt, dass die Mehrheit der Patienten im traditionellen Notfalldienst, wie er noch heute von vielen Kolleginnen und Kollegen geleistet wird, ambulant und mit wenig Zusatz-Diagnostik versorgt werden konnten 1, 2. len Patienten, zunehmen wird. Bei dieser Patientenpopulation ist eine hausärztliche Notfallversorgung vor Ort meistens die medizinisch sinnvollste Lösung. Die Gesundheitspolitik tut gut daran, auch herkömmliche Formen des Notfalldienstes zu unterstützen und gemeinsam mit den verantwortlichen Ärztegesellschaften attraktiv zu gestalten. Literatur 1. Huber CA, Rosemann T, Zoller M, Eichler K, Senn O. Out-of-hours demand in primary care: frequency, mode of contact and reasons for encounter in Switzerland. J Eval Clin Pract. 2011;17(1):174-9. 2.Eichler K, Imhof D, Chmiel C, Zoller M, Senn O, Rosemann T, Huber CA. The provision of outof-hours care and associated costs in an urban Ansprüche und Erwartungen von Patienten wie auch von Ärzten haben sich in den letzten Jahren dramatisch gewandelt. Der Trend, dass Patienten primär das Spital aufsuchen ist seit vielen Jahren ungebrochen und führt zu einer inadäquaten Behandlungslast der Notfallstationen. Umgekehrt ist die Besetzung der Notfalldienste in der Stadt wie auf dem Land zunehmend schwieriger, da die Vereinbarkeit mit der eigenen Praxisführung zunehmend (finanziell) unattraktiv wird, sowie die Verfügbarkeit bei jeder Tages- und Nachtzeit für den hausärztlichen Nachwuchs eher eine Schreckensversion und weniger eine erstrebenswerte Perspektive darstellt. Die Reorganisation des ärztlichen Notfalldienstes ist daher für viele Ärztegesellschaften ein «Dauerbrenner». Die integrierte Notfallpraxis am Spital ist ein 6 neues Versorgungsmodell, das sich in der Schweiz zunehmend verbreitet. Das Stadtspital Waid in Zürich hat im Rahmen eines Pilotprojektes die Implementierung einer Notfallpraxis wissenschaftlich begleiten lassen. Es zeigte sich, dass die Selbstzuweiser durch die diensthabenden Hausärzte in der Notfallpraxis effizient ambulant versorgt werden und die Notfallstation dadurch signifikant von nicht-spitalbedürftigen Patienten entlastet werden konnte 3. Die Mehrheit der hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen war nach zwei Jahren Erfahrung in der Notfallpraxis sehr zufrieden und bevorzugte dieses Modell gegenüber dem traditionellen Notfalldienst 4. Auch wenn die Notfallpraxis für gewisse Aspekte und Patienten ein Erfolgsmodell ist, sollte man nicht vergessen, dass der Bedarf an notfallmässigen Konsultationen insbesondere bei älteren, wenig mobi- area of Switzerland: a cost description study. BMC Fam Pract. 2010;11:99. 3.Wang M, Wild S, Hilfiker G, Chmiel C, Sidler P, Eichler K, Rosemann T, Senn O. Hospital-integrated general practice: a promising way to manage walk-in patients in emergency departments. J Eval Clin Pract. 2014;20(1):20-6. 4.Hess S, Sidler P, Chmiel C, Bogli K, Senn O, Eichler K. Satisfaction of health professionals after implementation of a primary care hospital emergency centre in Switzerland: A prospective before-after study. Int Emerg Nurs. 2015;23(4):286-93. Autor Prof. Dr. med. Oliver Senn FMH Allgemeine Innere Medizin · Stv. Direktor Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich Universitätsspital Zürich Pestalozzistrasse 24 · 8091 Zürich Akuter Thoraxschmerz Dr. med. Martin Liesch Der Thoraxschmerz ist ein relativ häufiges Symptom in der allgemeinen Praxis und auf jeder Notfallstation. Die Verteilung der Ursachen unterscheidet sich dabei aber deutlich. In der allgemeinen Praxis liegen die muskuloskelettalen Ursachen mit 30 - 45 % an erster Stelle, gefolgt von kardialen Ursachen mit ca. 20 %, an dritter Stelle folgen bereits psychogene Ursachen mit doch immerhin ca. 10 - 15 %. Ein akutes Koronarsyndrom oder eine andere akut lebensbedrohliche Störung liegen in ca. 5 -10 % vor. Auf einer Notfallstation sind kardiale Ursachen mit 65 - 80 % an erster Stelle, eine akute vital bedrohliche Situation liegt in ca. 25 - 30 % vor. Diese unterschiedliche Verteilung bedingt, dass in der Praxis als erste und wichtigste Frage die Frage steht, ob es sich bei den Beschwerden um eine gefährliche oder ungefährliche Ursache der Thoraxschmerzen handelt. Es muss dabei insbesondere sichergestellt werden können, dass keine Krankheit oder Situation, welche einer unmittelbaren Therapie bedarf, verpasst wird. Die diagnostische Schwierigkeit wird durch den Umstand verschärft, dass in der Praxis die diagnostischen Möglichkeiten in der Akutsituation beschränkt sind. Der Marburger Herz Score wurde an der Universität Marburg entwickelt und in allgemeinen Praxen validiert. Er besteht aus 5 Fragen und kann in der Praxis die Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer kardialen Ursache von Thoraxschmerzen sinnvoll unterstützen: Point of Care-(POC)-Labortests dienen aufgrund ihrer Grenzwerte sowie der prädiktiven Aussagekraft in der Regel eher für einen Einschluss bzw. einen hohen Verdacht als für eine genügend hohe Sicherheit, dass eine klinisch vermutete Krankheit nicht vorliegt (Ausschluss). Dies gilt insbesondere für die einmalige Bestimmung. Im Spital arbeiten wir deshalb mit dem «high sensitive-Troponin T», welches aber auch nur mittels Verlaufsbestimmungen ein akutes koronares Syndrom (ACS) ausschliessen lässt. Eine Dynamik des Troponin-T-hs im tiefen Bereich hilft insbesondere bei der Risikoeinschätzung für das Vorliegen eines ACS. Das Ruhe-EKG bringt im Falle eines STEMI direkt die Dia- Marburger Herz Score – DEGAM Leitlinie Brustschmerz Kriterien Marburger Herz Score (jeweils 1 Punkt) ·Alter / Geschlecht (Männer ≥ 55 J. und Frauen ≥ 65 J.) ·bekannte vaskuläre Erkrankung ·Beschwerden belastungsabhängig ·Schmerzen sind durch Palpation nicht reproduzierbar ·Patient vermutet Herzkrankheit als Ursache Punkte Wahrscheinlichkeit KH 0 -1 < 1% 2 5 % gering 3 25 % mittel 4 - 5 65 % hoch sehr gering Brustschmerz AS 11 / 11 gnose, kann aber auch mit unspezifischeren Veränderungen hilfreiche Informationen geben und die Risikostratifizierung für eine kardiale Ursache seinerseits unterstützen. Das Röntgenbild ist ein wichtiger Bestandteil der Abklärung thorakaler Beschwerden, hat aber natürlich methodenbedingt ebenfalls seine Limiten und ist immer Untersucher-abhängig. Dazu kommt ein relativ hoher Anteil an psychogenen Ursachen, welche gegenüber somatischen abgegrenzt werden müssen, und die natürlich mit technischen Hilfsmitteln nicht abgeklärt werden. Die klinische Einschätzung und Beantwortung der Eingangsfrage, ob es sich um eine gefährliche, akut behandlungswürdige Krankheit handelt, beruht deshalb immer auf der Integration von Anamnese, körperlicher Untersuchung sowie einiger wichtiger technischer, diagnostischer Hilfsmittel. Der Stellenwert der klinischen Erfahrung ist dabei von unschätzbarem Wert. Autor Dr. med. Martin Liesch Chefarzt Innere Medizin und Notfall Liechtensteinisches Landesspital Heiligkreuz 25 · 9490 Vaduz 7 Neurologische Notfälle Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger Patienten präsentieren sich selten mit der Diagnose (Meningitis, Schlagan- fall, Subarachnoidalblutung, Sinusvenenthrombose, etc.) auf der Notfallstation. Es gilt somit zuerst die Devise: vom Symptom ausgehend zur Diagnose zu kommen. Die häufigsten neurologischen Symptome bei Notfallsituationen sind Bewusstseinsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel und Lähmungen. Bei der klinischen Untersuchung sucht man internistische Grundkrankheiten und neurologische (evtl. diskrete) Befunde (z. B. Aufmerksamkeitsdefizit, Sprachstörung, Stauungspapille, Meningismus, Babinski, etc.) Labor und Bildgebung werden gezielt mit Fragestellung eingesetzt (also z. B. die D-Dimere bei einer jungen adipösen Frau, die raucht und die Pille nimmt, mit mehrtägigen Kopfschmerzen bei Verdacht auf Hirnsinusthrombose). Kopfschmerzen (KS) auf der Notfallstation richtig zu interpretieren ist eine Herausforderung; nicht immer liegt effektiv eine Notfallsituation (für den Arzt) vor (eventuell aber schon für den Patienten). So geht z. B. die subjektiv empfundene Kopfschmerz-Intensität keineswegs parallel zum Gefährlichkeitsgrad. Immer noch sind die gezielte KS-Anamnese, das Erfassen der Situation sowie die klinische Untersuchung die besten Werkzeuge, um den «banalen» vom «gefährlichen» Kopfschmerz zu unterscheiden. Migräne ist nicht gleichbedeutend mit MRI-negativem Kopfschmerz. Lebensgefährliche Kopfschmerz-Situationen wie Meningitis oder Encephalitis sind im MRI nicht erkennbar. Die Bildgebung kann sogar falsche Sicherheit erzeugen. Voraussetzung für eine hilfreiche Bildgebung sind: 1richtig eingesetzt (betr. Region, Zeitpunkt, Methode) 2klar formulierte Fragestellung (Hypothese) (CAVE Inzidentalome) 3gute Bildqualität 4professionelle Bildinterpretation 8 Anamnese Bei der Anamnese gilt es folgende KS-Dimensionen zu erfassen: ·Zeitliche Aspeke: seit wann; wie oft; wie lange; wie rasch (Auf-, Abbau); Nachtschmerz? ·Ort: Wo? (fokal /diffus); konstant, wechselnd ·Art: neuartig <> bekannt; pulsierend, einschiessend; Intensität ·Begleit-Erscheinungen: subjektiv (Nausea, Lichtscheu,…); objektiv (Horner, gerötetes Auge,…), Sprachstörung ·Beeinflussende Faktoren: auslösend: Wetter, Haltung, Medikament, Trauma, Anstrengung; lindernd (Ruhe,…) ·System-Anamnese: Infektzeichen (Fieber, etc.); Tumorzeichen (Gewicht, Lymphknoten) ·Persönliche Anamnese: Traumata (SHT); HNO; Ophthalmologisch; Medikamente (oAK, Nitrate, Immunsuppressiva); Toxine; Drogen; psychosozial (Konflikte); Familienanamnese Alarmzeichen Erstmalige, bislang unbekannte Kopfschmerzen; Dauerkopfschmerz (über 4 Tage); schlagartiger Beginn; zunehmende Kopfschmerz-Intensität oder zunehmende Häufung von Kopfschmerz-Episoden. Alarmierende Begleitsymptome Erbrechen; Persönlichkeitsveränderungen; epileptische Anfälle; Fieber; Gewichtsverlust; Verschlechterung des AZ; Seh-, Sprach-, Gleichgewichtsstörungen; Lähmungen, Sensibilitätsstörungen. Alarmierende Untersuchungsbefunde Psychoorganisches Syndrom; neuropsychologische Defizite; Meningismus, Stauungspapillen; Okulomotorikstörungen; Koordinationsstörungen; Paresen; Fieber; Anämie; erhöhtes CRP. Autor Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger Emeritierter Chefarzt Universitätsklinik für Neurologie · Inselspital Freiburgstrasse · 3010 Bern Neues Schulungslabor in Vaduz Mirjam Rohner Um den Themen Praktikum, Aus- und Weiterbildung mehr Raum und Möglichkeiten zu geben, unterhält das labormedizinische zentrum Dr Risch jetzt ein eigens dafür eingerichtetes Schulungslabor. Mit der vollständigen Inbetriebnahme und dem Abschluss der letzten Ausbauarbeiten des neuen Standortes in Vaduz, wurde das Schullabor Ende Mai in Betrieb genommen. Das Familienunternehmen bietet jedes Jahr mehrere Ausbildungsplätze für angehende Biomedizinische Analytiker / innen HF in den Fachbereichen Klinische Chemie und Hämatologie (polyvalent), Mikrobiologie, Spezialchemie und Immunologie an. Zudem können interessierte Schüler / innen der Unter- und Oberstufe die Arbeit in einem medizinischen Labor kennenlernen. Dafür organisieren wir Einblickstage und nehmen an den jährlich stattfindenden FITNA-Tagen (Förderung der Interessen für Technik und Naturwissenschaften) und am Nationalen Zukunftstag (Seitenwechsel für Mädchen und Jungs) teil. Externe MPALehrlinge können sich im Schullabor auf die praktische QV-Prüfung (Qualitätsverfahren) perfekt vorbereiten. Unternehmensintern ergeben sich zugleich optimale Bedingungen, um die regelmäs­ sigen Weiterbildungen und Workshops interaktiver und praktischer zu gestalten. Anne & Mirjam im neuen Schulungslabor in Vaduz Neben dem pädagogischen Aspekt dient das Schulungslabor intern als Testlabor für Netzwerkanbindung und Verwaltung von POCT (Point-of-Care-Testing). POCTGeräte sind kompakte Analysegeräte, welche einen immer wichtiger werdenden Teil der patientennahen Diagnostik darstellen. Die dezentrale Natur von POCT erfordert eine passende Testumgebung, um die sich stellenden Herausforderungen bei der Vernetzung der Analysegeräte gewissenhaft meistern zu können. «Wir freuen uns auf die neuen Möglichkeiten und sind dankbar, dass wir unseren Mitarbeitern eine gute Infrastruktur für Ihre Weiterbildung anbieten können». Martin Risch, Geschäftsführer Autorin Mirjam Rohner · Ausbildungsverantwortliche labormedizinisches zentrum Dr Risch Buchs · Vaduz · [email protected] 9 Cholesterin und Herz Dr. phil. II Peter Hagemann Cholesterin war 1816 durch Eugène Chevreul in menschlicher Galle nachgewiesen worden. Der Begriff «Arteriosklerose» wurde 1833 durch den Pathologen Johann Friedrich Lobstein für Verengungen und Verhärtung von Blutgefässen geprägt. Adolf Windaus, ein damals führender Naturstoffchemiker und späterer Nobelpreisträger, führte 1910 die beiden Begriffe zusammen, als er in Plaques aus menschlichen Aorten 25 Mal mehr Cholesterin fand als in gesunden Aorten. Damit begann das gemeinsame Jahrhundert von Cholesterin und Herz. 1938 beschrieb der norwegische Arzt Carl Müller Familien, in denen hohe Cholesterinkonzentrationen im Blut autosomal dominant vererbt werden. Die Krankheit wurde familiäre Hypercholesterinämie genannt. Sie führt bei den Betroffenen zu einer 20-fachen Erhöhung der Zahl der Herzattacken im mittleren Alter. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Biosynthese von Cholesterin, ausgehend vom Baustein Acetyl-Coenzym A entschlüsselt. Konrad Bloch und Feodor Lynen erhielten dafür 1964 den Nobelpreis. Cholesterin hat eine überragende Bedeutung für den Organismus als Bestandteil der Zellmembran, als Speicherlipid und als Basis für die Synthese weiterer wichtiger Stoffe, namentlich Steroiden, Vitamin D und Gallensäuren. Quantitativ wird der grösste Teil durch den Organismus selbst hergestellt (ca. 1,5 g /d), aus der Nahrung stammen ca. 0,3 g /d. Ebenfalls in den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts startete der US Ernährungswissenschaftler Ancel Keys die so genannt 7-Länder-Studie zum Zusammenhang zwischen Ernährung und Herzattacken. Er fand namentlich, dass die Konzentra­ tion von Cholesterin im Serum proportional zur Aufnahme von gesättigten Fettsäuren war. Extreme Kohorten waren auf der einen Seite Japaner mit 165 mg /dl Cholesterinkonzentration, auf der anderen Finnen mit 270 mg /dl. Diese Finnen hatten eine 13-fach höhere Inzidenz für einen koronaren Zwischenfall als die Japaner. Cholesterin liegt im Plasma nicht lose vor, sondern wegen seiner totalen Wasserunlöslichkeit in verschiedener Form assoziiert mit Proteinen. John Gofman begann ab 1955 diese Lipoproteine mittels der neu entwickelten Ultrazentrifuge in Dichtegradenten zu trennen (von da her noch immer 10 die Bezeichnungen, z. B. LDL = low density lipoprotein). HDL und insbesondere LDL traten in den Vordergrund, das «gute» und das «böse» Cholesterin (Abb. 1). 30 Jahre nach dem Appell des damaligen USPräsidenten Ronald Reagan an seine Mitbürgerinnen und Mitbürger: «Know your number», gemeint war die Cholesterinkonzentration (Proclamation 5625, 1987), spielt Cholesterin selbst als Messgrösse keine zentrale Rolle mehr; hingegen ist der Begriff weiterhin unentbehrlich als Schlüsselwort zwischen Fachleuten und Laien in Fragen von Krankheit und Gesundheit, Lebensweise und Ernährung sowie natürlich in der Werbung. Die Bestimmung von Cholesterin erfolgte bis in die 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts vorwiegend nach der Methode von Liebermann und Burchard mittels conc. Schwefelsäure. Carl Liebermann hatte das Prinzip 1885 gefunden, Hans Burchard 1889 daraus eine praxisgerechte Labormethode entwickelt. Eine erste vollenzymatische Methode wurde 1974 publiziert. Stoffwechsel, Gene, Risiko Ab den 70-er Jahren analysierten Goldstein und Brown den Stoffwechsel der Lipoproteine. Untersuchungsmaterial waren namentlich Zellkulturen von Fibroblasten aus Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie. Die Forscher fanden den LDLRezeptor und entschlüsselten die Stoffwechselwege von LDL (Nobelpreis 1985). Ausserdem verfassten die beiden Forscher eine Chronik der Ereignisse 1, viel ausführlicher als der vorliegende Text und klinischer orientiert. Mit der Identifizierung der schädlichen Rolle von LDL war auch die Abb. 1: LDL-Cholesterin Apoprotein B-100 Cholesteryl ester Phospholid Unesterified cholesterol Richtung der Entwicklung von Arzneimitteln vorgezeichnet: Vor allen Dingen Senkung von LDL. 1976 isolierte Akira Endo einen Wirkstoff aus dem Schimmelpilz Penicillium citrinum. Dieser Wirkstoff hemmt die Cholesterin-Biosynthese. Dadurch entsteht ein relativer Mangel an selbst hergestelltem Cholesterin in den Zellen, auf den sie durch Produktion von LDL-Rezeptoren reagieren. Diese binden LDL aus dem Blut und führen es dem Abbau zu. 1987 wurde Lovastatin als erstes Arzneimittel zugelassen. 1994 konnte mit dem ersten Vertreter der zweiten Generation der Statine, Simvastatin, gezeigt werden, dass nicht nur Herzattacken reduziert werden, sondern auch die Lebensdauer der Patienten verlängert wird. Analytisch hatte lange die Lipidelektrophorese zur Trennung der Lipidfraktionen dominiert, weil die Ultrazentrifuge dem Speziallabor vorbehalten ist. Noch leichter zugänglich ist die Berechnung von LDL mit der Friedewald-Formel (WT Friedewald, 1972). Die Formel ist allerdings nur korrekt angewendet bei Triglyzeridkonzentrationen < 4,5 mmol / l (nach neueren Angaben < 2,0 mmol / l) und Proben ohne Chylomikronen – zwei Randbedingungen, die nicht immer eingehalten werden, wodurch mit falschen Resultaten gerechnet werden muss. Deshalb ist es analytisch ein grosser Fortschritt, dass seit kurzem eine direkte enzymatische Methode zur LDLBestimmung verfügbar ist. Klinisch steht in den letzten Jahren nicht mehr der Blick auf eine einzelne Mess­ grösse im Vordergrund, sondern ein Risikokonzept: Das Risiko, binnen 10 Jahren ein tödliches oder nicht-tödliches Koronarereignis zu erleiden. Hier zu Lande stellt die Arbeitsgruppe Lipide und Atherosklerose (AGLA) einen entsprechenden Rechner zur Verfügung (www.agla.ch). Er berücksichtigt unveränderliche Daten, nämlich Alter, Geschlecht (♂ ungünstig), familiäre Belastung. Dazu die Konzentrationen der Lipide LDL, HDL, Triglyzeride. Ausserdem weitere Variable (systolischer Blutdruck, Rauchen, Diabetes). Bei der eingangs erwähnten familiären Hypercholesterinämie konnten in den letzten Jahren Ursachen und Mechanismus aufgeklärt werden: Der Defekt ist in ca. 90 % der Fälle eine Mutation am LDL-Rezeptor. Die Prävalenz beträgt 1:500 bis 1:300, es handelt sich also um eine der häufigsten Erbkrankheiten. Die Diagnose ist zuverlässig möglich, wird aber nach einer deutschen Schätzung mit dem üblichen selektiven Screening nur in ca. 15 % der Fälle gestellt 2. Die Krankheit ist behandelbar. Praktisch alles Cholesterin in der Zelle ist in den Membranen fixiert. Nach dem Nobelpreis befassten sich Goldstein und Brown mit den Fragen, wie denn die Zelle weiss, wie viel Cholesterin in den Membranen vorhanden ist, wie diese Information zum Zellkern gelangt, und wie dort die Gen-Transkription gesteuert wird 1. Nach ersten Ergebnissen 1993 gelang den beiden Forschern in den Folgejahren die Entschlüsselung des SREBP-Stoffwechselwegs (Sterol Regulatory Element-Binding Protein). Diese Grundlagenforschungen haben später massgeblich zu einem besseren Verständnis von Ernährung, Arzneimitteln und Genen im Zusammenhang mit LDL und koronaren Erkrankungen beigetragen. Die Wirksamkeit der skizzierten Forschungsresultate in Bezug auf die menschliche Gesundheit ist eindrücklich: 1980 waren Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems für 48.3 % der Todesfälle in der Schweiz verantwortlich, 2014 noch für 32.8 % (Daten aus der Interpharma-Broschüre 2017). Eine Reduktion um nahezu einen Drittel im Verlauf einer einzigen Generation – und dies in einer alternden Bevölkerung. Trotzdem stehen sie noch immer an erster Stelle. Wie wird sich ihr Anteil weiter verändern, z. B. durch eine prophylaktische Gabe von Statinen für bestimmte Kohorten, und vor dem Hintergrund der Zunahme der Demenzkrankheiten? Literatur 1 Cell 2015; 161: 161-172 2 Deutsches Ärzteblatt 2014; 111: 31-32 Autor Dr. phil. Peter Hagemann Zürich 11 ST2 – Der kardiale Biomarker für Prognose und Therapie-Kontrolle bei Herzinsuffizienz Daniel Rothenbühler · Robert Stuber Akute oder chronische Herzinsuffizienz fordert eine anspruchsvolle Behandlung. Der Einsatz der richtigen Biomarker zur Diagnose, Prognose und Therapie-Steuerung hilft bei der Verbesserung des Patienten-Managements und Kosteneffizienz. In der heutigen klinischen Praxis stellen sich bei der Behandlung von Herzinsuffizienz häufig die Fragen nach einer sicheren Diagnose und Risiko-Prognose, sowie nach der Therapieart und optimaler Medikation. Gemessene Konzentrationen von Biomarkern bei Patienten mit Herzinsuffizienz sind bei der Beantwortung dieser Fragen hilfreich. Ein geeigneter Biomarker weist auf pathophysiologische Abnormalitäten hin, oft mit prognostischem Wert. BNP und NT-pro BNP Die häufigsten Biomarker, die bei Herzinsuffizienz eingesetzt werden, sind BNP und NT-pro BNP. Es handelt sich dabei um die beiden Formen der B-Typ natriuretischen Peptidhormone, die durch Dehnung der Herzkammer oder neurohumoraler Stimulation von den Herzmuskelzellen synthetisiert und ausgeschieden werden. Konzentrationen von < 35 pg / mL BNP oder < 125 pg / mL NT-proBNP stufen eine non-akute Herzinsuffizienz und Werte von < 100 pg / mL BNP oder von < 300 pg / mL NT-proBNP stufen eine akute Herzinsuffizienz als unwahrscheinlich ein. Es ist zu berücksichtigen, dass die BNP- und NTproBNP-Werte durch andere kardiovaskuläre und physiologische Faktoren wie Alter, BMI, Nierenfunktion etc. beeinflusst werden können. ST2: ein zuverlässiger Fibrosemarker für Prognose und Therapiesteuerung bei Herzinsuffizienz ST2 gehört zur Interleukin-1 (IL-1) Rezeptor-Familie und beinhaltet eine membrangebundene Rezeptorform (ST2L) sowie eine lösliche Variante (soluble toll-like receptor-2, sST2). ST2 spielt eine wesentliche Rolle in immunologischen Prozessen und ist direkt in kardiale Signalwege involviert. Als Antwort auf Verletzung oder mechanischen Stress wird IL-33 in Fibroblasten gebildet und an ST2L gebunden, wodurch eine kardioprotektive Signalkaskade startet, welche Fibrose und Versteifung des Herzmuskels (kardiales Remodeling) und somit Herzinsuffizienz entgegenwirkt. sST2 bindet ebenfalls an IL-33 und unterbindet somit den kardioprotektiven Prozess. Erhöhte sST2-Level reduzieren also den schützenden Effekt von IL-33. Wie umfangreiche internationale Publikationen und Studien zeigen, schliesst ST2 die Lücke, da es als Fibrosemarker sehr gut und zeitnah mit dem aktiven Remodeling-Prozess korreliert. Während die natriuretischen Peptide BNP und NT-proBNP ideal für die Diagnose der Herzinsuffizienz geeignet sind, bildet ST2 die optimale Ergänzung für Risikoprognose, Therapiesteuerung und Patienten-Management. Gemessene ST2-Werte: > Cut-off → steigendes Risiko → intensiveres Therapie Management < Cut-off → niedriges Risiko → Standardtherapie ST2: Vorteile im Überblick ·Veränderung der ST2-Werte innerhalb weniger Stunden im Gegensatz zu anderen kardialen Biomarkern ·Daher zeitnahe Einleitung von optimalen Therapiemassnahmen bzw. deren Kontrolle ·Fibrosemarker, kein Hormon oder Nekrosemarker ·Kein systemischer Entzündungsmarker, kein Dehnungs-Marker ·Keine Beeinflussung der ST2-Werte durch Ko-Morbiditäten wie BMI oder Niereninsuffizienz ·Geringste biologische Variabilität aller kardialen Biomarker (siehe Tabelle unten) · Seit 2013 in den ACC-AHA Richtlinien für das Herzinsuffizienz-Management gelistet Biovariabilität BNP und NT-proBNP haben sich als Biomarker für die initiale Diagnose der Herzinsuffizienz bewährt und werden auch für die initiale Diagnose in den Richtlinien der European Society of Cardiology (ESC) empfohlen. Bei der Prognose und Therapiesteuerung, resp. dem Patienten-Management, stossen sie allerdings an ihre Grenzen. Marker CV über 2 Monate *1 RCV über 2 Monate *1 Einfluss der Nierenfunktion auf Messwert *2 Einfluss von Dialyse auf «median relative analyte change» *3 BNP 50 % 138 % NA*4 NA*4 NT-proBNP 33 % 92 % Gross +19 % vs -43 % ST2 11 % 30 % Sehr klein +2 % vs 3 % * Wu et al. AM Heart J 2013 * T Müller 2015 Cli Biochemistry *2 Bayes-Genis 2013 JoCF *4 NA = Wurde nicht gemessen 1 12 ST2 (sST2): Cut-off: 35 ng / ml 3 Fazit ST2 & NT-proBNP im Vergleich ST2 & NT-proBNP erhöht Cumulative Hazard 0.8 0.6 P > 0.001 0.4 Nur ST2 erhöht Nur NT-proBNP erhöht Nicht erhöht 0.2 0.0 0 3 300 600 900 1200 NT-proBNP und ST2 messen zwei voneinander unabhängige Risiken. Sind sowohl ST2 als auch NT-proBNP erhöht, steigt das Risiko deutlich über die Summe der einzelnen Risiken. Eine fehlende ST2-Messung kann zu einer Fehleinschätzung des Risikos führen. Tage Quelle: Antoni Bayes-Genis et al. European Journal of Heart Failure (2012) Die Studie von Bayes-Genis ergab, dass ST2 und NT-proBNP sich in der RisikoPrognose gegenseitig ergänzen. NT-proBNP und ST2 messen zwei voneinander unabhängige Risiken. Sind sowohl ST2 als auch NT-proBNP erhöht, steigt das Risiko deutlich über die Summe der einzelnen Risiken. Eine fehlende ST2-Messung kann zu einer Fehleinschätzung des Risikos führen. Klinischer Nutzen von ST2 in der Praxis Risikoabschätzung: Dokumentierte Erfahrungen zeigen, dass die ST2-Level einen tieferen Einblick über den Status der Herzinsuffizienz erlauben, die über die Level der natriuretischen Peptide und physische Untersuchungen hinausgehen 1. Bei akuter und chronischer Herzinsuffizienz, sowie nach Herzinfarkt, sind erhöhte ST2-Level assoziiert mit verstärkten Symptomen und einem steigenden Risiko für Hospitalisierung und Mortalität. Die ST2Level bringen wichtige, ergänzende und zusätzliche Informationen zu BNP oder NT-proBNP-Messungen 2. ST2 ist konstant prediktiv bei Herzinsuffizienz mit gleicher oder verringerter Ejektionsfraktion 2. In der normalen Bevölkerung sind ST2Level assoziiert mit einem erhöhten Risiko einer Herzinsuffizienzentwicklung, kardiovaskulärer Störungen oder dem Tod 2. Therapiefestlegung und Therapiekontrolle: Dank sehr geringer intra-individueller Variabilität und der relativ raschen Veränderung der ST2-Werte ist ST2 ein aussagekräftiger Marker für serielle Testung zur optimalen Therapie-Festlegung und -Überwachung 1. ST2 – Test Der ST2-Test ist in 2 Formaten erhältlich: ASPECT-PLUS™ ST2 POCT: Quantitativer Streifenschnelltest zur Einzelbestimmung von sST2 in Serum und EDTA-Plasma und Presage ® ST2 ELISA: Quantitativer Enzymimmunoassay in 96-Well-Mikrotiterplatte zur Bestimmung von Nachweis von sST2 in Serum und EDTA-Plasma. Literatur 1 Alan S. Maisel and Salvatore Di Somma: Do we need another heart failure biomarker: focus on soluble suppression of tumorigenicity 2 (sST2); European Heart Journal (2016) 0, 1–9 doi:10.1093/eurheartj/ehw462 2Lori B Daniels & Antoni Bayes-Genis: Using ST2 in cardiovascular patients: a review (Future Cardiol. (2014) 10(4)) 3Antoni Bayes-Genis et al. European Journal of Heart Failure (2012) 14, 32–38 doi:10.1093/eurjhf/hfr156 ST2 – der kardiale Biomarker Der Test ist im LMZ Dr Risch in Evaluation. Nähere Informationen und Details zur Einführung folgen zu gegebener Zeit. Autoren Robert Stuber · Daniel Rothenbühler Ruwag Handels AG Bielstrasse 52 · 2540 Bettlach www.ruwag.ch 13 Laborumzug von Schaan nach Buchs SG und Vaduz Manuela Schöb Vor 47 Jahren gründete Dr. sc. nat. Gert Risch das labormedizinische zentrum Dr Risch in Schaan.­Seit 1970 bedienten wir Ärzte, Spitäler und deren Patientinnen und Patienten aus Liechtenstein und der Ostschweiz vom Standort Schaan aus. Gemäss unserem Leitsatz «Für Sie. In Ihrer Region.» erweiterten wir in den letzten Jahren unser Angebot in der gesamten Schweiz. Insgesamt 16 Laboratorien und Ambulatorien zählen heute zur Risch-Gruppe. Wir freuen uns sehr, dass wir unsere Präsenz auch in der Ostschweiz weiter ausgebaut haben und seit Ende April 2017 das neue Laborkompetenz-Zentrum in Buchs in Betrieb nehmen konnten. Zum selben Zeitpunkt wurden die Türen in den bisherigen Laborräumlichkeiten in Schaan geschlossen. Gleichzeitig ist ein weiterer Teil der Laborinfrastruktur in unsere neuen und modernen liechtensteinischen Büro- und Laborräumlichkeiten in Vaduz eingezogen. Am 23.09.2017 werden die neuen Standorte in Vaduz und in Buchs feierlich eröffnet und stehen der Bevölkerung zur Besichtigung offen. Laborneubau in Buchs SG (oben) und Vaduz FL (unten) Anbei ein paar Eindrücke und Stimmen aus den beiden Laboratorien in Buchs und Vaduz. Autorin Manuela Schöb Marketing Backoffice labormedizinisches zentrum Dr Risch Buchs · Vaduz [email protected] «Täglich gerne zur Arbeit gehen – mit dem neuen, grosszügig gestalteten Büro macht es noch mehr Freude! Der sonnige Aussensitzplatz mitten im Grünen garantiert eine erholsame Mittagspause und ab und zu sogar frisch Gegrilltes!» Isolde Gögele-Amann Leiterin Marketing Ost und Projektmanagement 14 «Das neue rote Gebäude gefällt mir architektonisch sehr gut und es ist landschaftlich sehr schön gelegen. Alles ist sehr grosszügig gestaltet und hell; dies unter anderem durch die neuen Sonnenstoren, welche lichtdurchlässig sind und nicht abdunkeln. Auch der Aufenthaltsraum mit Terrasse ist toll». «Bin restlos glücklich in den neuen Räumlichkeiten und fühle mich ausgesprochen wohl. Ein wunderschönes Labor mit viel Licht und Platz». Christina Green Sekretariat in Buchs Charlotte Heule Sekretariat in Buchs «Der neue Arbeitsplatz erfüllt mich mit Freude und Stolz. Er schafft ideale Rahmenbedingungen für Interaktion, Inspiration und Innovation». Philipp Würtinger Abteilungsleiter Hämatologie «Modernste Industrie-Architektur die sich in der Laborwelt sehen lassen kann». Thomas Lung Abteilungsleiter Immunologie «Ich habe grosse Freude an den neuen hellen Blutentnahmeräumen; es ist schön, dass wir so viel Platz haben». Marina Ciola Interne Logistik in Vaduz 15 Mit frischem Erscheinungsbild und noch mehr nützlichen Inhalten präsentiert sich www.risch.ch neu Birgit Wessling Das Projekt «neue Homepage» begleitete uns über die letzten Monate. Im Fokus der Projektgruppe­ standen ein ansprechendes, funktionales Design mit besonderem Augenmerk auf Benutzerfreundlichkeit und eine verbesserte Navigation. Gewohnte und neue Inhalte sind damit auch mobil griffbereit, denn unsere neue Webseite passt sich auf das jeweilige Endgerät an. So ist eine gleichbleibende Benutzerfreundlichkeit und Zugriff auf Inhalte in drei Sprachen sowohl auf Computern, Tablets und auch Smartphones gewährleistet. Doch nicht nur im Hinblick auf das Design hat sich etwas geändert. Die neue Seite auf www.risch.ch stellt dem User noch mehr nützliche Inhalte zur Verfügung, um Sie in Ihrem Arbeitsalltag optimal zu unterstützen und Ihnen Informationen schnell und übersichtlich zur Verfügung zu stellen. Von medizinischer Hilfestellung und Expertise in Prä- bis Spezialanalytik und unserem Analysenverzeichnis Ribook bis zu organisatorischen Informationen, wie unserem Kurierdienst, der Serothek, dem neuen Riportal und einem Praxishandbuch für das Praxisteam, finden Sie alles auf www.risch.ch Weitere Neuerungen beinhalten · Optimierte Suchfunktion und Aufteilung der Suchergebnisse nach Art des Inhalts ·Übersicht der Ansprechpartner nach medizinischem Spezialgebiet, Stand­ort oder Funktion ·Standortspezifisches Event– und Stellenangebot ·Zentrale und wichtige Links sind immer verfügbar Wir wünschen Ihnen viel Freude und rasches Auffinden aller Informationen auf www.risch.ch ! Unser Analysenverzeichnis Ribook Ansprechpartner Übersicht mit Filterfunktion Autorin Birgit Wessling Marketing Backoffice labormedizinisches zentrum Dr Risch Buchs · Vaduz [email protected] 16