Ri port - Labormedizinisches Zentrum Dr. Risch

Werbung
Riport
85
Sommer 2017
Mitteilungen zur aktuellen Labordiagnostik
4
Nephrologische Notfälle
6
Hausärztliche Notfälle
5
7
Präklinische Notfallmedizin – der Verkehrsunfall
Akuter Thoraxschmerz
8
Neurologische Notfälle
9 Neues Schulungslabor in Vaduz 10 Cholesterin und Herz 12 ST2 – Der kardiale
Biomarker für Prognose und Therapie-Kontrolle bei Herzinsuffizienz 14 Laborumzug von Schaan nach Buchs SG und Vaduz 16 www.risch.ch präsentiert sich neu
Hämatologie · Klinische Chemie · Klinische Immunologie · Medizinische Mikrobiologie · Medizinische Genetik
Impressum
Verantwortlich für den Inhalt dieser Ausgabe:
Dr. sc. nat. Gert Risch
Prof. Dr. med. Lorenz Risch, MPH
Dr. med. Martin Risch
Dr. rer. nat. Sabine Berchtold
PD Dr. med. Thomas Bodmer
Dr. Alain Bregnard
Dr. pharm. Susanna Bigler
Dr. med. Walter Fierz, MHIM
Dr. sc. nat. ETH Giuditta Filippini Cattaneo
Dr. med. Paul Friderich
Prof. Dr. med. Guido Funke
Dr. phil. II Peter Hagemann
Dr. sc. nat. Katrin Höland
Farm. / chim. Paola Jelmini
Dr. med. Christian Lee
Dr. phil. nat. Katja Ludin
Dr. rer. nat. Thomas Lung
Dr. med. Pedro Medina Escobar
Dr. rer. nat. Martine Michel Blanco
Prof. em. Dr. med. Urs Nydegger
Dr. phil. II Michael Ritzler
PD Dr. rer. nat. Christoph Seger
Dr. med. Philipp Würtinger
Dr. sc. nat. ETH Monika Wydler
Dr. phil. II Manfred Zerlauth
Layout / Gestaltung
IDconnect design solutions · www.id-connect.com
labormedizinisches zentrum Dr Risch · Marketing · Vaduz
Aarau · Bern · Biel · Brugg · Brunnen · Buchs · Delémont · Liebefeld
Lugano · Pregassona · Schaffhausen * · Solothurn · St. Gallen · Vaduz * · Zürich-Nord
Swiss Climate
ISO 9001:2008
zertifiziert durch SQS *
ISO 17025:2005
akkreditiert durch SAS *
Klimaneutral
gedruckt
SC2017062701 • www.swissclimate.ch
2
Faxen: ja oder nein?
Eine Technologie ohne Zukunft!
Gemeint ist die elektronische Dokumenten-Übertragung über das Telefonnetz und nicht irgendwelche
Kinderschul-Flausen. Jahrzehntelang hat man sich an diesen bequemen Übertragungsmodus gewöhnt. Besonders geschätzt wurde die Möglichkeit, von Arztberichten und Laborbefunden eine HardCopy in den Händen zu halten und eventuell mit Notizen ergänzen zu können. So lange die «Faxe»
noch nicht abgelegt waren, dienten sie als Hinweis, noch etwas unternehmen zu müssen. Faxe konnten auch leicht kopiert und weitergegeben werden. Sich von dieser bewährten Kommunikations-Technologie trennen zu müssen, ist schon «harte Post».
Nun teilt uns die Swisscom mit, dass die Fax-Übertragungen zwar noch weiterhin funktionieren, jedoch ab Ende Jahr nicht mehr in der gewohnten Qualität verfügbar sind. Die Netzbetreiber übernehmen keine Garantie mehr, verweisen auf das Übertragungsrisiko und empfehlen, digitale Ersatzlösungen einzusetzen.
Was bei dieser Situation nicht empfohlen werden kann, ist abzuwarten, bis diese Übertragungs-Technologie ganz abgeschaltet wird. Wir haben eine Palette an zuverlässigen und effizienten Ersatzlösungen vorbereitet und empfehlen Ihnen, auf eine moderne Dokumenten-Übertragungs-Technologie umzusteigen. Jede, der von uns angebotenen Zustellmöglichkeiten für die Laborbefunde muss auf Ihre
Praxis-Bedürfnisse abgestimmt werden. Vorgängig muss mit Ihrer Praxis abgeklärt werden, welches
der Programme, z. B. «LabResult», «LabApp», sichere E-Mail oder eine HL7-Übermittlung, Ihnen Ihren
Alltag am besten erleichtern würde. Der Fax-Technologie müssen Sie nicht unbedingt nachtrauern.
Die neuen Übertragungs-Programme haben viele Vorteile. Lassen Sie sich davon überzeugen. Unsere
Kundenbetreuer / Innen werden Sie gerne und unverbindlich beraten. Aber bitte warten Sie nicht zu
lange mit einer Terminvereinbarung.
Welche praxisrelevanten Beiträge finden Sie in dieser Ausgabe? Es sind vorwiegend Kurzfassungen
der Vorträge vom XXIII. Diagnostik Symposium, vom 9. März 2017 in Schaan, zum Thema «Notfälle».
So wird beim vermuteten nephrologischen Notfall auf die Wichtigkeit der Urin- und Serum-Analytik
hingewiesen, die in den Praxen selbst durchgeführt werden kann. Prof. Oliver Senn weist in seinem
Beitrag «Hausärztliche Notfälle» darauf hin, dass deren Organisation ein «reorganisatorischer Dauerbrenner» sei. Martin Liesch macht die ursächlichen Häufigkeiten beim «Akuten Thoraxschmerz» zu
seinem Thema. Prof. Mathias Sturzenegger meint, dass «Kopfschmerzen auf der Notfallstation richtig
zu interpretieren eine Herausforderung ist». In seinem Artikel empfiehlt er, wie diagnostisch vorzugehen sei.
Zwei Artikel befassen sich mit der Labor-Analytik. So hat sich Peter Hagemann in einem ÜberblicksArtikel mit der 200-jährigen Cholesterin-Bestimmung und deren volksgesundheitlicher Bedeutung befasst. Auch die diagnostische Weiterentwicklung der Lipid-Analytik in diesem langen Zeitraum dürfte
Ihr Interesse finden. Es liest sich sehr leicht. Ein weiterer Beitrag erläutert die bessere Risiko-Abschätzung einer Herzinsuffizienz mit einer Kombination der Bestimmungen von «BNP bzw. NT-pro BNP» mit
dem neuen Test «ST2».
Auf www.risch.ch sehen Sie unseren neuen Internet-Auftritt, der übersichtlicher gestaltet ist und Sie
direkter durch das Info-Angebot führt. Das Neuste zu unserem Umzug von Schaan nach Vaduz bzw.
nach Buchs erfahren Sie direkt von unseren Mitarbeiter / Innen. Sie äussern sich über ihre neuen Arbeitsplätze an beiden Standorten. Als weitere Neuheit verweisen wir auf ein modernstes Schulungslabor für MPAs und Schüler. Es ist betriebsbereit und vollständig eingerichtet.
Die vorliegende Ausgabe des «Riport 85» erscheint in Sichtweite des grossen Ferienbeginns. Mit dem
besten Dank für die sehr angenehme Zusammenarbeit wünsche ich allen einen ganz erholsamen
Sommer.
Freundliche Grüsse
Dr. sc. nat. Gert Risch
3
Nephrologische Notfälle
Dr. med. Reto Venzin
Nierenleiden «schmerzen» nicht, so dass sich Patienten mit akuter Nierenschädigung mit
Allgemeinsymptomen (Unwohlsein, Fieber, Hypertonie) oder bei Systemerkrankungen mit Beschwerden der
gleichzeitig betroffenen Organe beim Arzt melden. Die Niere ist ausschliesslich sympathisch innerviert. Renale
Schmerzfasern gibt es nur im Cortex und im Urothel, was erklärt, dass lediglich die Urolithiasis, die Pyelonephritis
und selten akute Nierenerkrankungen mit Kapselspannung schmerzhaft sind. Klassische Nierenerkrankungen
(Diabetes, Hypertonie, Glomerulonephritiden) sind «systemisch» und betreffen somit immer beide Nieren.
Abb. 1: Meiose der Eizelle von Patientinnen verschiedenen Alters
Die Unterscheidung der akuten von der
chronischen Niereninsuffizienz gelingt, bis
auf die Nierenhistologie, nur durch die Dynamik der Laborwerte in Serum (Kreatinin)
und Urin. Die akute Niereninsuffizienz stellt
immer einen Notfall dar. Time is kidney
function!
Mit der Sonographie kann eine postrenale Ursache gesucht und gleichzeitig die
Anzahl Nieren, die Nierengrösse und die
Morphologie festgehalten werden. Der Volumenstatus ist neben der Anamnese unerlässlich für die Beurteilung eines prärenalen Nierenversagens. Hinweise für eine
Hypovolämie finden sich meist bereits in
der Anamnese. Es gibt aber auch prärenale Situationen mit Hypervolämie, wie
beispielsweise beim kardiorenalen oder
hepato­renalen Syndrom.
Der Urin ist das Schaufenster unserer
Nieren. Es interessiert die Protein- / Albuminurie und das Urinsediment (Erythrozyturie, Leukozyturie). Wir unterscheiden ein
4
nephrotisches (Protein-/Albuminurie) von
einem nephritischen (Erythrozyturie) Urinsediment, wobei letzteres meist durch eine Entzündung im Glomerulum zu Stande kommt, zur Destruktion der Glomeruli
führt und somit ein akutes Nierenversagen auslösen kann. Man spricht in dieser Situation auch von «rapid progressiv
Glomerulonephritis (RGPN)». Eine notfallmässige Diagnostik und Einleitung einer
Therapie noch gleichentags ist unerlässlich. Die Leukozyturie ist bei gleichzeitiger
Bakteriurie mit entsprechenden Symptomen diagnostisch für Harnwegsinfekte.
Eine «sterile» Leukozyturie kann auf eine seltene urologische Tuberkulose hindeuten, ist aber häufiger Ausdruck einer
Entzündung im Niereninterstitium. Die interstitielle Nephritis ist allergischer, meist
medikamentöser, Genese. Die häufigsten
Auslöser sind nicht-steroidale Antirheumatika oder Antibiotika. Grundsätzlich
kann jedes Medikament, auch die häufig
verwendeten Protonenpumpenhemmer,
verantwortlich sein!
Die Uringewinnung ist aufwändig, weshalb
die Urindiagnostik im klinischen Alltag oft
unterlassen wird. Sie hilft aber gerade bei
unklaren systemischen, meist entzündlichen Krankheitsbildern diagnostisch weiter – auch bei normalem Serum Kreatinin!
Eine Nierenhistologie kann die entsprechende Diagnose sichern.
Die symptomatische Hyperkaliämie, die
Hypervolämie, insbesondere die Diuretika
resistente, und die urämische Perikarditis
und Enzephalopathie sind Indikationen für
eine notfallmässige Dialyse. Bei bestimmten Intoxikationen kann eine akute Hämodialyse hilfreich sein.
Autor
Dr. med. Reto Venzin
Leitender Arzt und Leiter Nephrologie / Dialyse
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170 · 7000 Chur
Präklinische Notfallmedizin –
der Verkehrsunfall
Dr. med. David Schurter
Insgesamt sind sie zwar selten, die Verkehrsunfälle mit Verletzungsfolge, aber jeden von
uns kann es unverhofft treffen: vor der Praxis, auf Hausbesuch oder während der Biketour: man ist konfrontiert
mit Umständen, die ganz anders sind als sein gewohntes Alltagsumfeld. Trotzdem wird gerade von Personen in
Medizinalberufen erwartet, dass sie selbstverständlich den Überblick behalten, die Situation sofort richtig einschätzen, umgehend eine korrekte Behandlung einleiten und dabei erst noch «cool» bleiben.
Das Arbeitsumfeld weicht bei einem Verkehrsunfall vom uns bekannten Setting
ab. Es können Gefahren bestehen. Man
kann jedoch mit einfachen Möglichkeiten
eine Stabilisierung des Patienten erreichen. Sehr wichtig ist die Kommunikation
am Unfallort. Schon unter den Ersthelfern
kann mit entsprechender Kommunikation
z. B. verhindert werden, dass eine Alarmierung ausbleibt, weil jeder stillschweigend
erwartet, dass dies von seinem Gegenüber gemacht wird. Insbesondere bei der
Alarmierung können entscheidende Weichen für eine gute Versorgung des Patienten gestellt werden. In und um die Fahrzeuge können Gefahren lauern, die den
meisten Helfern unter Umständen nicht
bewusst sind.
Die landläufige Meinung, dass die Hilfe
an einem Verkehrsunfall abhängig ist von
einer grossen Menge an Hilfsmitteln und
Tools, ist nicht unbedingt richtig. Insbesondere in einer ersten Phase sind Umsicht, ein kühler Kopf und die Fähigkeit gefragt, sich nicht in den ersten Sekunden
auf den nächstbesten Patienten zu stürzen und das Augenfällige zu behandeln.
Es lohnt sich ein strukturiertes Vorgehen
nach ABC-Schema; und letztlich sind es
nicht immer diejenigen, die die Aufmerksamkeit auf sich lenken, die diese auch
zuerst benötigen. Ganz abgesehen davon
gelangt man als Privatperson meist mehr
oder weniger unvorbereitet an eine solche
Unfallsituation.
In Mitteleuropa sind wir in der glücklichen Lage, über ein relativ dichtes Netz
an Rettungs- und Notarztwagen mit entsprechender Besatzung zu verfügen. Zudem verfügen wir über ein ausgebautes
Luftrettungs-System. Die Alarmierung ist
gut etabliert und bei Verkehrsunfällen sind
die Einsatzorte in aller Regel gut erreichbar. In unseren Gefilden kann innert 15 Minuten mit Rettungsmitteln gerechnet wer-
den; in ländlichen Gegenden dauert dies
unter Umständen bis 30 Minuten. Diese
Zeit kann mit einfachen Mitteln überbrückt
werden; dazu hat sich das ABC-System
etabliert:
tungsdienste im Bereich Verkehrsunfälle,
z. B. durch Fahrzeuge mit alternativem
Antrieb (Gas-, Elektro- und Hybridfahrzeuge) und entsprechenden daraus resultierenden Gefahren.
A: Airway and spine control: Offenhalten
der Atemwege, ggf. mit Heben des Kiefers bei verlegtem Atemweg; Schutz
der Wirbelsäule durch manuelle Stabilisation
B: Breathing: Überprüfen der Atmung mit
nötigenfalls künstlicher Beatmung (z. B.
Mund-zu-Mund / Nase)
C:Circulation: Kontrolle von Blutungsquellen resp. Suche derer. Bei fehlendem
Kreislauf Beginn mit Cardiopulmonaler
Reanimation (CPR, Herzdruckmassage
und Beatmung)
Diesem ABC wird – sofern solche evident
sind – eine Kontrolle von stark blutenden
Wunden vorgezogen, da hier mit einfachen
Mitteln ein grosser Benefit für den Patienten erreicht werden kann.
Autor
Dr. med. David Schurter
FMH Anästhesie, Notarzt SGNOR, Leitender Notarzt
Nicht zu unterschätzen sind aktuelle Herausforderungen für professionelle Ret-
Schutz & Rettung Zürich
Weststrasse 4 · 8036 Zürich
5
Hausärztliche Notfälle
Prof. Dr. med. Oliver Senn
Die medizinische Notfallversorgung ist eine wichtige ärztliche Aufgabe und ein Kern-
element der hausärztlichen Tätigkeit. Der traditionelle hausärztliche Notfallkontakt findet meistens in der eigenen Praxis oder zu Hause beim Patienten statt. Auch der telefonische Notfallkontakt kann in vielen Fällen bereits
wirksam sein. Aus medizinischer Sicht geht es bei der Notfallkonsultation primär um den Ausschluss eines
abwendbar gefährlichen Krankheitsverlaufs («rule-out»). Anamnese, klinische «skills» und die Priorisierung von
Symptomen sind Kernkompetenzen für die Risikoeinschätzung. Je nach Art und Ort des Notfallkontaktes können
Praxislabor oder weitere einfache diagnostische Tests eine wertvolle Unterstützung leisten. Untersuchungen im
Notfalldienst der Stadt Zürich haben gezeigt, dass die Mehrheit der Patienten im traditionellen Notfalldienst, wie
er noch heute von vielen Kolleginnen und Kollegen geleistet wird, ambulant und mit wenig Zusatz-Diagnostik versorgt werden konnten 1, 2.
len Patienten, zunehmen wird. Bei dieser
Patientenpopulation ist eine hausärztliche
Notfallversorgung vor Ort meistens die
medizinisch sinnvollste Lösung. Die Gesundheitspolitik tut gut daran, auch herkömmliche Formen des Notfalldienstes zu
unterstützen und gemeinsam mit den verantwortlichen Ärztegesellschaften attraktiv
zu gestalten.
Literatur
1.
Huber CA, Rosemann T, Zoller M, Eichler K,
Senn O. Out-of-hours demand in primary care: frequency, mode of contact and reasons
for encounter in Switzerland. J Eval Clin Pract.
2011;17(1):174-9.
2.Eichler K, Imhof D, Chmiel C, Zoller M, Senn O,
Rosemann T, Huber CA. The provision of outof-hours care and associated costs in an urban
Ansprüche und Erwartungen von Patienten wie auch von Ärzten haben sich in den
letzten Jahren dramatisch gewandelt. Der
Trend, dass Patienten primär das Spital
aufsuchen ist seit vielen Jahren ungebrochen und führt zu einer inadäquaten Behandlungslast der Notfallstationen. Umgekehrt ist die Besetzung der Notfalldienste
in der Stadt wie auf dem Land zunehmend
schwieriger, da die Vereinbarkeit mit der eigenen Praxisführung zunehmend (finanziell) unattraktiv wird, sowie die Verfügbarkeit bei jeder Tages- und Nachtzeit für
den hausärztlichen Nachwuchs eher eine
Schreckensversion und weniger eine erstrebenswerte Perspektive darstellt.
Die Reorganisation des ärztlichen Notfalldienstes ist daher für viele Ärztegesellschaften ein «Dauerbrenner». Die integrierte Notfallpraxis am Spital ist ein
6
neues Versorgungsmodell, das sich in
der Schweiz zunehmend verbreitet. Das
Stadtspital Waid in Zürich hat im Rahmen
eines Pilotprojektes die Implementierung
einer Notfallpraxis wissenschaftlich begleiten lassen. Es zeigte sich, dass die Selbstzuweiser durch die diensthabenden Hausärzte in der Notfallpraxis effizient ambulant
versorgt werden und die Notfallstation dadurch signifikant von nicht-spitalbedürftigen Patienten entlastet werden konnte 3.
Die Mehrheit der hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen war nach zwei Jahren
Erfahrung in der Notfallpraxis sehr zufrieden und bevorzugte dieses Modell gegenüber dem traditionellen Notfalldienst 4.
Auch wenn die Notfallpraxis für gewisse
Aspekte und Patienten ein Erfolgsmodell
ist, sollte man nicht vergessen, dass der
Bedarf an notfallmässigen Konsultationen
insbesondere bei älteren, wenig mobi-
area of Switzerland: a cost description study.
BMC Fam Pract. 2010;11:99.
3.Wang M, Wild S, Hilfiker G, Chmiel C, Sidler P,
Eichler K, Rosemann T, Senn O. Hospital-integrated general practice: a promising way to
manage walk-in patients in emergency departments. J Eval Clin Pract. 2014;20(1):20-6.
4.Hess S, Sidler P, Chmiel C, Bogli K, Senn O,
Eichler K. Satisfaction of health professionals
after implementation of a primary care hospital emergency centre in Switzerland: A prospective before-after study. Int Emerg Nurs.
2015;23(4):286-93.
Autor
Prof. Dr. med. Oliver Senn
FMH Allgemeine Innere Medizin · Stv. Direktor
Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich
Universitätsspital Zürich
Pestalozzistrasse 24 · 8091 Zürich
Akuter Thoraxschmerz
Dr. med. Martin Liesch
Der Thoraxschmerz ist ein relativ häufiges Symptom in der allgemeinen Praxis und auf
jeder Notfallstation. Die Verteilung der Ursachen unterscheidet sich dabei aber deutlich.
In der allgemeinen Praxis liegen die muskuloskelettalen Ursachen mit 30 - 45 % an
erster Stelle, gefolgt von kardialen Ursachen mit ca. 20 %, an dritter Stelle folgen
bereits psychogene Ursachen mit doch
immerhin ca. 10 - 15 %. Ein akutes Koronarsyndrom oder eine andere akut lebensbedrohliche Störung liegen in ca. 5 -10 %
vor. Auf einer Notfallstation sind kardiale
Ursachen mit 65 - 80 % an erster Stelle,
eine akute vital bedrohliche Situation liegt
in ca. 25 - 30 % vor. Diese unterschiedliche
Verteilung bedingt, dass in der Praxis als
erste und wichtigste Frage die Frage steht,
ob es sich bei den Beschwerden um eine gefährliche oder ungefährliche Ursache
der Thoraxschmerzen handelt. Es muss
dabei insbesondere sichergestellt werden
können, dass keine Krankheit oder Situation, welche einer unmittelbaren Therapie
bedarf, verpasst wird. Die diagnostische
Schwierigkeit wird durch den Umstand
verschärft, dass in der Praxis die diagnostischen Möglichkeiten in der Akutsituation
beschränkt sind.
Der Marburger Herz Score wurde an der
Universität Marburg entwickelt und in allgemeinen Praxen validiert. Er besteht aus
5 Fragen und kann in der Praxis die Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer kardialen Ursache von Thoraxschmerzen sinnvoll unterstützen:
Point of Care-(POC)-Labortests dienen
aufgrund ihrer Grenzwerte sowie der prädiktiven Aussagekraft in der Regel eher für
einen Einschluss bzw. einen hohen Verdacht als für eine genügend hohe Sicherheit, dass eine klinisch vermutete Krankheit nicht vorliegt (Ausschluss). Dies gilt
insbesondere für die einmalige Bestimmung. Im Spital arbeiten wir deshalb mit
dem «high sensitive-Troponin T», welches
aber auch nur mittels Verlaufsbestimmungen ein akutes koronares Syndrom (ACS)
ausschliessen lässt. Eine Dynamik des
Troponin-T-hs im tiefen Bereich hilft insbesondere bei der Risikoeinschätzung für
das Vorliegen eines ACS. Das Ruhe-EKG
bringt im Falle eines STEMI direkt die Dia-
Marburger Herz Score – DEGAM Leitlinie Brustschmerz
Kriterien Marburger Herz Score (jeweils 1 Punkt)
·Alter / Geschlecht (Männer ≥ 55 J. und Frauen ≥ 65 J.)
·bekannte vaskuläre Erkrankung
·Beschwerden belastungsabhängig
·Schmerzen sind durch Palpation nicht reproduzierbar
·Patient vermutet Herzkrankheit als Ursache
Punkte
Wahrscheinlichkeit KH
0 -1
< 1%
2
5 %
gering
3
25 %
mittel
4 - 5
65 %
hoch
sehr gering
Brustschmerz AS 11 / 11
gnose, kann aber auch mit unspezifischeren Veränderungen hilfreiche Informationen geben und die Risikostratifizierung für
eine kardiale Ursache seinerseits unterstützen. Das Röntgenbild ist ein wichtiger
Bestandteil der Abklärung thorakaler Beschwerden, hat aber natürlich methodenbedingt ebenfalls seine Limiten und ist immer Untersucher-abhängig. Dazu kommt
ein relativ hoher Anteil an psychogenen Ursachen, welche gegenüber somatischen
abgegrenzt werden müssen, und die natürlich mit technischen Hilfsmitteln nicht
abgeklärt werden.
Die klinische Einschätzung und Beantwortung der Eingangsfrage, ob es sich um eine gefährliche, akut behandlungswürdige
Krankheit handelt, beruht deshalb immer
auf der Integration von Anamnese, körperlicher Untersuchung sowie einiger wichtiger technischer, diagnostischer Hilfsmittel.
Der Stellenwert der klinischen Erfahrung ist
dabei von unschätzbarem Wert.
Autor
Dr. med. Martin Liesch
Chefarzt Innere Medizin und Notfall
Liechtensteinisches Landesspital
Heiligkreuz 25 · 9490 Vaduz
7
Neurologische Notfälle
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger
Patienten präsentieren sich selten mit der Diagnose (Meningitis, Schlagan-
fall, Subarachnoidalblutung, Sinusvenenthrombose, etc.) auf der Notfallstation. Es gilt somit zuerst die Devise:
vom Symptom ausgehend zur Diagnose zu kommen. Die häufigsten neurologischen Symptome bei Notfallsituationen sind Bewusstseinsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel und Lähmungen.
Bei der klinischen Untersuchung sucht
man internistische Grundkrankheiten und
neurologische (evtl. diskrete) Befunde
(z. B. Aufmerksamkeitsdefizit, Sprachstörung, Stauungspapille, Meningismus, Babinski, etc.)
Labor und Bildgebung werden gezielt mit
Fragestellung eingesetzt (also z. B. die
D-Dimere bei einer jungen adipösen Frau,
die raucht und die Pille nimmt, mit mehrtägigen Kopfschmerzen bei Verdacht auf
Hirnsinusthrombose).
Kopfschmerzen (KS)
auf der Notfallstation richtig zu interpretieren ist eine Herausforderung; nicht immer
liegt effektiv eine Notfallsituation (für den
Arzt) vor (eventuell aber schon für den Patienten). So geht z. B. die subjektiv empfundene Kopfschmerz-Intensität keineswegs
parallel zum Gefährlichkeitsgrad. Immer
noch sind die gezielte KS-Anamnese, das
Erfassen der Situation sowie die klinische
Untersuchung die besten Werkzeuge, um
den «banalen» vom «gefährlichen» Kopfschmerz zu unterscheiden. Migräne ist
nicht gleichbedeutend mit MRI-negativem
Kopfschmerz. Lebensgefährliche Kopfschmerz-Situationen wie Meningitis oder
Encephalitis sind im MRI nicht erkennbar.
Die Bildgebung kann sogar falsche Sicherheit erzeugen.
Voraussetzung für eine hilfreiche Bildgebung sind:
1richtig eingesetzt (betr. Region,
Zeitpunkt, Methode)
2klar formulierte Fragestellung
(Hypothese) (CAVE Inzidentalome)
3gute Bildqualität
4professionelle Bildinterpretation
8
Anamnese
Bei der Anamnese gilt es folgende
KS-Dimensionen zu erfassen:
·Zeitliche Aspeke:
seit wann; wie oft; wie lange; wie
rasch (Auf-, Abbau); Nachtschmerz?
·Ort:
Wo? (fokal /diffus); konstant, wechselnd
·Art:
neuartig <> bekannt; pulsierend,
einschiessend; Intensität
·Begleit-Erscheinungen:
subjektiv (Nausea, Lichtscheu,…);
objektiv (Horner, gerötetes Auge,…),
Sprachstörung
·Beeinflussende Faktoren:
auslösend: Wetter, Haltung, Medikament,
Trauma, Anstrengung; lindernd (Ruhe,…)
·System-Anamnese:
Infektzeichen (Fieber, etc.);
Tumorzeichen (Gewicht, Lymphknoten)
·Persönliche Anamnese:
Traumata (SHT); HNO; Ophthalmologisch; Medikamente (oAK, Nitrate,
Immunsuppressiva); Toxine; Drogen;
psychosozial (Konflikte); Familienanamnese
Alarmzeichen
Erstmalige, bislang unbekannte Kopfschmerzen; Dauerkopfschmerz (über 4
Tage); schlagartiger Beginn; zunehmende
Kopfschmerz-Intensität oder zunehmende
Häufung von Kopfschmerz-Episoden.
Alarmierende Begleitsymptome
Erbrechen; Persönlichkeitsveränderungen;
epileptische Anfälle; Fieber; Gewichtsverlust; Verschlechterung des AZ; Seh-,
Sprach-, Gleichgewichtsstörungen; Lähmungen, Sensibilitätsstörungen.
Alarmierende
Untersuchungsbefunde
Psychoorganisches Syndrom; neuropsychologische Defizite; Meningismus, Stauungspapillen;
Okulomotorikstörungen; Koordinationsstörungen; Paresen; Fieber; Anämie; erhöhtes
CRP.
Autor
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger
Emeritierter Chefarzt
Universitätsklinik für Neurologie · Inselspital
Freiburgstrasse · 3010 Bern
Neues Schulungslabor in Vaduz
Mirjam Rohner
Um den Themen Praktikum, Aus- und Weiterbildung mehr Raum und Möglichkeiten zu geben,
unterhält das labormedizinische zentrum Dr Risch jetzt ein eigens dafür eingerichtetes Schulungslabor. Mit der
vollständigen Inbetriebnahme und dem Abschluss der letzten Ausbauarbeiten des neuen Standortes in Vaduz,
wurde das Schullabor Ende Mai in Betrieb genommen.
Das Familienunternehmen bietet jedes
Jahr mehrere Ausbildungsplätze für angehende Biomedizinische Analytiker / innen
HF in den Fachbereichen Klinische Chemie und Hämatologie (polyvalent), Mikrobiologie, Spezialchemie und Immunologie
an. Zudem können interessierte Schüler /
innen der Unter- und Oberstufe die Arbeit
in einem medizinischen Labor kennenlernen. Dafür organisieren wir Einblickstage
und nehmen an den jährlich stattfindenden
FITNA-Tagen (Förderung der Interessen für
Technik und Naturwissenschaften) und am
Nationalen Zukunftstag (Seitenwechsel für
Mädchen und Jungs) teil. Externe MPALehrlinge können sich im Schullabor auf
die praktische QV-Prüfung (Qualitätsverfahren) perfekt vorbereiten.
Unternehmensintern ergeben sich zugleich
optimale Bedingungen, um die regelmäs­
sigen Weiterbildungen und Workshops interaktiver und praktischer zu gestalten.
Anne & Mirjam im neuen Schulungslabor in Vaduz
Neben dem pädagogischen Aspekt dient
das Schulungslabor intern als Testlabor
für Netzwerkanbindung und Verwaltung
von POCT (Point-of-Care-Testing). POCTGeräte sind kompakte Analysegeräte, welche einen immer wichtiger werdenden Teil
der patientennahen Diagnostik darstellen.
Die dezentrale Natur von POCT erfordert
eine passende Testumgebung, um die sich
stellenden Herausforderungen bei der Vernetzung der Analysegeräte gewissenhaft
meistern zu können.
«Wir freuen uns auf die neuen Möglichkeiten und sind dankbar, dass wir unseren
Mitarbeitern eine gute Infrastruktur für Ihre
Weiterbildung anbieten können».
Martin Risch, Geschäftsführer
Autorin
Mirjam Rohner · Ausbildungsverantwortliche
labormedizinisches zentrum Dr Risch
Buchs · Vaduz · [email protected]
9
Cholesterin und Herz
Dr. phil. II Peter Hagemann
Cholesterin war 1816 durch Eugène Chevreul in menschlicher Galle nachgewiesen
worden. Der Begriff «Arteriosklerose» wurde 1833 durch den Pathologen Johann Friedrich Lobstein für Verengungen und Verhärtung von Blutgefässen geprägt. Adolf Windaus, ein damals führender Naturstoffchemiker und späterer Nobelpreisträger, führte 1910 die beiden Begriffe zusammen, als er in Plaques aus menschlichen Aorten 25
Mal mehr Cholesterin fand als in gesunden Aorten. Damit begann das gemeinsame Jahrhundert von Cholesterin
und Herz.
1938 beschrieb der norwegische Arzt Carl
Müller Familien, in denen hohe Cholesterinkonzentrationen im Blut autosomal
dominant vererbt werden. Die Krankheit
wurde familiäre Hypercholesterinämie genannt. Sie führt bei den Betroffenen zu
einer 20-fachen Erhöhung der Zahl der
Herzattacken im mittleren Alter.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Biosynthese von Cholesterin, ausgehend vom
Baustein Acetyl-Coenzym A entschlüsselt.
Konrad Bloch und Feodor Lynen erhielten dafür 1964 den Nobelpreis. Cholesterin hat eine überragende Bedeutung für
den Organismus als Bestandteil der Zellmembran, als Speicherlipid und als Basis
für die Synthese weiterer wichtiger Stoffe,
namentlich Steroiden, Vitamin D und Gallensäuren. Quantitativ wird der grösste Teil
durch den Organismus selbst hergestellt
(ca. 1,5 g /d), aus der Nahrung stammen
ca. 0,3 g /d.
Ebenfalls in den 50-er Jahren des letzten
Jahrhunderts startete der US Ernährungswissenschaftler Ancel Keys die so genannt
7-Länder-Studie zum Zusammenhang
zwischen Ernährung und Herzattacken.
Er fand namentlich, dass die Konzentra­
tion von Cholesterin im Serum proportional
zur Aufnahme von gesättigten Fettsäuren
war. Extreme Kohorten waren auf der einen Seite Japaner mit 165 mg /dl Cholesterinkonzentration, auf der anderen Finnen
mit 270 mg /dl. Diese Finnen hatten eine
13-fach höhere Inzidenz für einen koronaren Zwischenfall als die Japaner.
Cholesterin liegt im Plasma nicht lose vor,
sondern wegen seiner totalen Wasserunlöslichkeit in verschiedener Form assoziiert mit Proteinen. John Gofman begann
ab 1955 diese Lipoproteine mittels der neu
entwickelten Ultrazentrifuge in Dichtegradenten zu trennen (von da her noch immer
10
die Bezeichnungen, z. B. LDL = low density lipoprotein). HDL und insbesondere LDL
traten in den Vordergrund, das «gute» und
das «böse» Cholesterin (Abb. 1). 30 Jahre nach dem Appell des damaligen USPräsidenten Ronald Reagan an seine Mitbürgerinnen und Mitbürger: «Know your
number», gemeint war die Cholesterinkonzentration (Proclamation 5625, 1987),
spielt Cholesterin selbst als Messgrösse
keine zentrale Rolle mehr; hingegen ist der
Begriff weiterhin unentbehrlich als Schlüsselwort zwischen Fachleuten und Laien in
Fragen von Krankheit und Gesundheit, Lebensweise und Ernährung sowie natürlich
in der Werbung.
Die Bestimmung von Cholesterin erfolgte bis in die 80-er Jahre des 20.
Jahrhunderts vorwiegend nach der
Methode von Liebermann und Burchard mittels conc. Schwefelsäure.
Carl Liebermann hatte das Prinzip
1885 gefunden, Hans Burchard 1889
daraus eine praxisgerechte Labormethode entwickelt. Eine erste vollenzymatische Methode wurde 1974 publiziert.
Stoffwechsel, Gene, Risiko
Ab den 70-er Jahren analysierten Goldstein und Brown den Stoffwechsel der Lipoproteine. Untersuchungsmaterial waren
namentlich Zellkulturen von Fibroblasten
aus Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie. Die Forscher fanden den LDLRezeptor und entschlüsselten die Stoffwechselwege von LDL (Nobelpreis 1985).
Ausserdem verfassten die beiden Forscher
eine Chronik der Ereignisse 1, viel ausführlicher als der vorliegende Text und klinischer orientiert. Mit der Identifizierung der
schädlichen Rolle von LDL war auch die
Abb. 1: LDL-Cholesterin
Apoprotein B-100
Cholesteryl
ester
Phospholid
Unesterified
cholesterol
Richtung der Entwicklung von Arzneimitteln vorgezeichnet: Vor allen Dingen Senkung von LDL. 1976 isolierte Akira Endo
einen Wirkstoff aus dem Schimmelpilz Penicillium citrinum. Dieser Wirkstoff hemmt
die Cholesterin-Biosynthese. Dadurch entsteht ein relativer Mangel an selbst hergestelltem Cholesterin in den Zellen, auf den
sie durch Produktion von LDL-Rezeptoren
reagieren. Diese binden LDL aus dem Blut
und führen es dem Abbau zu. 1987 wurde
Lovastatin als erstes Arzneimittel zugelassen. 1994 konnte mit dem ersten Vertreter
der zweiten Generation der Statine, Simvastatin, gezeigt werden, dass nicht nur
Herzattacken reduziert werden, sondern
auch die Lebensdauer der Patienten verlängert wird.
Analytisch hatte lange die Lipidelektrophorese zur Trennung der Lipidfraktionen
dominiert, weil die Ultrazentrifuge dem
Speziallabor vorbehalten ist. Noch leichter zugänglich ist die Berechnung von LDL
mit der Friedewald-Formel (WT Friedewald, 1972). Die Formel ist allerdings nur
korrekt angewendet bei Triglyzeridkonzentrationen < 4,5 mmol / l (nach neueren
Angaben < 2,0 mmol / l) und Proben ohne
Chylomikronen – zwei Randbedingungen,
die nicht immer eingehalten werden, wodurch mit falschen Resultaten gerechnet
werden muss. Deshalb ist es analytisch ein
grosser Fortschritt, dass seit kurzem eine
direkte enzymatische Methode zur LDLBestimmung verfügbar ist.
Klinisch steht in den letzten Jahren nicht
mehr der Blick auf eine einzelne Mess­
grösse im Vordergrund, sondern ein Risikokonzept: Das Risiko, binnen 10 Jahren
ein tödliches oder nicht-tödliches Koronarereignis zu erleiden. Hier zu Lande stellt die
Arbeitsgruppe Lipide und Atherosklerose
(AGLA) einen entsprechenden Rechner zur
Verfügung (www.agla.ch). Er berücksichtigt unveränderliche Daten, nämlich Alter,
Geschlecht (♂ ungünstig), familiäre Belastung. Dazu die Konzentrationen der Lipide
LDL, HDL, Triglyzeride. Ausserdem weitere
Variable (systolischer Blutdruck, Rauchen,
Diabetes).
Bei der eingangs erwähnten familiären Hypercholesterinämie konnten in den letzten
Jahren Ursachen und Mechanismus aufgeklärt werden: Der Defekt ist in ca. 90 %
der Fälle eine Mutation am LDL-Rezeptor.
Die Prävalenz beträgt 1:500 bis 1:300, es
handelt sich also um eine der häufigsten
Erbkrankheiten. Die Diagnose ist zuverlässig möglich, wird aber nach einer deutschen Schätzung mit dem üblichen selektiven Screening nur in ca. 15 % der Fälle
gestellt 2. Die Krankheit ist behandelbar.
Praktisch alles Cholesterin in der Zelle
ist in den Membranen fixiert. Nach dem
Nobelpreis befassten sich Goldstein
und Brown mit den Fragen, wie denn
die Zelle weiss, wie viel Cholesterin in
den Membranen vorhanden ist, wie
diese Information zum Zellkern gelangt,
und wie dort die Gen-Transkription gesteuert wird 1. Nach ersten Ergebnissen
1993 gelang den beiden Forschern in
den Folgejahren die Entschlüsselung
des SREBP-Stoffwechselwegs (Sterol
Regulatory Element-Binding Protein).
Diese Grundlagenforschungen haben
später massgeblich zu einem besseren
Verständnis von Ernährung, Arzneimitteln und Genen im Zusammenhang mit
LDL und koronaren Erkrankungen beigetragen.
Die Wirksamkeit
der skizzierten Forschungsresultate in Bezug auf die menschliche Gesundheit ist
eindrücklich: 1980 waren Krankheiten des
Herz-Kreislauf-Systems für 48.3 % der Todesfälle in der Schweiz verantwortlich, 2014
noch für 32.8 % (Daten aus der Interpharma-Broschüre 2017). Eine Reduktion um
nahezu einen Drittel im Verlauf einer einzigen Generation – und dies in einer alternden
Bevölkerung. Trotzdem stehen sie noch immer an erster Stelle. Wie wird sich ihr Anteil
weiter verändern, z. B. durch eine prophylaktische Gabe von Statinen für bestimmte Kohorten, und vor dem Hintergrund der
Zunahme der Demenzkrankheiten?
Literatur
1 Cell 2015; 161: 161-172
2 Deutsches Ärzteblatt 2014; 111: 31-32
Autor
Dr. phil. Peter Hagemann
Zürich
11
ST2 – Der kardiale Biomarker
für Prognose und Therapie-Kontrolle
bei Herzinsuffizienz
Daniel Rothenbühler · Robert Stuber Akute oder chronische Herzinsuffizienz fordert eine anspruchsvolle Behandlung. Der Einsatz der richtigen Biomarker zur Diagnose, Prognose und Therapie-Steuerung hilft bei der Verbesserung des Patienten-Managements und Kosteneffizienz.
In der heutigen klinischen Praxis stellen
sich bei der Behandlung von Herzinsuffizienz häufig die Fragen nach einer sicheren Diagnose und Risiko-Prognose, sowie
nach der Therapieart und optimaler Medikation.
Gemessene Konzentrationen von Biomarkern bei Patienten mit Herzinsuffizienz sind
bei der Beantwortung dieser Fragen hilfreich. Ein geeigneter Biomarker weist auf
pathophysiologische Abnormalitäten hin,
oft mit prognostischem Wert.
BNP und NT-pro BNP
Die häufigsten Biomarker, die bei Herzinsuffizienz eingesetzt werden, sind BNP
und NT-pro BNP. Es handelt sich dabei
um die beiden Formen der B-Typ natriuretischen Peptidhormone, die durch Dehnung der Herzkammer oder neurohumoraler Stimulation von den Herzmuskelzellen
synthetisiert und ausgeschieden werden.
Konzentrationen von < 35 pg / mL BNP
oder < 125 pg / mL NT-proBNP stufen eine
non-akute Herzinsuffizienz und Werte von
< 100 pg / mL BNP oder von < 300 pg / mL
NT-proBNP stufen eine akute Herzinsuffizienz als unwahrscheinlich ein. Es ist zu
berücksichtigen, dass die BNP- und NTproBNP-Werte durch andere kardiovaskuläre und physiologische Faktoren wie Alter,
BMI, Nierenfunktion etc. beeinflusst werden können.
ST2: ein zuverlässiger Fibrosemarker für Prognose und Therapiesteuerung bei Herzinsuffizienz
ST2 gehört zur Interleukin-1 (IL-1) Rezeptor-Familie und beinhaltet eine membrangebundene Rezeptorform (ST2L) sowie eine
lösliche Variante (soluble toll-like receptor-2,
sST2). ST2 spielt eine wesentliche Rolle in
immunologischen Prozessen und ist direkt
in kardiale Signalwege involviert.
Als Antwort auf Verletzung oder mechanischen Stress wird IL-33 in Fibroblasten gebildet und an ST2L gebunden, wodurch eine kardioprotektive Signalkaskade startet,
welche Fibrose und Versteifung des Herzmuskels (kardiales Remodeling) und somit Herzinsuffizienz entgegenwirkt. sST2
bindet ebenfalls an IL-33 und unterbindet somit den kardioprotektiven Prozess.
Erhöhte sST2-Level reduzieren also den
schützenden Effekt von IL-33.
Wie umfangreiche internationale Publikationen und Studien zeigen, schliesst ST2
die Lücke, da es als Fibrosemarker sehr
gut und zeitnah mit dem aktiven Remodeling-Prozess korreliert. Während die natriuretischen Peptide BNP und NT-proBNP
ideal für die Diagnose der Herzinsuffizienz
geeignet sind, bildet ST2 die optimale Ergänzung für Risikoprognose, Therapiesteuerung und Patienten-Management.
Gemessene ST2-Werte:
> Cut-off → steigendes Risiko
→ intensiveres Therapie
Management
< Cut-off → niedriges Risiko
→ Standardtherapie
ST2: Vorteile im Überblick
·Veränderung der ST2-Werte innerhalb
weniger Stunden im Gegensatz
zu anderen kardialen Biomarkern
·Daher zeitnahe Einleitung von
optimalen Therapiemassnahmen bzw.
deren Kontrolle
·Fibrosemarker, kein Hormon oder
Nekrosemarker
·Kein systemischer Entzündungsmarker, kein Dehnungs-Marker
·Keine Beeinflussung der ST2-Werte
durch Ko-Morbiditäten wie BMI oder
Niereninsuffizienz
·Geringste biologische Variabilität aller
kardialen Biomarker (siehe Tabelle
unten)
·
Seit 2013 in den ACC-AHA
Richtlinien für das Herzinsuffizienz-Management gelistet
Biovariabilität
BNP und NT-proBNP haben sich als Biomarker für die initiale Diagnose der Herzinsuffizienz bewährt und werden auch für
die initiale Diagnose in den Richtlinien der
European Society of Cardiology (ESC)
empfohlen. Bei der Prognose und Therapiesteuerung, resp. dem Patienten-Management, stossen sie allerdings an ihre
Grenzen.
Marker
CV über
2 Monate *1
RCV über
2 Monate *1
Einfluss der
Nierenfunktion
auf Messwert *2
Einfluss von
Dialyse auf
«median relative
analyte change» *3
BNP
50 %
138 %
NA*4
NA*4
NT-proBNP
33 %
92 %
Gross
+19 % vs -43 %
ST2
11 %
30 %
Sehr klein
+2 % vs 3 %
* Wu et al. AM Heart J 2013
* T Müller 2015 Cli Biochemistry
*2 Bayes-Genis 2013 JoCF
*4 NA = Wurde nicht gemessen
1
12
ST2 (sST2): Cut-off: 35 ng / ml
3
Fazit
ST2 & NT-proBNP im Vergleich
ST2 &
NT-proBNP
erhöht
Cumulative Hazard
0.8
0.6
P > 0.001
0.4
Nur ST2 erhöht
Nur NT-proBNP
erhöht
Nicht erhöht
0.2
0.0
0
3
300
600
900
1200
NT-proBNP und ST2 messen zwei
voneinander unabhängige Risiken.
Sind sowohl ST2 als auch NT-proBNP
erhöht, steigt das Risiko deutlich über
die Summe der einzelnen Risiken.
Eine fehlende ST2-Messung kann zu
einer Fehleinschätzung des Risikos
führen.
Tage
Quelle: Antoni Bayes-Genis et al. European Journal of Heart Failure (2012)
Die Studie von Bayes-Genis ergab, dass
ST2 und NT-proBNP sich in der RisikoPrognose gegenseitig ergänzen. NT-proBNP und ST2 messen zwei voneinander unabhängige Risiken.
Sind sowohl ST2 als auch NT-proBNP erhöht, steigt das Risiko deutlich über die
Summe der einzelnen Risiken. Eine fehlende ST2-Messung kann zu einer Fehleinschätzung des Risikos führen.
Klinischer Nutzen von ST2
in der Praxis
Risikoabschätzung:
Dokumentierte Erfahrungen zeigen, dass
die ST2-Level einen tieferen Einblick über
den Status der Herzinsuffizienz erlauben,
die über die Level der natriuretischen Peptide und physische Untersuchungen hinausgehen 1.
Bei akuter und chronischer Herzinsuffizienz, sowie nach Herzinfarkt, sind erhöhte
ST2-Level assoziiert mit verstärkten Symptomen und einem steigenden Risiko für
Hospitalisierung und Mortalität. Die ST2Level bringen wichtige, ergänzende und
zusätzliche Informationen zu BNP oder
NT-proBNP-Messungen 2.
ST2 ist konstant prediktiv bei Herzinsuffizienz mit gleicher oder verringerter Ejektionsfraktion 2.
In der normalen Bevölkerung sind ST2Level assoziiert mit einem erhöhten Risiko
einer Herzinsuffizienzentwicklung, kardiovaskulärer Störungen oder dem Tod 2.
Therapiefestlegung und
Therapiekontrolle:
Dank sehr geringer intra-individueller Variabilität und der relativ raschen Veränderung der ST2-Werte ist ST2 ein aussagekräftiger Marker für serielle Testung
zur optimalen Therapie-Festlegung und
-Überwachung 1.
ST2 – Test
Der ST2-Test ist in 2 Formaten erhältlich:
ASPECT-PLUS™ ST2 POCT: Quantitativer
Streifenschnelltest zur Einzelbestimmung
von sST2 in Serum und EDTA-Plasma
und Presage ® ST2 ELISA: Quantitativer
Enzymimmunoassay in 96-Well-Mikrotiterplatte zur Bestimmung von Nachweis von
sST2 in Serum und EDTA-Plasma.
Literatur
1
Alan S. Maisel and Salvatore Di Somma: Do
we need another heart failure biomarker: focus on soluble suppression of tumorigenicity 2
(sST2); European Heart Journal (2016) 0, 1–9
doi:10.1093/eurheartj/ehw462
2Lori B Daniels & Antoni Bayes-Genis: Using ST2
in cardiovascular patients: a review (Future Cardiol. (2014) 10(4))
3Antoni Bayes-Genis et al. European Journal of
Heart Failure (2012) 14, 32–38 doi:10.1093/eurjhf/hfr156
ST2 – der kardiale Biomarker
Der Test ist im LMZ Dr Risch in Evaluation. Nähere Informationen und Details
zur Einführung folgen zu gegebener Zeit.
Autoren
Robert Stuber · Daniel Rothenbühler
Ruwag Handels AG
Bielstrasse 52 · 2540 Bettlach
www.ruwag.ch
13
Laborumzug von Schaan nach
Buchs SG und Vaduz
Manuela Schöb
Vor 47 Jahren gründete Dr. sc. nat. Gert Risch das labormedizinische zentrum Dr Risch in
Schaan.­Seit 1970 bedienten wir Ärzte, Spitäler und deren Patientinnen und Patienten aus Liechtenstein und der
Ostschweiz vom Standort Schaan aus. Gemäss unserem Leitsatz «Für Sie. In Ihrer Region.» erweiterten wir in den
letzten Jahren unser Angebot in der gesamten Schweiz. Insgesamt 16 Laboratorien und Ambulatorien zählen
heute zur Risch-Gruppe.
Wir freuen uns sehr, dass wir unsere Präsenz auch in der Ostschweiz weiter ausgebaut haben und seit Ende April 2017 das
neue Laborkompetenz-Zentrum in Buchs
in Betrieb nehmen konnten. Zum selben
Zeitpunkt wurden die Türen in den bisherigen Laborräumlichkeiten in Schaan geschlossen. Gleichzeitig ist ein weiterer Teil
der Laborinfrastruktur in unsere neuen und
modernen liechtensteinischen Büro- und
Laborräumlichkeiten in Vaduz eingezogen.
Am 23.09.2017 werden die neuen Standorte in Vaduz und in Buchs feierlich eröffnet und stehen der Bevölkerung zur Besichtigung offen.
Laborneubau in Buchs SG (oben) und Vaduz FL (unten)
Anbei ein paar Eindrücke und Stimmen
aus den beiden Laboratorien in Buchs
und Vaduz.
Autorin
Manuela Schöb
Marketing Backoffice
labormedizinisches zentrum Dr Risch
Buchs · Vaduz
[email protected]
«Täglich gerne zur Arbeit gehen – mit dem neuen, grosszügig
gestalteten Büro macht es noch mehr Freude!
Der sonnige Aussensitzplatz mitten im Grünen garantiert
eine erholsame Mittagspause und ab und zu sogar frisch
Gegrilltes!»
Isolde Gögele-Amann
Leiterin Marketing Ost und Projektmanagement
14
«Das neue rote Gebäude gefällt mir architektonisch sehr gut und es
ist landschaftlich sehr
schön gelegen. Alles ist
sehr grosszügig gestaltet und hell; dies unter
anderem durch die
neuen Sonnenstoren,
welche lichtdurchlässig
sind und nicht abdunkeln. Auch der Aufenthaltsraum mit Terrasse
ist toll».
«Bin restlos glücklich in
den neuen Räumlichkeiten und fühle mich
ausgesprochen wohl.
Ein wunderschönes
Labor mit viel Licht und
Platz».
Christina Green
Sekretariat in Buchs
Charlotte Heule
Sekretariat in Buchs
«Der neue Arbeitsplatz erfüllt mich mit Freude
und Stolz. Er schafft ideale Rahmenbedingungen
für Interaktion, Inspiration und Innovation».
Philipp Würtinger
Abteilungsleiter Hämatologie
«Modernste Industrie-Architektur
die sich in der Laborwelt sehen
lassen kann».
Thomas Lung
Abteilungsleiter Immunologie
«Ich habe grosse Freude an den
neuen hellen Blutentnahmeräumen; es ist schön, dass wir
so viel Platz haben».
Marina Ciola
Interne Logistik in Vaduz
15
Mit frischem Erscheinungsbild und noch
mehr nützlichen Inhalten präsentiert sich
www.risch.ch neu
Birgit Wessling Das Projekt «neue Homepage» begleitete uns über die letzten Monate. Im Fokus der Projektgruppe­
standen ein ansprechendes, funktionales Design mit besonderem Augenmerk auf Benutzerfreundlichkeit und
eine verbesserte Navigation. Gewohnte und neue Inhalte sind damit auch mobil griffbereit, denn unsere neue
Webseite passt sich auf das jeweilige Endgerät an. So ist eine gleichbleibende Benutzerfreundlichkeit und Zugriff
auf Inhalte in drei Sprachen sowohl auf Computern, Tablets und auch Smartphones gewährleistet.
Doch nicht nur im Hinblick auf das Design
hat sich etwas geändert. Die neue Seite
auf www.risch.ch stellt dem User noch
mehr nützliche Inhalte zur Verfügung, um
Sie in Ihrem Arbeitsalltag optimal zu unterstützen und Ihnen Informationen schnell
und übersichtlich zur Verfügung zu stellen.
Von medizinischer Hilfestellung und Expertise in Prä- bis Spezialanalytik und unserem Analysenverzeichnis Ribook bis
zu organisatorischen Informationen, wie
unserem Kurierdienst, der Serothek, dem
neuen Riportal und einem Praxishandbuch
für das Praxisteam, finden Sie alles auf
www.risch.ch
Weitere Neuerungen beinhalten
· Optimierte Suchfunktion und Aufteilung der Suchergebnisse nach Art
des Inhalts
·Übersicht der Ansprechpartner
nach medizinischem Spezialgebiet,
Stand­ort oder Funktion
·Standortspezifisches Event– und
Stellenangebot
·Zentrale und wichtige Links sind
immer verfügbar
Wir wünschen Ihnen viel Freude und rasches Auffinden aller Informationen auf
www.risch.ch !
Unser Analysenverzeichnis
Ribook
Ansprechpartner
Übersicht mit Filterfunktion
Autorin
Birgit Wessling
Marketing Backoffice
labormedizinisches zentrum Dr Risch
Buchs · Vaduz
[email protected]
16
Herunterladen