Internes Whistleblowing fördern

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5 // Compliance
Deutscher AnwaltSpiegel
Ausgabe 03 // 11. Februar 2015
Internes Whistleblowing fördern
Über 40% der deutschen Unternehmen haben kein Vorwarnsystem
Von Dr. Boris Dzida
Seit Edward Snowden und Chelsea Manning ist bekannt,
wie sehr Staaten in die Bredouille kommen können,
wenn Whistleblower ihr Wissen über interne Missstände publik machen. Aber auch für Unternehmen ist es
ein erhebliches Risiko, wenn Arbeitnehmer ihr internes Wissen nach außen tragen: Im Jahr 2012 zahlte ein
großes Pharmaunternehmen 3 Milliarden Dollar Strafe,
nachdem ein Marketingmitarbeiter den US-Behörden
verraten hatte, dass sein Arbeitgeber Medikamente
für nichtgenehmigte Zwecke vertrieb. Eine Bank zahlte
2 Milliarden Dollar, nachdem ein Arbeitnehmer den Behörden Informationen zugeleitet hatte, wonach sein
Arbeitgeber an Geldwäsche beteiligt war. Arbeitnehmer,
die sich mit ihrem internen Wissen an die Staatsanwaltschaft oder an die Behörden wenden, können für den
Arbeitgeber also sehr teuer werden.
© Leslie Banks/Thinkstock/Getty Images
Internes Whistleblowing stärken
Achtung Whistleblower! Bleibt die Enthüllung im Unter­
nehmen, bietet sie Chancen, Fehlentwicklungen aufzuklären
und abzustellen.
Dennoch greift es aus Unternehmenssicht zu kurz,
Whistleblower pauschal als Risiko abzutun. Wenn Arbeitnehmer ihr Wissen über Missstände im Unternehmen intern offenbaren können, anstatt es nach außen zu
tragen, bietet Whistleblowing die Chance, Fehlentwicklungen intern aufzuklären und abzustellen. Denn gerade
in großen, international tätigen Unternehmen kann die
Geschäftsführung nicht jeden Missstand im Unternehmen kennen – und die eigenen Arbeitnehmer sind die
besten Aufklärer. Im Idealfall wird ein Fehler nach einem
internen Hinweis geräuschlos behoben, ohne dass Geldbußen gegen das Unternehmen verhängt werden oder
die Reputation des Unternehmens durch öffentliche
Aufmerksamkeit leidet. Internes Whistleblowing bietet
somit die Chance, Risiken zu begegnen, Haftung zu vermeiden und den guten Ruf des Unternehmens zu schützen. Deshalb sollte jedes Unternehmen ein Interesse daran haben, internes Whistleblowing zu fördern.
Hinweisgebersystem einrichten,
interne Whistleblower schützen
Die Chancen des internen Whistleblowing kann nur
nutzen, wer ein Hinweisgebersystem einrichtet. Bei der
Einführung von Whistleblower-Hotlines müssen in den
meisten Ländern arbeits- und datenschutzrechtliche
Vorgaben beachtet werden. Sind alle rechtlichen Hürden genommen, muss die Hotline den Arbeitnehmern
bekanntgemacht werden: Das beste Hinweisgebersystem nutzt nichts, wenn die Arbeitnehmer hiervon nichts
wissen. Gerade in Tochtergesellschaften in fernen Ländern ist eine Whistleblower-Hotline für Arbeitnehmer
oftmals das einzige Mittel, die Unternehmensleitung in
Deutschland über Korruption, Unterschlagung, Bilanzfälschung oder sonstige Vergehen des örtlichen Managements zu informieren. Allerdings muss der Arbeitgeber
glaubhaft vermitteln, dass er Arbeitnehmer, die Miss- 
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Ausgabe 03 // 11. Februar 2015
stände im Unternehmen intern melden, vor Sanktionen
und Repressalien schützt. Arbeitnehmer, die Angst vor
einer Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses haben, werden entweder schweigen oder ihr internes Wissen anonym an die Behörden oder Medien melden.
Studie zeigt Verbesserungsbedarf
Gerade in Deutschland müssen viele Unternehmen ihre
Strukturen für internes Whistleblowing verbessern. Dies
ist das Ergebnis einer Umfrage von Freshfields Bruckhaus
Deringer und dem Meinungsforschungsinstitut Censuswide, bei der im Herbst 2014 weltweit 2.500 Manager
befragt wurden, 500 hiervon in Deutschland. Hiernach
gaben 41% der deutschen Manager an, dass in ihrem Unternehmen keine Strukturen für interne Tippgeber bestehen. Zugleich sagten 44% der befragten deutschen
Manager, dass sie selbst bereit wären, Missstände im
Unternehmen an eine Aufsichtsbehörde, einen Verband
oder die Medien weiterzugeben, wenn interne Whistle­
blower-Strukturen nicht richtig funktionieren. Diese
hohe Bereitschaft von deutschen Führungskräften zu
externem Whistleblowing illustriert besonders anschaulich, wie wichtig es ist, interne Hinweisgebersysteme
einzurichten, damit Arbeitnehmer ihr Wissen nicht nach
außen tragen. Allerdings gaben 63% der befragten deutschen Manager an, dass Arbeitnehmer in ihrem Unternehmen Repressalien fürchteten, wenn sie Missstände
intern melden: Mitarbeiter haben hiernach insbesondere Angst vor einer Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses
sowie vor Nachteilen bei Beförderungen oder Bonusentscheidungen. Schließlich sagten lediglich 2,8% der befragten deutschen Manager, dass die Einrichtung von
internen Whistleblower-Systemen aktuell einen hohen
Stellenwert auf der Agenda ihrer Geschäftsleitung habe.
Fast 40% der befragten deutschen Manager glauben allerdings, dass sich dies schlagartig ändern würde, wenn
ihr Unternehmen durch einen Arbeitnehmer, der sich an
die Medien wendet oder seinem Ärger über soziale Medien Luft macht, in die Schlagzeilen geraten würde.
Angst vor Denunzianten
Woran liegt es, dass in 41% der deutschen Unternehmen
keine Systeme für interne Hinweisgeber bestehen, während nach der Studie lediglich 12% der englischen Unternehmen auf ein Whistleblower-System verzichten?
Und woran liegt es, dass 23% der befragten deutschen
Manager sagten, dass sie niemals auf die Idee kämen,
selbst zum Whistleblower zu werden – während es in
den USA lediglich 8% sind? Ein wesentlicher Grund für
diese regionalen Unterschiede liegt sicherlich in den
unterschiedlichen Erfahrungen, die einzelne Länder mit
Whistleblowern gemacht haben. Wegen der geschichtlichen Erfahrung mit dem nationalsozialistischen und
dem kommunistischen Regime werden Whistleblower
in Deutschland oftmals reflexartig mit Denunzianten
gleichgesetzt. Als deutsche Tochtergesellschaften amerikanischer Unternehmen vor gut zehn Jahren begannen, aufgrund der Sarbanes-Oxley-Vorschriften Whistle­
blower-Hotlines einzuführen, war der Widerstand
hiergegen bei deutschen Betriebsräten beträchtlich.
Die Arbeitnehmervertreter befürchteten, dass anonyme
Denunzianten ihre Kollegen unberechtigt beim Arbeitgeber anschwärzen könnten. Auch wenn diese Angst
nicht verschwunden ist, hat sich seitdem auch bei vielen
Betriebsräten eine differenzierte Betrachtung durchgesetzt: Wenn schlagzeilenträchtige Skandale die Reputa-
tion des Arbeitgebers ruinieren, schadet dies letztlich
auch der Sicherheit der Arbeitsplätze. Eine geräuschlose
interne Aufklärung von Missständen ist auch aus Arbeitnehmersicht vorzugswürdig. Auch kann kein Betriebsrat
ein Interesse daran haben, dass beispielsweise schwarze Kassen im Unternehmen oder Bilanzfälschung unter
den Teppich gekehrt werden.
Managementhaftung begrenzen
Schließlich liegt es auch im Interesse der Unternehmensleitung, Strukturen für interne Tippgeber zu
schaffen. Erst vor wenigen Monaten entschied das LG
München in dem sogenannten „Neubürger-Urteil“, dass
sich Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft schadenersatzpflichtig machen können, wenn sie nicht für
die Einrichtung und Überwachung eines funktionierenden Compliance-Management-Systems sorgen (Az.
5 HK O 1387/10). Denn darin liegt eine Verletzung der
dem Vorstand obliegenden Organisationspflichten. Eine
Whistleblower-Hotline allein ist für ein funktionierendes Compliance-Management-System natürlich nicht
ausreichend. Wer jedoch ein Compliance-ManagementSystem ohne Strukturen für interne Tippgeber hat, der
sollte dies auch unter dem Gesichtspunkt der ManageF
menthaftung überdenken.
Dr. Boris Dzida,
Rechtsanwalt, Partner, Arbeitsrecht,
Freshfields Bruckhaus Deringer,
Hamburg
[email protected]
www.freshfields.com
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