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09. Juli 2017
Vitamin D bei Multipler Sklerose
Risikoreduktion und therapeutischer
Mehrwert?
Lange schon wird ein Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Status und Multipler
Sklerose (MS) vermutet. Eine Studie aus 2016 konnte zudem einen kausalen
Zusammenhang bestätigen und die SOLAR-Studie lieferte erste Anhaltspunkte auf
einen möglichen therapeutischen Mehrwert.
Kausalität: höhere Vitamin-D-Spiegel verringern das MS-Risiko
Bereits vor rund 100 Jahren wurde erstmals ein Zusammenhang zwischen der geographischen
Lage und der MS-Prävalenz beobachtet: Je größer die Entfernung zum Äquator ist, desto
größer ist das Risiko an MS zu erkranken.1 Diverse epidemiologische Beobachtungsstudien
konnten außerdem einen Zusammenhang zwischen Vitamin-D-Mangel und einem erhöhten
MS-Risiko zeigen.2
Offen blieb bislang, inwieweit ein Vitamin-D-Mangel eine Ursache oder eher eine Folge der
Multiplen Sklerose darstellt. Rhead und Kollegen konnten einen kausalen Zusammenhang
zwischen niedrigen 25(OH)D-Serumkonzentrationen und dem MS-Erkrankungsrisiko
feststellen. Hierfür untersuchten Sie die statistische Kausalität in einer kaukasischen
Population aus Nordkalifornien mit 1.056 MS-Patienten und 9.015 gesunden Menschen sowie
einer schwedischen Population mit 6.335 MS-Patienten und 5.762 gesunden Menschen.3 Die
Auswertungen zeigten, dass Patienten mit einem höheren Vitamin-D-Spiegel ein geringeres
Risiko hatten an MS zu erkranken. Der Risikoquotient der Metaanalyse beider Populationen
lag bei 0,85 (p=0,03; 95 % KI: 0,76-0,98).3
Als notwendiger Serumspiegel zur Verringerung des MS-Risikos wird dabei ein Wert von ≥
100 nmol/l erachtet.4 Dieser Wert basiert auf der Beobachtung, dass die MS-Prävalenz bei
Menschen, welche in einer sonnenreichen Region leben und sich viel im Freien aufhalten mit
Serumspiegeln zwischen 105 und 163 nmol/l am niedrigsten ist.4
Mögliches Add-on zu MS-Therapien? - Ergebnis der SOLAR-Studie
Die SOLAR-Studie zeigte Hinweise für einen therapeutischen Mehrwert der Vitamin-DSupplementation ergänzend zu einer immunmodulatorischen Therapie mit Interferon-beta 1a
s.c.5 In die Studie waren 229 Patienten mit schubförmiger MS eingeschlossen, wobei 113
Patienten zusätzlich zu Interferon-beta 1a täglich 14.000 I.E. Vitamin D als Add-on Therapie
erhielten.5
Zwar konnte der primäre Endpunkt der Studie, NEDA (No Evidence of Disease Activity),
nicht erreicht und auch die Behinderungsprogression nicht verzögert werden, allerdings
ergaben sich bei zwei sekundären Endpunkten Hinweise auf einen therapeutischen Mehrwert
durch Vitamin D. Es zeigte sich ein Trend hin zu einer reduzierten jährlichen Schubrate von
0,28 in der Vitamin-D-/Interferon-Gruppe gegenüber 0,41 in der Interferon-Gruppe. 5
Ein signifikanter Unterschied ergab sich außerdem bei der MRT-Aktivität: Die Anzahl aktiver
Läsionen war unter der Einnahme von Vitamin D um 32 % reduziert.5
Immunmodulatorische Wirkung des Vitamin D mehrfach gezeigt
Insgesamt wird für Vitamin D eine antiinflammatorische sowie eine immunmodulatorische
Wirkung angenommen.2 Es zeigte sich, dass ein höherer Vitamin-D-Spiegel den Anteil von
Th17-Zellen, welche immunregulatorisch wirken, steigern und die Produktion von
proinflammatorischen Cytokinen senken kann.3
Auch eine Sub-Studie (SOLARIUM) der SOLAR-Studie, deutete auf antiinflammatorische
und immunregulatorische Effekte des Vitamin D hin. Hierbei zeigte sich, dass bei MSPatienten ohne Vitamin-D-Substitution der Anteil der antiinflammatorisch wirkenden IL4+ThZellen sinkt, während dieser bei MS-Patienten unter Vitamin-D-Substitution gleich blieb.6
Auch im Maus-Modell der Multiplen Sklerose der Experimentellen Autoimmunen
Encephalitis (EAE) konnte sowohl ein präventiver als auch kurativer Effekt festgestellt
werden.7-9
Überlegungen zu hochdosiertem Vitamin D für MS-Patienten
Die genannten Ergebnisse passen auch zu Beobachtungen bei anderen
Autoimmunerkrankungen, wie Typ-1-Diabetes10,11, Systemischen Lupus erythematodes
(SLE)12, Sjögren-Syndrom13 und Rheumatoider Arthritis12, bei denen ebenfalls ein protektiver
Effekt des Vitamin D gezeigt werden konnte.
In der Praxis existieren Therapieüberlegungen zu hochdosierten Vitamin-D-Gaben. Diese
werden damit begründet, dass nur ganz hohe tägliche Gaben von Vitamin D bei MS-Patienten
effektiv helfen können, da bei diesen eine Stoffwechselverwertungsstörung vorliege. Bislang
gibt es allerdings keine veröffentlichten Studien, die diese Theorien stützen. Belegt ist
allerdings, dass Vitamin-D-Mangel auch durch Glucocorticosteroide entsteht. Da diese zur
Schubkontrolle eingesetzt werden, ist bei den betroffenen Patienten gemäß der verfügbaren
internationalen Leitlinien ein Test auf Vitamin-D-Mangel indiziert.14,15
1. Davenport, 1922 erwähnt in Hayes. Proceedings of the Nutrition Society 2000; 59:
531-535. Vitamin D: a natural inhibitor of multiple sclerosis.
2. Pierrot-Deseilligny and Souberbielle. Brain 2010; 133: 1869-1888. Is hypovitaminosis
Done of the environmental risk factors for multiple sclerosis?
3. Rhead et al. Neurology Genetics 2016; 2(5)e97. Mendelian randomization shows a
causal effect of low vitamin D on multiple sclerosis risk.
4. Vieth et al. American Journal of Clinical Nutrition 1999; 69: 842-856. Vitamin D
supplementation, 25-hydroxyvitamin D concentrations and safety.
5. Smolders et al. Journal Neurol Science 2011; 311: 44-49. Efficiacy of vitamin D3 as
add-on therapy in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis receiving
subcutanous interferon beta 1a: a Phase II, multicenter, double-blind, randomized,
placebo-controlled trial.
6. Muris et al. Journal of Neuroimmunology 2016; 300: 47-56. Immune regulatory
effects of high dose vitamin D3 supplementation in a randomized controlled trial in
relapsing remitting multiple sclerosis patients receiving IFNβ; the SOLARIUM study.
7. Lemire and Archer. J Clin Invest 1991; 87: 1103-1107. 1,25-dihydrovitamin D3
prevents the in vivo induction of murine experimental autoimmune encephalomyelitis.
8. Cantorna et al. Proc Natl Acad Sci 1996; 93: 7861-7864. 1,25-dihydroxyvitamin D3
reversibly blocks the progression of encephalomyelitis, a modell of multiple sclerosis.
9. Mehan and DeLuca. Arch Biochem Biophys 2002; 408: 200-204. The vitamin D
receptor is essential for 1alpha, 25-dihydroxyvitamin D(3) to suppress experimental
autoimmune encephalomyelitis in mice.
10. EURODIAB substudy 2 study group. Diabetologia 1999; 42: 51–54. Vitamin D
supplement in early childhood and risk for Type I (insulindependent) diabetes
mellitus.
11. Hypponen et al. Lancet 2001; 358: 1500–1503. Intake of vitamin D and risk of type 1
diabetes: a birth-cohort study.
12. Muller et al. Clinical Rheumatology 1995; 14: 397–400. Vitamin D3 metabolism in
patients with rheumatic diseases: low serum levels of 25-hydroxyvitamin D3 in
patients with systemic lupus erythematosus.
13. Bang et al. Scandinavian Journal of Rheumatology 1999; 28: 180–183. Reduced 25hydroxyvitamin D levels in primary Sjoegren’s syndrome. Correlations to disease
manifestations.
14. Holick et al. Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2011, 96(7): 19111930. Evaluation, Treatment, and Prevention of Vitamin D Deficiency: an Endocrine
Society Clinical Practice Guideline.
15. Varsavsky et al. Endocrinol Diabetes Nutr. 2017; 64(S1):7-14. Recomendaciones de
vitamina D para la poblacion general.
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